Scholz erklärt die Krise für beendet

Bei der SPD-Klausurtagung wurde offenbar die Realität von der Teilnahme ausgeschlossen: Olaf Scholz kündigt an, dass er jedem entgegentritt, der das wirtschaftlich starke Deutschland schlecht redet. Das Land habe einen "Turnaround" hingelegt. Man solle stolz auf das Erreichte sein.

picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Krise? Welche Krise? Geht es nach dem Bundeskanzler, dann hat die Ampel Deutschland bereits aus der Krise herausgeführt. „Turnaround“ nennt er das. Bei der SPD-Fraktionsklausur in Norderney sieht er deshalb auch gar keinen Grund für die wirtschaftspolitische Wende, die Finanzminister Christian Lindner gefordert hat. Olaf Scholz sieht das Projekt als erledigt an.

Es scheint, als sei der Kanzler in die Zukunft geflogen. Die Missstände der Gegenwart liegen für ihn in der Vergangenheit. Nur so ist ein Satz wie dieser zu erklären: „Dieser Turnaround für unser Land nach vielen Jahren des Stillstands, der ist uns nicht in den Schoß gefallen, den haben wir hart erarbeitet.“

Gestern erst hat der dänische Pumpenhersteller Grundfos angekündigt, sein Werk in Deutschland zu schließen. Tage zuvor gab es Horrormeldungen von Bosch, von SAP, von Stihl, von Miele oder Reifenherstellern. Heute kündigt Nestlé-Chef Mark Schneider an, Jobs und Werke auf den Prüfstand zu stellen. Die Meldungen zum Niedergang der deutschen Wirtschaft – die Bauwirtschaft wurde nicht einmal angerissen – sind nicht mehr Tages-, sondern Stundenereignis geworden.

Doch laut Scholz haben SPD, Grüne und FDP das Problem nicht nur im Griff. Die Ampelzeit gilt als Erfolgszeit. Man habe Verfahren beschleunigt. Die Bedingungen für Investitionen verbessert. Die Migration sei besser geregelt, es würden mehr Fachkräfte nach Deutschland kommen. „Wir haben alles getan, was ein vernünftig denkender Mensch tun kann“, verkündet der Bundeskanzler.

Einen „Turnaround“ habe die Bundesregierung auch in der Verteidigungspolitik hingelegt. Dass die Bundeswehr in einem erbärmlichen Zustand ist, trotz milliardenschweren „Sondervermögen“, stört den Kanzler ebenso wenig wie die marode Wirtschaft. Die SPD-Welt ist eine heile Welt. Man solle das, was man erreicht habe, mit Stolz betrachten. Und: er werde allen entgegentreten, die die „ihr Süppchen kochen und dieses wirtschaftlich starke Land herunterreden.“

Die Ampel regiert gegen die Wirklichkeit. Und ihr Kanzler kündigt den Boten der schlechten Nachrichten die Köpfung an. Deutschland liegt weit unter dem internationalen Durchschnitt der Wirtschaftsprognosen. Die Spitzenposition hält die Republik nur beim Tragen der Roten Laterne. Scholz degradiert die unliebsame Wirklichkeit zur bloßen Meinung herab. Zur unliebsamen Wirklichkeit gehören Industrie- und Handelskammer, gehören Wirtschaftsinstitute, gehören Arbeitgeberverbände, gehören Handwerker – und gehört auch der Bundesfinanzminister.

Im wohligen SPD-Milieu kann der SPD-Politiker trotz mangelnder Hausmacht so, wie er will. Wenn der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil fordert, der Staat müsse investieren, dann ist er endlich unter seinesgleichen. Der Bürgergeld-Kanzler stellt noch mehr soziale Wärme in Aussicht – und verspricht, dass das Rentenniveau stabil bleibt. Wie das funktionieren soll, fragt man sich als Außenstehender. Doch in der SPD-Welt, in der Deutschland eine Wirtschaftslokomotive ist, eben jenes „reiche Land“ mit unerschöpflichen Reserven, ist auch das möglich. Klausur, das heißt nicht umsonst, dass man sich abschließt und die Öffentlichkeit ausschließt. Manchmal gehört auch die Realität dazu. Bis sie irgendwann umso härter einbricht.

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Kommentare ( 96 )

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BellaCiao
6 Monate her

Die Sprechblase müsste rechts von Scholz’ Kopf und etwas weiter oben platziert sein. Der Inhalt’ „…“ passt perfekt. Scholz »in leichter Sprache« – so müsste er eigentlich immer in den Nachrichten gezeigt werden: Nur mit Sprechblasen, denn verbal produziert er ja nichts anderes. Dann können die nächsten „Wumse“ kommen und werden sogar schon von unseren Kleinsten ganz richtig verstanden.

AlexR
6 Monate her

„Realität“ ist sowieso ein Fremdwort in dieser sog. Regierung.

Aber hatte nicht eine Frau Merkel eine von ihr initiierte Wirtschaftskrise auch für beendet erklärt, um nahtlos die nächste „Krise“ auszurufen?!

Siggi
6 Monate her

Wie will einer der sich der Realität derart verweigert, zudem noch rückgratlos und so verschlagen ist, gute Politik machen. Die Ampel gehört endlich abgeschaltet. Wenn man dann noch dazu sieht, die die CDU/CSU ihr gewähren lässt, sollte doch jedem Bürger klar sein, dass wir einen echten harten Reset für unser Land brauchen. Die Altparteien schieben sich die Macht zu und unter dem Strich bleibt es immer der selbe Schwachsinn, der diesem Land schadet. Es wäre sicherlich richtig, wenn man den Amtseid komplett streicht, da er weder in irgend einer Weise rechtsverbindlich ist und auch sonst nur in der Minute der… Mehr

N. Niklas
7 Monate her

Na, dann können wir ja wieder FDP wählen. Der Lindner haut aber auf den Putz. Toller Typ. Gerade und mutig. Konnte er ja nun wirklich nicht wissen, dass der Scholz dabei nicht mitspielt, die ganze Ampel-Politik der letzten 3 Jahre über den Haufen zu werfen. Niemals nichts davon abgesprochen.

reconquistadenuevo
7 Monate her

Dann hat König Olaf der Vergessliche ja auch den Krieg in der Ukraine für beendet erklärt. Hat er Selensky schon Bescheid gegeben ?

Dr. Friedrich Walter
7 Monate her

Beträgt ein „Turnaround“ nicht exakt 360 Grad, wie Baerbock es für Veränderungen fordert? Dann wissen wir ja, in welche Richtung es jetzt geht. 😉

89-erlebt
7 Monate her

Man kann nun gut erkennen, dass die erwiesenen 9 Besuche des Juso Olafs bei Egon Krenz und Genossen Früchte tragen. Auch in der beste DDR war doch alles bestens für Honecker & Co. Warum sollte es da für den Scholz anders aussehen, wo doch die FDJ unter Angela so doll vorgearbeitet hat.

Juergen Waldmann
7 Monate her

Wer etwas anderes sagt , auch wenn es die Wahrheit ist , dem droht dann Kontakt mit Faeser und Haldenwang . Beamten wird jetzt schon angedroht , dass sie ihren Arbeitsplatz und die sichere Pension verlieren können , wenn sie in der Nähe der Opposition , bei uns die AfD , gesichtet werden !

ketzerlehrling
7 Monate her

Krise? Welche meint er? Deutschland ist eine einzige Krise, aber nur in den Augen der AfD, deren Wähler, Befürworter und dem Teil der schweigenden Mehrheit, der allenfalls bei Umfragen die gleiche Ansicht kundtut. Ansonsten ist, wenn man von Wirtschaftskrise spricht, diese, lt. Märchenrobert, geplant gewesen und strikt umgesetzt worden. Bundesolaf hat recht, welche Krise?

Wolfgang Schuckmann
7 Monate her

Die Erklärung dieses Kanzlers ist eine
Kampfansage gegen jeden, der die Ratio zur Grundlage des eigenen Handelns macht.
Das ein Mensch in höchster Verantwortung einen solchen Realitätsverlust erleiden kann, sollte all jene wachrütteln, die diese Krankheit nicht als das erkennen, was sie ist. Es ist wirtschaftspolitische Blasphemie.