Egal, wer in die Regierung geht – am Ende regieren die Grünen

Die Sondierungen zwischen FDP, Grünen, SPD und Union zeigen: Alle können mit allen. Inhalte scheinen nicht im Weg zu stehen. Doch eines steht fest: Jede neue Regierung wird eine Regierung der Grünen sein, wer auch immer neben ihr auf den Regierungsbänken Platz nimmt.

IMAGO / Chris Emil Janßen
Paul Ziemiak, Generalsekretär CDU, Volker Wissing, Generalsekretär FDP, Markus Blume, Generalsekretär CSU nach dem Sondierungsgespräch am 3.10.2021 in Berlin

Am Sonntag wurde sondiert. Die SPD sprach zunächst mit der FDP, dann mit den Grünen, die Union mit der FDP. Am Dienstag will die Union mit den Grünen sprechen. Das Resultat der Sondierungen überrascht nicht, alle können mit allen. Inhalte scheinen nicht im Weg zu stehen. Eine Regierung von SPD und Union, also die Große Koalition, will zwar niemand, ist aber nicht ganz vom Tisch, falls schließlich doch keine Einigung zustande kommt.

Auffällig ist das neue Dreamteam aus FDP und Grünen, die auf enge Abstimmung setzen. Volker Wissing von der FDP gab eine Loyalitätsadresse in Richtung Grüne ab, wenn er betonte, dass man sich diesmal eng abstimmen müsse. „Wir müssen auch aufpassen, dass wir am Ende uns mit Grünen und FDP nicht so verhaken, dass es nur noch eine Große Koalition geben kann.“ Devoter geht es nicht. Wenn nur die Grünen mit in der Koalition wären, scheint es Wissing gleichgültig zu sein, ob SPD oder CDU dazukämen, wenngleich er nach den Sondierungen größere Übereinstimmungen mit der Union als mit der SPD zu erkennen glaubt. Naturgemäß sehen die Grünen zwar die SPD als näher, doch haben sie mit der Union noch nicht gesprochen – und Robert Habeck erinnert maliziös, dass nicht nur die Union, sondern auch die SPD, die mit in der Regierung saß, für all die unerledigten Aufgaben verantwortlich wäre. All das, was jetzt die armen Grünen im Interesse des Gemeinwohls anpacken müssen.

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Die Grünen haben deutlich genug gemacht, dass sie als echte progressive Partei, als Partei neuen Typs, als Bewegung, etwas Neues wollen, sie eine „Dynamik für Neues“, die „über die Schnittmengen hinausgeht“, anstreben. Das Neue ist laut Annalena Baerbock die „Transformation der Industriegesellschaft hin zu einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft“. Schaut man unter das Etikett, wird schnell deutlich, dass Baerbocks Transformation zu einer grünen Kommandowirtschaft und zum wirtschaftlichen Ruin führen wird.

Nachhaltig im grünen Wirtschaftsprogramm ist nur die Inflation: Sie steht real inzwischen bei über 4 Prozent, Tendenz steigend. Ein Treiber der Inflation und der Wohlstandsvernichtung ist die Energiewende, also EEG und CO2-Besteuerung. Den Anstieg der Energiekosten will man unehrlich aus der Sicht der Energiekunden nehmen, indem man die Steigerung der Energiekosten in den Steuern versteckt. Die CO2-Steuer, mit der man steigende Energiepreise zu deckeln gedenkt, möchten die Grünen anheben – und damit der Inflation noch einmal einen zusätzlichen Schub verpassen, 6 bis 7 Prozent sind durchaus machbar. Was unter „Klimaschutz“ firmiert, ist die Einführung eines grünen Kommunismus, einer grün-sozialistischen Kommandowirtschaft, in der Wirtschaftsexperten wie Robert Habeck die Richtung vorgeben.

Alle sondierenden Parteien bezeichnen den „Klimaschutz“ als Priorität. Dabei verbirgt sich hinter dem Label „Klimaschutz“ nur eine Mobilisierungsideologie, die mit dem Klima nichts zu tun hat. Wenn die sondierenden Parteien davon sprechen, dass es kein Weiter-so geben dürfe, dass man einen Neuanfang bräuchte, eine „Reformregierung“, dann geht es nicht um Inhalte, sondern um die Geschwindigkeit, denn die Regierung Merkel-Scholz setzte treu grüne Inhalte um – nur eben nicht schnell, nicht konsequent genug. Das Neue, das die Grünen wollen, ist das Alte, nicht nur das Alte der Merkel-Scholz-Regierung, sondern das ganz Alte, das Reaktionäre, demagogisch verpackt. Denn die Selbstdarstellung als „jung“, als „fortschrittlich“, als „progressiv“, als mit der Zukunft im Bunde stehend, dieses „Mit uns zieht die neue Zeit“ oder dieses „Wacht auf Verdammte dieser Erde“ oder „Dem Morgenrot entgegen“ kennt man aus früheren Bewegungen, deren moralischer Überschuss in der Praxis als politischer Totalitarismus endete. Kommunisten, Stalinisten, Maoisten kämpften immer für das Neue, für die Zukunft, für die Befreiung, kämpften stets für eine „Dynamik für Neues“, die „über die Schnittmengen hinausgeht“, sie waren stets bereit, „in Bewegung zu kommen“.

Für Ostdeutsche bedeutet das, dass sie das, was sie 1989 stürzten, grünlackiert und „modernisiert” zurückbekommen. Die angestrebte „klimaneutrale Gesellschaft“, die „sozial-ökologische Marktwirtschaft“ wird zum langersehnten Rollback der Friedlichen Revolution von 1989, die für das westdeutsche juste milieu stets eine narzisstische Kränkung darstellte.

Aus 2017 gelernt
Nach der ersten Sondierung: Eine "historische" grün-gelbe Pressekonferenz – ohne Inhalte
Wer noch glaubt, dass Jamaika besser wäre als die Ampel, macht sich inzwischen allerdings höchst nachvollziehbare und sympathische Illusionen, denn jede neue Regierung wird eine Regierung der Grünen sein, wer auch immer neben ihr auf den Regierungsbänken Platz nimmt. Es kann den Grünen auch egal sein, ob neben ihnen die FDP-Funktionäre einen rhetorischen Verpackungsworkshop nach dem anderen abhalten oder ihnen die Union sogar den Kanzlerposten anbietet, wenn die Union noch irgendwie bei der „Reformregierung“ dabei sein darf. Und warum auch nicht? Hat die Union nicht in den letzten Jahren geholfen, die Grünen groß zu machen? Ein Blick nach Baden-Württemberg ist erhellend genug.

In der Union scheint man inzwischen der Meinung zu sein, dass man die Wähler, die zur AfD gegangen sind, nicht zurückhaben will. Weil sie vom Bösen genascht haben, sind sie böse. Stattdessen hat es den Anschein, dass Röttgen und Co. die Wähler, die von der CDU zur SPD und zu den Grünen wechselten, überzeugen möchten, doch wieder die Union zu wählen. Das wird zwar nicht funktionieren, aber wenn man es dennoch versucht, dann heißt das, dass man noch röter als die SPD und noch grüner als die Grünen werden muss. Viel Vergnügen auf diesem Weg, auf dem sich die Union von Vielen wird verabschieden müssen. Und nicht nur vom Osten.

Für die Grünen ist eine Union, die ohne Kompass, ohne eigene Inhalte dasteht, die vor lauter Klimaschutz nicht mehr denken kann und ihren Mut im „Kampf gegen rechts“ verausgabt, die nur noch den Willen von Funktionären ausdrückt, irgendwie noch ein Plätzchen im Parlament und in der Regierung einnehmen zu dürfen, sogar bequemer als die SPD. Das C hat die Union im Namen der Partei längst durch das M ersetzt, M wie Macht. Doch, wer die Macht um jeden Preis behalten will, wird sie verlieren – und nicht nur sie, sondern auch sich. Doch, was war das doch gleich noch mal, die Identität der Union? Wir müssten inzwischen Historiker fragen, um das zu erfahren.

Es ist egal, wer die Regierung bildet, regieren werden die Grünen. Man könnte sagen, dass die sogenannten bürgerlichen Parteien das Bürgertum verraten haben, aber was ist das eigentlich noch, das Bürgertum?


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Kommentare ( 67 )

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Irdifu
3 Jahre her

Wenn Lindner den grünen … mitmacht findet er sich in vier Jahren wieder unter den SONSTIGEN

powerage
3 Jahre her

Mich wundert, dass auch in den alternativen Medien niemand einen extrem gefährlichen Punkt im Wahlprogramm der Grünen aufgegriffen hat. Nach deren irren Vorstellungen möchten sie allen illegalen Einwanderern nach fünf Jahren Aufenthalt das gesetzlich verbriefte Recht auf einen deutschen Pass einräumen. Zusätzlicher Effekt, die Kriminalitätsstatistik hinsichtlich Raub, Mord, Massenvergewaltigungen etc. würde sich massiv zu Gunsten der Illegalen verschieben.

Demokratius
3 Jahre her

Für mich als „gelernter DDR – Bürger“ ist es der Beweis für das philosophische Gesetz der Negation der Negation. An der Leipziger Uni gibt es „Studierenden“ – Gruppen, die tatsächlich die Installation einer Ökodiktatur in Deutschland für wünschenswert halten, weil sie damit glauben das Weltklima retten zu können.
Diejenigen älteren Menschen, die wie ich froh sind, der Diktatur des Proletariats in der DDR entkommen zu sein, sehen die derzeitige Entwicklung äußerst skeptisch. Wie es scheint müssen unsere jungen Deutschen erstmal erfahren, dass Deutschland nicht die ganze Welt verbessern kann.

humerd
3 Jahre her

Schon seit Jahren bestimmen die Grünen die Politik, mit ihren Sitzen im Bundesrat können sie das auch.

hert
3 Jahre her

Volltreffer, Herr Mai! Wie kann ein vernunftbegabter und kritischer Beobachter nur diese realitätsresistenten, irrlichternden GRÜNEN wählen? Merkt denn kein Bürger, dass die GRÜNEN das Thema Klimaschutz nur als Vehikel benutzen -übrigens, ein widersinniger Ausdruck-, um unsere Gesellschaft in das Korsett einer quasi autoritären Herrschaftsform zu zwängen. Diese Strategie ist eigentlich grundgesetzwidrig, und streng genommen müsste der BfV aktiv werden! Ebenso wie bei jungen Leuten so trifft man bei vielen GRÜNEN häufig auf maximales Selbstbewusstsein gepaart mit maximaler Ahnungslosigkeit. Gleichwohl müssen die GRÜNEN wohl ein Charisma haben, das sie für die Medien attraktiv erscheinen lässt. Nur so kann ich mir ihre… Mehr

Hoffnungslos
3 Jahre her
Antworten an  hert

„Gleichwohl müssen die GRÜNEN wohl ein Charisma haben, das sie für die Medien attraktiv erscheinen lässt.“ Ist das Ihr Ernst? Sind Sie wirklich so naiv?

Der nachdenkliche Paul
3 Jahre her
Antworten an  hert

 Leider hat unser heutiges Bildungssystem … einen sehr hohen Anteil daran“
Auch das ist ein Volltreffer:-)

schwarzseher
3 Jahre her
Antworten an  hert

Das grüne Bundesverfassungsgericht ist doch aktiv, indem es alle Einwände bezüglich Vertrags- und Gesetzesbrüche der Regierung abschmettert, siehe Maastrich, Dublin, offene Grenzen, Klimahysterie etc.

HGV
3 Jahre her

Die Grünen regieren mit Unterstützung des ÖRR und der Straße bereits seit Fukushima, bzw. seit der SPD/ Grünen Regierung. Das scheint in den etablierten Parteien CDU/ CSU/ SPD/ FDP keinen zu interessieren

Hoffnungslos
3 Jahre her
Antworten an  HGV

Sind Sie sicher? CDU/CSU/SPD/FDP haben doch seit 16 Jahren die undercover Grüne Frau Merkel.

EndemitdemWahnsinn
3 Jahre her
Antworten an  HGV

Doch, die von Ihnen genannten etablierten Parteien interessieren sich doch sehr für die Themen der Grünen und versuchen sich einander sogar zu überbieten mit dem Klimaschutz.

Schlaubauer
3 Jahre her

Nun ja. Was soll sich ändern wenn die Grünen regieren? Ihre Politik ist ja dank Merkel längst umgesetzt. Die Folgen sind absehbar. Die BRD ist längst zu einem Stück Seife geworden, dass ein Waschbrett hinuntersaust. Der Aufschlag kommt. Und noch mehr Gas geben mit grüner Regierungsbeteiligung wird da kaum etwas ändern.

George
3 Jahre her

Ach was,wir befinden uns mittlerweile in einer Republik der Entmündigten ,Deppen die vorgeben zu unserem Wohl zu regieren haben die Macht unseren Alltag mit irrwitzigen Forderungen nachhaltig zu zerstören.Quo vadis Volk.

Schwermetaller
3 Jahre her

Ja, ist egal, wer die „Regierung“ bildet. Ist auch egal, wen man wählt. Waren für mich auf jeden Fall auch die letzten Wahlen, an denen ich teilgenommen habe. Der Demokratie-Drops ist hierzulande gelutscht, geschluckt und verdaut. Was jetzt kommen wird, ist mir klar. Ist es mir eigentlich schon seit ein paar Jahren…
Wer es sich leisten kann, verlässt das Land. Allen anderen bleibt noch die innere Emigration. Oder natürlich das Mitmarschieren im Gleichschritt… die Reihen fest geschlossen…

EndemitdemWahnsinn
3 Jahre her
Antworten an  Schwermetaller

Das verstehe ich auch nicht. Es gibt doch eine Alternative, die als einzige strikt gegen diesen ganzen Unsinn ist. Bei der Wahl hätte man hier natürlich ein Zeichen setzen können, aber knapp 90% haben das leider nicht getan. Wer die Altparteien noch wählt, wählt und unterstützt aktiv den Klimawahnsinn und da sehe ich auch kein kleineres Übel. Da ist es dann auch wirklich völlig egal, welche Konstellation aus denen die Regierung bildet und ob die „Original“-Grünen dabei sind. Die Lage in diesem Land ist schon so verfahren, dass man automatisch zu den Bösen gehört, wenn man die Klimareligion auch nur… Mehr

pcn
3 Jahre her

Die Zeit für die AfD ist noch nicht gekommen. Die CDU/CSU völlig vom bürgerlichen Lager beraubt. Und die FDP will unbedingt regieren und biedert sich dem Klima-Mumpitz an. Lächerlich die Forderung: Keine Steuererhöhung. Dabei hat sie der gewaltigsten Steuererhöhung, der CO2-Steuer, längst zugestimmt! Und setzt sich mit grünlackierten Kommunisten an einen Tisch. So weit ist es mit den Gelben schon gekommen. Da hätten sie sich auch mit der SED-Partei dazu gesellen können. SED und Grüne – gleiches Muster. So etwas fasse ich doch noch nicht einmal mit der Beißzange an! Da müsste man schon den Verstand verloren haben.

Demokratius
3 Jahre her
Antworten an  pcn

Die mir bekannten MdB mit konservativen Ansichten dürfen Proporz sei Dank nicht mehr in den nächsten Bundestag einziehen, sondern räumen derzeit ihre Büros und Berliner Wohnungen. Dieses Schicksal bleibt Herrn Wanderwitz natürlich dank seines ersten Listenplatzes erspart, obwohl ihm die Wähler seines Wahlkreises mehr als deutlich gemacht haben, was sie von ihm halten. Der Merkelismus hat sich wie Mehltau über die ganze CDU ausgebreitet und erstickt jede andere Position.