Das Pferd von hinten aufgezäumt – Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts

Ist die Staatsbürgerschaft einmal vergeben, gibt man einen wesentlichen Anreiz zur Integration auf. Und ein Denkfehler kommt freilich nicht allein: Zu allem Überfluss wird auch noch die doppelte Staatsbürgerschaft erleichtert. Damit fällt die Verpflichtung, sich mit Deutschland zu identifizieren, de facto weg.

IMAGO / CHROMORANGE

Eines muss man der Ampel zugestehen: Sie ist Expertin darin, gesellschaftliche Probleme durch Gesetzgebung zielsicher zu verschärfen. Jüngstes Beispiel ist die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Ganz im Sinne eines Weltbildes, in dem man die „Umzingelung durch die Realität“ (Habeck) durchbricht, indem man eine andere Realität per Gesetz verordnet, versucht man nun, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Die Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit kann und darf nur eines sein: Ergebnis einer über Jahre und Jahrzehnte gewachsenen tiefen Verwurzelung in die deutsche Gesellschaft und Kultur.

Stattdessen soll sie nun als Instrument dienen, um diese Verwurzelung zu erzeugen. Doch wie soll ein deutscher Pass echte Identifikation mit Deutschland hervorbringen, gar Liebe zu diesem Land? Tatsächlich gibt man einen wesentlichen Anreiz zur Integration auf, wenn die Staatsbürgerschaft einmal vergeben ist. Und ein Denkfehler kommt freilich nicht allein: Zu allem Überfluss wird auch noch die doppelte Staatsbürgerschaft erleichtert, womit die Verpflichtung, sich mit Deutschland zu identifizieren, de facto wegfällt: Es wird geradezu dazu eingeladen, den deutschen Pass lediglich als Lebenserleichterung zu betrachten, nicht als Lebensentscheidung und Ja zu Deutschland als Heimat. Da hilft auch keine Verpflichtung, sich zu zentralen deutschen Werten zu bekennen, zumal nicht kontrolliert werden kann, ob es sich dabei nicht lediglich um ein Lippenbekenntnis handelt.

Als Begründung für die Gesetzesänderung wird von Politikern der Ampelparteien immer wieder angeführt, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei, das endlich auch eine fortschrittliche Einwanderungspolitik brauche, wie sie die USA oder Kanada aufweisen. Bloß: Sowohl Kanada als auch die USA sind seit Beginn ihrer Existenz und per definitionem Einwanderungsländer. Beinahe von Anfang an war die Zusammenführung verschiedenster Ethnien zu einer Nation ein zentraler identitätsstiftender Wert, ja, insbesondere für die USA eine der Grundlagen der nationalen Identität.

Eine solche Mentalität ist einzigartig; man kann sie in Europa nicht imitieren, und schon gar nicht von oben verordnen. Das bedeutet nicht, dass man von den USA oder Kanada nicht lernen könnte. Genau das aber, was diese Länder in Sachen Einwanderung richtig machen, nämlich eine auf Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft abzielende Rekrutierung von Fachkräften, wollen Faeser und ihre Mitstreiter nicht: Selektive, strikt an nationalen Interessen ausgerichtete Einwanderungspolitik ist mit dem humanistisch-philanthropischen Ansatz, der in Deutschland verfolgt wird, unvereinbar, wirkt grausam, menschenfeindlich und unfreundlich.

Einfach nur den Zugang zum deutschen Pass zu erleichtern, schafft aber nun einmal weder die Willkommenskultur, die qualifizierte Arbeitskräfte zurecht erwarten, noch wiegt er die Schwierigkeiten auf, denen Ausländer in Deutschland oftmals begegnen: Deutschland ist, da können Politiker noch so sehr vom Einwanderungsland schwadronieren, immer noch das Land der Dorfkultur, der Freiwilligen Feuerwehr und der Schützenvereine. Schon die Einwanderung in die Eifel oder die Migration von einem schwäbischen Dorf ins andere kann selbst für ethnische Deutsche zuweilen ein großes Integrationsproblem darstellen. Diese Realität auszublenden, hilft am Ende niemandem.

Eine Kultur, die Fremde gern einbezieht, wächst von unten, und sie erfordert hierzulande auch, dass der Fremde viel Energie und Initiative aufbringen muss, um sich anzupassen. Eine Politik, die diesen Prozess fördern will, muss diese Realität respektieren, und allen die Zeit zugestehen, die Integration in Deutschland nun einmal braucht. Zudem wäre ihr wichtigstes Anliegen, die illegale Migration in den Griff zu bekommen, denn diese untergräbt die Integrationsversuche anderer Einwanderer.

Zu guter Letzt erweckt die nun beschlossene Reform den fatalen Eindruck, ein Einwohner ohne deutsche Staatsbürgerschaft sei ein Mensch zweiter Klasse. Keinesfalls aber muss man in Deutschland Deutscher sein, um an der Gestaltung der Gesellschaft mitzuwirken. „Teilhabe“ scheitert nicht am Pass. Viele Ausländer in Deutschland bleiben Gast – und das ist völlig in Ordnung.

Die drängenden Probleme, nämlich die mangelnde Identifikation zahlreicher Bürger mit Migrationshintergrund, und die Einwanderung in die Sozialsysteme, werden hingegen nicht nur ignoriert, sondern vertieft, indem man den deutschen Pass zu einer Art Belohnung dafür degradiert, dass ein Nichtdeutscher keine Verbrechen begeht, kein Antisemit ist oder nicht die Scharia fordert. Vielmehr schafft man die Grundlage für weitere Generationen nicht in Deutschland verwurzelter, die von ethnischen Deutschen keineswegs als ihresgleichen anerkannt werden, und die dies ja auch nicht anstreben. Damit werden die Fragmentierung der Gesellschaft und die Auflösung des sozialen Zusammenhalts weiterbetrieben.

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Kommentare ( 28 )

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Mausi
10 Monate her

Grade einen Witz gehört: Zureisender hat drei Wünsche frei: Leben in Saus und Braus wird erfüllt. Leben in Saus und Brau für seine gesamte Familie wird erfüllt. Alle sollen Deutsche werden wird erfüllt. Saus und Braus ist vorbei, alle müssen arbeiten für Saus und Braus.
Integration ist doch nicht das Ziel. Wann begreifen wir das endlich? Regenbogenland wird man nur, wenn niemand sich integriert. Nur dann leben verschiedenste Kulturen nebeneinander und handeln täglich aus. Vielleicht warten unsere Sozialisten nur auf so viel Unfrieden, dass sie endlich voll gegen alle Bürger durchgreifen können?

Last edited 10 Monate her by Mausi
Der-Michel
10 Monate her

Teil der Einbürgerung in den USA ist folgender Schwur: I hereby declare, on oath, that I absolutely and entirely renounce and abjure all allegiance and fidelity to any foreign prince, potentate, state, or sovereignty of whom or which I have heretofore been a subject or citizen; that I will support and defend the Constitution and laws of the United States of America against all enemies, foreign and domestic; that I will bear true faith and allegiance to the same; that I will bear arms on behalf of the United States when required by the law; that I will perform noncombatant… Mehr

Mausi
10 Monate her
Antworten an  Der-Michel

Ja, die USA machen eine Zeremonie aus der Verleihung der Staatsbürgerschaft. Und recht haben sie.

A rose is a rose...
9 Monate her
Antworten an  Mausi

Darum geht es hier aber nicht. Sondern darum, dass in den USA ganz klar gefordert wird, dass a l l e Staatsbürger sich mit Land und Gesetzen identifizieren und allen anderen Ländern abschwören.
Das sollten wir hier auch einführen, denn dann hätte sich das Thema “Doppelpass” und Parallelgesellschaft schnell erledigt.

A rose is a rose...
10 Monate her

Wieder einmal wird vollkommen übersehen, dass ein Sozialstaat nur existieren kann, wenn sowohl Einzahler als auch Nutznießer sich solidarisch miteinander fühlen. Dafür ist ein starkes “Wir”-Gefühl vonnöten, welches auf der Basis von Respekt, geteilten Werten und Verantwortungsgefühl für das gemeinsam Erschaffene entsteht. Üblicherweise findet sich das in einem über Generationen gewachsenen Zusammenschluss von Menschen, die nicht nur Sprache und gemeinsame Kultur, sondern auch eine Verbundenheit mit dem Land, in dem bereits die Grosseltern und Urgroßeltern lebten und begraben sind. Wenn aber die Einzahler immer mehr zahlen müssen, weil die Zahl der Nutznießer des Systems plötzlich exorbitant zunimmt, wird es schwierig.… Mehr

Teiresias
10 Monate her

Ich vermute, die Experten, die sich das ausdenken, sitzen in den Thinktanks derselben Kreise,die auch hinter dem WEF stehen und die Abschaffung der Nationalstaaten zugunsten einer totalitären NGO-technokratischen Weltregierung betreiben.

Diese Regelungen sind nicht zufällig schlecht für Deutschland, sie sollen schlecht für Deutschland sein.
Das sind keine ideologisch motivierten Fehler, das ist Machtpolitik zu unseren Lasten, vorsätzlich und planvoll.

Last edited 10 Monate her by Teiresias
puke_on_IM-ERIKA
10 Monate her

Mit der deutschen Staatsbürgerschaft müßte eigentlich gleich Wehrpflicht eintreten – da könnte man sehen, wie ehrlich die Kandidaten es meinen !
Aber das hat man wohlweislich nicht ins Gesetz gebracht.

Nachdenkerin X
10 Monate her

„Vielmehr schafft man die Grundlage für weitere Generationen nicht in Deutschland verwurzelter, die von ethnischen Deutschen keineswegs als ihresgleichen anerkannt werden …“
Genau so! Ich denke gar nicht daran, diese „Deutschen“ als deutsch anzuerkennen.
Solche Gedanken waren mir bisher fremd, aber diese Regierung schubst uns in eine Richtung, die sie gerade nicht will. 

Heiko Winkler
10 Monate her

Nun ja. Einen Pass zu haben, bringt ihnen im Inland bis auf das Wahlrecht wenig. Allerdings macht es einen Unterschied, ob sie mit einem afghanischen oder deutschen Pass in der Welt rumreisen möchten. Es macht aus Sicherheitsgründen schon Sinn, warum die Einwohner bestimmter Staaten zur Einreise ein Visum beantragen müssen.
So wie ich diese Änderung zum Staatsbürgerrecht verstanden habe, verstösst sie wieder einmal gegen den Gleichheitsgrundsatz. Können nun auch im Ausland lebende deutsche Staatsbürger ohne Beibehaltsgenehmigung die Staatsbürgerschaft des Gastlandes beantragen?

egal1965
9 Monate her
Antworten an  Heiko Winkler

Natürlich können sie diese beantragen und werden sie auch erhalten, wenn alle Voraussetzungen des Gastlandes dafür erfüllt sind.
Nur werden sie, falls sie diese dann den deutschen Behörden melden, ihre deutsche Staatsangehörigkeit automatisch verlieren, wenn sie eben keinen triftigen Grund zur Beibehaltung haben und das ist sehr schwierig.
Also besser diese „neue“ Staatsangehörigkeit gar nicht den Behörden anzeigen. In Gastland interessiert es bei den einheimischen Behörden niemanden, ob sie noch den deutschen Pass haben oder nicht…

Niklot
10 Monate her

Die doppelte Staatsbürgerschaft sehe ich inzwischen als Vorteil. So kann die deutsche wieder entzogen werden, ohne dass der Betroffene staatenlos wird. Das wäre nämlich grundgesetzwidrig.

Grumpler
10 Monate her
Antworten an  Niklot

Richtig! Die Türkei hatte (ich weiß nicht, ob sie das immer noch tut) standesamtliche Daten, die von deutschen Behörden angefragt wurden, wie bspw. ob bestimmte Personen noch oder wieder türkische Staatsangehörige sind, nicht herausgegeben. Angefragt wurde u.a. deshalb, weil bekannt geworden war, daß türkische Staatsbürger ihre türkische Staatangehörigeit zwecks Erlangung der deutschen aufgegeben hatten, sich nach Aushändigung der deutschen Einbürgerungsurkunde alerdings auch wieder in der Türkei einbürgern ließen. Erdi freuts! 😀 Dazu nochmals (ich hatte es bei der sich scheinbar endlos wiederholenden Thematik bereits einige Male erwähnt): Es gibt es mittlerweile Menschen mit sechs bis sieben Staatsangehörigkeiten (laut unseres örtlichen… Mehr

Last edited 10 Monate her by Grumpler
Rob Roy
10 Monate her

Das eine ist das Gesetz. Wobei im Kleingedruckten nun steht, dass man nicht mal seinen Lebensunterhalt mehr bestreiten muss. Selbst ausländische Empfänger von Bürgergeld dürfen jetzt eingebürgert werden.
Das andere sind die Ausführungsbestimmungen. Wenn an die entsprechenden Behörden Anweisungen erfolgen, jeden einzubürgern, der nur radebricht: „Ja, isch will“ oder der ein bisschen Gebäck mitbringt, kann man nicht verhindern, dass auch unrechtmäßig Einbürgerungen erfolgen.
Wir wissen ja, dass die Ampel für unbegrenzte Einwanderung steht und seit jetzt auch für die unkontrollierte Einbürgerung ist.

Wolfgang Richter
10 Monate her
Antworten an  Rob Roy

Das ist wie mit der „Arbeitsmigration“ zu der man nur erklären muß, daß man die Absicht hat, eine Ausbildung oder Arbeitsstelle anzutreten. Und damit will „man“ sog. „Fachkräfte“ anlocken, lächerlich.

flo
10 Monate her

Die Henne-Ei-Problematik: Erst Einbürgerung – dann Integration? Oder: Erst Integration – und dann Einbürgerung? Hier scheint der Fall aber klar: Anzunehmen, jemand, der schnell deutscher Staatsbürger wird, vielleicht schon nach drei Jahren, wenn er gute Schulnoten hat oder bei einer NGO fleißig mitarbeitet, liebt dann Deutschland, ist reichlich optimistisch. Migrantenvereine wie die großen Neuen Deutschen Organisationen haben meines Wissens auch niemals behauptet, der Pass fördere ihr Identifikationsgefühl und ihre Heimatliebe ungemein. Man argumentiert bevorzugt mit der puren Masse (an anwesenden Migranten) und dem Verlangen, Rechte zu erhalten (oder die vielzitierte „Teilhabe“ an allem). In einem Manifest von 2020 heißt es:… Mehr

egal1965
9 Monate her
Antworten an  flo

Von irgendwelchen „Pflichten“ steht da aber nichts oder?
Außerdem wäre mir neu, daß nun eine Staatsangehörigkeit, egal welche, nun die „Bildungschancen“ verbessern würde, da diese zum einen von Land insgesamt abhängt und Schüler nicht schlauer werden, nur weil sie jetzt auf dem Papier „Deutsche“ sind.

Last edited 9 Monate her by egal1965