Rüstung für die Bundeswehr: große Malaise – kleine Schritte

Dem aktuellen Bericht des Bundesministeriums der Verteidigung zufolge geht es in Rüstungsangelegenheiten stetig aufwärts. Eine grundlegende Besserung ist trotz zusätzlicher Steuermilliarden aber nicht in Sicht.

imago images / Sven Eckelkamp
Der Schützenpanzer Puma wurde viel teurer als ursprünglich geplant

„Es bleibt eine große Herausforderung, die Streitkräfte materiell zu modernisieren. Hierzu bedarf es nicht nur eines leistungsstarken Rüstungs-bereiches und zuverlässiger industrieller Partner, sondern auch einer hinreichenden Finanzierung.“ So steht es im zwölften Bericht zu Rüstungsangelegenheiten, den das BMVg nun vorgelegt hat. Veröffentlicht wurde nur Teil 1, in dem von „kontinuierliche(n) Erfolge(n) bei Rüstungsprojekten“ die Rede ist. Im nicht-öffentlichen zweiten Teil sollen Risiken sowie eingeleitete Maßnahmen und erzielte Fortschritte bei einem Dutzend dieser 20 wesentlichen Beschaffungsvorhaben im Mittelpunkt stehen. Es bleibt demnach bei der Geheimniskrämerei in zentralen Rüstungsfragen, der Öffentlichkeit werden wie bereits im letzten Jahr Informationen vorenthalten. Immerhin führt bereits der zugängliche Teil zu interessanten Erkenntnissen.

Große Ausgaben – große Bürokratie

Die für Rüstungsausgaben der Bundeswehr jährlich eingeplanten Finanzmittel sind gewaltig. In den einzelnen Kategorien ergibt sich im Bundeshaushalt 2021 folgendes Bild:

  • Militärische Beschaffungen 8,09 Milliarden Euro
  • Materialerhaltung 4,53 Milliarden Euro
  • Forschung, Entwicklung, Erprobung 1,65 Milliarden Euro
  • Betreiberlösungen 3,38 Milliarden Euro

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In diesen Kategorien werden also 17,65 Milliarden Euro über den Ladentisch gehen. Wenn der Verteidigungshaushalt nicht seit 2017 (auch dank heftigen US-Drucks) um rund 10 Milliarden Euro gestiegen wäre, könnte die materielle Trendwende nicht mal ansatzweise finanziert werden. Damit diese riesigen Beträge einen ordentlichen Weg nehmen und den Ausgaben jeweils entsprechende Leistungen gegenüberstehen, sind innerhalb der Bundeswehr eigene Ämter eingerichtet. Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr in Koblenz ist samt seiner über Deutschland verteilten Dienststellen für militärische Beschaffungen zuständig. Zu diesem BAAINBw gehören aktuell 11.363 Dienstposten, von denen 10.000 besetzt sind. Vor einigen Jahren waren es noch mehr als doppelt so viele. Bis 31. Oktober 2020 wurden ca. 8.860 Verträge in über 1.450 Projekten abgeschlossen.

Der Bundeswehr lief in den ersten zehn Monaten 2020 denn auch eine gehörige Menge neuen Wehrmaterials zu. Eine kleine Auswahl:

  • 1 Fregatte 125
  • 3 Transportflugzeuge A400M
  • 19 Schützenpanzer Puma (siehe Bild)
  • 600 Maschinengewehre MG5
  • 898 Transportfahrzeuge 5 t und 15 t
  • 4352 Schutzwesten sowie
  • 238.888 Kampfstiefel.
Beschaffungs- und Nutzungsorganisation mit Defiziten

Nachdem die Materialausstattung der Streitkräfte seit Jahren heftig in der Kritik steht, hat Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer 2019 die Einrichtung einer Arbeitsgruppe Umsetzung zur Optimierung der Beschaffungs- und Nutzungsorganisation verfügt. Hinter diesem trockenen Bürokratendeutsch steht immerhin ein Fortschritt im Vergleich zur sechsjährigen Amtszeit ihrer Vorgängerin von der Leyen. Jahrelang hatte diese hin und her untersuchen lassen, Modelle erstellt und wieder verworfen, die auf eine Agenturlösung hinauslaufen sollten. Außer Millionen teuren Beraterverträgen wurde kaum etwas zustande gebracht.

Kramp-Karrenbauer hatte zügig entschieden, es prinzipiell bei den vorhandenen Strukturen zu belassen. Nicht die eine große umfassende Reform, sondern viele kleine Verbesserungsschritte sollen zum Ziel führen. Ob die eingeleiteten Maßnahmen tatsächlich zu nachhaltigen Fortschritten im Beschaffungsprozess führen, wird TE weiter verfolgen. 

Nicht zuletzt wird auch eine sogenannte Agenda Nutzung betrieben. Übergeordnetes Ziel dabei ist, die Beschaffung und Bereitstellung von Versorgungsartikeln zu optimieren. Von Aufbau und Weiterentwicklung einer Lieferkette (Supply Chain Management) war schon vor Jahrzehnten die Rede, anscheinend gingen die Kenntnisse im Laufe der Zeit verloren. Nun soll – endlich wieder – ein 30-Tage-Einsatzvorrat an Ersatz- und Austauschteilen aufgebaut werden, damit Flugzeuge fliegen, Schiffe und Panzer fahren können. So bekommen Bundeswehrbürokraten zusammen mit denen der gewerblichen Wirtschaft für viel Geld Dinge wieder in den Griff, die Jahrzehnte lang schon mal funktioniert haben. Die Standardsoftware SAP soll dabei zusätzlich helfen. Für nicht wenige Bundeswehrangehörige klingt das extra bedrohlich.

Strategischer Industriedialog zur Trümmerbeseitigung

Miteinander zu reden ist immer besser als übereinander. Bereits seit 2014 läuft ein strukturierter Dialog zwischen BMVg und dem Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. (BDSV). Dieser soll zu einem gemeinsamen Verständnis in Managementfragen, im militärischen Beschaffungswesen, zur Verbesserung der Einsatzbereitschaft und im Vertragswesen etc. beitragen. Neues Vertrauen zwischen Bundeswehr und Ausrüsterindustrie soll sich einstellen.

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Das scheint auch nötig. Fast sämtliche größeren Rüstungsprojekte wie auch zahlreiche kleinere machten durch in Teilen blamable Leistungsmängel, eklatante Zeitverzüge und Kostensteigerungen von sich reden. Gemessen an der ersten parlamentarischen Befassung läuft zum Beispiel das Projekt Fregatte 125 (F125) 67 Monate hinter dem Zeitplan, dafür werden die vier Schiffe dieser Klasse aktuell um 1.117 Millionen Euro höher veranschlagt! Das erste Schiff – die Fregatte Baden-Württemberg – ging nach der Auslieferung an die Marine in eine „Gewährleistungsliegezeit“, in dem noch offene Leistungsanteile erfüllt wurden. Dem folgte eine Bedarfsinstandsetzung für ein weiteres Jahr. Ausbildungs- und Einsatzpläne der Marine sind damit Makulatur. Mit anderen Projekten wie dem A400M sieht es bekanntlich nicht besser aus, von der Gorch Fock ganz zu schweigen. Die im Haushaltsentwurf 2021 veranschlagten Projekte liegen insgesamt 27 Prozent über der jeweils zu Projektbeginn veranschlagten Summe. Als Gründe dafür werden pauschal Preissteigerungen, Leistungsänderungen und -verbesserungen angegeben. Mit der Behauptung eines Skandals sollte man vorsichtig sein, wenn das aber keine Skandale sind, was eigentlich dann?

Und die Ursachen?

Unsere hell- und weitsichtigen Politiker reden gerne von der Abstellung von Fluchtursachen auf dem afrikanischen Kontinent. Tags darauf stimmen Sie weiteren Exportsubventionen für die europäische Landwirtschaft zu und tragen damit zum Versiegen afrikanischer Einkommensquellen bei. Das Ergebnis ist bekannt. Beispiele hinken bekanntlich immer, aber einige Mechanismen auf dem Sektor Verteidigungsindustrie sind ähnlich schizophren. 

Politisch gesetzte Rahmenbedingungen sind ursächlich für die endlosen Kalamitäten in der Militärrüstung:  

  • Aus Gründen der Autarkie und Souveränität versuchen Länder mit entsprechendem Potenzial ihre Verteidigungsindustrie abzuschirmen, ein Wettbewerb findet damit kaum statt.
  • Rüstungsmärkte sind in mehrfacher Hinsicht abgeschottete Märkte. Ein Rüstungsgut darf nicht frei exportiert werden, grenzüberschreitende Exporte selbst in befreundete Länder bedürfen der Genehmigung.
  • Die Entwicklung von Rüstungsgütern wird mit hohen Geldbeträgen subventioniert, ausländische Mitbewerber werden teilweise von der Auftragsvergabe ausgeschlossen – einerseits.
  • Andererseits werden grenzüberschreitende Rüstungskonglomerate und auch industriell darbende Regionen mit Rüstungsprojekten gefördert.
  • Rüstungsgüter sind oftmals technologisch anspruchsvoll und komplex, der Entwicklungsaufwand bei geringen Stückzahlen entsprechend immens. Die um sich greifende Übertechnisierung trägt dazu bei, den Entwicklungs- und Beschaffungsaufwand zusätzlich zu steigern.
  • Das Einfahren der Friedensdividende nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes hat zu einer in Teilen nachvollziehbaren Verringerung der Verteidigungsausgaben geführt: Industrielle Mitbewerber schieden aus, der Konkurrenzdruck ließ weiter nach.

Diese Rahmenbedingungen führen zu einer deutlichen Bevorzugung der nationalen Rüstungsschmieden. Ein Waffensystemauftrag gibt ihnen für lange Jahre dicke Trümpfe in die Hand. Erworbene Kenntnisse und Fertigkeiten sind kaum auf Konkurrenten übertragbar, eine Konkurrenz ist kaum zu fürchten. Wenn doch Einschnitte drohen, wird gerne das Arbeitsplatzargument gezogen.  

Die Politik beschimpft die Beschaffer, drei Finger der Hand weisen aber zurück

Rüstungsunternehmen in allen Ländern nutzen diese Lage für ihre Zwecke. Ihren oftmals direkten Zugang zu politischen Entscheidungsträgern setzen sie zum eigenen Vorteil ein. So wirken vermeintliche politische Zwänge, bürokratisches Unvermögen und Firmeninteressen zum Nachteil der Armeen wie auch der Steuerzahler zusammen. Im Ergebnis diktieren nationale oder auch transnationale Champions die Bedingungen. Man muss kein Prophet sein um vorhersagen zu können, dass die zunehmende Verflechtung der europäischen Rüstungsindustrie diesen Mechanismen zusätzlichen Schub verleiht. Die Verteidigungshaushalte können gar nicht so schnell steigen, wie ihnen die Preise davonlaufen. Auch diese Zusammenhänge sind aus dem aktuellen BMVg-Bericht zu Rüstungsangelegenheiten herauszulesen. Die 20 bedeutsamsten deutschen Rüstungsprojekte sind hinsichtlich ihres Leistung-, Zeit- und Kostenrahmens dort dargestellt. Wer wissen möchte, wohin die Milliarden fließen, führe sich diesen Bericht zu Gemüte. 

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Kommentare ( 7 )

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Britsch
3 Jahre her

Zumindest in der Vergangenheit, wurden aber zumindest teilweise Ersatzteile in Mengen geordert und die eigentlich so gar nicht nötig waren weril nicht so anfällig. Andere wiederum die Anfällig waren und man eigentlich ständig braucht waren z.T. gar nicht geordert worden, oder nur in viel zu geringen Stückzahlen. Bei richtiger Disposition hätte das Geld gereicht und die Geräte hätten in Stand gehalten werden können. Es ist solte klar sein daß die Bundeswehr in Ihrem Größenumpfang selbst für eine entsprechende Ersatzteilbevorratung zu sorgen hat und dann ist esv auch kein Problem bei entsprechender Planung und den Gesamtmargen das benötigte von den Herstellern… Mehr

Stefan Z
3 Jahre her

Das Bild schockiert mich. Wie kann man in diesen Zeiten so zerstörerisch mit unserem Wald umgehen? Frau KK muss sofort zurücktreten.

Schwabenwilli
3 Jahre her

Nur mal zum Vergleich. Das kleine Israel hat bei ungefähr gleicher Stärke und Bewaffnung ein Budget von 15 Milliarden Euro. Gut es sind viele Wehrpflichtige mit weniger Gehalt auch Unterkünfte sind nicht so schön. Dafür ist aber ständig Einsatz. Das kostet richtig Geld.

Und jetzt kommen wir daher und wundern uns warum unsere Armee in so einem lausigen Zustand ist.

Wohin sind die Milliarden versickert?????

Iso
3 Jahre her

„238.888 Kampfstiefel“ ….ist das ein 10-jahres Vorrat? Wenn 10.000 Mann im Einsatz sind, ist die BW doch schon an ihrer Belastungsgrenze. Da reichen 3 Transportflugzeuge, und 19 Schützenpanzer. So hat jeder Soldat wenigstens mal einen Panzer gesehen, und 11.363 Dienstposten im Beschaffungsamt haben tolle Arbeit geleistet. Was machen die eigentlich am Nachmittag?

Peter Mueller
3 Jahre her

Es geht nicht um Verteidigungsbereitschaft. Es geht darum, Profit auf Kosten des Steuerzahlers zu machen. Daran hat sich seit dem HS-30-Skandal zur Gründungszeiten der Bundesrepublik und Adenauers korrupter CDU NICHTS geändert.

https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Kassen_der_CDU/CSU_%E2%80%93_Dokumentation_der_Machtkonstruktion
https://de.wikipedia.org/wiki/HS-30-Skandal

Deutscher
3 Jahre her

18 Milliarden für die Bundeswehr. Denn Rüstung ist richtig teuer, das wissen wir.

Setzt man nun mit diesen Ausgaben die 8 Milliarden allein für den ÖRR und die eine Milliarde allein für Antifa-NGOs und Stiftungen ins Verhältnis, dann sieht man, wie die Prioritäten gesetzt sind.

Ruhrler
3 Jahre her
Antworten an  Deutscher

Die 18 Mill. sind nur für die genannten Projekte, insgesamt sind es 51 Mill.. Immer noch ein Klacks angesichts der Ausrüstungsmängel und noch ein gutes Stück vom 2% Ziel entfernt. Aktuell liegen die Ausgaben bei ca. 1,4 % des BIP.