Wie Scholz jetzt doch noch Kanzler einer Rot-Rot-Grünen-Koalition wird

Die Ampel soll kommen - und wird eine Farce. Scholz wird seine Zugeständnisse an die FDP nicht halten können, weil er keine Macht über die eigene Partei hat. Der Bundesrat könnte der ideale Vorwand werden, die FDP endgültig auszubooten - gemeinsam mit der Linkspartei.

IMAGO / Mike Schmidt

Die SPD leistet in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin einen Offenbarungseid nach dem anderen. Erst inszenierten sich die SPD-Kandidatinnen Franziska Giffey und Manuela Schwesig als regional verwurzelte Pragmatiker, jetzt wollen beide mit der Linkspartei koalieren. 
Die Berliner hofften auf eine bürgernahe, seriöse Bürgermeisterin und bekommen ein dreistes Weiter-So einer Landesregierung, die Berlin zum deutschlandweiten Negativbeispiel machte. Franziska Giffey hätte wahrscheinlich auch lieber mit der CDU regiert, sie kann es aber gar nicht. Die SPD-Basis ist mittlerweile aber so eindeutig nach Linksaußen ausgerichtet, dass es ohnehin einem Wunder gleicht, dass sie Giffey überhaupt antreten ließ. Die SPD tut das was sie zuletzt immer tat: Wann immer sie konnte, regierte sie mit der Linken.

Und dennoch gaben die Parteispitzen am Freitagmittag bekannt, in Koalitionsverhandlungen einsteigen zu wollen. Die Eckpunkte der bisherigen Einigung: Volle Klimaagenda, 12 Euro Mindestlohn, dafür keine Steuererhöhungen und kein Tempolimit. Jedenfalls an der Oberfläche. Die FDP steuert mit ihrer Einwilligung auf ein neues 2013.

Denn die Einstellung der SPD ist spätestens seit der Wahl von Esken und Walter-Borjans als Parteivorsitzenden klar. Ein unbekanntes, uncharismatische Duo konnte sich durchsetzen – einfach weil der innerparteiliche Widerstand gegen den nicht ausreichend revolutionären Kampfgeist zeigenden Bundesminister Scholz an erster Stelle kam. 
Die SPD zog Scholz, Giffey & Co. dann lediglich als Wahlkampf-Giveaways aus dem roten Jutebeutel.

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Bei den Grünen ist die Sache ganz ähnlich. Zwar versucht Robert Habeck ebenfalls gezielt, sich als mittiger Politiker zu inszenieren, doch seine Partei geht einen anderen Weg. Unter dem Schlagwort der „sozial-ökologischen Transformation“ ist man wirtschaftspolitisch kaum mehr von der Linkspartei zu unterscheiden, inklusive des im neuen Grundsatzprogramm verankerten Bedingungslosen Grundeinkommens. Die Mitgliederzahl der Partei hat sich seit 2016 mehr als verdoppelt. Die Partei wurde geflutet mit Mitgliedern, für die eine radikale Klima-Agenda an erster Stelle steht und unverhandelbar ist. Die Strukturen der Partei sind schwach, der Einfluss der Spitze gering.

Habeck und Scholz sitzen beide auf einem Pulverfass. Sie halten sich nur mit Müh und Not auf dem Sattel von Parteien, die kaum noch im Zaum zu halten sind. Es ist insofern auch nicht zielführend, allzu sehr über beide Rodeo-Cowboys und darüber zu sinnieren, was sie vielleicht meinen und denken – sie können gar nicht anders als den radikalen Sehnsüchten der Basis nachzugeben. Und das dürfte der FDP zum Verhängnis werden.

Rot und Grün können in der Welle der Wahl und der Hoffnung auf einen neuen „Klimakanzler“ Koalitionsverhandlungen mit der FDP schmieden und einige oberflächliche, einfache Zugeständnisse machen – offenbar verzichten die Grünen jetzt etwa auf das Tempolimit. Koalitionsverträge haben ohnehin keine wirkliche Geltungskraft, dieser dürfte dann aber nicht mal das Papier wert sein, auf dem er geschrieben steht.

Bei den kleinsten Kratzern und Krisen, bei den kleinsten Wahlverlusten, bei der nächsten Umweltkatastrophe, die natürlich sofort zur Folge des Klimawandels erklärt werden wird: Sofort haben Scholz und Habeck die Basis im Nacken.

Jamaika-Verhandlungen nur zur Gesichtswahrung
Die Grünen geben den Ton an: Die Ampel wird kommen
Dafür bildet sich gerade ein neues Einfallstor: der Bundesrat. Der ist für eine Ampel ohnehin ein schwieriges Terrain. An 11 von 16 Landesregierungen ist die Union beteilig. Da die Stimmen aus jedem Bundesland nur einheitlich abgegeben werden können, werden viele Regierungsvorhaben blockiert werden. Dieser Zustand könnte sich im kommenden Jahr allerdings ändern. Bei den Wahlen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und im Saarland wird über vier Landesregierungen, an denen die CDU beteiligt ist, neu entschieden. Kommt die Union nicht schnell aus ihrer Krise, droht hier das nächste existenzielle Fiasko. 
In Niedersachsen verfehlte Rot-Grün schon bei der letzten Wahl 2017 nur hauchdünn eine Mehrheit, die aktuellen Umfragen in NRW sagen eine deutliche rot-grüne Mehrheit voraus.

Im Schatten des Ramelow 

Aktuell sind 18 von 69 Sitzen im Bundesrat mit Vertretern von Landesregierungen besetzt, in denen die CDU nicht mitregiert. Entscheidet Rot-Grün die nächsten Wahlen für sich, kann man eine Mehrheit im Bundesrat ohne die Union bilden. Und auch wenn es nicht für die Mehrheit reicht: Da die Verhandlung über die Positionen im Bundesrat in jeder Regierung individuell geführt werden, kann die Union ohnehin nicht flächendeckend eine Blockade durchsetzen. Zunehmend vieles hängt mit abnehmendem Einfluss der Union dann an der Linkspartei. An vier der Regierungen ohne die Union wäre die Partei dann beteiligt (inklusive Mecklenburg-Vorpommern und Berlin).

Dann wird die Ampel-Koalition endgültig zur Tortur für die FDP. Ständig wird nachverhandelt, allerdings nicht mit der Führung der CDU, sondern mit Ramelow und Lederer – SPD und Grüne können ihre linken Anliegen dann durchsetzen mit Verweis auf die Forderungen der Linkspartei. Und dann wird man sich leider nicht an den Koalitionsvertrag halten können. Sorry, liebe FDP, uns sind die Hände gebunden.

Glosse
Fangt endlich an mit der Ampel – aber richtig
Für größere Reformprojekte der FDP ist in dieser Gemengelage kein Platz. 49 Jusos sitzen in der neuen SPD-Fraktion, die Partei ist deutlich jünger und linker geworden. Bei „neoliberalen Kompromissen“ werden viele ohnehin nicht mitziehen und aus der Koalitionsdisziplin ausbrechen. Die Jusos alleine könnten jede Ampel-Mehrheit aufheben.

Die FDP kann in einer solchen Koalition nie aktiv werden, denn all ihre Projekte werden in diesem Spießrutenlauf aus Parteilinken von SPD und Grünen, unkontrollierbaren Fraktionen, Linkspartei und Union im Bundesrat zusammenbrechen. Die FDP wird lediglich selbst als Bremse wirken können, die ihrerseits linke Projekte aufhalten kann. Höhere Erwartungen stellt die Partei ja ohnehin nicht. Die einzigen substanziellen Bedingungen, die Lindner stellt, sind: keine Steuererhöhungen, kein Aufweichen der Schuldenbremse.

Regieren um des Blockierens Willen ist allerdings ein widersinniges Konzept. Denn blockiert sind die Projekte von Rot-Grün ohnehin mangels Bundestagsmehrheit. Dafür braucht die FDP nicht in eine Regierung einzutreten.

Die FDP wäre bei einer Ampel gar nicht wirklich Teil der Koalition, sondern eher ein mit Ministerposten eingekaufter Stimmenbeschaffer. An der inhaltlichen Vision wird die Partei abseits von Nonsens-Themen wie „Digitalisierung“ oder Cannabis-Legalisierung nicht beteiligt werden. Selbst wenn Scholz es wollte – er kann nicht. Die Linkspartei wird stattdessen Schattenkoalitionspartner und Bande im doppelten Spiel von Rot-Grün.

Ob die FDP tatsächlich diesen verhängnisvollen Schritt zur Ampel gehen wird, bleibt offen, sie hat oft genug bewiesen, dass sie zu so etwas fähig ist. Ihr Schicksal würde sich wiederholen. Es wäre eine Selbstvernichtung im Einklang mit der Parteitradition, ritueller Selbstmord einer Splitterpartei. Und Lindner würde den letzten Beweis erbringen: Die neue FDP ist die alte nur in Pink.

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Kommentare ( 61 )

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LFS
3 Jahre her

Ich rate dazu, erstmal abzuwarten.
Als Schröder an die Macht kam – Autor Air Türkis musste zu diesem Zeitpunkt übrigens noch vier Jahre auf seine Geburt warten – , haben konservative Kommentatoren den gleichen Marxismus an die Wand gemalt – und es kam anders.

Last edited 3 Jahre her by LFS
merkelinfarkt
3 Jahre her

Eine schwarzgelbe Regierungskoalition mit Duldung durch Blau hat 2021 die klare Bundestagsmehrheit! Merkelbefreite, konservative Politik anstelle von grünem Sozialismus ist daher praktisch möglich, und die mediale Diffamierungsdauerkampagne gegen die Blauen könnte zugleich wenigstens auf ihren rotrotgrünen Ursprung reduziert werden.
Ohne eine konsequente, personelle Runderneuerung einschließlich Abwurf sämtlicher Merkeldiener müssen CDU/CSU und FDP aber wohl weiter rotgrüne Kreide bis zu ihrer völligen Vergiftung fressen. Wohl bekomm´s!

W aus der Diaspora
3 Jahre her

Es wird sich erst dann etwas ändern an der politischen Grundausrichtung in Deutschland, wenn die Journalisten selbst leiden müssen!
Denn erst dann wird die Journalie dazu übergehen realistisch zu berichten. Erst dann wird man lesen wieviele Hektar Wald durch Windräder vrnichtet wurden, erst dann wird man lesen wie sich die Dämmvorschriften auf die Miethöhen auswirken, oder was der Zusammenhang zwischen steigendem Mindestlohn und steigenden Preisen ist.

Das allerdings wird länger als vier Jahre dauern …
Also machen wir uns schon mal darauf gefasst, dass wir die rote Regierung mind. 12 Jahre ertragen müssen!

R.Baehr
3 Jahre her

hm…..alles, aber auch alles wird die FDP mittragen, zu lange schon nicht mehr mitregiert, den Klimauntergang sehen die gelben mittlerweile genauso groß vor sich wie die grünen und darum geht es weiter Richtung Abgrund. Die Wirtschaft wird sich auf die Flucht begeben keine Zukunftsperspektive mehr ausser ins Uferlose steigende Energiepreise und die Musik spielt mittlerweile ausserhalb des Landes. Die angedachten Maßnahmen werden die Kaufkraft radikal vermindern und von der Substanz wird man wohl nur eine begrenzte Zeit über die Runden kommen und was dann? Die FDP will ja jetzt wieder einmal nicht mehr neben der AfD sitzen, das sind die… Mehr

Dozoern
3 Jahre her

Danke, Herr Türkis, klug beobachtet und brilliant formuliert. Genau so wird es kommen. Witz des Tages: Das Handelsblatt (!) fabuliert heute in ihrem Morning Newsletter von „zwei liberalen Parteien in der neuen Ampelkoalition! Sie meinen die Grünen! Geht’s noch schwachsinniger & anbiederischer?

TschuessDeutschland
3 Jahre her

Wir haben bereits eine Vermögenssteuer für alle Deutschen von ca. 5%, Tendenz stark steigend.

Nennt sich „Inflation“

TschuessDeutschland
3 Jahre her

Die einzige in Deutschland personell, inhaltlich und kompetenz-mäßig noch halbwegs regierungsfähige und auch international vorzeigbare Partei ist bäh und „Nazi“.
Ansonsten nur noch Voll-Spinner, der Realität komplett entrückte Fantasten, Pseudo-Sozial-Radikalinskis, Pöstchenjäger und Globalisten-Resterampe.
Die Deutschen sind komplett verrückt geworden.

Last edited 3 Jahre her by TschuessDeutschland
Wilhelm Roepke
3 Jahre her

Es müssen erst noch sehr, sehr viele Tränen fließen, bis auch die Masse der Wähler erkannt hat, dass es außerhalb der AFD, LKR, Werteunion und Co keine Opposition zum politisch-medialen linken Mainstream gibt, der zwar für junge Leute cool klingt, aber halt nichts auf die Reihe bringt. Ohne Inflation, Blackouts, Integrationsprobleme, Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit und kaputte Krankenhäuser geht es schon mal gar nicht und selbst dann kann das noch sehr lange so gehen. An der Sowjetunion hat man gesehen, wie lange sich unsinnige Ideen vor der Pleite halten und auch Venezuela hat trotz einer Hungersnot kein Einsehen bei der Bevölkerung erwirkt.… Mehr

Emilie
3 Jahre her

Immer wieder lese ich, nicht nur hier, dass die Wähler genau diese Politik wollen, die in Wohlstandsvernichtung, Energieknappheit, zunehmender Islamisierung, etc. führt. Ich glaube das nicht. Aber ich stelle immer wieder fest, wie desinformiert die meisten sind. Ja, desinformiert. Ursache und Wirkung werden nicht mehr deutlich. Dass Massenmigration und Wohnungsknappheit (ergo Preisexplosion) zusammenhängen? Dass „grüne“ Bauvorschriften und Wohnungsknappheit (ergo Preisexplosion) zusammenhängen? Dass die EZB der größte Inflationstreiber ist, im Interesse der Staaten? Die meisten wissen gar nicht, was eine „lockere Geldpolitik“ ist. Oder dass die „grüne“ Energiewende in eine Blackoutgefahr führen MUSS? Fundamentale Zusammenhänge werden nicht gesehen. Vermutlich, weil es… Mehr

Ticinese
3 Jahre her

Die NZZ beurteilt die Lage etwas anders: »“Die FDP sitzt in der Falle“: Die Analyse trifft auf die Koalitionsverhandlungen zu. Wenn aber die Koalition erst einmal installiert ist, gewinnt die FDP ihre Freiheit zurück. Sie wird immer einen Grund finden, um den faustischen Pakt mit zwei staatsverliebten Parteien zu kündigen. Die Liberalen befinden sich nicht in babylonischer Gefangenschaft.« Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass die wirtschaftliche Situation (eine Hinterlassenschaft einer CDU-Kanzlerin!!!) auf eine Katastrophe zuläuft, die CDU/CSU sich wieder fängt und die FDP die Koalition platzen lässt. Wenn die Deutschen allerdings ums Verrecken den Sozialismus wollen, kann ihnen niemand mehr… Mehr