Scholz und der Schein-Ausschuss: Unter Freunden

Der Hamburger Untersuchungsausschuss, der Olaf Scholz im Cum-Ex-Skandal vernehmen soll, ist ein SPD-Klassentreffen: Der Kanzler wird von Freunden befragt.

IMAGO/IPON

Man könnte es für ein Lustspiel halten: Da steht das Regierungsoberhaupt des mächtigen europäischen Landes vor einer Untersuchungskommission, die eingesetzt wurde, weil er in einen Bankenskandal über Millionen Euro Steuergeld verwickelt ist; aber Richter, Kläger und Zeugen sind allesamt Freunde, Bekannte und mutmaßliche Helfer des Betrugs. Es ist die moderne Fortsetzung von Kleists „Der zerbrochne Krug“, aber ohne Happy End.

Die Liste der Schlüsselfiguren im Untersuchungsausschuss um den Hamburger Cum-Ex-Skandal ist an Zufällen reich. Im Rampenlicht steht der Präsident der Veranstaltung. Der Ausschussvorsitzende Mathias Petersen ist nicht nur ein Parteigenosse von Olaf Scholz. Er galt früher zwar als interner Rivale von Olaf Scholz. Doch auch Petersen ist zumindest indirekt in den Warburg-Skandal verstrickt. Denn die von der Warburg-Bank angenommenen Parteispenden mussten 2017 vom geschäftsführenden Landesvorstand geprüft und genehmigt werden – dem Petersen damals angehörte.

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Die Hamburger SPD hatte damals Parteispenden von 45.000 Euro erhalten. Allein 38.000 Euro gingen an Johannes Kahrs, damals Chef des mächtigen Kreisverbandes Hamburg-Mitte. Im September fanden Ermittler über 200.000 Euro Bargeld in seinem Bankschließfach – Herkunft unbekannt. Milan Pein, damals Obmann, erklärte auch im Namen Petersens, man sei bei einem der drei Termine nicht anwesend gewesen, als der Vorstand über eine Spende von 7.500 Euro entschied. An den anderen beiden Terminen hätten sie teilgenommen. Diese Spenden seien damals als „unbedenklich“ eingestuft und angenommen worden.

Die Opposition kritisierte bereits im Oktober 2021, dass die Spenden „keineswegs“ unbedenklich, sondern im Zuge der Warburg-Affäre geflossen seien. Linke und CDU verlangten mehr Transparenz, die AfD sprach von Befangenheit.

Richtigen Zündstoff bekommt die Sache zusätzlich durch eine weitere Personalie, die der Cicero in den Blick genommen hat: Carsten Ernst. Er ist stellvertretender Leiter des Arbeitsstabes und steht unter Verdacht, „ein U-Boot im Dienste des Hauptverdächtigen zu sein oder mindestens in einem Interessenkonflikt zu stehen“, so das Magazin.

Der Arbeitsstab als zentrales Leitorgan, das für Zeugen, Unterlagen und Sitzungsvorbereitung (inklusive Fragen zur Zeugenvernehmung) zuständig ist, wird um einen Kopf bereichert, der eng mit Olaf Scholz verknüpft ist. Denn Ernst war seit 2004 im Bundesfinanzministerium tätig – und unterstand Wolfgang Schmid, der Scholz als politischen Weggefährten begleitet. Damals als Staatssekretär im BMF, heute als Chef des Bundeskanzleramtes. Die Opposition erfährt über diese Verstrickungen – nichts. Und als sie davon erfährt und sich beschwert, gibt sich wiederum die SPD empört.

Pikant: Ernst war im BMF eine Zeitlang im Bereich Informationsfreiheitsgesetz (IFG) tätig. „Dort war er in eine Gesetzesänderung eingebunden, die die Transparenz in der Cum-Ex-Aufklärung stark einschränkt“, schreibt Ulrich Thiele im Cicero. „Zusammengefasst: Scholz’ einstiger Fachmann für Geheimhaltungsfragen, der an einer Erschwerung der Cum-Ex-Aufklärung mitgefeilt hat, soll die Cum-Ex-Verstrickung seines Ex-Chefs aufklären.“ Das ist eigentlich eine Bombe, die jeden Untersuchungsausschuss ad absurdum führen sollte.

Doch nicht in Deutschland. Der Schein-Ausschuss soll alle Zweifel ausräumen. Scholz wird sich wieder an nichts erinnern, der Ausschuss sich auch nicht darum bemühen, die Angelegenheit aufzuklären. Die Daltons befragen sich vor dem Gericht selbst, und der Bürger steht als Rantanplan daneben und bewundert die Kontrollmechanismen der Demokratie.

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Kommentare ( 27 )

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Juergen P. Schneider
2 Jahre her

Das Problem liegt in der Ausgestaltung des Instruments namens parlamentarischer Untersuchungsausschuss. Kann sich jemand daran erinnern, ob jemals ein Untersuchungsausschuss eines deutschen Parlaments seit Bestehen der Bundesrepublik zu irgendeiner strafrechtlichen Konsequenz für Vorgeladene geführt hat? So weit ich mich erinnern kann, war dies nie der Fall. Solche Ausschüsse sind eine Demokratiesimulation. Den Bürgern wird vorgegaukelt, man untersuche rechtlich brisante Vorgänge, aber Konsequenzen haben die Ausschüsse und ihre politischen Abschlussberichte nicht. Die angeblichen politischen Gegner führen einen Schaukampf auf, bei dem es dann keinen Sieger und auch keinen Verlierer gibt. Jede Partei würdigt das Ergebnis nach eigenem Gusto, die Presse berichtet… Mehr

Iannis70
2 Jahre her

Es ist schon beinahe bewundernswert, mit welcher Chuzpe sich dieser SPD Filz daran macht, jeden Versuch der Aufklärung dieses Verbrechens zu hintertreiben.

Dieter Rose
2 Jahre her

Tichy als Aufklärer allein reicht nicht!
Wo sind die Investigativjournalisten?
Wo die unabhängigen Medien?

November Man
2 Jahre her

Scholz gibt die Gespräche zu, will sich aber partout nicht an die Gesprächsinhalte erinnern. Die Masche ist uralt. Mit Scholz kommt der Untersuchungsausschuss nicht weiter. Warum befragt man jetzt nicht die anderen Gesprächsteilnehmer? Vielleicht können die sich an den Gesprächsinhalt erinnern. Alle gleichzeitig können die ja nicht an einer Amnesie erkrankt sein. Ansonsten wird man wohl Scholz’s Büroleiterin Jeanette Schwamberger und die beim Finanzamt für Großunternehmen, unter anderem für die Warburg-Bank zuständige Finanzbeamtin Daniela P. fallen lassen und opfern. Schweigen ist Gold. „Die Kleinen hängt man und die Großen lässt man laufen.“ So war es schon immer in solchen dubiosen… Mehr

Manfred_Hbg
2 Jahre her

Zitat: „Der Schein-Ausschuss soll alle Zweifel ausräumen. Scholz wird sich wieder an nichts erinnern, der Ausschuss sich auch nicht darum bemühen, die Angelegenheit aufzuklären.“ > Mhh, wie ich mir diesen gesammten Vorgang und Ablauf vorstelle…..: – 2 Tage vor Ausschuss-Beginn: Olaf Scholz reist(grün-sauber per Flugzeug?) in Hamburg ein. Unterbringung in ein 6 Sterne-Hotel. – 1 Tag vor Ausschuss-Beginn: Schnell noch geheime kurze Treffen und Gespräche mit den wichtigsten Mitwirkenden zwecks notweniger Absprachen. – 0 Tage, Ausschuss-Beginn und der Tagesablauf: Etwa 60 Min. vor Ausschuss-Beginn treffen sich die Beteiligten noch mal in einem Hinterzimmerchen zwecks fröhlichen Schnack, Gelächter und etwas Kaffee… Mehr

Ho.mann
2 Jahre her

Wenn man über Scholz die Wahrheit erfahren will, dann ist die Wahrheitsfindung nicht erwünscht.  Wir sollten niemals aus den Augen verlieren, dass der Weg zur Tyrannei  immer mit der Leugnung der Wahrheit einhergeht.

ExternerBlick
2 Jahre her

Nach Ihrer Darstellung wäre Scholz, frei nach Robert Musil, ein Mann ohne Eigenschaften.

Insofern hat er es als Machtmensch verstanden, worauf es bei „Macht“ ankommt!

Leider sieht es mit der Opposition in Deutschland sehr düster aus.

Schwabenwilli
2 Jahre her

Das mit Scholz wird einfach nichts mehr. Und es sind ja immer noch drei Jahre bis zur nächsten Wahl, man braucht wenig Fantasie um sich vorzustellen was Bundeskanzler Scholz bis dahin noch alles verbockt. Allerdings, bin ich inzwischen soweit dass es mich nicht mehr wundern würde wenn Herr Scholz sogar nochmals Bundeskanzler werden würde, in diesem unserem Land.

Johann Thiel
2 Jahre her

Untersuchungsausschüsse, Bundestagssitzungen und dergleichen sollten nur noch in großen bunten Zirkuszelten in einer Manege stattfinden um diesen Veranstaltungen auch den angemessenen Rahmen zu geben. Selbstredend haben alle Protagonisten entsprechend kostümiert zu erscheinen. Einen Leitfaden dazu könnte Claudia Roth entwickeln, geht sie doch bereits seit Jahren mit gutem Beispiel voran.
„UND DA KOMMT ER AUCH SCHON, DER CUM-EX-BAJAZZO, OLAV SCHOLZ – APPLAUS, APPLAUS !!!“

Fulbert
2 Jahre her

Erstaunlich ist doch immer wieder, welche Peanuts an Spenden von interessierter Seite an die Parteien fließen – und trotzdem ihre Wirkung nicht verfehlen. Es sei denn, es gibt noch andere Kanäle, über die ganz andere Summe ihre dankbaren Abnehmer finden.