Tichys Einblick
Scholz’ Neujahrsansprache

Wie es in Deutschland weitergeht, „entscheiden nicht die Inhaber sozialer Medien“

Noch-Kanzler Olaf Scholz hat sich seine Empörung über Elon Musk für seine vierte und vermutlich letzte Neujahrspredigt aufgehoben, in der er vor Wahlbeeinflussung von außen warnt. Darüber, wie es in Deutschland weitergehe, bestimmten nur die Bürger und „entscheiden nicht die Inhaber sozialer Medien“. – Einmischung: von außen nein, nach außen bitteschön!

picture alliance/dpa | Soeren Stache

Das Jahr 2024 geht für die woke-elitäre, polit-mediale Blase zu Ende, wie es begonnen hatte: mit hysterischen* Schüben. Mediokratie eben – Herrschaft der Medien. Nahe an der Mediokrität – dem Mittelmaß. Im Januar 2024 hatte das schräge, dennoch staatlich üppig finanzierte „Medienunternehmen“ namens „Correctiv“ irgendetwas, vor allem Fake News von einem „Geheimtreffen“ in Potsdam à la „Wannsee-2.0“ und dort angeblich ausgeheckten Plänen einer millionenfachen „Remigration“ (vulgo: Vertreibung) von Migranten mit und ohne deutschen Pass in die Welt gesetzt.

Von einem „Geheimplan gegen Deutschland“ meinte „Correctiv“ am 10. Januar 2024 berichten zu können: nicht nur in deutscher, sondern auch in türkischer, arabischer, persischer, englischer, französischer, spanischer, italienischer und russischer Sprache. Die polit-mediale Blase kriegte sich nicht mehr ein, zu Zigtausenden nahmen vor allem grün-rot Tickende kalte Füße in Kauf, um auf Straßen und Plätzen die Demokratie zu retten. Den real und den medial Regierenden zum Gefallen. Auch wenn dieser angebliche „Geheimplan“ im Laufe der Monate – mehrfach gerichtlich bestätigt – wie ein allzu luftig-windiges Soufflé in sich zusammenfiel.

Das ist rund 350 Tage her. Da wurde es Zeit, einen neuen polit-medialen Hysterieschub zu inszenieren. Die „Welt am Sonntag“ („Was erlaube Springer?“) hatte dem Multimilliardär, Tesla-CEO, Space-X-Weltraumerkunder, X-Eigentümer und Trump-Freund Elon Musk als Gastautor am 29. Dezember eine halbe Seite lang Gelegenheit gegeben, seine Sympathie für die AfD zu bekunden. Für den doofen Leser „eingeordnet“ von Welt-Chefredakteur in spe Jan Philipp Burgard. Es folgte, was zu erwarten war: Alle maßgeblichen oder vermeintlich maßgeblichen Meinungsbildner und „Einordner“ rotierten. Selbst Staatsoberhaupt Steinmeier (früher SPD, bald wieder SPD, im Moment mit „ruhender“ SPD-Mitgliedschaft) raunte von Einmischungen in den deutschen Wahlkampf von außen. Und zuletzt gab auch CDU-Chef Friedrich Merz seinen sauerländisch-töpfischen Senf („übergriffig“) zum besten; erwartbar konnte sich auch Ex-CDU-MdB und „Influencer“ Rupert Polenz nicht zurückhalten. Wo? Auf der Musk-Plattform Twitter/X (!!!) schrieb er am 30. Dezember: „Keine Angst vor dem Weirdo Elon Musk!“ Klar, Weirdos (Verrückte) sind immer die anderen.

So, jetzt fehlt nur noch ein empörter SPD-Noch-Kanzler Olaf Scholz. Der hat sich seine Empörung für seine vierte und vermutlich allerletzte Neujahrspredigt aufgehoben, die am Silvesterabend über alle öffentlich-rechtlichen und sonstigen Kanäle auf den deutschen Michel herunterprasselt. Wenn Michel denn zuschaltet. Ja, Olaf hatte es schon bei seiner Neujahrsansprache zum 31. Dezember 2023 / 1. Januar 2024 gewusst: „… Und in den USA stehen im kommenden Jahr Präsidentschaftswahlen an, möglicherweise mit weitreichenden Konsequenzen – auch für uns hier in Europa.“ Dass das via Trump-Freund Musk so weit reichen würde, hatte er nicht einmal zu befürchten gewagt. Jetzt aber mal, Olaf, „Butter bei die Fische“, so geht das nicht.

Also ließ Olaf in die KI-Tasten greifen und qua Vorabmeldung (mit Sperrfrist 31. Dezember, 00:00 Uhr) verkünden:

Bundeskanzler Olaf Scholz hat in seiner Neujahrsansprache vor einer Wahlbeeinflussung von außen gewarnt. Wie es in Deutschland weitergehe, bestimmten nur die Bürger, sagte der Kanzler. „Darüber entscheiden nicht die Inhaber sozialer Medien“, fügte er hinzu. „In unseren Debatten kann man ja manchmal den Eindruck gewinnen: Je extremer die Meinung, desto größer die Aufmerksamkeit.“ Aber nicht, wer am lautesten schreie, bestimme darüber, wie es in Deutschland weitergehe, sondern die „ganz große Mehrheit der Vernünftigen und Anständigen“. „Das gilt auch bei der anstehenden Bundestagswahl am 23. Februar“, sagte Scholz, der diese Aussage mit einem Wahlaufruf verknüpfte. „Wer sich umschaut in der Welt, der weiß, was für eine riesige Errungenschaft freie und geheime Wahlen sind.“

Zum Mitschreiben: Wie es in Deutschland weitergehe, bestimmten nur die Bürger, sagte der Kanzler. „Darüber entscheiden nicht die Inhaber sozialer Medien.“ Also vielleicht doch besser die öffentlich-rechtlichen und irgendwie staatlich alimentierten Medienhäuser in Hamburg, Berlin, München, Köln usw.?

Jaja, so wie in den USA am 5. November 2024. Dort hat sich der US-Wählerlümmel doch sehr eindeutig für Donald Trump entschieden. Und eben nicht für die (Sozial-)Demokratin Kamala Harris, die in den deutschen Medienhäusern längst zur US-Präsidentin gekürt, ja als solche inthronisiert war. Die Amis hätten sich die Wahl eigentlich sparen können.

Jaja, am deutschen Wesen, und so … Zum Beispiel am deutschen Klima-Wesen … Und an der bundesdeutschen Definition von Meinungs-Einfalt … Zum Beispiel im Stil Baerbockscher Einmischung in die US-Wahl am 11. September 2024:

Trump ist ein „Hassprediger“ (Steinmeier am 4. August 2016)

Nun, wir nehmen einmal an, dass Trump – vielleicht wegen seiner großväterlichen pfälzischen Wurzeln – ein Elefantengedächtnis wie Helmut Kohl hat. Deshalb wird sich Trump daran erinnern, dass ihn bei seiner ersten Kandidatur zum US-Präsidentenamt der damalige SPD-Vizekanzler, Außenminister und Olaf-Genosse Frank-Walter Steinmeier (seit 19. März 2017 Bundespräsident) am 4. August 2016 in Rostock im Vorfeld der Landtagswahlen dort vom 4. September 2016 als „Hass-Prediger“ beschimpft hatte. Trump wurde trotzdem US-Präsident – zunächst vom 20. Januar 2017 bis 20. Januar 2021. An eine Begegnung Trump-Steinmeier in dieser Zeit kann man sich – weder in Deutschland noch in den USA – nicht erinnern.

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Nur Scholz wurde einmal auf einem gemeinsamen Bild mit Trump gesichtet: am 7./8. Juli 2017 beim G-20-Gipfel in Hamburg, bei dem der damalige Hamburger Bürgermeister Scholz die militant ausufernde Begleitrandale nicht in den Griff bekam. Ansonsten gibt es Bilder von Scholz mit Musk, als dieser am 22. März 2022 sein Tesla-Werk in Grünheide (Brandenburg) eröffnete. Hätte Musk zugunsten seiner E-Autos und des Klimas wegen mal besser für die Grünen und die SPD geworben, wird sich Scholz jetzt denken. Das hat Musk nun davon: Manche Schlaumeier fordern – egal ob kollateral-klimaschädlich – gar einen Tesla-E-Auto-Boykott.

Auf ein gemeinsames, trautes Bild von „Hassprediger“ Trump und Frank-Walter Steinmeier indes warten wir noch. Bislang müssen wir uns mit einem Foto von der Wiedereröffnung der Kathedrale Notre-Dame vom 7. Dezember 2024 begnügen. Noch-nicht-ganz-wieder-US-Präsident Trump und Frankreichs Staatspräsident Macron saßen dort in der ersten Riehe, Steinmeier halbrechts hinter Trump in der zweiten Reihe. Bilder lügen nicht. Mehr dürfte es gemeinsam-fotografisch wohl nicht werden. Denn einen wechselseitigen Staatsbesuch hüben oder drüben werden sich die beiden vermutlich ersparen.

* Ja, wir wissen, dass der Begriff „Hysterie“ in gehobenen Kreisen ein Pfui-Begriff ist. Weil sexistisch und frauenfeindlich. Denn „Hysterie“ kommt vom griechischen Wort „hysteria“ (ὑστέρα), und das heißt Gebärmutter. Siehe auch die Verwandtschaft von ὑστέρα und Uterus. Aber der Volksmund verwendet das Wort „Hysterie“ nicht deshalb, sondern weil es mentale Ver(w)irrungen geschlechtsneutral sehr anschaulich – auch bei hysterischen Männern oder Diversen oder Transpersonen – beschreibt.


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