Halbstaatliches Halbleiterwerk: Scholz und von der Leyen feiern sich selbst

TSMC hat zum Spatenstich für das Halbleiterwerk in Dresden eingeladen. Zwölf Tage vor der Wahl in Sachsen. Schließlich ist das Werk ohnehin ein Politikum. Der Steuerzahler kauft sich Arbeitsplätze zu einem hohen Preis.

picture alliance/dpa | Jasmin Beisiegel

Die Ampel müsse ihre Erfolge offensiver verkaufen. Das hat Kanzler Olaf Scholz in seinem ersten Interview nach seinem Urlaub: gefordert? Angekündigt? Angedroht? Nun, jedenfalls bemüht sich Scholz, die Lage ins rechte Licht zu tauchen. Etwa die der wirtschaftlichen Situation. Das geht, wenn man nur will. Man muss nur die richtigen Zahlen nennen. Zum Beispiel beim Handelsüberschuss.

Der Handelsüberschuss betrug laut Statistischem Bundesamt im ersten Halbjahr 138,8 Milliarden Euro. Im gleichen Zeitraum waren es im Vorjahr nur 107,9 Milliarden Euro. Ein Wachstum von 28,6 Prozent innerhalb eines Jahres. Alles ist gut. Olaf Scholz hat recht. Die Erfolge der Ampel müssen nur im rechten Licht dargestellt werden. Doch halt: Was die einen „rechtes Licht“ nennen, ist für die anderen nur Unschärfe.

Zum Beispiel beim Handelsüberschuss: Die deutschen Exporte sind im ersten Halbjahr um 1,6 Prozent zurückgegangen – auf jetzt nur noch 801,7 Milliarden Euro. Auf seinen Exporten beruht Deutschlands Reichtum. Der Überschuss kommt nur daher, dass in der gleichen Zeit die Importe auf 662,8 Milliarden Euro zurückgegangen sind und dieser Einbruch noch dramatischer ist als der bei den Exporten. Das bedeutet zwar einen höheren Überschuss, aber halt auch, dass die Deutschen sich weniger Waren leisten können – sie sind im vergangenen Jahr ärmer geworden. Das mag zwar nicht das rechte Licht im Sinne von Olaf Scholz sein. Aber es ist klares Licht.

Fürs rechte Licht hat sich der Kanzler seine Journalisten zu einem Ortstermin nach Dresden mitgenommen. Dort baut der Chiphersteller TSMC ein Halbleiterwerk. Neben Scholz kommt auch die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen (CDU), um für die Kameras Sparten in den Boden zu treiben. Wenn sich in einem solchen Erfolg so wichtige Menschen sonnen, zeigt das, wie selten sich die Sonne noch über der deutschen Wirtschaft zeigt.

Keine zwei Wochen vor der Wahl inszenieren sich ein SPD- und eine CDU-Politikerin in Sachsen. Politische PR kann so öde sein. Nun könnten einige fragen, warum sich die beiden überhaupt feiern lassen. Letztlich ist das Werk doch ein Erfolg der TSMC. Doch das stimmt – buchstäblich – nur zur Hälfte. Zehn Milliarden Euro werden in der sächsischen Hauptstadt investiert. Fünf Milliarden Euro steuert der Steuerzahler bei. Ein halbstaatliches Halbleiterwerk.

2000 Jobs entstehen in Dresden. Für 5 Milliarden Euro. 2,5 Millionen Euro pro Job. Von dem Geld könnte man 100.000 Menschen ein Jahr lang beschäftigen – oder 2500 Menschen ein ganzes Berufsleben lang. Manche wirtschaftlichen Erfolge, die im rechten Licht glänzen, werden doch recht blass, im klaren Licht. Das Werk in Dresden ist kein wirtschaftlicher Erfolg. Es ist eine staatliche Investition in die Grundversorgung. Das ist als solche auch okay – sollte aber halt nicht als etwas anderes dargestellt werden.

Solche Investitionen in die Infrastruktur betreibt die Ampel an mehreren Stellen. Etwa in Magdeburg. Dort soll ein Halbleiterwerk für 30 Milliarden Euro entstehen. Hier muss der Staat nur zehn Milliarden Euro dazu geben. Also ein Drittel. Schnäppchen. Quasi. Doch angesichts der Krise des Betreibers Intel bereitet sich die Landesregierung Sachsen-Anhalts bereits darauf vor, was passiert, wenn das Projekt doch noch platzt.

Oder das Halbleiterwerk und Forschungszentrum im saarländischen Ensdorf. Eine halbe Milliarde Euro staatliches Geld für 600 Jobs. Wenn’s denn kommt. Laut Medienberichten lässt der Betreiber Wolfspeed den Staat zappeln, hat den fürs erste Halbjahr 2023 geplanten Baubeginn bereits auf frühestens nächstes Jahr verschoben. Auch der Bau einer SVolt-Batteriefabrik im benachbarten Überherrn verzögert sich und wackelt.

In Ensdorf und Überherrn zeigt sich das Problem: Du kannst das Saarland nicht einfach über Nacht zum Silicon Valley erklären. Es braucht Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Denn um diese herum siedelt sich das bestens ausgebildete Personal an, das es für solche Werke braucht. Zur Ansiedlung von solch begehrtem Personal gehören auch „Soft Skills“: Kultur, Nachtleben, Sehenswürdigkeiten – oder wenigstens Netzempfang. Das Silicon Valley bietet seinen Bewohnern die atemberaubenden Möglichkeiten der nahe liegenden Städte San Francisco und San José. In Überherrn läuft auf Facebook eine Debatte, ob die Bewohner eines der wenigen ansässigen Speiselokale boykottieren sollen, weil die Bedienungen dort so unverschämt seien.

Das halbstaatliche Halbleiterwerk ist von solchen Problemen noch gut drei Jahre entfernt. Erst dann soll es an den Start gehen. Ob die Elb-Auen dann mit der Bay Area mithalten können und ob sich bis dahin genug (richtige) Fachkräfte in Dresden angesiedelt haben, kann an diesem Dienstag Scholz und von der Leyen egal sein. Sie haben ihren PR-Termin im rechten Licht. Zwölf Tage vor der Wahl in Sachsen. Politische PR kann so ätzend sein.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 24 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

24 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Rosalinde
28 Tage her

Wieviel Prozent der staatlichen Zuschüsse sind denn nach 10 Jahren rückzahlpflichtig? Denn wenn TMSC nach 10 Jahren bemerkt, dass ein Standort im fleißigen Asien doch kostengünstiger arbeitet, dann sollte unser Steuergeld zumindest teilweise zurück fließen!

joly
28 Tage her
Antworten an  Rosalinde

Diese Taiwanesen werden ihre Arbeiter aus Taiwan importieren. Die Kosten trägt dann der deutsche Steuerzahler.

Eddy08
29 Tage her

Na da schauen wir mal, ob dann auch gleich Wohnlager mit auf dem Gelände gebaut werden, in Dresden und Umgebung herrscht nämlich Mangel an bezahlbaren Wohnraum. Selbst unsere frisch zugezogenen Superfachkräfte müssen in Zelten und Containern wohnen, ausser die blau gelben die dürfen in Wohnungen recht komfortabel wohnen.

curryculum
29 Tage her

Und warum wurden die Milliarden nicht lieber in einen Startup-Fond gepackt, der Unternehmenswillige aus allen Branchen hilft, beispielsweise in der Pflege und im Handwerk? Da wären kleine Summen wesentlich effektiver pro Arbeitsplatz eingesetzt worden. Ach ich weiß: Es gäbe keinen fotogenen Spatenstich. Stattdessen wird intel subventioniert, ist ja nicht so das die gerade Massenentlassungen durchführen und sie es mal wieder geschafft haben bei Ihren Chips einen Fehler einzubauen (der per Software behoben wird was die Performance deutlich schmälert).

ersieesmussweg
29 Tage her

Den Sozialismus in seinem Lauf…….
Die Chips werden nicht zu marktfähigen Preisen produziert werden. Das Projekt ist ein totes Pferd, welches über die Ziellinie geschoben wird.

Teiresias
29 Tage her

Das Projekt „Chipfabrik“ ist genau wie die „deutsche“ Rüstungsindustrie ein Durchlauferhitzer, um deutsches Geld in die USA zu leiten, denn wir subventionieren dabei letztendlich US-Unternehmen mit garantiertem Gewinn, während unsere eigenen Firmen pleite gehen.
Zusätzlich ist diese Fabrik ein Ablenkungsmanöver, um den ständigen Nachrichten von Insolvenzen etwas scheinbar positives entgegenzusetzen.
Die Gewichtung in der Berichterstattung durch die Regierungstreuen sorgt dafür, daß der Wähler ein stark geschöntes Bild vom deutschen Niedergang bekommt.

Paul987
29 Tage her

Ich hab nichts gegen öffentliche Standortinvestitionen, wenn sie sich für den Staat auch wieder amortisieren. Klar Lohnsteuer, Soz-Abgaben, die lokale Kaufkraft, damit auch die USt steigt.

Am Unternehmensgewinn wird Dtl trotzdem nicht großartig partizipieren, die internationalen Großkonzerne wissen, wie man die Verrechnungspreise im internationalen Konzern so steuert, dass man keine Körperschaft-/Gewerbesteuer zahlen muss und stets nur Verluste für den dt. Fiskus ausweist. Wir sind ja Hochsteuerland im OECD-Vergleich.

Wuehlmaus
29 Tage her

Was ist eine „Groundbreaking Ceremony“? Kann die Ampel nicht mal Muttersprache?

Schlaubauer
29 Tage her

Darf man fragen, was an einer, also einer einzigen Fabrik 10Mrd€ kosten soll? Oder was an einer einzigen Fabrik 5Mrd kostet? Warum nicht 100Mrd?

Paul Brusselmans
29 Tage her

Unverständlich das ok der Opportunistin vdl. Solche Subventionen für extrem kapitalintensive Investitionen schaffen kaum Arbeitsplätze.Aber vielleicht helfen die Chips bei der Etablierung eines Überwachungsstaats, mit der Kontrolle illegaler Inhale allah Musk. und der Speicherung von SMS – gell Uschi?

Zum alten Fritz
29 Tage her

Da braucht es jetzt noch schnell eine Fabrik für supraleitendes Hochspannungskabel. Das kann schnell nach Tschechien verlegt werden. Und schon kann in vier Schichten produziert werden.