Die SPD verliert Arbeiter an die AfD, Großstädter an die Grünen und den Realitätsbezug gleich mit. Selbst mit Boris Pistorius als Kanzlerkandidat hätte die Partei keine Trendwende geschafft – stattdessen diktiert sie nun als Juniorpartner der Union ihre Bedingungen.

Hätte die SPD mit einem Boris Pistorius als Kanzlerkandidat besser abgeschnitten? Vielleicht einige Prozentpunkte, vorausgesetzt, er wäre schon nach der für die Sozialdemokraten desaströsen Europawahl 2024 als neue Spitzenfigur eingesprungen. Das tatsächliche Personal beschleunigte den Niedergang der Sozialdemokraten, aber selbst ein Wechsel hätte nicht viel daran geändert.
Denn die Gründe liegen in den Tiefenschichten der Partei: sie verlor ihre alten Wähler, besser gesagt, sie verjagte sie, ohne neue Anhänger zu finden. Dass Olaf Scholz mit der gesamten SPD stillschweigend zusah, wie die Grünen die Deindustrialisierungspolitik vorantrieben, zeigt sich in den Zahlen: nur 12 Prozent der Arbeiter stimmten am 23. Februar laut Infratest dimap für die ehemalige Arbeiterpartei – aber 37 Prozent für die AfD, die mit Abstand den Rang der neuen Arbeiterpartei einnimmt. Die urbanen Lifestyle-Linken wanderten 2025 noch stärker zu den Grünen als 2021. Und der Versuch der Jusos, mit Paläo-Sozialismus ein paar Punkte zu machen, half erwartungsgemäß nur der in Linkspartei umbenannten SED ein Stück weiter nach oben.
Gegen diese Strategie der Gesamt-SPD, Wähler nach allen Seiten abzustoßen, mit der Wirtschaftspolitik, aber auch mit der Weigerung, irgendetwas an der Migration zu ändern, wäre auch jeder andere als Scholz machtlos gewesen. Dass Scholz geradezu autistisch so tat, als ob er trotz allem das Kanzleramt verteidigen könnte, trug allerdings spezifisch zu dieser Niederlage bei. Eine Partei, die noch nicht einmal ihre eigene Lage erkennt, will zu Recht niemand an der Spitze des Landes sehen.
Als Juniorpartner der Union weitermachen, um in dem Bündnis das Bürgergeld zu verteidigen und Grenzkontrollen wie Abschiebungen zu erschweren – das führt zwangsläufig zu weiteren Verlusten bis 2029. In der Opposition zerfiele die Truppe allerdings noch schneller – nur die Aussicht auf Machtbeteiligung, also Posten, hält sie überhaupt noch zusammen. Die Wende zurück zur klassischen SPD von Helmut Schmidt und Gerhard Schröder kann und will die erstarrte Funktionärsriege aber erst recht nicht vollziehen. Die SPD existiert eigentlich nur noch als Politfunktionärshülle, aber gerade der Gesamtausgang der Wahl rettet sie: als einziger in Frage kommender Partner der Brandmauer-Union kann sie jetzt Bedingungen weit über ihr eigentliches Gewicht diktieren. Ihre Lage ist also hoffnungslos, aber (fürs erste) nicht ernst. Deshalb darf auch Parteichef Klingbeil, Hauptverantwortlicher für den Katastrophenwahlkampf, jetzt an die Fraktionsspitze treten.
CDU: Halber Sieg für Merz. Davon kassiert die nächste Koalition das meiste wieder ein
Die Union besteht eigentlich aus zwei Kräften, die nicht zusammenpassen. Nein, nicht CDU und CSU. Sondern Merkelianer und diejenigen, die die CDU aus dem Schatten der früheren Kanzlerin führen wollen. Was bedeuten würde: wieder deutlich zur Mitte und ins rechtsdemokratische Spektrum. Merz musste mit dieser ungeklärten Frage in den Wahlkampf ziehen. Wo er selbst steht, bleibt offen. Die Legende allerdings, er habe, indem er kurz vor der Wahl einen Antrag zur Migrationsbegrenzung einbrachte und die Stimmen der AfD dafür in Kauf nahm (was er gar nicht verhindern konnte), Wähler der Mitte verprellt und sich um ein besseres Ergebnis gebracht, fällt angesichts der Zahlen in sich zusammen. Die Union verlor zwar 1,01 Millionen Wähler an die AfD, holte aber sehr viel mehr von der anderen Seite: allein 3,35 Millionen, die 2021 noch FDP wählten, 1,76 Millionen von der SPD, 900.000 ehemalige Nichtwähler und sogar 460.000 von den Grünen. Hätte Merz nicht wenigstens diesen Versuch unternommen, die Migrationspolitik – für die meisten Wähler neben Wirtschaft das wichtigste Thema – mit einem eigenen Vorstoß zu konkretisieren, wäre sein Ergebnis nicht besser, sondern schlechter ausgefallen.
Wahrscheinlich könnte Merz jetzt mit einem besseren Ergebnis im Rücken in die Verhandlungen gehen, wenn er nicht die Möglichkeit einer Minderheitsregierung kategorisch ausgeschlossen hätte. Denn so – an die Brandmauer gedrückt – konnte er die eigentlich im Land vorhandene Wechselstimmung nicht glaubwürdig bedienen. Zweitens fehlt ihm jetzt auch jedes Druckmittel gegenüber der SPD. Fazit für die Union: sie kann an den Beispielen SPD und FDP studieren, was einer Partei passiert, die von imaginären Wählern träumt, statt sich auf ihr klassisches Publikum zu konzentrieren. In der nächsten Bundestagswahl entscheidet sich das Schicksal der CDU. Also spätestens 2029, vielleicht aber auch früher.
Grüne: Als Partei gescheitert, als Robert-Habeck-Sekte stabil
Die Grünen erweisen sich wieder einmal als Sondergebilde unter den deutschen Parteien. Nach einem Wahlkampf, in dem Robert Habeck sein Antlitz auf das Münchner Siegestor projizieren ließ und vor seinen Anhängern wie ein Erlöser auftrat („werdet Teil einer Bewegung“), sieht das Ergebnis nun so aus: Mit 11,6 Prozent deutlich schlechter als das von Annalena Baerbock 2021, unter den umschmeichelten Jungwählern, also den 18-24-Jährigen nur auf Platz fünf, im eigentlich woke-linken Münchener Zentrum das einzige Direktmandat verloren.
Habeck selbst schaffte es in seinem Wahlkreis Flensburg-Schleswig bei den Erststimmen gerade einmal auf Platz drei. Zum Regieren braucht die Partei auch niemand mehr. Die Gründe für das gemessen an den Ambitionen miserable Resultat lassen sich schnell aufzählen: Habecks Partei hielt es für eine gute Idee, die letzten zwei Wahlkampfwochen zu einem Wettbewerb zu machen, wer am lautesten ‚alerta antifascista‘ schreien kann. Dass die Linkspartei diesen Wettstreit für sich entschieden hat, überrascht die Grünen nun sehr. Ansonsten: ein fast inhaltsfreier Wahlkampf mit Nullaussagen wie „Zuversicht“, obwohl die Themen Wirtschaftsniedergang und ungeregelte Migration mittlerweile selbst viele Wähler im Linksbürgertum beschäftigen. Als sie am Sonntagabend das Ergebnis ihrer ‚make Linkspartei great again‘-Strategie bestaunen konnten, reagierten führende Grüne nicht etwa mit dem Eingeständnis von Fehlern. Das Wahlergebnis sei „respektabel“, weniger verloren zu haben als die anderen beiden Ampelparteien eigentlich genau betrachtet ein Sieg. Habeck, so seine von ihm handverlesene Parteichefin Brantner, habe einen „super Job gemacht“. Und die massive Abwanderung zur Linkspartei? Dafür, so Habeck, gebe es einen klaren Schuldigen: Friedrich Merz. Mit seiner Abstimmung im Bundestag zur Migration habe er „die Ränder stark gemacht“. So reden Sekten- und nicht Parteiführer. Nur sehr wenige in der Truppe halten sich nicht an die Sprachvorgaben:
Der gescheiterte Kanzlerkandidat machte die Partei konsequent zum Bündnis Robert Habeck. Dass er jetzt kein Amt mehr „beansprucht oder anstrebt“, muss nicht viel bedeuten. Wenn ihn der Ruf des ihm im Wesentlichen ergebenen Spitzenpersonals ereilt, wird er sich wohl doch wieder für die Sache opfern.
FDP: Der Weg für eine freiheitliche Partei wäre jetzt offen
Für das Scheitern der FDP gibt es viele Gründe:
Und einen zentralen Grund, der sich aus den einzelnen ergibt: Sie stand weder für Bürgerrechtsliberalität („Selbstbestimmungsgesetz“, Ataman-Wahl) noch für Wirtschaftsliberalität (CO2-Steuer, faktische Grundsteuer-Erhöhung). Konstantin Kuhle, Johannes Vogel, Franziska Brandmann und andere Links-FDPler dienen immerhin als abschreckendes Beispiel für das, was passiert, wenn Vertreter einer Partei die eigentliche Kundschaft (Mittelständler, Selbständige, Handwerksmeister) nicht mehr schick finden, und Wählern hinterherlaufen, die in Wirklichkeit bei den Grünen oder noch weiter links ankreuzen. Das Ausscheiden der FDP gehört alles in allem zu den guten Nachrichten dieser Wahl: sie öffnet möglicherweise den Weg zur Gründung einer wirklich freiheitlichen Partei, wie sie Deutschland dringend bräuchte. Mit Wolfgang Kubicki an der Spitze fände immerhin eine Umgründung statt; die Kuhles und Brandmanns würden in diesem Fall wohl woanders andocken. Setzt sich wie angedroht Marie-Agnes Strack-Zimmermann als neue Chefin durch: dann bekommt die Rest-FDP immerhin die bestmögliche Bestatterin aller Zeiten. Und der Rest des Landes, siehe oben, mit etwas Glück eine Afuera-Partei mit einem Schuss Milei.
AfD: Die Teilsiegerin schaut schon auf 2029
Im Osten mit Abstand stärkste Partei, stark auch unter den Jungwählern, zweitstärkste Kraft insgesamt: aus diesem Aufstieg ergeben sich für die AfD drei Konsequenzen: erstens kann sich Alice Weidel nach diesem Ergebnis als Gesicht der Partei etablieren, ähnlich wie Giorgia Meloni bei den Fratelli und Marine Le Pen beim Rassemblement. Zweitens dürften die Versuche eines Parteiverbots jetzt versanden. Drittens fällt die Entscheidung über die eigentliche Rolle der Partei inklusive möglicher Koalitionen 2029. Dafür bräuchte die AfD allerdings ein vorzeigbares Personaltableau deutlich über Weidel hinaus. Selbst Spitzenleute halten die Truppe trotz aller Wahlerfolge derzeit noch nicht für regierungsfähig.
Links ist quicklebendig – und zwar gerade in ihrer extremen Variante
Anders als von Friedrich Merz behauptet, ist links nicht vorbei. Im Gegenteil: 15 Prozent wählten die umbenannte SED beziehungsweise eine Abspaltung. Zwar nur eine Minderheit, aber immerhin 27 Prozent der Jungwähler gaben der Linkspartei eine Stimme, die ganz offen für eine Gesellschaft nach dem Vorbild Venezuelas agitiert, und deren Funktionäre offen ihre Sympathie für ein Mitglied der linksextremistischen Hammerbande zeigen, das gerade wegen versuchten Totschlags in Budapest vor Gericht steht.
Linksradikale Ansichten dominieren außerdem die Grüne Jugend und die Jugendorganisation der mutmaßlichen Weiterregierungspartei SPD. Bei dem, was Juso-Chef Philipp Türmer, Grünjugend-Chefin Jette Nietzard und die gesamte Linkspartei anbieten, handelt es sich um einen Raub- und Enteignungssozialismus, kombiniert mit Unterdrückung der freien Rede – also die Klassik-Variante. Damit finden diese Kräfte auch und gerade im Westen begeisterte Anhänger. Dazu kommt ein gewaltiges linkspolitisches Vorfeld, staatlich durchfinanziert, das die Union in einer Zwangsehe mit der SPD kaum antasten dürfte. Fazit: ein bemerkenswert großer Teil der Deutschen findet den Sozialismus gerade mit seinem hässlichen Antlitz attraktiv. Der Kampf gegen den imaginären Faschismus liefert diesem Milieu den nötigen Treibstoff. Für die Aufrechterhaltung dieses Narrativs muss die Linksfront vor allem dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk danken.
Eine bürgerliche Wende gibt es in der Bundesrepublik vielleicht, aber sie kommt auf jeden Fall nicht 2025.
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In einem Land, daß einen Habeck zum Wirtschaftsminister, eine Baerbock zur Außenministerin macht, kann auch die AfD sehr gut Regierungsämter bekleiden. Von den beiden Parteien SPD und Grüne ist eine überflüssig. Entweder, ein Teil der SPD verschmilzt mit der CDU, der andere mit den Grünen, oder ein Teil der Grünen mit der CDU, der andere mit der SED. Merz wird also zulassen, daß aus Steuermitteln weiterhin linksextreme Vorfeldbanden finanziert werden, die gegen seine eigene Partei „agitieren“? Dann nur zu. Leider steht zu befürchten, daß Habeck doch nicht in der Gruft des Vergessens verschwindet, denn seine Jünger(:“*Innen) hoffen bereits inständig auf… Mehr
Keine der genannten Parteien hat irgendeinen brauchbaren Vorschlag im Gepäck, wie die vielen vielen Probleme in Deutschland zu lösen sind. Alle leben von konstruierten Feindbildern mit denen Wähler polarisiert, verblödet und zum Stimmvieh gemacht werden. Wenn es an Fachkräften mangelt, muss man mehr und härter ausbilden und arbeitsbereite qualifizierte Pensionisten aktivieren aber sicher nicht in neokolonialer Manier ärmeren Ländern die Fachleute absaugen. Wenn es an Sicherheit mangelt, muss man mehr in Polizei, Anklagebehörden und deren Ausrüstung investieren. Wenn es zuwenig bezahlbaren Wohnraum gibt, muss mehr gebaut werden. Wenn die Bahn unpünktlich kommt, muss hier mehr Geld hinein anstatt Strecken stillzulegen.… Mehr
Als Flüchtlingskind bezeichnet um Gefühle zu wecken, obwohl er die Flucht und seine Wirren persönlich nicht kannte, aber mit dem Gefühl anfangs versehen, nicht unbedingt akzeptiert zu werden, weil das in vielen Gebieten Deutschlands so war, wenn man noch die Animositäten kennt, die reichlich gegenüber allen Flüchtlingen vorhanden waren, wenn man es noch selbst kennt und damals nicht anders war wie heute, obwohl es sich um Landsleute handelte, was heute eine völlig andere Situation darstellt und ganze Städte und Dörfer verändert hat, wenn ein großer Anteil sich anschließend naturbedingt vermischt hat und damit ganze Gesellschaften auch schon verändert wurden, wovon… Mehr
Boris Pistorius wird auch grenzenlos überschätzt.
Wie verabschiedeten sich Wahlhelfer am Sonntag?
Mit einem „bis bald“.
„Selbst Spitzenleute halten die Truppe [die AfD] trotz aller Wahlerfolge derzeit noch nicht für regierungsfähig.“
Eine Aussage ohne Substanz.
Waren etwa die Akteure der Ampel „regierungsfähig“?
Lindh und Esken, Röttgen und Kiesewetter, Wüst und Günther.
Ich mein, die wurden gewählt. Das kann niemand bestreiten.
„Dafür bräuchte die AfD allerdings ein vorzeigbares Personaltableau deutlich über Weidel hinaus.“ ———- Das sehe ich anders. Welche Partei hat denn besseres Personal als die AfD? Sehen Sie sich doch die Gestalten an bei CDU, SPD oder Grünen. Halten Sie einen Friedrich Merz, einen Olaf Scholz, eine Baerbock, eine Eskien oder einen Habeck für bessere Politiker als Chrupalla oder Höcke? Dann haben Sie eine Überdosis Mainstreampropaganda konsumiert. Bei der AfD fällt mir auf, dass sogar Provinzpolitiker, die zufälligerweise ins Zentrum des Medieninteresses geraten, also z.B. Bürgermeisterkandidaten wie Herr Sesselmann in Sonneberg, Herr Lochner in Pirna oder Herr Prophet in Nordhausen,… Mehr
Sie haben den ausgewiesenen Wirtschaftsfachmann Böhringer vergessen sowie den Gesundheitsfachmann Sichert und die innenpolitische Fachkraft Hilse. Das wären so die ersten, die mir zu diesem Thema einfallen.
Lediglich bei der Prognose folge ich nicht. Zumindest wuerde ich Die reale Aussicht auf eine bürgerliche Wende streichen. Weder in 2, noch in 4 Jahren. Die Voraussetzung dafuer sind schlicht nicht vorhanden. Allen voran ein Buergertum, wie es hier und anderswo angenommen wird. Der Michel wird, es klingt ja auch im Text an nicht die AfD waehlen, sondern zuhauf weiter nach links abdriften, genau dahin, wo die Linksradikalen eheute stehen und agieren. . Wer auf ganz anderen Seiten die Kommentare ueber oder zur AfD liest, gerne als „letzter Dreck“ bezeichnet und das keineswegs von Linksextremen, weiss, wohin die Reise geht.… Mehr
Fehlendes Personatableau der AfD???
Spontan fallen mir ein:
Gottfried Curio
Bernd Baumann
Sebastian Münzenmeier
Peter Böhringer
Stephen Brandner u.s.w.
Was hat denn dagegen die Union zu bieten?
Philip Amthor??
„Dazu kommt ein gewaltiges linkspolitisches Vorfeld, staatlich durchfinanziert, das die Union in einer Zwangsehe mit der SPD kaum antasten dürfte. Fazit: ein bemerkenswert großer Teil der Deutschen findet den Sozialismus gerade mit seinem hässlichen Antlitz attraktiv. Der Kampf gegen den imaginären Faschismus liefert diesem Milieu den nötigen Treibstoff.“ Bestimmt werden die unzähligen steuer-unterstützten NGOs, u.a. bei Demokratie leben!, unter der neuen Bundesregierung entspannt weiter agieren bis agitieren können, und die Union wird der SPD auch bestimmt keine Demo gegen Rechts übelnehmen. Man möchte doch der ziemlich beste Freund der Sozialdemokraten sein, und Rechts ist irgendwie blöd, das ist ja mal… Mehr