Der Verrat: Ampel beschließt Impfpflicht für Pfleger

Die Ampel interessiert sich keinen Deut mehr für die Grundrechte der Bundesbürger als die Vorgängerregierung. Es ist grotesk: Nach anderthalb Jahren offiziellen Applaus für unsere "Pflegehelden" wird die erste Maßnahme die Impfpflicht sein.

IMAGO / Martin Wagner

Am Mittwochnachmittag legten SPD, FDP und Grüne den Ampel-Koalitionsvertrag vor. Überlagert wurden ihre Pläne allerdings vom Corona-Geschehen – vor der Vorstellung der Politik der nächsten Jahre kündigte Olaf Scholz die neuen Corona-Regeln an. Wichtigster Schritt: Die Einführung der Impfpflicht für Pfleger. Nicht nur bei der FDP widerspricht das den Wahlkampfversprechen – es ist vor allem ein Verrat an den hart arbeitenden Pflegekräften in diesem Land.

In meiner Familie und meinem Freundeskreis arbeiten viele in der Pflege. Einige fingen als Altenpfleger an – und wechselten schnell ins Krankenhaus. Und das nicht wegen relativ schlechtem Lohn oder harten Arbeitsbedingungen. Es hatte vielmehr etwas damit zu tun, dass sie um 16 Uhr damit anfangen mussten, die ersten Bewohner ins Bett zu bringen, weil man für so viele Patienten zuständig ist, dass man sonst zu letzten erst um Mitternacht erst kommt. Es war auch die Art, wie in solchen Einrichtigungen mit den Menschen umgegangen wird. So erging zum Beispiel die Anweisung, für diejenigen Heimbewohner, die nicht mehr so gut kauen können, die komplette Mahlzeit durch den Mixer zu jagen. Und ich meine die komplette: vom Mittagessen über den Kaffee bis hin zum Pudding – alles zusammen. Wenn man sich weigerte, hieß es: „Ach was, im Magen kommt doch eh alles zusammen. Anders geht’s nicht, so viel Zeit habt ihr nicht.“ Sie haben gekündigt, weil sie diese Arbeit nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren konnten. Die meisten Pfleger nehmen ihren Beruf ernst – sie dürfen ihn aber nicht mehr ausführen. Was in vielen Altersheimen geschieht, hat nichts mit Pflege zu tun.

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Unsere Gesellschaft ist nicht nur zu faul, sich für die eigenen Rechte einzusetzen, was die Corona-Politik angeht. Sondern auch, um sich um die Alten zu kümmern, die wir um jeden Preis am Leben erhalten wollen – um unser schlechtes Gewissen zu stillen. Und damit meine ich nicht die topfitten Rentner, die ein glückliches weitgehend selbständiges Leben führen und einfach ein bisschen Unterstützung im Alltag brauchen. Ich meine die 95-Jährigen, die in diesem Moment eine künstliche Herzklappe eingesetzt bekommen – was Ihre Krankenkasse mal so eben den Preis eines Kleinwagens kostet -, nur damit sie noch ein paar Tage länger die Krankenhauswand anstarren können, aber trotzdem keinen Besuch von ihren Angehörigen bekommen.

Ich will jetzt nicht allen einen Vorwurf machen, die ihre Angehörigen in einem Pflegeheim untergebracht haben. Schließlich ist die Pflege ein Vollzeitjob, den man neben einem Hauptberuf nicht mal einfach eben so machen kann. Und auch, dass nicht jeder mal soeben die teuerste Residenz zahlen kann, verstehe ich.

Es ist ein großes Dilemma: Die Menschen werden immer älter (ich gönne es ihnen ja von Herzen), und die Nachfrage nach Pflegekräften steigt. Allerdings waren die Altenheime schon vor zehn Jahren längst massiv unterbesetzt. Schon damals waren die Pfleger mit mehr Patienten beauftragt, als sie angemessen pflegen konnten. Und jetzt, wo in der Schule die Einsen inflationär anzusteigen haben, ist es schwer, noch Nachwuchs zu begeistern. Der Job ist auf vielen Ebenen höchst unattraktiv; schon 2019 dachte jeder fünfte Pfleger darüber nach, einen anderen Job zu ergreifen. Auf 12.300 offene Stellen in der Altenpflege kommen momentan gerade einmal 3.400 arbeitslos gemeldete Pflegefachkräfte.

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2015 hat die Politik gedacht, sie hätte die Lösung für die Unterbesetzung in den Altenheimen gefunden. Millionen von Menschen – ohne Ausweis, ohne Heimat – standen vor unseren Grenzen. Und auf einmal hatte man Dollarzeichen in den Augen. Wenn die Einheimischen sich zu schade sind, kann man doch bestimmt die Ausländer hereinholen, die nicht genug Deutsch können, um die ganzen Klauseln und Sonderregelungen im Arbeitsvertrag zu verstehen. Und so fing zeitgleich zur Flüchtlingswelle plötzlich die Rede vom demographischen Wandel an. Was die Flüchtlinge mit sich bringen, ist „wertvoller als Gold“, dachten sie. Sie haben in Nahil und Mayyas keine schutzsuchenden Talente gesehen, wie sie immer behauptet haben. Sie haben in ihnen nur die billigen Hilfskräfte gesehen, die ihnen eines Tages den Hintern abwischen. Sie warfen sie an der Grenze mit Teddybären zu, in der Hoffnung, dass die sich aus Dankbarkeit als billige Arbeitskräfte hergeben werden. Das hat nicht funktioniert.

Wir alle sind erpressbar

Aber was könnte man nun tun, um die Situation zu verbessern? Wie wäre es beispielsweise mit besseren Löhnen? Oder weniger erniedrigenden Arbeitsbedingungen? Wie wäre es damit, einen klitzekleinen Anteil des Geldes, das wir mit Lockdown & Co. verpulvern, in die Altenpflege zu stecken? 
Immerhin: Die Ampel plant nun einen Pflegebonus. Was davon tatsächlich ankommt – offen.
Das erste, das nach anderthalb Jahren Gejubel von den „Pandemiehelden“ substantiell passiert ist: Berufsverbot für ungeimpfte Pfleger.

In der Altenpflege sind aktuell gerade einmal 74 Prozent geimpft. Stellen Sie sich die aktuellen Bedingungen in den Altersheimen vor, inklusive regelmäßiger Corona-Ausbrüche in Abwesenheit von Hygienestandards – und jetzt denken Sie sich ein Viertel der Pfleger weg: Meinen Sie, die gesundheitliche Situation für die Bewohner verbessert oder verschlechtert sich?

Sendung 18.11.2021
Tichys Ausblick Talk: „Ungeimpften-Mobbing und neuer Lockdown - Ablenkung vom Pflege-Versagen?“
Um an die Ehre zu gelangen, den unbeliebtesten Job zu machen, den es in Deutschland überhaupt gibt, muss man sich jetzt auch noch gegen seine Überzeugung impfen lassen. Und dann wundert man sich, warum die Pfleger nicht mehr darauf anspringen, wenn die Parteien die strahlende Krankenschwester mit dem pathetischen Spruch auf die Wahlplakate klatschen. Wir sollten den Krankenpflegern, den Altenpflegern die Füße küssen dafür, dass sie uns einmal den Hintern abwischen werden. Jetzt Anforderungen zu stellen, die wir uns bei anderen Berufsgruppen nie erlauben würden, ist quasi Selbstmord.

Die Politik setzt auf ein besonders widerliches Spiel: Man hofft, die ungeimpften Pfleger zu brechen. Von dem Gehalt kann man schließlich nicht genug ansparen, um darauf verzichten zu können. Sie sparen sich ja eh schon das Geld vom Munde ab, weil sich viele Heizung und Wochenendurlaub nicht gleichzeitig leisten können. Die Politiker wissen ganz genau, dass die ungeimpften Pfleger ihnen nicht den Kittel vor die Füße werfen können, mit der Ansage „dann macht doch euren Dreck alleine“. Jahrelang haben sie ihnen Gehaltserhöhungen verwehrt, Gesetze erlassen, die 24-Stunden-Schichten ermöglichen, an allen Ecken haben sie gespart. Die Politiker sind diejenigen, die die Pfleger mit 8-Stunden-Schichten übermüdet zu den Nebenjobs getrieben haben. Das alles wissen sie ganz genau.

Und sie wissen auch, dass es niemanden gibt, der den Pflegern beistehen wird. Erstens, weil alle ja der Meinung sind, es betreffe sie nicht. Und zweitens, weil unsere Alten ihr Druckmittel sind. Wir alle sind erpressbar. Haben Sie Tante Gisela in den letzten Monaten mal besucht, oder muss die vorgedruckte Weihnachtskarte von letztem Jahr genügen? Haben Sie Wilhelm angerufen, so wie Sie es ihm versprochen haben? Ist es nicht traurig, dass Erhard früher Herzchirug war und heute seine eigene Familie nicht mehr wiedererkennt? Ja, er braucht jetzt Beistand, aber da ist ja noch die Küche, die gestrichen werden muss und immer diese Arbeit und dann noch die Kinder … Dann immer dieser Geruch von Tod und Lavendel, den Altenheime verströmen, und immer steht ein Krankenwagen mit Blaulicht vor der Tür. Viele verlassene Alte bedeutet auch viele Angehörige mit schlechtem Gewissen. Dann sollen diese Proleten von Pflegern sich doch endlich impfen lassen, nicht wahr? Die Oma im Billigheim verdient schließlich nur das Beste. Und es ist doch besser, wenn sie an steriler Einsamkeit stirbt, statt an einer Lungenentzündung.

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Kommentare ( 97 )

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Riffelblech
3 Jahre her

Alleine der intensive Text lässt die unglaubliche Verachtung und Verblödung unserer Politiker gegenüber seinen Bürgern erkennen.

M.Einung
3 Jahre her

Mich würde, unabhängig von Corona, aber sicherlich dadurch verstärkt, mal interessieren, wieviele von den Schwerstpflegebedürftigen gegen ihren Willen am Leben erhalten werden ?
Für mich wäre es eine Beruhigung und auch für meine Familienangehörigen eine Option, ab einem, für jeden selbst zu bestimmenden Zustand, Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. Völlig unabhängig davon, wie gut die Pflege ist.
Aber da kommt Deutschland nicht in Bewegung und Herr Spahn blockiert sogar noch.
Ob es daran liegt, dass sich, über den zu Pflegenden, noch eine Menge
Geld für Heime und Pharmabranche, unter Ausbeutung der Pflegenden und Gepflegten verdienen läßt?

StefanD
3 Jahre her
Antworten an  M.Einung

Ich kann nur für die Altenpflege sprechen: es besteht die Möglichkeit einer Patientenverfügung die eine medizinische Betreuung detailliert vereinbart und zwingend eingehalten werden muss. Hier können lebensverlängernde Maßnahmen im Vorhinein ausgeschlossen werden sowie eine ausschließlich palliative Betreuung angeordnet werden. Eine Patientenverfügung ist alleine deshalb empfehlenswert, da den Angehörigen die Entscheidung über „Leben und Tod“ nicht aufgebürdet wird. Erfahrungsgemäß wird sich für eine lebensverlängernde Maßnahme – PEG – entschieden, die im schlimmsten Fall ein jahrelanges dahinvegetieren für den Menschen bedeutet. Jedoch ist es auch verständlich, wer möchte eine solche Entscheidung für seine Mutter oder seinen Vater treffen. Eine weitere Möglichkeit besteht… Mehr

Atheist46
3 Jahre her

Ich bin 75, kann mich noch selbst versorgen und somit auch allein selbstbestimmt leben. Ich wünsche mir nur, dass ich einfach irgendwann, irgendwo und irgendwie tot umfalle, um nicht evtl. auf eine Art Pflege-Mafia, wie sie Frau David eindringlich und mit großer Empathie schildert, angewiesen zu sein. Ich bin schon seit vielen Jahren der Meinung, dass Gesundheit, Pflege und Bildung nicht in die Hand von privaten Unternehmen, Verbänden oder Kirchen gehören, die damit Geld verdienen und/oder Einflluss gewinnen wollen.

Franz O
3 Jahre her
Antworten an  Atheist46

Viele Menschen werden in Deutschland in Zukunft einen vorherbestimmten Leidensweg im Alter haben, weil sie in jungen Jahren keine Kinder bekommen haben. Das wissen die neuen Deutschen so viel besser, dass man sich auf seine Sippe und nicht den Staat verlassen muss.

Machiavelli
3 Jahre her

Passiertes Essen ist immer so eine Angelegeheit. Ich hab mal kurzzeitig in einem Heim gearbeitet, in dem es die in dem Artikel geschilderte Variante „Schweine Eimer“ zum „Anreichen“ gab. Ich hab dort nach 4 Wochen gekündigt. Das Heim wurde mittlerweile verkauft,Sanierung zu aufwendig in den Denkmalgeschützen Häusern, und gehört jetzt einem anderem Betreiber. Es geht aber auch anders! Alles einzeln passiert! So kannst du als Pflegekraft,ja den Service machen wir meist auch selber, das Essen selber zusammen stellen und wie Normal anreichen. Also nicht, Großen Löffel Mund auf und immer reinschaufeln bis Teller leer, sondern mit der notwendigen Ruhe und… Mehr

Julian Schneider
3 Jahre her
Antworten an  Machiavelli

Danke für diesen Einblick in die Praxis!

Emsfranke
3 Jahre her

Die Widerwärtigkeiten, die nun die Handlungsmaxime unserer AmpelmännInnen darstellen sind nur noch durch die Einführung von Sammellagern (früher gab es mal einen Fachbegriff, den ich hier nicht anführen möchte) für Gesundheit und Hygiene zu überbieten.
Und ich wette! Wenn damit die Ärsche der historisch nur wenig gebildeten Politgrößen gerettet werden können, dann lassen sich auch hierzu Windhosen unter den Staatsrechtlern finden, die auch solche, vor Corona als „niewieder“ ausgerufenen Lagerstätten, legitimieren werden.

Jan Frisch
3 Jahre her

Liebe Frau David! Schon lange habe ich keinen derart empathischen und berührenden Text gelesen, allein an einer Stelle irren Sie sich leider:
Jetzt Anforderungen zu stellen, die wir uns bei anderen Berufsgruppen nie erlauben würden, ist quasi Selbstmord.“
Diejenigen, die das zu verantworten haben können ausgezeichnet mit dieser Anordnung leben, man müsste also das „Selbst-“ durch ein „Massen-“ ersetzen.

Johann Thiel
3 Jahre her

Danke liebe Elisa David für die deutlichen Worte. Für kaum einen Bereich gilt der Satz „kann nicht, heißt will nicht“ mehr, als für die vernünftige Versorgung unserer Alten und Kranken. Was alles möglich ist und wieviel Geld verfügbar ist, wenn man es will, führt uns die Einwanderungspolitik täglich vor Augen.

Don Martin
3 Jahre her

Sehr ergreifender Text. Sie wissen, um was es geht!

FerritKappe
3 Jahre her

Für die Altenpfleger wird niemand auf die Straße gehen. Die meisten haben keine Ahnung was in den Heimen so los ist. Immer wieder habe ich irgendwelchen Impflingen gehört wie ungerecht sie es finden das sie ihre Freiheit nicht wiederbekommen und man müsse doch nur die alten besser schützen. In den Heimen bei uns in der Gegend wurde nichts gelockert. Überall gab es immer eine Testpflicht, nur mal kurz im Sommer mußte das geimpfte Personal nicht getestet werden. Man hat sich also nur die Berufsgruppe ausgesucht bei der man am wenigsten Protest erwartet. Da ist nur der Einstieg in die Impfpflicht.… Mehr

Zylinderbohrung
3 Jahre her

Mehr Geld scheint immer das Zauberwort zu sein. Ist es nicht. „Mein“ Kreisklinikum hat Ende 2020 seinen Pflegesatz um 16% erhöht wegen gestiegener Lohnkosten. Gab es Neueinstellungen? Wurden die Löhne um 16% erhöht? Ja und nein. Neueinstellung gab es im ganz oberen Verwaltungsmanagement und, weil wir ja im ÖR-Bereich sind, altersbedingte Beförderungen, damit höhere Besoldungsstufe, damit mehr Besoldung. 16% mehr Kosten aber nicht 1% mehr Pflege und bei den Fachkräften kamen tariflich (wenn ich nicht irre), 3,8% an.