Daheim übt Mark Rutte sein Amt nur noch geschäftsführend aus. Statt sich zurückzuziehen, hat sich der Menschenkenner für Höheres empfohlen. Sollten im November die Republikaner ins Weiße Haus einziehen, gilt der "Trump-Flüsterer" Rutte als beste Wahl, um die Nato zusammenzuhalten.
Die 32 Nato-Mitglieder haben sich geeinigt: Neuer Nato-Generalsekretär soll der Niederländer Mark Rutte (57) werden. Beim 75-Jahre-Jubiläumsgipfel vom 9. bis 11. Juli in Washington wird Rutte einstimmig (was Voraussetzung ist) offiziell gekürt werden; am 1. Oktober wird er den seit 2014 amtierenden Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, den vormaligen norwegischen Ministerpräsidenten, ablösen. Die Amtszeit beträgt jeweils vier Jahre. Stoltenberg hatte zweimal verlängert bekommen, weil die Nachfolgefrage ungeklärt war.
Rutte ist damit in der 75-jährigen Geschichte der Nato der 15. Generalsekretär und in diesem Amt der vierte Niederländer. Bislang hatten nur die Briten dreimal diesen Posten inne, die Italiener und die Belgier je zweimal, die Dänen, die Spanier, die Norweger und die deutschen (Manfred Wörner) je einmal. Die USA als größtes Nato-Mitgliedsland stellen den (zivilen) Generalsekretär Nato-Statuten nie, ihnen oblag bislang stets das Amt des Nato-Militärchefs.
Mark Rutte ist kein Unbekannter: weder in der Nato noch in der EU. Seit 14. Oktober 2010 ist er als Exponent der rechtsliberalen Partei Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) niederländischer Ministerpräsident und damit de jure Oberbefehlshaber über die 40.000-Mann-Armee der Niederlande. Seit 7. Juli 2023 übt er das Regierungsamt geschäftsführend aus. Damals war seine Mitte-Rechts-Koalition im Streit um die Asylpolitik geplatzt und Rutte hatte seinen Rücktritt sowie seinen Rückzug aus der Politik angekündigt.
Diese Ankündigung währte allerdings nicht lange, denn schon im Oktober 2023 brachte sich Rutte in einem Radiointerview als potentieller Nato-Generalsekretär ins Gespräch. In der Den Haager Radiosendung „Spuigasten“ (deutsch: Schurke) meinte er damals, es wäre „sehr interessant“, an der Spitze der Allianz zu stehen, und er könne dort „auch etwas beitragen“.
Aus dem Amt als geschäftsführender Ministerpräsident wird Rutte Anfang Juli 2024 ausscheiden, wenn die Niederlande dann – fast acht Monate nach den Parlamentswahlen vom 22. November 2023 – eine neue Viererkoalition (inkl. VVD) und mit Dick Schoof (seit 2020 parteilos) einen neuen Ministerpräsidenten haben werden.
Rutte hat sich gut selbst gemanagt
Gegen die Kür von Rutte als Nato-Generalsekretär gab es zuletzt Widerstände kleinerer Nato-Mitglieder, überraschenderweise aber nicht aus der Türkei. Ungarn, die Slowakei und Rumänien wollten nicht mitziehen. Rutte ließ hier bereits seine diplomatischen Talente spielen. Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán versprach er, dass sich Budapest niemals an Nato-Aktivitäten für die Ukraine außerhalb des Bündnisgebietes werde beteiligen müssen. Der slowakische Präsident Peter Pellegrini erhielt die Zusage, dass die Nato weiterhin den Luftraum seines Landes schützen werde. Rumänien schließlich reihte sich ein, nachdem der rumänische Staatspräsident Klaus Iohannis (65) seine Nato-Ambitionen zurückgenommen hatte. Der rumäniendeutsche Iohannis hatte seine politische Laufbahn übrigens als Bürgermeister von Hermannstadt (Sibiu) begonnen.
Mit Iohannis‘ Verzicht auf eine Kandidatur lichtete sich das Bewerberfeld, zu dem sich vor Jahresfrist die auch hier offenbar unvermeidliche Ursula von der Leyen gerechnet hatte. Apropos „Frau“: Es war diskutiert worden, ob nicht eine Frau einmal an der Nato-Spitze stehen solle. So war denn kurzfristig die Rede von der estnischen Ministerpräsidentin Kaja Kallas und ihrer dänischen Amtskollegin Mette Frederiksen. Kaja Kallas ist jetzt allerdings als EU-Außenbeauftragte im Gespräch. Sie wäre damit eine Art Tandempartner für Rutte.
Rutte – Single übrigens – gilt als jovial, clever, volksnah, pragmatisch, etwas pedantisch, manchmal schrullig, als „teflonbeschichter“ politischer Überlebenskünstler, als guter Menschenkenner und als bestens vernetzt – auch transatlantisch. Er kann gut mit US-Präsident Joe Biden, er gilt seit Juli 2018 auch als „Trump-Flüsterer“, was der Nato für den Fall von Trumps Wiedereinzug ins Weiße Haus nicht schaden wird. Mark Rutte hatte sich den Spitznamen „Trump-Flüsterer“ erworben, als Rutte es im Juli 2018 offenbar gelungen war, den aufbrausenden Trump in der Frage der Militärausgaben der europäischen Nato-Partner zu besänftigen. Rutte hatte Trump bei seiner Eitelkeit gepackt und bekundet, dass Trumps Drohungen gegenüber der Nato ja schon Früchte bei den Europäern tragen würden. „I like this guy!“ soll Trump über ihn gesagt haben.
Große Herausforderungen
Wie auch immer: Nicht nur was die transatlantischen Beziehungen betrifft, warten auf Rutte große Herausforderungen. Rutte wird außerdem den Spagat mit Frankreichs Staatspräsident Macron hinkriegen müssen; letzterer stichelt ja – wie so mancher seiner Vorgänger – gerne gegen die Nato. Rutte wird den Spagat zwischen EU-Verteidigungspolitik und Nicht-Mehr-EU-Land bzw. Nato-Land Großbritannien hinkriegen müssen. Vor allem aber wird er die Nato gerade in der Frage „Ukraine“ zusammenhalten und die europäischen Partner zur Erfüllung des 2-Prozent-BIP-Ziels anhalten müssen.
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EU und NATO sind eine Einheit, gut, das sie in Brüssel sind, und die Wege damit kurz. Die Welt hat es verstanden, die Europäer zu meist noch nicht.
„Etwas bewirken“ als NATO-Generalsekretär?
In anderen Organisationen nennt man solche Leute Pressesprecher.
Viel wichtiger ist der Vorsitzende des Militärausschusses, der das, was hinter verschlossenen Türen verhandelt (bzw. von den USA angeordnet) wird, an die Einelstaaten vermittelt.
Das ist derzeit der niederländische Admiral Rob Bauer.
Warum werden die beiden exponiertesten Posten der NATO an Niederländer vergeben?
Das ist sehr ungewöhnlich und merkwürdig.
Glauben die USA, ihre Allmacht in der NATO hinter der kleinen Niederlande verstecken zu können, damit es nicht so unilateral aussieht, wie es ist?
Immerhin haben sie keinen Gewinner mehr für diese Sockenpuppenrolle gewinnen können.