Bundesregierung fördert Assads „Bleibepolitik“

Das erklärte Ziel der Bundesregierung ist die dauerhafte Integration der syrischen Asylbewerber in den deutschen Arbeitsmarkt. Sie unterstützt damit nicht nur die Asylbewerber, sondern auch die syrische Regierung, die aus naheliegenden Gründen die Rückkehr ihrer Landsleute in die Heimat verhindern möchte.

EMMANUEL DUNAND/AFP/Getty Images
Germany's Foreign Minister Heiko Maas (C) attends a conference on 'Supporting the future of Syria and the region' at the European Council in Brussels on April 25, 2018.

Nachdem bekannt wurde, dass die syrische Regierung im Rahmen ihrer Wiederaufbaupläne im März 2018 per Dekret beschloss, Grund und Boden sowie Immobilien zu verstaatlichen, deren bisherige Eigentümer nicht innerhalb von 30 Tagen ihre Eigentumsansprüche geltend machen, droht insbesondere den ins Ausland geflohenen Syrern die Enteignung ihres früheren (Immobilien-)Vermögens.

Ihre Rückkehr in die Heimat wird dadurch noch mehr erschwert als es angesichts des Umstands, dass es sich bei vielen der geflohenen Syrer um Oppositionelle und/oder Fahnenflüchtige der syrischen Armee handelt, ohnehin schon der Fall ist. In Syrien besteht für Männer Wehrpflicht. Wer sich ihr durch Flucht entzieht, muss bei einer Rückkehr in seine Heimat mit einer Bestrafung rechnen. Berichtet wird inzwischen von Verhaftungslisten der Regierung, auf denen in großer Zahl (1,5 Millionen) vermutlich nicht nur Oppositionelle, sondern auch Fahnenflüchtige aufgeführt sind, die bei einer Rückkehr festgenommen werden sollen.

Allein deswegen war von Anfang an nicht damit zu rechnen, dass ein Großteil der meist jungen und daher wehrpflichtigen Männer nach dem Ende des Krieges mit ihren mitgebrachten oder inzwischen nachgezogenen Familien freiwillig nach Syrien zurückkehren wird. Das wäre nur vorstellbar, wenn die syrische Regierung sie amnestieren würde. Hinzu kommt, dass Fahnenflüchtige nach dem Ende eines Krieges normalerweise von den Soldaten, die siegreich gekämpft haben, sowie von deren Familien nicht sonderlich hoch angesehen werden. Die syrischen Männer, die sich der Wehrpflicht durch ihre Flucht ins Ausland entzogen haben, müssten wohl eher mit Anfeindungen, mindestens aber mit Stigmatisierungen und entsprechenden Benachteiligungen zum Beispiel bei der Jobsuche oder der Wohnungssuche rechnen, wollten sie nach dem Ende des Krieges nach Syrien zurückkehren. Das wissen sie. Viele von ihnen werden deswegen wahrscheinlich auch selbst dann nicht in ihre Heimat zurückkehren, sollten sie wider Erwarten amnestiert werden.

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Das von Assad erlassene Enteignungsdekret bestätigt zusammen mit den Verhaftungslisten alle Vermutungen, dass die syrische Regierung trotz des mit der Fluchtwelle teilweise einhergehenden Verlustes an akademisch qualifizierten Arbeitskräften (Brain Drain) an einer Rückkehr der Geflohenen nicht sonderlich interessiert ist. Sie würden das ohnehin schon bestehende Problem hoher Arbeitslosigkeit (auch von Akademikern) und mangelnden Wohnraum verschärfen und überdies den oppositionellen sunnitischen Bevölkerungsanteil wieder erhöhen, woran den alevitischen Machthabern im Land nicht gelegen ist. Durch die Flucht von mehreren Millionen Syrern ins Ausland hat sich in Syrien überdies nicht nur der Überbevölkerungsdruck verringert, sondern auch der Zufluss von Zahlungen der Geflohenen an ihre Familien zu Hause erhöht. Beides wäre nicht mehr der Fall, sollten die geflohenen Syrer wieder mehrheitlich in ihre Heimat zurückkehren. All dies spricht aus Sicht der syrischen Regierung eher für einen dauerhaften Verbleib der Geflohenen im Ausland als für deren Rückkehr.

Die Bundesregierung hat dies offiziell erstmals mit dem Enteignungsdekret vom März dieses Jahres zur Kenntnis genommen, obwohl sie sicherlich schon länger wußte, dass Assad der Exodus seiner vorwiegend sunnitischen Landsleute ins Ausland in die Hände spielt. Vereinzelte regierungsamtliche Aussagen, ein Großteil der inzwischen ins Land gelassenen rund 500.000 Syrer würde nach einer Beendigung des Krieges wieder in ihre Heimat zurückkehren, sind somit offensichtlich auf Sand gebaut. Der Druck auf eine dauerhafte Integration der syrischen Asylbewerber in den deutschen Arbeitsmarkt steigt dadurch ebenso wie der Druck auf eine Begrenzung oder besser einen Stopp des weiteren Zustroms. Für beides gibt es bislang keine wirksamen Lösungen. Von daher ist die Kritik der Bundesregierung an Assads Rückkehr-Verhinderungsmaßnahmen, gegen die sie unter anderem die UN in Stellung bringen möchte, gut nachvollziehbar. Sollte sie bei der Grenzöffnung 2015 jemals in Erwägung gezogen haben, die damit ausgelösten gesellschaftlichen Probleme ließen sich dadurch vermeiden, dass die ins Land gekommenen Syrer in absehbarer Zeit wieder in ihre Heimat zurückkehren, wurde sie spätestens jetzt durch die syrische Regierung eines besseren belehrt.

Nicht nachvollziehbar ist allerdings die Überraschung und moralische Empörung, mit der die Kritik vorgetragen wird. Die Bundesregierung selbst hat den syrischen Asylbewerben von vornherein versprochen, dass sie als Arbeitskräfte in Deutschland gebraucht werden und deswegen auf Dauer bleiben können. Darin wird sie bis heute sowohl von den Arbeitgeberverbänden, den Gewerkschaften, den Wohlfahrtsverbänden sowie den zahlreichen Hilfs- und Lobbyorganisationen für Asylbewerber unterstützt. Von Plänen einer massenhaften Rückführung der syrischen Asylbewerber in die Heimat nach dem Ende des Krieges war seitens der Regierung bislang jedenfalls nie die Rede; dafür umso mehr von Qualifizierung, Arbeitsaufnahme und Wohnungsbau. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Fokus der deutschen Asyl- und Zuwanderungspolitik steht eindeutig nicht die Rückkehr, sondern der dauerhafte Verbleib anerkannter und selbst nur subsidiär geschützter Asylbewerber. Gefordert wird vereinzelt sogar der dauerhafte Verbleib abgelehnter Asylbewerber, sofern sie zum Beispiel eine Ausbildung in einem Pflegeberuf absolvieren.

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Das ist sicherlich auch der syrischen Regierung nicht verborgen geblieben. Sie kann sich insofern in ihrer „Bleibepolitik“ gegenüber ihren nach Deutschland geflohenen Landsleuten bestätigt sehen und darauf verweisen, dass sie damit unter anderem auch die migrationspolitischen Ziele der Bundesregierung unterstützt. Außerdem kann sie darauf setzen, dass ihre inzwischen in Deutschland wohnenden Staatbürger auf Dauer einen Teil ihres Einkommens in ihre Heimat überweisen und damit ihren Beitrag zum Wiederaufbau des Landes leisten werden. Ob dabei die Zahlungen aus der staatlichen Grundsicherung (ALG II) oder aus Arbeitsentgelt oder aus anderen Quellen oder einer Mischung aus allenm abgezweigt werden, muss die syrische Regierung nicht weiter kümmern. Der Zufluss von Geld ist auf beiden Wegen gesichert. Ebenso wenig kümmern muss sie die Frage, wieviele ihrer nach Deutschland geflohenen Landsleute regulär in Arbeit kommen werden und was aus jenen Syrern wird, bei denen dies nicht gelingt. Sollten einige von ihnen, frustriert von den Hürden des deutschen Arbeitsmarktes oder Erfahrungen mit Diskriminierung, orientiert am Beispiel libanesischer Clans eigene kriminelle syrische Clanstrukturen aufbauen, dürfte der Geldfluss Richtung Syrien deswegen nicht ab-, sondern eher zunehmen.

Mit der Aufnahme von mehr als einer halben Million syrischer Asylbewerber hat die deutsche Regierung somit nicht nur den Betroffenen, sondern auch Assad einen großen (humanitären) Dienst erwiesen. Es ist nicht auszuschließen, dass dies seine Fortsetzung findet, indem zum Beispiel den in der syrischen Provinz Idlip inzwischen konzentrierten Rebellen und ihren Familien seitens der EU auf Betreiben der Bundesregierung und mit Unterstützung der UN ein „Resettlement“ nach Europa ermöglicht wird. Damit wäre erneut sowohl den Betroffenen wie auch der syrischen Regierung geholfen, die sich auf diesem Wege eines weiteren Teils ihrer oppositionellen (sunnitischen) Bevölkerung entledigen könnte.

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Kommentare ( 93 )

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Der Ketzer
6 Jahre her

Warum ist Fahnenflucht ein Asylgrund oder begründet ein Bleiberecht?

Wehrstrafgesetz BRD

§ 16 Fahnenflucht

(1) Wer eigenmächtig seine Truppe oder Dienststelle verläßt oder ihr fernbleibt, um sich der Verpflichtung zum Wehrdienst dauernd oder für die Zeit eines bewaffneten Einsatzes zu entziehen oder die Beendigung des Wehrdienstverhältnisses zu erreichen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

spindoctor
6 Jahre her

Zitat:
„Es ist nicht auszuschließen, dass dies seine Fortsetzung findet, indem zum Beispiel den in der syrischen Provinz Idlip inzwischen konzentrierten Rebellen und ihren Familien seitens der EU auf Betreiben der Bundesregierung und mit Unterstützung der UN ein „Resettlement“ nach Europa ermöglicht wird.“

Dann wird doch deutlich, was mit „Resettlement“ gemeint ist – Rettung und Belohnung von Terroristen und Söldnern, wie IS, Taliban, Al-Quaida, El -Nusra, Hamas und Konsorten.
Und aus dem deutschen Kanzleramt erschallt der Ruf: „Ich will mehr, ich will mehr.“

Gerd Heidenreich
6 Jahre her

Die „Überraschung“ der Bundesregierung ist so geheuchelt wie vieles an dieser Politik.
Um die hier dargelegten Zusammenhänge und Konsequenzen daraus erkennen zu können, muss man nicht besonders schlau sein. Auch dies spricht wieder Bände über die geistigen Qualitäten unserer Spitzenpolitiker.

Reinhard Lange
6 Jahre her

Zitat aus dem Beitrag: „Das wäre nur vorstellbar, wenn die syrische Regierung sie amnestieren würde.“

Assad hat schon im vergangenen Jahr selbst aktiven Kämpfern Amnestie angeboten im Gegenzug zur Abgabe ihrer Waffen. Warum sollten also Flüchtlinge, welche zurückkehren wollen, verfolgt werden? Dazu Assad: „Die Regierung wird ihr Möglichstes tun, um die Heimkehr von Flüchtlingen zu befördern“. Es gebe keine Hindernisse seitens des Staates, betonte er.
https://www.n-tv.de/politik/Assad-bietet-Rebellen-Amnestie-an-article19837514.html

AlNamrood
6 Jahre her

Assad kann seine Leute gern abholen. Erdogan übrigens auch. Was dann mit denen passiert ist mir absolut egal.

pcn
6 Jahre her

Die Schlussfolgerung ist nach dieser Logik , dass Deutschland, wir alle, massive Steuererhöhungen zu erwarten haben.Die explodierende Wohnungsnot für Deutsche ist jetzt schon Fakt und viele Neubauten werden ausschließlich vonAusländern bzw. sogenannten Flüchtlinge bezogen. In Großstädten wie Ludwigshafen oder Köln sind Deutsche von der Liste für Sozialwohnungen gestrichen worden und allgemein mit einer Sperre belegt. Hinzu kommt, dass das kleine Deutschland mit einer Überbevölkerung zu rechnen hat. Die Enge und der Verlust von immer mehr Wohlstabd führt dann auch zu existentiellen Bedrohungen und Gewaktausbrüchen. Ein Horrorszenario. Und klar ist auch, dass sich die sogenannten Flüchtlinge in Gettos sammeln werden mit… Mehr

AssaModis
6 Jahre her

Ist ja erst mal keine schlechte Idee. Vietnam hat es damals genauso gemacht, nur mit dem Unterschied, das die Menschen in den Ländern gearbeitet haben, und nicht überwiegend von Sozialhilfte lebten. Desweiteren gibt es aber noch einen bemerkenswerteren Unterschied. Das Bildungsniveau der Vietnamesen war wesentlich höher, und sie brachten keine 12-köpfigen Familien oder ganze Clans mit. Welch ein hohes Bildungsniveau müssten diese Menschen heute haben, um eine 8 bis 12-köpfige Familie ernähren zu können, und trotzdem noch genügend Geld zu besitzen, um dieses nach hause zu schicken, ohne auf Sozialleistungen angewiesen zu sein. Dies ist eine rechnung, die hinten und… Mehr

Wolfgang Schuckmann
6 Jahre her

Nur eine Frage bewegt mich im Zuge der Repatriierung und der damit verbundenen Frage von Besitz. Würde sich die Bundesregierung eine wie auch immer gestaltete Einflussnahme in irgendwelche Gesetzesvorhaben des Bundes in irgendeiner Form von Syrien gefallen lassen? Ich denke eher nicht. Und genau so sehe ich diese verschlagene politische Reaktion Deutschlands auf das syrische Projekt bzgl. der Klärung der Eigentumsfrage in Bezug von „Flüchtlingen“ , die in Syrien nicht nur ihren Besitz zurück liessen, sondern auch noch ihre Familie. Was mich in diesem Kontext misstrauisch macht, ist die Frage warum den Angehörigen der geflüchteten jungen Männer offenbar gar nichts… Mehr

MBod
6 Jahre her

Sehr komplexer Gedanke, ich sehe das einfach so: die Bundesregierung, in Person Merkel, ist dem Schutz der deutschen Grenzen verpflichtet und dem Grundgesetz, weiterhin diverser EU- Regeln… Merkel hat sich daran nicht gehalten, egal ob aus Dummheit, Feigheit, oder Unfähigkeit. Merkel verschleudert in der Konsequenz meine Steuern und Abgaben, und gefährdet massiv meine persönliche Sicherheit. Nur das zählt bei einer Bewertung der Situation! der „Rest“ ist Gelaber.. Und ich hoffe, dass Merkel und ihre Claqueure, und auch die „Mitentscheider“ von SPD dafür eines Tages angeklagt wird. Allein der finanzielle Schaden für „die hier schon länger wohnenden“ beträgt 30-40 Mrd Euro,… Mehr

Gertraude Wenz
6 Jahre her
Antworten an  MBod

Was ist schlimm daran, wenn es sich wie AfD anhört? Die AfD sollte man doch nach ihren Argumenten beurteilen, und wenn die stichhaltig sind, spricht das für sich!

Lore
6 Jahre her

Man könnte ja mal mit Assad reden (früher nannte man das Diplomatie..) wie das eigentlich gemeint ist. Hier einen auf empört zu machen, ist so was von heuchlerisch. Assad hat mehrfach angeboten, dass die Leute zurück kommen können, ohne das ihnen was passiert. Ich glaube unserer Regierung, und besonders dem neuen Außenminister, kein Wort mehr. Die angeblich immer noch in Syrien lebenden Familienangehörigen könnten sich doch um die Angelegenheiten kümmern, aber nein – die müssen ja nun auch nach Deutschland kommen.