In einem Interview mit der deutschen Presseagentur macht Anne Brorhilker, als Oberstaatsanwältin langjährig federführend mit der Aufklärung des Cum-Ex-Skandals betraut, auf Defizite in der Verfolgung von schwerem Steuerbetrug aufmerksam. Sie hält die bisher ergriffenen Maßnahmen für unzureichend.
Durch Cum-Ex-Betrügereien wurde der deutsche Staat um schätzungsweise 30 bis 40 Milliarden Euro geprellt, vor allem in den Jahren 2006 bis 2011. Der Cum-Ex-Betrug ist damit der größte Steuerskandal der Bundesrepublik. Dabei inszenierten Banken und andere Investoren ein Verwirrspiel mit Aktien und bekamen von Finanzämtern Steuern erstattet, die sie gar nicht gezahlt hatten. Die Politik reagierte mit einer 2012 greifenden Gesetzänderung, allerdings unzureichend.
Von 2012 bis 2024 arbeitete Anne Brorhilker (51) in der Kölner Staatsanwaltschaft als federführende Oberstaatsanwältin an der Aufdeckung des Cum-Ex-Skandals.
In rund 120 Cum-Ex-Ermittlungsverfahren wurde unter Brorhilkers Führung gegen 1700 Beschuldigte ermittelt. Es kam zu einigen Verurteilungen. Unter anderem wurde Hanno Berger, der einst in die Schweiz geflohene „Mr. Cum Ex“, wegen Steuerhinterziehung – bestätigt durch den Bundesgerichtshof (BGH) – zu acht Jahren Haft verurteilt.
Oberstaatsanwältin Brorhilker nahm eine zentrale Rolle bei der Verfolgung von Cum-Ex-Steuerbetrügern ein. Im April 2024 bat sie allerdings um ihre Entlassung und wechselte als Geschäftsführerin zur NGO „Finanzwende“. Knüppel zwischen die Beine hatte Brorhilker von Benjamin Limbach (Grüne, vormals SPD) geworfen bekommen, NRW-Justizminister und Sohn der vormaligen Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts Jutta Limbach (vormals SPD). Er hatte am 27. September 2023 im Rechtsausschuss des NRW-Landtags eine Umstrukturierung der Staatsanwaltschaft Köln angekündigt. Limbach hat die Pläne zwar offiziell „auf Eis“ gelegt. Aber bei Brorhilker dürfte dies das Fass zum Überlaufen gebracht haben.
Dem WDR sagte Brorhilker Ende April 2024 in einem 17 Minuten langen Exklusivinterview: „Ich war immer mit Leib und Seele Staatsanwältin, gerade im Bereich von Wirtschaftskriminalität, aber ich bin überhaupt nicht zufrieden damit, wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt wird. Da geht es oft um Täter mit viel Geld und guten Kontakten, und die treffen auf eine schwach aufgestellte Justiz.“ Weiter sagte sie: Noch immer fehlten Kontrollen.
Brorhilker forderte mehr Personal in der Strafverfolgung sowie eine zentrale bundesweite Behörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität, die auch Steuervergehen verfolge. Die vormalige Oberstaatsanwältin äußerte auch grundsätzlich scharfe Kritik an der Strafverfolgung von Finanzkriminalität: Steuerdiebstähle seien längst nicht gestoppt, es gebe Cum-Ex-Nachfolgemodelle. Grund seien fehlende Kontrollen.
Bei anderer Gelegenheit sagte sie: „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.“ Sie sprach im September 2024 gar von einer Zwei-Klassen-Justiz. TE hat den Betrugsskandal sowie das Verhalten des vormaligen Hamburger Bürgermeisters, späteren Bundesfinanzministers und aktuellen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) regelmäßig kritisch begleitet.
Brorhilker: „Cum-Ex läuft weiter“
Nun hat Anne Brorhilker der deutschen Presseagentur ein Interview gegeben, das am 2. Januar 2025 in Tageszeitungen und Magazinen wiedergegeben wird.
In diesem Interview zeigt sich Brorhilker fest davon überzeugt, dass Steuerbetrug mit illegalen Aktiengeschäften in der Banken- und Finanzwelt noch immer verbreitet ist. Wörtlich: „Cum-Ex läuft weiter – auch lange nach der Gesetzesänderung von 2012.“
Die Wahrscheinlichkeit, dass Cum-Ex-Geschäfte und artverwandte Cum-Cum-Deals noch heute durchgeführt werden, ist nach Einschätzung der Ex-Oberstaatsanwältin hoch: „Es heißt immer, die Geschäfte seien technisch inzwischen unmöglich, weil die Regelungen geändert wurden.“ Aber die Täter hätten Cum-Ex-Deals europaweit durchgeführt und damit auch in Ländern mit anderen Systemen als in Deutschland.
Brorhilker weiter: Nach wie vor sei das Risiko für Banken, bei kriminellen Machenschaften entdeckt zu werden, sehr gering. Denn: „Die Banken wissen: Keiner kann es uns beweisen. Wir haben ein Kontrolldefizit, egal, welche Regeln wir aufstellen. Und die kriminelle Energie der Branche versiegt nicht.“
Ein großes Problem bei der Cum-Ex-Aufklärung sei, dass Banken Daten im Ausland horteten. „Banken und Steuerberater verschieben große Datenmengen in nahezu rechtsfreie Räume in anderen europäischen Staaten, doch die Strafverfolgung endet faktisch an der deutschen Grenze.“ Sie habe als Ermittlerin bei Cum-Ex-Ermittlungen erlebt, dass Banken falsche Angaben gegenüber Behörden machten, dies aber nur sehr schwer überprüft werden könne.
Brorhilker fordert, dass Banken ihre Daten in Deutschland lagern müssen. „Wenn eine Finanzbehörde bei einem Friseursalon oder einer Imbissbude das Gefühl hat, dass geschummelt wird, dann kann man überprüfen, ob das Kassensystem manipuliert ist – bei Banken ist das hingegen nicht möglich, deren technische Systeme sind so gesichert, dass kein Staat ohne Mithilfe der Bank an die Daten kommt.“ Brorhilker markant: „Wir lassen es in Deutschland zu, dass internationale Investmentbanken uns ausrauben.“
Nach Meinung von Brorhilker braucht Deutschland eine zentrale Behörde gegen schwere Wirtschaftskriminalität nach österreichischem Vorbild. Hierzulande hake es an der Zusammenarbeit zwischen Behörden wie der Finanzaufsicht „Bafin“, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, also dem Bundeszentralamt für Steuern, den beim Bundesfinanzministerium angesiedelten Betriebsprüfern und den ebenfalls zuständigen Landesfinanzbehörden.
Brorhilker kritisierte zudem: In Deutschland mangele es an spezialisierten und erfahrenen Staatsanwälten. In der Justiz sei es üblich, dass Beamte häufig die Abteilung wechselten, um verschiedene Gebiete kennenzulernen. „Im Ergebnis haben die Ermittler nicht genug Zeit, sich in die komplexe Cum-Ex-Materie einzuarbeiten. Teils sind Ermittler damit befasst, die keinerlei Prozesserfahrung haben.“ Notgedrungen konzentriere sich die Justiz auf kleinere Fälle, die leichter abzuarbeiten sind, um Erfolge vorzuweisen. „Die großen Fälle bleiben liegen.“
Nach wie vor verlaufe die Aufklärung illegaler Aktiendeals schleppend, kritisierte Brorhilker. Nach Zahlen des Bundesfinanzministeriums von Ende 2023 hat sich der Staat erst 3,1 Milliarden Euro der entgangenen Cum-Ex-Gelder rechtssicher zurückgeholt. 380 Fälle mit einem Volumen von 3,8 Milliarden Euro sind in Bearbeitung. Bei Cum-Cum ist die Bilanz noch dürftiger: Per Ende 2023 hat sich der Fiskus laut BMF erst 205 Millionen Euro gesichert.
Kommt nach wie vor ungeschoren davon: Olaf Scholz
Von einer neuen Bundesregierung fordert Brorhilker mehr Engagement bei der Aufklärung vor allem von Cum-Cum-Deals. „Ich erwarte, dass sie den Kampf gegen Wirtschaftskriminalität zur Chefsache macht. Sonst werden viele Fälle verjähren und Milliarden an Steuergeld sind unwiderruflich weg.“
Möglicherweise auch, weil mit dem sogenannten „Vierten Bürokratieentlastungsgesetz“ die Aufbewahrungspflicht von Dokumenten und Belegen um zwei Jahre von zehn auf acht Jahre verkürzt wurde. Dieses Gesetz wurde von der „Ampel“ mit Stimmen der Union verabschiedet und ist seit Ende Oktober 2024 in Kraft.
Den Namen Scholz nennt Brorhilker nicht, auch wenn der Skandal mit Vorwürfen gegen Kanzler Scholz bis in die höchsten Ebenen der Politik reicht. Scholz schloss vor dem Untersuchungsausschuss zum Cum-Ex-Skandal in Hamburg eine politische Einflussnahme kategorisch aus, und beruft sich ansonsten auf Erinnerungslücken.
Nach wie vor besteht dennoch Bedarf an der Einrichtung eines Untersuchungsausschusses im Bundestag speziell zum Hamburger Bankenskandal.
Die Union hat diesen qua Organklage beantragt und das dafür notwendige Viertel der Bundestagsabgeordneten gestellt. Die „Ampel“ aber hat den Untersuchungsausschuss blockiert. Begründung: Dieser Skandal sei Landes- und nicht Bundessache. Deswegen wiederum ist die Union nach „Karlsruhe“ gegangen. Dort hat man die Entscheidung im Februar 2024 erst einmal aufgrund einer Bitte der SPD um Fristverlängerung auf eine ziemlich lange Bank geschoben.
Damit der Betrogene nicht einmal mehr der Steuerzahler bleibt, wird es höchste Zeit, dass eine neue Bundesregierung bzw. eine neue Bundestagsmehrheit Brorhilkers Vorschläge aufgreift, Licht ins Dunkel bringt und die Mauern des Schweigens zertrümmert. Auch der Ruf „Karlsruhes“ steht dabei auf dem Spiel.
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
„Nach wie vor besteht dennoch Bedarf an der Einrichtung eines Untersuchungsausschusses im Bundestag speziell zum Hamburger Bankenskandal.Die Union hat diesen qua Organklage beantragt und das dafür notwendige Viertel der Bundestagsabgeordneten gestellt. Die „Ampel“ aber hat den Untersuchungsausschuss blockiert.“
Die AFD hat demzufolge in dieser „Angelegenheit“ scheinbar nüscht unternommen das enttäuscht mich maßos.
Danke für die geldwerten Tipps heute:
„Banken und Steuerberater verschieben große Datenmengen in nahezu rechtsfreie Räume in anderen europäischen Staaten, doch die Strafverfolgung endet faktisch an der deutschen Grenze.“Bürgergeld: Arbeitsverweigerer haben nichts zu befürchten Nun ist der Weg frei, um für 2025 großzügig zu planen. ;-)) Danke Deutschland.
Mobbing gegen staatliche Funktionsträger ist ein ganz normaler Vorgang, wenn die Durchführung des Grundgesetzes (hier: das Legalitätsprinzip) per Weisungsrecht (vgl. § 106 GewO/Analognormen), vereitelt werden soll. Wenn die Medien dies eines Tages begreifen resp. anders fokussieren, könnte sich etwas ändern. Zumindest wüsste dann die Gesellschaft wie der von innen organisierte Demokratiezerfall, funktioniert. Auch die von Faeser abgeschaffte Unschuldsvermutung im Disziplinarrecht (wider BVerwG 2 WD 36.09 resp. Art. 6 Abs. 2 EMRK) spielt hier eine große Rolle, da sie auch die Remonstrationspflicht de facto abschafft. Dies mit der Folge einer weiteren Ausuferung von Menschenrechtsverletzungen, die für die Medien iaR unerwähnt bleiben,… Mehr
Und dabei wäre alles so einfach. Der Staat sollte die Kapitalertragssteuer abschaffen. Der Normalbürger könnte dadurch Fortschritte bei dem Aufbau der privaten Altersvorsorge erzielen während den oben beschriebenen Machenschaften der Boden entzogen würde.
Tja wen soll das wundern was diese Ex-Staatsanwältin hier erzählt! Wenn selbst der Kanzler bis zur Unterlippe im Cum-Ex-Skandal drinsteckt… und ein schmieriger Ex-Godmannsachs Bankier nun im Finanzministerium wüten darf…
Es ist ALLES so gewollt! Man will Staatsanwaltstatisten! Ja es sind alles nur Statisten denn irgendein dahergelaufener Politclown kann JEDEN Staatsanwalt sagen was er zu tun hat! Also hat sich dieses Rechtssystem eh komplett erledigt!
Warum das jemanden wundern soll…
In der Schweiz sind die Cum-Ex-Gauner mit dem simplen Hinweis abgeblitzt, das nicht bezahlte Steuern nicht erstattet werden. Ein vernünftig übersichtlich gestaltetes Schweizer Steuerrecht hat die Betrügerei in der Schweiz verhindert. Aber was macht unsere Oberstaatsanwältin? Sie fordert kein vernünftiges Steuerrecht, das solche kriminellen Auswüchse verhindert, sondern noch mehr an mehr oder weniger nutzloser Überwachungsbürokratie. Mir scheint, das nicht nur in der Finanzpolitik, sondern auch bei den Finanzbehörden und der Justiz Hopfen und Malz verloren ist.
Möglicherweise auch, weil mit dem sogenannten „Vierten Bürokratieentlastungsgesetz“ die Aufbewahrungspflicht von Dokumenten und Belegen um zwei Jahre von zehn auf acht Jahre verkürzt wurde. Dieses Gesetz wurde von der „Ampel“ mit Stimmen der Union verabschiedet und ist seit Ende Oktober 2024 in Kraft. — Na, klingelt da was? Naturgemäß werden Abermillionen Euro nicht von Normalverdienern bewegt, wenn man das Abzweigen von Steuergeldern in diesem Ausmaß mittels krimineller Energie mal so nennen will. Es waren Topleute im Finanzwesen (Banken) und der Wirtschaft, die das große Rad zum Nachteil des Staates drehten – und der Politik, die enorm lange Zeit benötigte bis mittels… Mehr
Defizite in der Verfolgung von schwerem Steuerbetrug….dafür verfolgt man ja die kleinen „steuerbetrüger“ viel mehr siehe zb melden von verdächtigen an die finanzbehörden von verkaufsportalen/kleinanzeigen. Das tehma ist auch extrem heikel und wird deswegen kaum angesprochen obwohl es hier um richtig viel geld geht. Um mal zu „vergleichen“ – beim bürgergeld geht es um 10mrd pa die man einsparen könnte wenn man da knall hart wäre – beim steuerbetrug wären über 100mrd pa zu holen wenn man da knall hart bei der verfolgung von steuerkriminellen wäre. Man stelle sich vor ein herr Merz CDU würde sich hinstellen und ein knall… Mehr
Solch außerordentlich intelligente Frauen wie Brorhilker stellen eine systematische Gefahr für Leute dar, die verantwortlich sind, für mafiöse Strukturen politischer Kriminalität. Ich zähle Scholz zu jenen und seine komplette SPD dazu. Vertuschung im Cum-Ex Skandal und noch mehr im Cum-Cum Steuerraub gelingen anscheinend auch deswegen, weil Rückverfolgungen und Transparenz in Steuerstrafsachen durch bewusst unzureichende Gegenmaßnahmen per Gesetz verhindert werden. Weisen Leute wie Frau Brorhilker darauf hin, werden ihr einfach Handfesseln angelegt, und setzen sie einfach Schachmatt! „Wir lassen es in Deutschland zu, dass internationale Investmentbanken uns ausrauben.“(Zitat Brorhilker) Und Herr Merz ist ein Zögling von einer solchen Investmentbank, BlackRock. Ich… Mehr
Die 3,8 Milliarden holt man sich bei den Kleinanlegern wieder. Vorabpauschalen bei ETF´s, Sofortabzug bei Dividenden, Doppelbesteuerung bei Auslandsaktien, Verlustverrechnungsbeschränkungen, Soli auf Pauschalsteuer, sind nur einige Stichworte, bei denen der Kleinanleger abgezogen und seinem Geld hinterherlaufen muss. Jeder Punkt für sich, ist für den Anleger zum Nachteil, was in einem Rechtsstaat unmöglich wäre.