Der Teilnehmer an der Vorwärts-Gesprächsreihe, Bundesjustizminister Maas, hat vorgeschlagen, das Parteiengesetz zu ändern. Dieser Vorstoß des Bundesjustizministers ist jedoch eine Nebelkerze, mit der er von der aktuellen Problematik ablenken will.
Die SPD hat ein Problem mit Geld. Nicht nur, soweit es um das Geld der Steuerzahler, sondern auch wenn es um die eigenen Finanzen geht. Kürzlich hat das ZDF-Magazin Frontal 21 in einem viel beachteten Beitrag aufgedeckt, dass die Network Media GmbH (NWMD) Veranstaltungen organisiert hat, auf denen Vertreter von Unternehmen und Lobbygruppen mit SPD-Politikern zusammentrafen. Die NWMD gehört als Tochterfirma des Vorwärts Verlags zum SPD-eigenen Großkonzern Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (ddvg). Zu einem Gutteil wurden für diese sogenannten Vorwärts-Gespräche von Unternehmen Zahlungen von 3.000 bis 7.000 € geleistet, es fanden aber auch Veranstaltungen statt, für die keine Zahlungen geleistet wurden. Soweit ersichtlich haben die daran teilnehmenden SPD-Politiker Vorträge gehalten und/oder Gespräche geführt. Die NWMD hat sich dahingehend geäußert, dass sie und der Vorwärts keine Gesprächstermine gegen Geld verkauft, sondern Partner gesucht haben, die bereit gewesen seien, die Veranstaltungskosten zu tragen.
Eine Aufarbeitung dieses Sachverhalts ist nicht nur in politischer Hinsicht notwendig, sondern insbesondere auch in juristischer Hinsicht. Der geschilderte Sachverhalt wirft parteienrechtliche sowie steuerrechtliche und strafrechtliche Fragen auf. Hier steht die Diskussion noch am Anfang. Dieser Beitrag soll einen ersten Überblick über die rechtliche Einordnung dieser Vorwärts-Gesprächsreihe geben.
Vorwärts-Gespräche entgegen weitverbreiteter Annahme kein Sponsoring
In den Medien wird diese Art der Parteienfinanzierung zumeist unter dem Begriff Sponsoring abgehandelt – oftmals mit dem Hinweis, dass das Sponsoring im Parteiengesetz nicht geregelt, insoweit eine Lücke im Gesetz gegeben sei, die geschlossen werden müsse. Einer der Teilnehmer an diesen Veranstaltungen, Bundesjustizminister Maas, hat bereits vorgeschlagen, das Parteiengesetz zu ändern. Dieser Vorstoß des Bundesjustizministers ist jedoch eine Nebelkerze, mit der er von der aktuellen Problematik ablenken will. Denn es ist zwar richtig, dass das Partei-Sponsoring nicht im Parteiengesetz geregelt und eine diesbezügliche Gesetzesänderung erforderlich ist. Doch vorliegend geht es gar nicht um Sponsoring.
Sponsoring setzt nämlich voraus, dass das zahlende Unternehmen eine Gegenleistung von der Partei erhält, zum Beispiel indem die Partei dem Unternehmen die Gelegenheit gibt, sich mit seinen Produkten oder Dienstleistungen auf einem Parteitag zu präsentieren, oder die Partei auf die Unterstützung des Unternehmens in geeigneter Weise öffentlich aufmerksam macht. Gerade das war aber bei den Vorwärts-Gesprächen nicht der Fall. Hier zielten die zahlenden Unternehmen nicht auf Öffentlichkeit und Image-Gewinn. Ganz im Gegenteil: die finanzielle Unterstützung der Unternehmen wollte man am besten geheim halten. Im übrigen fanden zum Teil auch Veranstaltungen statt, ohne dass überhaupt Zahlungen geflossen sind, bei denen also ein Sponsoring von vorneherein ausscheidet.
Bundestagsverwaltung hat Verstoß gegen Parteiengesetz zu prüfen
Obgleich namhafte Juristen den Verdacht eines Verstoßes gegen das Parteiengesetz geäußert haben, soll die Bundestagsverwaltung schon abgewunken haben mit der Begründung, dass die NWMD ein rechtlich eigenständiges Unternehmen sei und sich die Prüfungskompetenz der Bundestagsverwaltung nur auf die Partei selbst, nicht aber auf deren eigenständige Gesellschaften erstrecke.
Auch die Übernahme von Veranstaltungen durch andere sind Einnahmen im Sinne des Parteiengesetzes
Doch da irrt die Bundestagsverwaltung. Denn in § 26 Absatz 1 Parteiengesetz heißt es: „Als Einnahmen gelten auch … die Übernahme von Veranstaltungen … durch andere, mit denen ausdrücklich für eine Partei geworben wird.“ Das heißt, dass eine Partei als Einnahmen in seinem Rechenschaftsbericht auch erfassen muss, wenn ein anderer eine Veranstaltung durchführt, mit der für die Partei geworben wird. Wenn also beispielsweise ein Unternehmen oder eine Organisation (z. B. Gewerkschaft) auf einem Marktplatz eine Veranstaltung organisiert, bei der für die Wahl einer Partei geworben wird, dann musss die Partei dies im Rechenschaftsbericht angeben. Das gilt aber selbstverständlich nur, wenn die Partei eine Mitgestaltungs- oder Einwirkungsmöglichkeit hat, wie es die Rechtsprechung formuliert. Ansonsten könnte jederman einer Partei Einnahmen aufdrängen, auch wenn diese das gar nicht wünscht. In der Praxis scheitern etwaige Versuche, Veranstaltungen oder Kampagnen von Dritten einer Partei zuzurechnen, am häufig nicht zu erbringenden Nachweis dieser Einwirkungsmöglichkeit.
Vorwärts-Gespräche als Veranstaltungen im Sinne des § 26 Parteiengesetzes?
Die Bundestagsverwaltung kann es sich also nicht so einfach machen und nur darauf verweisen, dass die NWMD ein eigenständiges Unternehmen sei. Denn auch Veranstaltungen eines anderen, hier also der NWMD, können unter § 26 Parteiengesetz fallen. Wäre dies der Fall, hätte die SPD die von der NWMD aufgewendeten Kosten (z. B. für Raummiete, Abendessen usw.) als Einnahmen im Sinne des Parteiengesetzes ansetzen müssen. Ohne jede Bedeutung wäre, ob für die Veranstaltungen Zahlungen von Unternehmen geflossen sind oder ob die NWMD Gewinne erzielt und diese an die SPD weitergeleitet hat.
Somit stellen sich zwei Fragen: 1. Hatte die SPD auf die Veranstaltungen der NWMD eine Einwirkungsmöglichkeit? 2. Wurde mit den Veranstaltungen ausdrücklich für die SPD geworben?
NWMD ein „echtes SPD-Baby“
zu 1.: Die NWMD ist zu 100 % eine Tochtergesellschaft des Vorwärts-Verlages, es besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Beide Gesellschaften hatten und haben gemeinsame Geschäftsführer. Der Vorwärts-Verlag wiederum gehört zu 100 % zum SPD-eigenen Konzern ddvg, hier besteht ebenfalls ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Die NWMD ist also – wie es auf ihrer Internetseite zutreffend heißt – ein „echtes SPD-Baby“. Aufgrund dieser Konstellation besteht hier eine hinreichende Einwirkungsmöglichkeit der SPD-Parteiführung und vor allem des SPD-Schatzmeisters und ddvg-Treuhänders auf ihr „Baby“ NWMD. In welchem Umfang eine Einwirkung tatsächlich erfolgt ist, spielt keine Rolle, da die Möglichkeit genügt.
Vorwärts-Gespräche waren Teil der SPD-Öffentlichkeitsarbeit
zu 2.: Auf den Veranstaltungen der NWMD haben hochrangige SPD-Politiker Vorträge gehalten und Gespräche geführt. Die Teilnahme dieser SPD-Politiker war der Kern dieser Veranstaltungen. Die Durchführung solcher Veranstaltungen mit Vorträgen und Meinungsaustausch gehört zu den Kernaufgaben von Parteien. Sie sind Teil der Öffentlichkeitsarbeit von Parteien und dienen der öffentlichen Meinungspflege. Mit anderen Worten: Die Veranstaltungen dienten ausdrücklich der Werbung für die SPD. Ohne Bedeutung ist dabei, ob eine Veranstaltung, auf der ein Politiker redet und zum Meinungsaustausch bereit steht, auf einem Marktplatz vor 100 oder 1.000 Leuten stattfindet oder in einem Nobel-Restaurant vor 20 ausgesuchten Personen.
Verdacht des Verstoßes gegen Parteiengesetz
Zumindest auf Basis der zur Verfügung stehenden Medieninformationen liegt somit der Verdacht eines Verstoßes gegen § 26 Parteiengesetz nahe. Der Bundestagsverwaltung obliegt es im Rahmen des Parteiengesetzes, die Vorgänge um die Vorwärts-Gespräche der SPD eingehend zu prüfen. Dabei kann sie sich nicht darauf zurückziehen, dass die NWMD von der SPD rechtlich unabhängig sei. Denn § 26 Parteiengesetz bezieht Veranstaltungen Dritter ausdrücklich mit ein.
Auch die Staatsanwaltschaft müsste Ermittlungen aufnehmen
Kommt man zum Ergebnis, dass die Vorwärts-Gespräche dem § 26 Parteiengesetz unterfallen und somit die Rechenschaftsberichte der SPD mangels Erfassung dieser Einnahmen unrichtig sind, kommen nicht nur finanzielle Sanktionen nach dem Parteiengesetz in Betracht. Dann stellt sich auch die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Denn gemäß § 31d Parteiengesetz steht es unter Strafe, unrichtige Angaben über die Einnahmen im Rechenschaftsbericht zu machen in der Absicht, die öffentliche Rechenschaftslegung zu umgehen.
Und hier kommt es nun darauf an, wer von den für den Rechenschaftsbericht zuständigen SPD-Bundesvorstandsmitgliedern welche Verantwortung trug und was wusste. Das läßt sich von außen anhand der Medienberichte naturgemäß nicht beurteilen. Doch so viel lässt sich wohl feststellen: Die Durchführung dieser Vorwärts-Gespräche war zumindest beim Schatzmeister und bei den SPD-Bundesvorstandsmitgliedern, die daran teilgenommen haben, bekannt. Ob der einzelne gewusst hat, dass die NWMD die Veranstaltungen organisiert hat oder ggf. annahm, der Vorwärts habe dies getan, ist unerheblich. Denn es macht im Sinne des Parteiengesetzes keinen Unterschied, ob die NWMD oder der Vorwärts die Veranstaltungen organisiert hat. Ebensowenig käme es darauf an, ob die zuständigen Bundesvorstandsmitglieder davon wussten, dass für die Veranstaltungen Geld geflossen ist, weil es auf den Geldfluss nicht ankommt. Die Staatsanwaltschaft wäre somit gehalten, zumindest Vor-Ermittlungen aufzunehmen.
Auch Finanzämter und Steuerfahndung haben Anlaß zu prüfen
Doch damit nicht genug. Auch Finanzämter und die Steuerfahndung müssten aktiv werden. Nach dem Bericht von Frontal 21 hat die NWMD den zahlenden Unternehmen Rechnungen mit Umsatzsteuer erteilt. Man kann jetzt wohl als lebensnah unterstellen, dass die zahlenden Unternehmen die Rechnungen als Betriebsausgabe gewinnmindernd abgesetzt und die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer mindernd in ihren Voranmeldungen und Jahreserklärungen berücksichtigt haben. Dies wäre jedoch nur dann rechtmäßig, wenn die NWMD tatsächlich Leistungen an die zahlenden Unternehmen erbracht hätte.
Laut Vorwärts: keine Gesprächstermine gegen Geld
Hier stellt sich nun die entscheidende Frage, welche Leistungen dies gewesen sein sollen. Das politische Gespräch mit dem SPD-Politiker bzw. der exklusive Zugang zu einem Politiker kommt als käufliche Leistung nicht in Betracht. Die NWMD hat ausdrücklich mitgeteilt, dass sie und der Vorwärts keine Gesprächstermine gegen Geld verkauft haben. Die Gespräche mit Politikern waren es also nicht, die man kaufen konnte. Das Abendessen, das der zahlende Unternehmer erhalten hat, käme zwar als Leistung in Betracht, doch das kann man in Anbetracht von Zahlungen in Höhe von 3.000 bis 7.000 € getrost als geringfügig vernachlässigen.
Zahlungen für Vorwärts-Gespräche: schenkweise Finanzierung
Die NWMD stellt daher auch ausdrücklich darauf ab, dass man Partner gesucht habe, die die Veranstaltungskosten zu tragen bereit waren. Wenn man dies als wahr unterstellt, dann ging es also ausdrücklich nicht um Leistung und Gegenleistung. Dann fand kein Leistungsaustausch statt, sondern dann ging es um eine Form der (Mit-)Finanzierung. Die zahlenden Unternehmen haben die Veranstaltungen insgesamt oder zu einem maßgeblichen Teil finanziert. Wer sich freiwillig an der Finanzierung eines Projekts oder einer Veranstaltung beteiligt, ohne dazu verpflichtet zu sein, der darf dies zwar tun; er schenkt oder spendet dann aber – und zahlt eben nicht für eine Leistung. Und wer schenkt oder spendet, dem darf keine Rechnung über eine angebliche Leistung ausgestellt werden; es würde sich ansonsten um eine Schein-Rechnung handeln.
Da im Steuerrecht gilt, dass die Unternehmen als Rechnungsempfänger die Darlegung- und Beweislast trifft, dass den geltend gemachten Betriebsausgaben (angemessene) Gegenleistungen gegenüberstehen, darf man hier auf die Argumentation der Beteiligten gespannt sein – insbesondere in Anbetracht der bereits getätigten Äußerungen.
Vorwärts-Gespräche keine Fundraising-Dinner
Die vorliegende Fallkonstellation unterscheidet sich auch von den sogenannten Fundraising-Dinner (Wohltätigkeitsessen), die von Parteien in der Vergangenheit veranstaltet wurden und zu denen sich die Bundestagsverwaltung bereits vor längerer Zeit offiziell geäußert hat (siehe Bundestagsdrucksachen 14/4747, S. 33, u. 13/8888, Nr. 4.4.6.). Dort zahlten alle Teilnehmer beispielsweise 100 € für die Teilnahme an einem Essen, das nur einen Warenwert von 40 € hatte. Bei einem solchen Essen war eine Zahlung also erforderlich, um am Essen teilnehmen zu können. Der zahlende Teilnehmer erhielt mit dem Essen eine Gegenleistung, die nicht mit dem reinen Warenwert (40 €), sondern mit dem allgemeinen Marktpreis (100 €), den jeder Teilnehmer zahlen musste, zu bewerten war. Es fand also ein Leistungsaustausch statt. Bei den aktuellen Vorwärts-Gesprächen war eine Zahlung seitens der Teilnehmer hingegen nicht erforderlich; die meisten Teilnehmer haben überhaupt nichts gezahlt, nur einzelne habe eine Zahlung geleistet, aber nicht für das Essen, sondern um die Veranstaltungskosten zu übernehmen.
Voraussetzungen für Abzug als Geschenk oder Spende nicht gegeben
Soweit also Unternehmen für die Vorwärts-Gespräche Zahlungen geleistet haben, spricht einiges dafür, dass der Betriebsausgabenabzug und der sogenannte Vorsteuerabzug bei der Umsatzsteuer für die Unternehmen unzulässig sind. Stattdessen dürfte es sich eher um Geschenke oder Spenden handeln. Die steuerlichen Voraussetzungen für einen etwaigen Abzug als Geschenk und als Spende sind aber offenkundig nicht gegeben.
Die Finanzämter und Steuerfahndung hätten somit Anlass zu prüfen, ob hier vorsätzlich unrichtige Steuererklärungen eingereicht worden sind. Nicht nur die zahlenden Unternehmen hätten dann ein steuerliches und steuerstrafrechtliches Problem, sondern auch die Verantwortlichen der NWMD und des Vorwärts bis hin zum SPD-Bundesvorstand, insbesondere dem Schatzmeister, sofern diese in die NWMD-Geschäftspraktiken involviert waren. Denn mit dem Ausstellen falscher Rechnungen über nicht erbrachte Leistungen wären die unrichtigen Steuererklärungen der zahlenden Unternehmen überhaupt erst möglich gemacht worden, so dass eine Beihilfe oder Anstiftung in Betracht käme. Auch insoweit wäre naturgemäß wieder die individuelle Verantwortlichkeit der Beteiligten zu prüfen. Hier wäre also zu klären, wer bei der SPD dieses „Geschäftsmodell“ initiiert hat und wer hierüber Bescheid wusste.
Es gibt also viel zu tun für Bundestagsverwaltung, Steuerbehörden und Staatsanwaltschaft.
P. S. Dies ist eine – vorläufige – Bewertung auf Grundlage der verfügbaren Medienberichte. Die offiziellen Informationen der SPD und ihrer Parteifirmen sind äußerst knapp gehalten. Die SPD-Verantwortlichen halten sich – aus gutem Grund – weitgehend bedeckt. Die bisherige Diskussion über Käuflichkeit und Parteiensponsoring und etwaige Gesetzesverschärfungen geht in die falsche Richtung. Vielmehr geht es um mögliche Verstöße gegen das aktuelle gültige Parteiengesetz und die Steuergesetze. Hinreichender Anlass für die Aufnahme von Ermittlungen besteht nach diesseitiger Einschätzung jedenfalls.
Ansgar Neuhof ist Rechtsanwalt und Steuerberater mit Kanzlei in Berlin.
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