Stark-Watzingers Agieren wirft Fragen auf: Könnte ihr Sprechverbot für die Ex-Staatssekretärin damit zusammenhängen, dass diese gefährliche Informationen ans Tageslicht befördern könnte? Werden Chatnachrichten zurückgehalten, weil sie eine größere Rolle der Ministerin in der Affäre belegen könnten?
Nicht selten ist für Politiker der Umgang mit einer Affäre gefährlicher als die Affäre selbst. Im Falle von Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) bestätigt sich das einmal mehr. Worum geht es? Im Juni war durch eine Recherche des linken ARD-Magazins Panorama bekannt geworden, dass Mitte Mai im Bildungsministerium eine Prüfung angelaufen war, ob man bestimmten Wissenschaftlern Förderungen entziehen kann.
Zuvor hatten sich „Lehrende an Berliner Universitäten“ in einem offenen Brief darüber beschwert, dass die Polizei am 7. Mai konsequent gegen pro-palästinensische beziehungsweise israelfeindliche Störer vor der FU Berlin vorgegangen war. Sie stellten sich „vor unsere Studierenden“ und verteidigten deren „Recht auf friedlichen Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt“.
Die Bildungsministerin kanzelte den Brief, der kein Wort über das Hamas-Massaker vom 7. Oktober verlor, öffentlich ab. Daraufhin wurden im Ministerium die Überlegungen zu „förderrechtlichen Konsequenzen“ für die Unterzeichner angestellt. Diese Gedankenspiele waren jedoch schnell hinfällig, als klar wurde, dass der Brief der Wissenschaftler unter die Meinungsfreiheit fällt und Konsequenzen nicht denkbar sind.
Wirkliche Kritik verdient im Grunde erst, was im Nachgang geschah – und bis heute geschieht. Denn am 16. Juni teilte Stark-Watzinger in einer offenbar hastig, jedenfalls auffälligerweise an einem Sonntagabend veröffentlichten Pressemitteilung mit, dass sie sich von ihrer beamteten Staatssekretärin Sabine Döring trennt.
Grund: Döring habe den inkriminierten und nun öffentlich kritisierten Prüfauftrag zum Fördermittelentzug veranlasst. Durch den Vorgang sei der Eindruck entstanden, „dass die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen auf der Basis eines von der Meinungsfreiheit gedeckten offenen Briefes im Bundesministerium für Bildung und Forschung erwogen werde“. Und das widerspreche „den Prinzipien der Wissenschaftsfreiheit“.
Zwei Tage zuvor hatte Döring in einer hausinternen Mitteilung die Verantwortung für den Prüfauftrag übernommen. Die Staatssekretärin schrieb, dass die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen nie intendiert gewesen sei, sie sich bei der Erteilung des Auftrages aber „offenbar missverständlich ausgedrückt“ habe.
Das Ministerium übernahm dieses Narrativ. Was schon an sich die Frage aufwirft, warum Döring überhaupt gefeuert wurde, wenn sie sich höchstens einen handwerklichen Fehler, nämlich die missverständliche Formulierung einer hausinternen Weisung, hatte zu Schulden kommen lassen. Längst sind die Fragezeichen allerdings noch größer geworden, denn Döring stellt sich mittlerweile offen gegen ihre vormalige Chefin.
Anfang Juli wurde bekannt, dass die geschasste Staatssekretärin Klage eingereicht hat. Döring will erreichen, dass sie sich selbst öffentlich zur Affäre äußern darf. Bisher verbietet ihr das die beamtenrechtliche Verschwiegenheitspflicht. Das Ministerium droht ihr mit rechtlichen Konsequenzen, sollte sie sich zur Angelegenheit einlassen. Am vergangenen Freitag fuhr das Bildungsministerium in der Sache zunächst einen Punktsieg ein: Das Verwaltungsgericht Minden wies einen Eilantrag Dörings zurück.
Entsprechend durfte sie weder in einer Arbeitsgruppe der Unionsbundestagsfraktion aussagen, noch am Dienstag vor dem Bildungsausschuss des Bundestages sprechen. Der hatte auf Antrag von CDU und CSU schon zum zweiten Mal die Ministerin vorgeladen, um die Affäre aufzuklären.
Zu Beginn musste der grüne Ausschussvorsitzende Kai Gehring mitteilen, „Frau Ministerin“ habe die Teilnahme Dörings und auch eines relevanten Abteilungsleiters aus dem Bildungsministerium abgelehnt. Die vormalige Staatssekretärin war allerdings trotzdem gekommen: Sie saß auf der Tribüne und schaute schweigend zu. Vielleicht sollte das wie eine stille Drohung an Stark-Watzinger wirken, die sich unten im Ausschussrund zu rechtfertigen hatte.
Besonders pikant: Döring erwähnte ausdrücklich auch „Wire-Chat-Verläufe“. Bei Wire-Chat handelt es sich um eine ministeriumsinterne Kommunikationsplattform. Im Juli hatte der Spiegel Auszüge aus einem entsprechenden Gruppenchat veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass ein Vertrauter Stark-Watzingers schon vor Erteilung des Prüfauftrags eine Verbindung zwischen dem offenen Brief und Förderungen durch das Ministerium hergestellt hatte.
Das belegt zwar nicht, dass die Ministerin in den Prüfauftrag involviert war. Aber es wirft die Frage auf, ob womöglich weitere Chatnachrichten genau dies nachweisen könnten. Das Problem: Das Ministerium will die Chats nicht herausgeben.
Und so wirft Stark-Watzingers Agieren verschiedentlich eine ähnlich gelagerte Frage auf: Könnte ihr Sprechverbot für die ehemalige Staatssekretärin damit zusammenhängen, dass diese gefährliche Informationen ans Tageslicht befördern könnte? Und analog für die Chatnachrichten: Werden diese zurückgehalten, weil sie eine größere Rolle der Ministerin in der Affäre belegen könnten?
Die Ministerin betonte am Dienstag vor dem Ausschuss, ihr Haus habe „umfassend Transparenz hergestellt“. Allerdings war auch dieser Auftritt nicht gerade dazu angetan, das Vertrauen in sie zu stärken. Zu den Wire-Chat-Verläufen erklärte die FDP-Politikerin bloß, es handle sich um „politische persönliche Kommunikation“, die nicht weitergegeben werde. Die vom Spiegel aufgedeckten Zitate kommentierte sie nicht.
Insgesamt wirkte Stark-Watzinger mal genervt, mal empört über die Fragen insbesondere aus der Union. Wie strapaziert die Nerven in der FDP in der Angelegenheit sind, machte auch eine Einlassung von Stark-Watzingers Parteifreundin Ria Schröder deutlich. Die warf der Union nicht nur vor, „unanständig“ und „wie ein Staatsanwalt“ ohne Wahrheitsanspruch zu agieren. Schröder rechtfertigte auch das Redeverbot für Döring auf absurde Weise: Dieses diene „nämlich auch dem Schutz von Frau Döring“.
Man wüsste gern, was in diesem Moment der zum Schweigen Gebrachten oben auf der Ausschusstribüne durch den Kopf ging. Wie man auch generell gern wüsste, was sie zu dem ganzen Vorgang zu sagen hat. Vielleicht kommt das ja noch. Durchgestanden ist die Angelegenheit für die Ministerin jedenfalls noch nicht.
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Da hilft nur ein schnellstmöglich eingerichteter Untersuchungsausschuss. Und zwar bevor sämtliche Beweise verschwinden. Die haben Dreck am Stecken, die haben was zu verbergen.
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