Scholz, der Teilzeitautoritäre, will Deutschland zur Führungsmacht machen

Auf dem Nato-Gipfel plustert sich Olaf Scholz auf: Deutschland will Verantwortung übernehmen. Das ist offenbar die Antwort auf die baldige Präsidentschaft von Donald Trump. Ausgerechnet in einer Schwächephase der Republik. Anspruch und Wirklichkeit gingen nie weiter auseinander.

picture alliance/dpa | Michael Fischer

Olaf Scholz möchte sich als Führer anbieten. Er hat diesen Willen auf dem Nato-Gipfel bekundet. Deutschland sei schließlich das größte Land Europas in der Nato. Daraus erwachse eine „ganz besondere Verantwortung“. Darum schlussfolgert der Kanzler: „Und das kann ich hier ganz klar sagen. Wir werden, ich werde, dieser Verantwortung gerecht werden.“

Das kommt nicht überraschend. Letzte Woche wurde bereits vonseiten TEs spekuliert, dass die deutsche Reaktion auf Trump dem Schauspiel der letzten Merkel-Amtszeit ähneln könnte. Deutsche Führungsrolle, um ein Gegenprogramm aufzusetzen. Das hat bereits mit Heiko Maas und seiner Unterstützung des UNRWA und des Iran-Deals so gut funktioniert. Es darf prophezeit werden: Annalena Baerbock wird diese Leistungen übertreffen. Schließlich geht es gegen Donald Trump.

Freilich: Eine Führungsrolle haben sich auch die Europäer in der Vergangenheit von Deutschland immer wieder gewünscht. Allerdings war das vor der Ampel, und spätestens seit den Belehrungen gegenüber Polen und Ungarn ist man sich jenseits von Rhein, Alpen, Oder und Belt nicht so sicher, ob man wirklich deutschen Ambitionen ausgesetzt sein möchte, die meistens auf Regenbogenwerte hinauslaufen. Und freilich wäre eine Emanzipation Deutschlands begrüßenswert. Die Frage bleibt, ob das unter dieser politischen Konstellation glücklich verlaufen kann.

Bereits beim Verweis auf das angeblich erfüllte Zwei-Prozent-Ziel zeigt sich exemplarische die klaffende Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Bekanntlich hat die Bundesregierung getrickst, um das Ziel nach Jahren als erfüllt zu erklären, auch, wenn es mit der Truppe seit Ende der Merkel-Ära nicht wirklich besser ausschaut: Zeitenwende hin, Zeitenwende her. Dass nunmehr sogar eine 3-Prozent-Klausel angeregt wird, dürfte Scholz, dessen Kabinett händeringend nach Geld sucht, um es in weitere Ampelprojekte zu stecken, aufhorchen lassen. Wer führen will, muss zahlen.

Scholz plustert sich aber nicht nur in dieser Hinsicht auf. Bisher blieb er außenpolitisch blass. Auf der internationalen Bühne haben Giorgia Meloni und Viktor Orbán in den letzten Wochen geglänzt. Scholz dagegen machte im Ausland Schlagzeilen wegen seiner Reaktionen auf die erschütternde Niederlage seiner 30-Prozent-Koalition bei den EU-Wahlen. Emmanuel Macron stand in der Kritik, weil er Neuwahlen anordnete. Ganz anders Scholz. Der tat – gar nichts. Aber auch das hat Erstaunen ausgelöst. Wenn nur nicht so, wie es die Ampel gerne hätte.

Auch das gehört zum teilzeitautoritären Wesen dieser Kanzlerschaft. Teilzeitautoritär deswegen, weil Scholz sich zum größten Teil seiner Kanzlerschaft zurückhält. Die Hälfte seiner Amtszeit hat man ihn kaum oder gar nicht wahrgenommen. Trotz einer bereits international berüchtigten Ministertruppe hat es der Kanzler bisher vermieden, irgendeine Personalie zu schassen, Aufklärung zu fordern oder aufzuräumen.

Zur Erinnerung: Christine Lambrecht wurde nicht wegen ihrer katastrophalen Verteidigungspolitik oder einer Hubschrauber-Affäre entlassen, sondern auf eigene Bitte wegen eines missglückten Silvestervideos. Ähnlich bei Anne Spiegel, bei der nicht etwa ihre Rolle in der Ahrtal-Flutkatastrophe der Grund war, denn vielmehr ihr ebenfalls missglücktes Video, das die Position der Minister noch deutlicher erschütterte.

In der Agora-Affäre, die das ganze Wirtschaftsministerium betraf und dem damit verbundenen Heizungsgesetz gab es kein einziges Mal ein Eingreifen des Bundeskanzlers. Auch das erweckte den Eindruck, dass die Minister vor allem sich selbst verantwortlich waren und schalten und walten konnten, wie sie wollen. Nur in der Außenpolitik hat Scholz bisher das Auswärtige Amt immer wieder deutlich darauf hingewiesen, wo die Musik spielt – nämlich im Kanzleramt.

Kurz gesagt: Im Kabinett macht jeder, was er will, insbesondere die Grünen, und nur manchmal hebt Scholz sein Haupt, um Bundeskanzler zu spielen und ein bisschen den SPD-Machtanspruch durchzusetzen. Es hätte eine Reihe von Disziplinarmaßnahmen und Entlassungen geben müssen in dieser Ampelzeit. Wer führen will, insbesondere ein Land oder gar einen Kontinent, der sollte schon seinen eigenen Laden im Griff haben.

Ökonomisch wie innenpolitisch ist Deutschland alles andere als stabil. Es stehen drei Wahlen in Ostdeutschland bevor, die vielleicht keine direkte Brisanz für die Ampelstabilität bedeuten. Alle drei Parteien werden jedoch neuerlich vorbestraft werden – und derzeit spricht nichts dafür, dass dies bei der Bundestagswahl in einem Jahr anders sein sollte. Selbst eine „Große Koalition“ könnte wohl keine Mehrheit bilden. Es bleibt mindestens bei Dreierbündnissen, die über verschiedene Lager hinwegoperieren müssen.

Zugleich befindet sich die deutsche Wirtschaft im Sinkflug. Zwar haben auch andere europäische Länder nachgegeben. Aber die Ampel hat in dieser Zeit immer wieder gezeigt, dass sie etwa bei der Senkung der Energiepreise (nicht vollzogener Ausstieg aus dem Atomausstieg) oder Steuerentlastungen (der Tag des Steuerzahlers hat sich im Vergleich zu 2023 kolossal um einen Tag vorverlegt) taub ist.

Vom brummenden Wirtschaftsmotor Europas ist wenig übrig, und insofern bleibt die Frage, ob der Anspruch als Führungsmacht ausgerechnet in einer für alle Nato-Mitglieder sichtbaren Schwächephase durchgesetzt werden kann. Im Internet spottet man bereits, das Einzige, was Olaf Scholz und Joe Biden verbindet, seien ihre Gedächtnisschwierigkeiten. Scholz ist zugute zu halten, dass er sich zumindest noch nicht als schwarze Frau bezeichnet hat. Aber die Idee, Deutschland sollte ausgerechnet jetzt an die Spitze der Nationen treten, kommt auch schon manchen anderen, verwirrenden Aussprüchen des US-Präsidenten nahe.

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Kommentare ( 64 )

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BellaCiao
5 Monate her

Ich fürchte, Scholz wird noch viel mehr tun, wenn er damit irgendeine Möglichkeit sieht, an der Macht zu bleiben.

Diogenes
5 Monate her

„Und das kann ich hier ganz klar sagen. Wir werden, ich werde, dieser Verantwortung gerecht werden.“
Wann hat er jemals, sei es als Hamburger Bürgermeister oder als „Kanzler“ irgend eine Verantwortung übernommen.
Sein Gedächtnis reicht doch nicht einmal 4 Wochen zurück, indem er mit entschlossenem Unterton eine massive Remigration ankündigt und das Ganze nie wirklich geplant und real angedacht war.

Evero
5 Monate her

Die SPD hat ein seltenes Talent, stets die Zeichen der Zeit zu verschlafen. Vor der sich abzeichnenden Wende pflegten die Genossen noch fleißig den Dialog mit den Kommunisten und wurden von den Ereignissen überrollt. Jetzt im Neuen Kalten Krieg des Westens stellt sich der nach der Ukraine Hauptgeschädigte wie ein ängstliches Kind hinter den Hauptaggressor USA in Europa und ruft um Hilfe, statt sich zuvorderst mutig und entschlossen um Frieden und Verständigung mit dem Nachbarn und wichtigen Rohstofflieferanten Russland zu bemühen. Mehr US-Waffen in Deutschland bringen uns keine Sicherheit. Im Gegenteil! Wenn es zwischen der NATO und Russland zum Krieg… Mehr

RauerMan
5 Monate her

„Deutschland als Führungsmacht“. Was das Land als solches betrifft, ja. Aber mit welchem F ührungspotenzial ? Mit dem Derzeitigen nicht, sieht man von einzelnen Personen ab, welche aber oft in der verkehrten Partei sind, oder in zweiter Reihe. Vom Wohl und Wehe von Partien- und deren Dogmatikern/innen abhängig. Volkeswille spielt offenbar keine Rolle, sondern Machterhalt- und möglicher Machtausbau einer Gruppe von Wirklichkeitsverdrehern,nach dem Motto „wenn nicht jetzt, wann dann“, wissend daß sie bei ordentlichen Wahlen keine Chance hätten. Man schreckt auch nicht von „Volksfronten“ ala SED zurück, Parteiprogramme und deren Unterschiedlichkeiten spielen keine Rolle. „Brandmauern“ verhindern vom Volk gewünschte Arbeit… Mehr

Axel Fachtan
5 Monate her

6,7 Milliarden mehr wollte Pistorius, 1,2 Milliarden soll er kriegen. Also nicht mal Inflationsausgleich.
Deutschland hat Munition für 3 Tage und eine Armee, die nicht mal mehr Luxemburg oder Malta beeindrucken kann.
Mit analogen Funkgeräten, die anscheinend teils noch aus den 1960er Jahren stammen.
Damit wird Deutschland jetzt Führungsmacht. Ganz sicher.
Wir haben keine Führung.
Wir haben keine Macht.
Und erst recht sind wir keine Führungsmacht.
Wir sind nur noch das Klopapier der Amerikaner
und die wischen sich mit uns siehe Nordstream
den Hintern ab.

RauerMan
5 Monate her
Antworten an  Axel Fachtan

Unsere Bruttosozialleistung fällt. Und damit so,die heiligen 2% davon nicht mehr, soindern weniger, zumal die schön geredete Inflation nicht wegzureden ist. Für unsere, norwendigen Verteidigungsausgaben fehlen im Haushalt geforderte mindestens 3,5 Milliarden. Diese Milliarden werden für andere Sachen,ob zweckmäßig, das sei dahingestellt, rausgehauen. Der Steuerzahler sieht nicht mehr, daß sein Beitrag richtig eingesetzt wird. Im „Kalten Krieg“ wurden etwa 5% zur Verteidigung bereitgestellt, von einer Wehrpflicht mit sinnvoem, funktionierendem Ersatzdienst. Nicht Alle stellten sich dieser Herausforderung, aber Alle profitierten. Diese sinnvolle, die Bevölkerung zusammenbringende Politik, wird heutzutage von Realitätsverweigerern ins Gegenteil umgesezt. Unser Problem ist, dasTrugbild eines Schlaraffenlandes, herbeigezaubert von… Mehr

teanopos
5 Monate her

Verkehrsminister Wissing zur EM, zu den Bahn Verspätungen: „Was Fans widerfahren ist, entspricht nicht dem Anspruch Deutschlands“ Diese Verspätungen der Bahn sind bezeichnend und stehen stellvertredend für den Zustand dieses Landes. Und es braucht also erst ausländische Gäste die sich beschweren und sich über den Zustandes dieses Land lächerlich machen um zu merken dass Deutschalnd vom Kurs abgekommen ist? Und selbstverständlich wird auch nur dann reagiert wenn Gäste/Außenstehende sich über solche Zustände beschweren. Auch das steht stllvertretend für dieses Land, die Ingnoranz der Eliten gegenüber den eigeenen Bürgern und ihren Bedürfnissen. Wenn Einheimische/Bürger sich jahrelang beschweren, was wollen die denn… Mehr

Last edited 5 Monate her by teanopos
AmitO
5 Monate her

Es stellen sich noch 3 weitere Fragen:

  1. Warum sollten wir zu einer bewaffneten Satrapie der USA werden?
  2. Wurden die Bürger gefragt, ob sie sich eine noch größere Zielscheibe für chinesische und russische Atomwaffen ins Land malen wollen?
  3. Gibt es in der Bürgerschaft überhaupt eine Mehrheit dafür?
CIVIS
5 Monate her

Ach so,… „Scholz, der Teilzeitautoritäre, will Deutschland zur Führungsmacht machen“.

Zählt eigentlich laut loslachen (…so ähnlich wie Dick und Doof in den Tim Kellner-Videos) jetzt auch schon zu den delegitimierenden Handlungen gegenüber dem Staat und seinen Organen ?

Egal: …hier stehe ich; ich kann nicht anders !

Last edited 5 Monate her by CIVIS
Mausi
5 Monate her

632.733,9 km² = F/ 357.588(62.) km² = D / 505.970 km² = Spanien Wo bitte ist D das größte Natoland Europas? D Goldeseleigenschaft geht gerade verloren. Im übrigen hat D es m. E. fertiggebracht, einen hohen Etat für die Verteidigung aufzusetzen und dann das Geld sinnlos auszugeben. Und gerade D mit Führungsrolle wollen viele Länder eben nicht. Wir verzichten gerade bewußt auf diese Rolle, indem wir unsere Wirtschaft pulverisieren, indem wir unsere Energieversorgung auf ausländische Beine stellen. Was RRG mit seinem verrecke D ja nur entgegenkommt. Vielleicht ist das der Preis oder einer der Preise für die Wiedervereinigung. „Bisher blieb… Mehr

Last edited 5 Monate her by Mausi
Rob Roy
5 Monate her

Was für ein Quatschkopf. So gut wie kein Politiker hat in den letzten Jahrzehnten „Verantwortung übernommen“. Ganz gleich, was sie an Mist gebaut haben, wo sie versagt oder sogar dem Land und seinen Bürgern geschadet haben, hatte es keinerlei Konsequenzen für die Beteiligten.
Die Zahl an Politikern, die zurückgetreten sind in den letzten 10 Jahren kann man an einer Hand abzählen. Dabei haben wir fast jede Woche Skandale, die zu Rücktritten und Entlassungen führen sollten.
Verantwortunglosigkeit ist zu einem Merkmal deutscher Politik geworden, was immer sie uns auch erzählen wollen.