Tichys Einblick
Schon wieder Erinnerungslücken

Scholz schlängelt sich erneut aalglatt durch den Cum-Ex-Untersuchungsausschuss

Scholz hat vor dem Untersuchungsausschuss zur Cum-Ex-Affäre erneut eine politische Einflussnahme ausgeschlossen. Die SPD-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft verkündete bereits vor der Sitzung, der Ausschuss habe Tschentscher und Scholz entlastet. Es ist halt Wahlkampf – der Betrogene bleibt einmal mehr der Steuerzahler.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagt zum dritten Mal als Zeuge vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft zum Cum-Ex-Skandal aus, 6. Dezember 2024

picture alliance/dpa | Christian Charisius

Am Nikolaustag, 6. Dezember 2024, stand in der Hamburger Bürgerschaft die 65. und vorletzte 2024er Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) zur „Cum-Ex Steuergeldaffäre“ an. TE hat regelmäßig über den Steuerbetrug, der den Fiskus, also den Steuerzahler, um rund 30 Milliarden prellte, berichtet, zuletzt hier.

Am 6. November 2020 hatte sich dieser PUA konstituiert. Am 2. März 2025 wählt Hamburg seine neue Bürgerschaft. Was bis dahin im PUA nicht geklärt ist, verschwindet im Nirvana der aktiv Vergesslichen. Bisher stand neben der Warburg-Bank die ehemalige HSH Nordbank, damalige Landesbank Hamburgs und Schleswig-Holsteins, vor allem wegen Cum-Ex-Geschäften im Zentrum der Untersuchungen. Nun stellte sich heraus, dass die HSH illegale Profite in Höhe von 275 Millionen Euro erzielt hatte. Dabei hatte die HSH noch 2008 mit 14 Milliarden Euro an Steuergeldern gerettet werden müssen. Dennoch betrieb die HSH zwischen 2008 und 2011 in 29 Fällen Cum-Ex-Geschäfte – mit 126 Millionen Euro an illegalen Gewinnen, die 2014 zurückgezahlt wurden. Zusätzlich tätigte die HSH in den Jahren 2003 bis 2012 Cum-Cum-Geschäfte. Dass eine Landesbank wie die HSH mit Steuergeldern gerettet wird und gleichzeitig mit illegalen Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäften den Staat beraubt, mag verstehen, wer will.

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In der Vergangenheit sagte Peter Tschentscher (SPD), Hamburgs Erster Bürgermeister und vormaliger Finanzsenator bei Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), vor dem PUA, die HSH Nordbank habe Geldbußen gezahlt. Nein, die HSH hat keine Geldbußen bezahlt, sondern lediglich die illegal erwirtschafteten Profite zurückgezahlt, aber keine zusätzliche Strafe oder Geldbuße verpasst bekommen. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft Hamburg nicht aufgenommen – trotz Informationen aus der internen Untersuchung der HSH Nordbank, welche die Staatsanwaltschaft ab 2013 erhielt, und Hinweisen aus der Finanzverwaltung im Jahr 2015.

Allerdings ermittelten andere Staatsanwaltschaften schon ab 2013 zu Cum-Ex-Geschäften, und 2018 nahm die Staatsanwaltschaft Köln Ermittlungen gegen HSH-Banker auf. Laut Medienberichten wurden Hamburgs Finanzbehörden im Sommer 2017 über die Geschäfte der HSH Nordbank aufgeklärt. Finanzsenator war damals Tschentscher, Bürgermeister Olaf Scholz. Beide haben bis heute nicht erklärt, wieso es nicht zu strafrechtlichen Ermittlungen kam.

„Scholz kann sich mal wieder nicht erinnern“

Nun also die 65. Sitzung des PUA mit den Zeugen Scholz und Tschentscher. Für Scholz war es der dritte Auftritt vor diesem PUA nach Auftritten am 30. April 2021 (damals Bundesfinanzminister) und am 19. August 2022 (mittlerweile Bundeskanzler). Damals hatte sich Scholz im Zusammenhang mit nachgewiesenen Treffen mit dem Warburg-Bänker Olearius auf Erinnerungslücken berufen.

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Scholz hat bei seinem dritten Auftritt vor dem PUA nun eine politische Einflussnahme erneut kategorisch ausgeschlossen. Das betreffe sowohl die private Warburg Bank als auch die damals staatliche HSH Nordbank, erklärte Scholz. Er sagte: Steuerhinterziehung und Steuerbetrug seien „keine Bagatelldelikte, sondern schwere Straftaten“. Und: „Mein ganzes politisches Leben habe ich mich für ein gerechtes Steuersystem eingesetzt.“ Für ihn sei klar, Steuerhinterziehung und Modelle wie Cum-Ex oder Cum-Cum „gehören konsequent aufgeklärt und verfolgt“. Tolle Worte für den Balkon!

Scholz sagte, sein Eindruck sei gewesen, dass die Cum-Ex-Fälle bei der HSH Nordbank mit der Rückzahlung gut aufgearbeitet worden seien. Dass die staatliche HSH Nordbank wegen der Fälle weder strafrechtlich verfolgt noch ein Bußgeld verhängt worden sei, sei ihm „nicht erinnerlich“ und habe für ihn auch keine Rolle gespielt. Ihm sei es vor allem darum gegangen, wie das Kreditinstitut gerettet und Schaden von den Steuerzahlern abgewendet werden könnte. Die FAZ titelt denn auch markant: „Scholz kann sich mal wieder nicht erinnern.“ Der „Stern“ titelt kaum anders: „Er irritiert, er erinnert nicht …“

Dem Wahlkampf wird alles untergeordnet

Das hinderte die SPD-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft nicht daran, bereits vor (!) der PUA-Sitzung vom 6. Dezember per Presseerklärung zu verkünden: „Der Ausschuss hat Olaf Scholz und Peter Tschentscher vollständig entlastet.“

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Man merkt bzw. die Hamburg-SPD hat gemerkt: Es ist Doppel-Wahlkampf. Voraussichtlich am 23. Februar 2025 gibt es eine vorgezogene Bundestagswahl, und am 2. März 2025 wählen die Hanseaten eine neue Bürgerschaft. Für den 23. Februar schaut es zappenduster für die SPD aus, für den 2. März kann die SPD aufgrund der Schwäche der Hamburg-CDU auf eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition rechnen. Und dann ist zumindest in Hamburg wieder alles in Butter. Nebulös wird dann allerdings auch bleiben, woher die im August 2022 in einem Schließfach des SPD-Strippenziehers Johannes Kahrs in bar gefundenen 200.000 Euro stammen.

Einen Untersuchungsausschuss im Bundestag zum Hamburger Bankenskandal wird es wohl nie geben. Die Union hat diesen zwar qua Organklage beantragt und das dafür notwendige Viertel der Bundestagsabgeordneten gestellt. Die „Ampel“ aber hat den Untersuchungsausschuss blockiert. Begründung: Dieser Skandal sei Landes- und nicht Bundessache. Deswegen wiederum ist die Union nach „Karlsruhe“ gegangen, und dort wiederum hat man die Entscheidung im Februar 2024 erst einmal aufgrund einer Bitte der SPD um Fristverlängerung auf eine ziemlich lange Bank geschoben.

Fazit: Der Betrogene bleibt einmal mehr der Steuerzahler.


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