Presse: Erst schrumpft das Hirn, dann der Umsatz, dann wieder das Hirn

Fehler sind unvermeidlich. Schlimme Fehler sind nur die, die mal zwei mal macht. In diese Kategorie fällt derzeit das einst so stolze Zeitschriftenhaus Gruner+Jahr. Bei Brigitte werden die schreibenden Redakteure gefeuert; Kompetenzzentren sollen unterschiedliche Verlagstitel für Frauen-Gedöns vollschreiben. Ähnlich bei der Geo-Familie. Wunderbar. Dieses Rezept hat schon bei der G+J-Wirtschaftspresse nicht funktioniert.

Erst wurden bei Impulse (ich war da mal in vor Urzeiten Chefredakteur, ehe das Grauen seinen Lauf nahm) alle schreibenden Redakteure gefeuert – ein Experiment, das die Schwindsucht ins galoppieren brachte. Dann wurden alle Wirtschaftstitel zusammengelegt. Das Ergebnis ist bekannt: Financial Times Deutschland eingestellt; Impulse verschenkt, Börse-Online verscheuert, Capital vom Vier-Master auf Buddelschiffgröße geschrumpft (dort war ich stellvertretender Chefredakteur). Damals verkauften wir 100.000 dicke Hefte am Kiosk, heute sind es noch 5-6 sehr magere Tausend, auch mal stolze 7 oder 8, wenn man mit dem Immobilienheft den Jahresdurchschnitt gesundrechnet.

Ach ja, und jetzt ist also Brigitte dran, die alten Fehler werden wiederholt: „Kompetenzzentrum“, heißt jetzt die neue, alte, schon mal gescheiterte Gemeinschaftsredaktion.

Wird schon klappen.Die 500.000, die die noch verkaufen, werdet ihr so auch klein kriegen, wäre ja gelacht. Axel Springer nannte sie mal abfällig „Flanellmännchen“ – die Buchhalter, die nur die heutigen Zahlen sehen, aber nicht an den Leser denken. Heute würde er vermutlich über die Flanellmädchen spotten, die wie die neue Chefin nicht kapieren: Journalisten schreiben für einen Titel, den sie lieben, hassen, inhalieren; meist stehen sie damit auf und gehen damit schlafen. In Gemeinschaftsredaktionen dagegen zerrinnt diese Identifikation; das Besondere wird  weggehobelt, der Geist des Blattes geht vor die Hunde. Redakteure sind eben doch mehr als Fixkosten auf zwei Beinen. Sie tragen die Idee der Zeitschrift im Kopf mit sich herum. Dummerweise gehen sie mit dieser Idee auch bei der Türe hinaus, wenn man sie feuert. Die Leser merken es, und wenden sich mit Grauen ab. Ich erinnere mich gerne an das Konzept einer auf Presse spezialisierten Unternehmensberatung, die empfahl, die kurzen Texte aus einer Tageszeitung auch in einem Wochentitel abzudrucken. Kurz ist kurz, ist doch immer eines, oder? Dass dpa-Meldungen allein der Tod einer Tageszeitung sind, hindert diese Berater, die noch immer erfolgreich ihr Unwesen in der Presselandschaft treiben, nicht daran, zu empfehlen: Sind diese dpa-Meldungen erst sieben Tage alt, entfalten sie ihre besonderen Reife auch im Wochenmagazin. dpa ist eben wie guter Rotwein: Die Qualität steigt mit dem Alter. Dummerweise ist das alles Essig. Irgendwie erinnert das an Fassbinder: Angst essen Hirn auf. (bei ihm war es noch die Seele, aber die ist schon lange raus bei vielen in dem Gewerbe. Heute ist der Teufelskreis Umsatz-Hirn-Umsatz-Hirn…)

Und deshalb hier der Hinweis, wie es weitergeht: Der deutsche Pressegroßhandel hat in seinem Kernsortiment, der Presse, im ersten Dreivierteljahr 2014 einen Absatz von 1,51 Mrd. Exemplaren erzielt. Das sind 7,6 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum 2013. Nur, weil so wichtige journalistische Produkte wie Sammelbilder zur Fußballweltmeisterschaft besser laufen, blieb der Rückgang insgesamt am Büdchen auf nur rund drei Prozent begrenzt. 

Hoffen wir alle, dass diese Information nicht an den G+J-Vorstand gerät. Denn wenn die das lesen, werden Brigitte und Geo zukünftig Fußball-Sammelbilder drucken. Es ist doch bewiesen, dass das funktioniert, oder?

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