Premier Mateusz Morawiecki vertritt vor der EU die rechtliche Unabhängigkeit Polens

Nach Ansicht des polnischen Verfassungsgerichts darf der Gerichtshof der EU keine Entscheidungen über die polnische Justiz treffen.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Ronald Wittek

Aus Sicht der EU-Kommission und des EU-Parlaments sollte die gestrige Reise des polnischen Premierministers Mateusz Morawiecki so etwas wie ein Gang nach Canossa sein, denn Polen sitzt schon seit längerer Zeit auf der Anklagebank des Brüsseler Establishments. Ebenso wie Ungarn wirft man der noch jungen Demokratie Verstöße gegen die „europäischen Werte” vor. Konkret geht es um die Unabhängigkeit der polnischen Justiz, die von der konservativen Regierungsmehrheit unter der Führung der Partei PiS, in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz, in Frage gestellt würde.

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Ebenso Hintergrund: Eine von der Regierung bestimmte Kommission kann über die Bestellung oder Abberufung von Richtern entscheiden. Tatsächlich ist eine solche Praxis im klaren Widerspruch zum Grundprinzip der Gewaltenteilung einer Demokratie. Mittlerweile fährt Brüssel schwere Geschütze auf, da die polnische Führung bisher nicht auf die Forderungen nach Aufhebung dieser Praxis reagiert hat. Jetzt wird sogar über das Einfrieren finanzieller Hilfen für dieses große europäische Land gedroht. Bis hierher scheint eigentlich an den Vorgängen nichts zu kritisieren sein.

Aber eigentlich ist eben nur eigentlich. Jedes Mitglied der EU hat seine eigene Geschichte und damit spezielle Erfahrungen. Noch vor etwas über dreißig Jahren litten die Polen unter einer harten, kommunistischen Diktatur. Mehrfach haben die Menschen dort versucht, das unter sowjetischer Oberhoheit regierende System abzuschütteln. Nach Volksaufständen in den fünfziger und siebziger Jahren fand dieser Widerstand seinen Höhepunkt mit der Gründung der unabhängigen Gewerkschaft „Solidarność“ im Jahre 1980. Aus der Streikbewegung der Hafenarbeiter von Danzig wurde eine landesweite Bewegung, deren Hauptforderungen freie Wahlen sowie Presse- und Meinungsfreiheit waren. Das Regime konnte seinen Bestand nur durch die Verhängung des Kriegsrechts sichern. Tausende Menschen landeten in Gefängnissen, verloren ihre Arbeit, die Führer des Aufstandes verschwanden aus der Öffentlichkeit. Für viele Historiker ist heute Konsens, dass die damaligen Vorgänge in Polen das Fanal für die Bürgerrechtsbewegung wurde, die schließlich nur ein Jahrzehnt später die kommunistische Diktatur, auch in der Sowjetunion selbst und in den anderen Ostblockstaaten zum Zusammenbruch brachte.

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Wie überall in diesen Ländern stellte sich nach der sogenannten Wende die Frage nach dem Umgang mit den alten Eliten. Viele der alten kommunistischen Kader waren den neuen Kräften in der Technik der Macht weit überlegen. Vielen gelang es, ihre privilegierten Positionen über den Untergang der Diktatur hinweg zu retten. Hinzu kam dass, bedingt durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Umbruches, auch wieder Strömungen und Parteien der Vergangenheit Regierungsgewalt erlangten. Als einer der resistentesten Bereiche in Polen erwies sich das Justizsystem. Richter und Staatsanwälte, die aktiv an der Unterdrückung der demokratischen Opposition mitgewirkt hatten, blieben nicht nur im Amt, sondern erhielten neue langfristige Arbeitsverträge. In großen Teilen der polnischen Bevölkerung rief dies Unmut und Bitterkeit hervor.

Als die konservative PiS-Partei, nach ihrer Amtsübernahme 2015, mit ihrer extrem antikommunistischen Haltung und auch ihrem Bekenntnis zum Katholizismus als gesellschaftliche Grundlage begann, ihre Vorstellungen umzusetzen, regte sich besonders unter liberalen und linken polnischen Intellektuellen, aber auch im Westen Europas Unmut.

Im Medienbereich wurden nun besonders die elektronischen Medien mit Nähe zur katholischen Kirche gefördert. Gleichzeitig begann man erst das Personal in den staatlichen Fern-TV- und Radioanstalten zu ersetzen. Jenseits der Proteste fand diese Maßnahme großen Zuspruch in der polnischen Mehrheitsbevölkerung. Der Beweis dafür sind die unverändert hohen Zustimmungsraten für die regierenden Konservativen.

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Man könnte auf die Idee kommen, dass es gerade in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Krieg gut gewesen wäre, wenn eine derartige Demokratisierung in den Gerichtssälen und überhaupt in der Justiz stattgefunden hätte. All diese Aspekte werden von den westlichen Kritikern Polens nicht zur Kenntnis genommen. Aber auch sie gehören zur Wahrheit. Und noch eines wird im Westen mit seinem von links dominierten Meinungsspektrum nicht beachtet: In Polen, wie übrigens auch im unter der gleichen Kritik stehenden Ungarn, spielt hier der Glauben, verkörpert durch die katholische Kirche, eine hierzulande kaum zu verstandene Rolle. In der über viele Jahrzehnte bestehenden Diktatur war die Kirche die einzige Institution, die eine geistige Alternative zur marxistischen Indoktrination darstellte und in der Not, besonders bei politischer Verfolgung, einen gewissen Schutz bot.

Polens Premier Mateusz Morawiecki betonte die Souveränität seines Landes und das Recht auf eine eigene nationale Verfassung, die nicht durch Bestimmungen von außen aufgehoben werden könne. Den westlichen Europäern wäre etwas mehr Einfühlungsvermögen für das Land zu wünschen, das über Jahrzehnte unter Fremdbestimmung und Diktatur zu leiden hatte – wozu auch die deutsche Besatzung zwischen 1939 und 1945 zählt.

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So kann in Wirklichkeit auch niemand erwarten, dass sozusagen über Nacht westliche Konzepte und Stimmungen wie der Genfer Gedanke oder „das Recht jeder Frau auf ihren Bauch“ akzeptiert werden. Gleiches gilt für den uneingeschränkten Wert der Familie aus Mann, Frau und Kind.

Wenn jetzt dieser Kulturwandel von außen und durch finanzielle Erpressung herbeigeführt werden soll, so stellt dies selbst eine Verletzung der ethischen Prinzipien des freien Europa dar. Das polnische Volk ist ein sehr stolzes.
Von jetzt mehren sich die Stimmen, die sich für einen Austritt, also einer Art „PolExit“, aus der EU aussprechen. Das Land selbst würde dadurch wirtschaftlich schwer getroffen. Aber auch an der deutschen Wirtschaft, die in Polen stark engagiert ist, würde dies nicht ohne Schmerzen vorbeigehen.

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Kommentare ( 81 )

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Michaelis
3 Jahre her

Wie oder was auch immer: der polnische Staat (wie ALLE anderen europäischen Länder auch !!) hat ein Recht auf seine eigene Verfassung. Wer dem widerspricht, wie es die EU-Bürokratie derzeit tut, missversteht die Prinzipien von Demokratie und demonstriert ein erschreckendes Ausmaß an totalitärer Gesinnung!!!

Man muss sich das nur konkret vorstellen: mit dem Beitritt zur EU soll ein Staat all seine nationalen Rechte und Rechtsvorstellungen an die EU-Bürokratie abtreten??!! Normalement nennt man sowas Diktatur!!!

beccon
3 Jahre her

Der werthaltigere Teil der EU Mitgliedschaft für Polen sind weniger die Subventionen sondern der Marktzugang nach Westeuropa, insbesondere Deutschland. Fördermittel erhalten seit viel längerer Zeit auch die Länder in Südeuropa – mit den bekannten Ergebnissen. Polen hat in den 90ern seine Chancen geschickt genutzt. Sie haben traditionell viele und tüchtige Handwerker, die durch die Personenfreizügigkeit Erfahrungen und Geschäftskontakte im Westen sammeln konnten. So konnte Polen auch von den Fehlern profitieren, die wir hier in Deutschland gemacht haben (Steuerbelastungen, hohe Energiekosten, Bürokratie) und viele Unternehmen aus dem Westen anziehen. Jetzt wo die Verkehrs- und Telekom-Infrastruktur weitgehend ausgebaut ist, mag die EU-… Mehr

Juergen Waldmann
3 Jahre her

Mit meinen 79 Jahren wünsche ich mir die EU der Vaterländer zurück !
In den Gründerjahren war nie die Rede davon , dass die Länder alte erworbene Rechte an Brüssel ab zu geben haben . Wir haben die Briten aus der Eu vergrault und setzen den Weg zum EU-Obrigkeitsstaat fort . Wohin ein Staat mit zu viel Macht kommt , davon können die EX DDR Bürger ein Lied singen !

Jan Drwal
3 Jahre her

Lieber Herr Gafron, Sie wollen Freund Polens sein, geben aber nur die alten Vorurteile gegenüber Polen wieder. Ihr Artikel ist folgendermaßen aufgebaut: Die Polen sind eigentlich Schurken, die Regierung kann über von die ihr kontrollierte Kommission Polens Richter einsetzen und entlassen. Der Schurke kann aber entschuldigt werden, weil er schwere, kommunistische Kindheit hatte und obendrein mehrheitlich katholisch ist. Sie hätten nachschauen können und feststellen, dass Richter in Polen durch den Präsidenten Polens, auf Vorschlag der Landesjustizkammer eingesetzt werden. Die Landesjustizkammer schützt die Unabhängigkeit des Justizwesens und wird im Parlament mit Dreifünftelmehrheit bestimmt. Wenn die Dreifünftelmehrheit nicht zustande kommt, reicht die… Mehr

Marie-Jeanne Decourroux
3 Jahre her
Antworten an  Jan Drwal

Sogar Andreas Voßkuhle, der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hat inzwischen die ultra vires Anmaßungen des EuGH in begrüßenswerter Offenheit und Klarheit gerügt: „Wir stehen heute vor einer beispiellosen Offensive der EU-Kommission und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) – einer Art juristischem Angriffskrieg -, die kollusiv zusammenwirken, um im Wege einer Revolution von oben doch noch einen europäischen Bundesstaat herbeizuzwingen.“

Neumann
3 Jahre her

Es wäre wünschenswert, wenn die Praxis der Ernennung von Richtern in D breiter bekannt gemacht würde. So viel ich weiß, haben die Parteien in D da deutlich „die Pfoten drin“. Z.B. bei der Ernennung des Präsidenten des BVerG wurde diskutiert, dass er nicht die nötige Qualifikation hat, was vermutlich durch die Wertschätzung Merkels kompensiert wurde. Dass die Staatsanwälte in D an die Anweisungen der Justizminister gebunden sind, gehört auch in diese Kategorie. Darüber hinaus ist die grundsätzliche Frage zu stellen, was die nationalen Verfassungen noch wert sind, wenn sich Brüsseler Bürokratie (undemokratisch) und EU-Gericht (wie demokratisch?) über diese hinwegsetzen können.… Mehr

Schlaubauer
3 Jahre her

Wer die Rede gelesen hat weiß, das Morawiecki nicht wirklich über die Unabhängigkeit Polens referiert hat. Vielmehr hat er aus meiner Sicht klatr den Unterschied aufgezeigt zwischen einer EU des Rechts und des Unrechts. Daher wäre der Titel besser gewählt mit einer EU des Rechts und nicht eines rechtlich unabhängigen Polens. Denn Recht kann nicht geteilt werden. Der Weg der EU ist aber klar aufgezeigt: Nehmen wir das Recht weg und es bleibt eine Räuberbande übrig. Die EU bestätigt das gerade mit dem Versuch der Erpressung der Polen. Polen wird daher die EU verlassen, so wie iedes noch halbwegs funktionierendes… Mehr

Old-Man
3 Jahre her
Antworten an  Schlaubauer

Absolut richtig was sie sagen!.

JamesBond
3 Jahre her

Die EUdssr ist eine Undemokratische Bürokratie, die den Menschen in Deutschland schadet. Schaffen wir den ganzen Haufen ab und starten nochmal mit der EWG neu.

country boy
3 Jahre her

Es ist bewundernswert, wie die polnische Regierung die Interessen ihrer Bürger vertritt. Die deutsche Regierung hingegen denkt multilateral, das heißt, globale Interessen geben die Leitlinien vor. Indigene Gruppen in Deutschland sind da richtiggehende Störfaktoren, vor allem wenn es darum geht, unsere Heimat in ein multiethnisches Niemandsland zu verwandeln. Die polnische Regierung zeigt, wie einfach der Schutz der Grenzen und der Heimat funktionieren kann. Unsere Kanzlerin Frau Merkel und ihr Innenminister Herr de Maiziere haben dagegen vor dieser Herausforderung einfach kapituliert.

Ali
3 Jahre her

DANKE Polen, DANKE Mateusz Morawieck (und DANKE UNGARN nebenbei seit Jahren).

Bitte verzeihen Sie einem Deutschen, das er wieder einmal nur Politiker hat, die Deutschland in den Untergang führen wollen!!!

Leider kann ich Sie für Deutschland nicht wählen!

Last edited 3 Jahre her by Ali
Old-Man
3 Jahre her

Ich kann den Polnischen Präsidenten sehr gut verstehen, und auch seine Beweggründe sind nichts verwerfliches, sondern Beachtenswert. Wodurch ist der EUGH legitimiert über Nationalem Recht zu stehen??. Nur, weil unsere links gestrickten, gerade Merkel vor diesem komischen Gebilde, das keinerlei rechtliche Legitimation hat sich über Landesverfassungen und seine Gerichtsbarkeit zu stellen kuschen, ja sogar jeden erdenklichen Bückling machen, braucht das nicht jeder nach machen. Die „Uschi“, eine merkwürdige „Persönlichkeit“ mit dem Hang des Zerstörens, auch dieses Unternehmen EU wird sie ebenso zerstören wie unser Bundeswehr, sie ist eben zu nichts zu gebrauchen, oder doch, als abschreckendes Beispiel!. Ich halte Polen… Mehr