Kurz vor der Wahl: Landtagskandidat sponsert RBB-Wetterbericht

Der Hauptstadtsender verkauft Sendezeit für die vermeintliche Eigen-PR eines Gewerbetreibenden. Dumm nur, dass der Mann für das Landesparlament kandidiert. Jetzt steht der Vorwurf der verbotenen Wahlwerbung im Raum. Und beim RBB haben sie mal wieder von nichts gewusst.

IMAGO / Schöning

„Unsere Lokalreporter wissen alles über ihre Berichtsgebiete. Die kennen buchstäblich jeden Baum mit Namen.“ So sprach einst Christoph Singelnstein, ehemaliger Chefredakteur beim Rundfunk Berlin-Brandenburg RBB. Was er damit sagen wollte: Seine Leute vor Ort sind auch mit dem letzten Winkel der märkischen Tiefebene geradezu intim vertraut. Genau wegen dieser Expertise brauche es eine zwangsgebührenfinanzierte Anstalt für die Hauptstadtregion.

Nun sind allerdings große Teile der dem RBB rechtlich zustehenden Zwangsgebühren schon viele Jahre lang nicht in den Ausbau der regionalen und lokalen Expertise geflossen, sondern in den Ausbau der Intendanten-Etage, Edelholzvertäfelung und Designersessel inklusive. Auch Luxus-Gehälter für die Verwaltungsspitzen, Luxus-Abfindungen und Luxus-Pensionen haben bekanntlich tiefe Löcher in die Senderkasse gerissen.

Fürs Programm bleibt da kaum noch etwas. Und das merkt man auch.

Not macht erfinderisch. Aus Geldnot lässt der RBB bestimmte Sendungen von Sponsoren „präsentieren“. Das ist eine zulässige Werbeform. Der Sender bekommt Geld, und im Gegenzug wird der Sponsor genannt. Auch den Wetterbericht im Anschluss an die regionale Nachrichtensendung „Brandenburg aktuell“ lässt der RBB sponsern.

Vor ein paar Tagen erfuhren die RBB-Zuschauer zur besten Sendezeit im Vorabendprogramm nun das hier:

„Das Wetter wird Ihnen präsentiert vom Bio-Landwirtschaftsbetrieb Andreas Gliese in Friedland.“

Dazu wurde bildschirmfüllend das Foto eines lächelnden Biobauern eingeblendet. Dabei handelte es sich, klar, um Andreas Gliese. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wären nicht am Sonntag in Brandenburg Landtagswahlen. Und Andreas Gliese war nicht nur zwischen 2014 und 2019 Landtagsabgeordneter für die CDU, bevor er sich mit der Partei überwarf – sondern er tritt auch jetzt wieder an, als unabhängiger Kandidat.

Und beim RBB hat’s keiner gemerkt.

Dass der RBB einem Landtagskandidaten wenige Tage vor einer Landtagswahl das Sponsoring des Wetterberichts erlaubt (übrigens sicher rein zufällig in einem Wahlkreis mit starken AfD-Ergebnissen), darf man wohl getrost als verbotene Wahlwerbung werten. Da hilft es auch nicht, dass formal ja der Biobauer Gliese wirbt und nicht der Kandidat. Mit Sicherheit und völlig zurecht würde der RBB es nicht zulassen, dass CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann den Wetterbericht als Rechtsanwalt sponsert.

Die öffentlich-rechtlichen Lokalreporter mögen ja vielleicht jeden Baum in Brandenburg kennen. Jeden Laternenpfahl kennen sie ganz sicher nicht, denn an gefühlt der Hälfte aller Straßenbeleuchtungsmasten in seinem Wahlkreis hat der umtriebige Kandidat Gliese Plakate von sich aufhängen lassen. An dem Biobauern kommt man auf den Straßen vor Ort nur vorbei, wenn man sich die Augen verbindet.

Oder wenn man RBB-Mitarbeiter ist.


Die Wahlwette Brandenburg läuft bis Sonntag, 22. September. Werte Leser, bitte machen Sie mit >>>

Ihre Wetten nehmen wir gerne entgegen. Wer über alle genannten Parteien hinweg am nächsten an den Ergebnissen landet, gewinnt.

Annahmeschluss ist der Wahlsonntag (22.09.2024) um 17:35 Uhr. Das Wettergebnis wird bis einschließlich Dienstag, den 24.09.2024, veröffentlicht. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Auf die Gewinner wartet:

1. Platz: eine Flasche Champagner
2. Platz: zwei Bücher aus dem Shop nach Wahl
3. Platz: ein Buch aus dem Shop nach Wahl

+++ Wette beendet +++
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Kommentare ( 14 )

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Spektrum
2 Monate her

„denn an gefühlt der Hälfte aller Straßenbeleuchtungsmasten in seinem Wahlkreis hat der umtriebige Kandidat Gliese Plakate von sich aufhängen lassen.“
Was günstige Saisonarbeiter so alles können. 😉

Otis.P. Driftwood
1 Monat her
Antworten an  Spektrum

Glücklich das Land, an dessen Laternenpfählen nur Plakate hängen…

Michael Palusch
2 Monate her

Der ÖRR muss sich Sponsoren suchen, weil ihm offenbar die abgepressten 9.000.000.000€ pro Jahr nicht ausreichen?!
Der ÖRR ist ja nun nicht mehr allzu jung, aber nichtsdestotrotz braucht er das Geld.
Was sollen die in ihrer Not denn machen? Sich mit den Rentnern um Pfandflaschen balgen?
Daher schlage ich eine angemessene Gebührenerhöhung auf mindestens 22,84€ pro Monat vor, damit sich eine solche Peinlichkeit aus Armut nicht noch einmal wiederholt.

Last edited 2 Monate her by Michael Palusch
Bernhardino
2 Monate her

Der Alptraum endet erst, wenn ALLE Altparteien plus dieses BSW als FDP-Ersatz durch 51% für die AfD marginalisiert sind! Alle Wahlberechtigten und ALLE Nichtwähler haben/hätten es NOCH! in der Hand, die den Stift auf dem Wahlzettel führt.
Wer in der Noch-Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf!

Haeretiker
2 Monate her
Antworten an  Bernhardino

Wenn das passiert (AfD 51%), dann wird sofort der Norstand ausgefrufen. Mental sind ja alle darauf bereits vorbereitet.

Axel Fachtan
2 Monate her

Gönnt doch einem Einzelbewerber auch mal ein bisschen Spass.
Der wird Herrn Hohloch nicht ohne weiteres aus dem Landtag schmeißen mit einer Erwähnung als Biobauer.
Übrigens hat Herr Gliese 2014 für die CDU genau diesen Wahlkreis direkt gewonnen und ist der Region verbunden.
Die AfD hat doch gerade nochmal Krah für Eisenhüttenstadt aufgeboten und Höcke für Cottbus. Da muss sich doch keiner mehr wegen eines Einzelbewerbers grämen.

Michael W.
2 Monate her

Eigentlich haben die 3. Programme auch ein Werbeverbot.
Nennt man die Werbung aber Sponsoring, scheint alles erlaubt.
Korruptionsfunk eben.

murphy
2 Monate her
Antworten an  Michael W.

Der eigentliche Skandal ist das Verhalten des BVerfG. Im GG steht nämlich das Wort „ungehindert“ ohne jede Einschränkung. Das schließt Hindernisse jeder Art aus, beispielsweise
  • zeitliche,
  • virtuelle,
  • finanzielle, also weder Abgaben, noch Gebühren, noch Steuern !
  • gegenständliche und
  • ideelle.
Stattdessen fantasierte das BVerfG Worte wie „Bildungauftrag“, „Grundversorgung“ und „Finanzierungspflicht“ die im GG überhaupt nicht erwähnt werden, – auch nicht sinngemäß! Aber damals wurde Kirchhof mit der Aussicht auf Finanzminister von Merkel/CDU gelockt.
Das BVerfG ist ein Fall für den Verfassungsschutz, – wenn wir einen hätten, der den Namen verdient.

BK
2 Monate her

So ein Wahlkampf hat im Westen immer noch ein gewisses Flair. Damals in der Ostzone, da hat man nicht mal Wahlplakate aufgehängt. Da gab es eine Ansage, wann gewählt wird und wer nicht kam, der wurde noch am selben Tag verhaftet. Wer nicht glauben konnte, dass die SED schon wieder gewonnen hatte, wurde auch verhaftet. Hier im freien Westen hat man immer noch den Hauch einer Chance auf was Anderes. Außer in Brandenburg, da gibt es vielleicht eine Mehrheit für rot-rot-rot.

Eddy08
2 Monate her
Antworten an  BK

Vielleicht sollten Sie nur über Dinge schreiben,von denen Sie auch Ahnung haben. Mit den Verhaftungen wird das wohl eher eine Tugend welche aus den Altbundesländern kommt. Ideen wie höhere Kassenbeträge für Nichtwähler oder Straflager für Ungeimpfte, sind Ausgeburten des guten Westens

Reinhard Schroeter
2 Monate her
Antworten an  Eddy08

Es sind unsere Landsleute aus dem Westen, die an der Spitze dieses edenden Staatsfunks stehen und da abkassieren..
Nur eben nicht nur da. Überall wo es den Bach runter geht und wo gelogen wird , findet man sie zu Hauf.

Zum alten Fritz
2 Monate her
Antworten an  BK

Wahlkampf konnte es ja in der DDR nicht geben. Logisch oder? Aber „Wahlwerbung“ gab es, damit es demokratisch aussieht. In der lokalen Presse wurden auch die zu wählenden präsentiert inkl. Lebenslauf und so. Damit nicht gemeckert wird waren das alles ordentliche Bürger, Genossen und Parteifreunde.
Der Hacken war das die Volkskammer kein Parlament war, sondern eine Veranstaltung.
Warum erinnere ich? Damit es sich in welcher Art auch immer nicht wiederholt. Abstimmungen als gesamte Fraktion und Brandmauern sind für mich einer Demokratie unwürdig.

ceterum censeo
2 Monate her

Die Lokalreporter ( man könnte meinen, das Niveau reicht nur für „Bieraufnahmestellen“), kennen nicht nur jeden Baum, sondern wohl auch jede Fichte, hinter der sie die Wähler führen möchten…

murphy
2 Monate her

Als der Öffentlichkeit und dem Recht verpflichtete Einrichtung hätte der RBB die Pflicht jeden Bewerber (kaum die Parteien, diese sollen ja nur unterstützen und haben lt. GG sonst überhaupt keine Funktion!) zu Wort kommen zu lassen. Allerdings nicht als Sponsor, sondern in einer regelmäßigen Sendereihe zu vernünftigen Zeiten bei der sich jeder Bewerber präsentieren kann.

Last edited 2 Monate her by murphy