Mit der Einwanderung aus islamischen Ländern geht kulturelle Bedrängnis einher, Auflösung gewohnter Lebensformen, Verlust an Sicherheit und Vertrauen in die etablierte Politik. Ohne „Populismus“ würden die Eliten in ihren Strategien ungestört fortfahren.
Dass für die „gelebte Demokratie“ Populismus ein Synonym für den Gottseibeiuns bedeutet, ist hinlänglich bekannt. Das Entsetzen gilt seit ihrem Auftauchen im Bundestag – und demnächst in allen Landtagen – den „Rechtspopulisten“ von der AfD, kaum noch der inzwischen als Koalitionspartner in spe von der CDU bereits umworbenen, noch unlängst als „Linkspopulisten“ betitelten Partei, die sich allumfassend Die Linke nennt. Die begriffliche Reduktion auf den „rechten“ Populismus – könnte sich wieder ändern, falls Sarah Wagenknecht und Oskar Lafontaine mit ihrer Bewegung „Aufstehen“ das Kunststück gelingen sollte, die zur „populistischen“ AfD abgewanderten, einst auf der Linken beheimateten „kleinen Leute“ zurückzuholen und durch ein „linkes“ Wahlbündnis die ewige Merkel-Ära zu beenden. Dann wäre erneut der „Linkspopulismus“ im Visier der Hüter der rechten deutschen, demokratischen Gesinnung.
Da sich alle guten Demokratinnen und Demokraten in der Verteidigung der Demokratie – für Aristoteles noch ein Negativbegriff – gegen die Gefahren des „Populismus“ einig sind, braucht man sich um eine Definition und eine Erklärung des Phänomens wenig zu kümmern. Allerdings ändert derlei geistige Abstinenz und/oder Ablehnung nichts an der durch die AfD – und demnächst vielleicht auch durch die Bewegung „Aufstehen“? – veränderten politischen Realität. Der Aufstieg des „Populismus“ in Europa – ein kulturelles („rechts“) oder materielles („links) Phänomen? Oder eben beides zugleich?
I.
„Der Aufstand der Populisten – Klassen- oder Kulturkampf?“ war das Thema von der Wochenzeitung „Die Zeit“ veranstalteten Diskussion im Rahmen der Salzburger Festspiele. Unter der Leitung von „Zeit“-Herausgeber Josef Joffe diskutierten der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, der Schriftsteller Rüdiger Safranski, die Botschafterin Österreichs in der Schweiz Ursula Plasnick, die Journalistin Nina Horaczek vom linksliberalen Magazin „Der Falter“ sowie Harald Martenstein, Kolumnist bei der „Zeit“ sowie beim Berliner „Tagesspiegel“.
Der in seiner grünen Weltbeglückungspartei angefeindete Boris Palmer äußerte sich zu Rechtsbrüchen und anwachsender Unsicherheit, und er trennte die Asylfrage von der Einwanderungsproblematik. Safranski sowie Martenstein kritisierten die Medien, die nur noch als Hofberichterstattung für Angela Merkel fungierten. Mit ihrer einseitigen, ideologiehaltigen Berichterstattung oder mit ihrer Politik des Verschweigens – wie nach der Silvesterveranstaltung auf der Kölner Domplatte anno 2015 oder nach von Migranten begangenen Gewalttaten – oder der fehlenden Kritik am politischerseits ungestörtem Drogenhandel am „Görli“ zu Berlin sowie in jeder beliebigen Klein- und Großstadt – hätten die Medien das Aufkommen der AfD begünstigt.
Die Diplomatin (und ehemalige ÖVP-Außenministerin) Plasnick definierte Populismus als die beim „Volk“ Erfolg verheißende Technik, für die Komplexität politischer Fragen einfache Lösungen zu versprechen. Das ist gewiß nicht falsch, negiert indes die Tatsache, dass die Vertreter der „etablierten“ Parteien in ihren medialen Verlautbarungen, erst recht in ihren Wahlkampfreden, nichts anderes tun. Unentwegt hielt dagegen die Journalistin Horaczek am sozialen Diskursschema fest. Sie wisse aus ihrer Erfahrung als Mutter von drei Kindern im migratorisch gesegneten Wiener Stadtviertel Ottakring, dass es bei der Integration eigentlich nur um bessere soziale Chancen für alle gehe, um Chancengleichheit in Kitas, Schulen u. dergl. Die Frau wirkte aufgeregt, aber wenig überzeugend.
II.
Die Wagenknecht/Lafontaine-Bewegung „Aufstehen“ wird alsbald mit derzeit 60.000 Unterstützern in die Öffentlichkeit treten. Ob ihr mit dieser „Basis“ der angestrebte politische Durchbruch gelingt, ist gleichwohl ungewiss. Bislang stoßen die Protagonisten von „Aufstehen“ auf den Widerstand der Führungsfiguren in den drei umworbenen Parteien. Bei der „Linken“ sind dies so unterschiedliche Leute wie der „Reformer“ Dietmar Bartsch, Gregor Gysi, die „internationalistische“ Gesinnungstäterin Katja Kipping und selbst der aus der linken westdeutschen Gewerkschaftsecke stammende Bernd Riexinger. In der SPD gibt es derzeit an der Spitze keine einzige namhafte Figur für ein solche „Projekt“. Anders mag es an der „Basis“ aussehen, sofern man dort Lafontaines Bruch mit seiner alten Partei noch in Erinnerung hat.
Politische Durchschlagskraft könnte die Bewegung „Aufstehen“ erst gewinnen, wenn sie – ähnlich der italienischen „linkspopulistischen“ Protestbewegung Cinque Stelle – als Bewegungspartei – eben als Partei – bei Wahlen hervorträte. Derlei auf Organisation zielender Elan ist derzeit noch nicht zu erkennen.
Eine andere Frage ist, ob es der bisherigen Nicht-Partei tatsächlich gelingt, durch ihren „national“ eingefärbten Appell der AfD Anhänger und Wählerstimmen abzujagen. Allem Anschein nach ist die AfD – ungeachtet aller Querelen, aller Verachtung der „Etablierten“ sowie der allgemeinen Ablehnung in den Medien – geglückt, sich als politische Kraft „rechts“ von CDU/CSU in der politischen Landschaft der Bundesrepublik zu etablieren. Die Isolierung der nach wie vor in den Umfragen zunehmenden AfD dürfte auf Dauer kaum gelingen – es sei denn um den Preis einer verschärften Polarisierung „unserer“ Einwanderungsgesellschaft.
III.
Genug der Spekulationen. Offenkundig fallen beim Aufstieg des zeitgenössischen Populismus – in der Auflehnung gegen „Politik von oben“ und gegen vorgefertigte Meinungen – materielle und immaterielle Ursachen zusammen. Sie befördern im „Volk“ die Desillusionierung bezüglich der Selbstgenügsamkeit der politischen Klasse, genauer: die überhebliche Distanz der classe dirigente im Parteienstaat zum Wahlvolk – all dies unter dem Signum der Demokratie.
Es sind eben nicht die verachteten „Abgehängten“, die ihrem kleinbürgerlichen Wohl nachtrauern und deshalb auf populistische Parolen hereinfallen. Hinter den permanenten Proklamationen von „Vielfalt“ steht das Tabuthema „Angst vor der Zukunft“. Also nichts als Angst vor der Freiheit? Nein! Angst vor dem Verlust der Freiheit? Ja. Mit der Einwanderung aus islamischen Ländern geht kulturelle Bedrängnis einher, parallel zur Auflösung gewohnter Lebensformen. Zusammengenommen bedeutet dies den Verlust an Sicherheit und damit an Vertrauen in die etablierte Politik. Ohne den „Populismus“ würden die Eliten in ihren Strategien ungestört fortfahren.
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Sehr geehrter Herr Ammon, danke für diese tiefsinnige Analyse und Extrapolation der heutigen politischen Zustände. Meines Erachtens kommt zu den von Ihnen genannten kulturellen und materiellen Grundlagen eine weitere Komponente hinzu. Das hat nur wenig mit der traditionellen politischen Gesäßgeografie zu tun, sondern eher mit den ideologischen Grundlagen und deren Auswirkungen dieser beiden Haltungen. Links stehen diejenigen, die aus ideologischen Gründen gerne das Geld anderer Leute ausgeben, das sie selber nie erarbeitet haben und nie erarbeiten werden und die nach eigener Arbeit auch nicht gerade streben. Als rechts werden heutzutage diejenigen verunglimpft, die ihren Lebensunterhalt selbst erwirtschaften, die mit ihrem… Mehr
Das Bild mit der vorgeblichen „Angst vor der Kurve“, die autonom ihrem Weg folgenden Autofahrern vorzuwerfen ist, gefällt mir.
Überhaupt scheint es eine Masche der Etablierten zu sein, Gegnern ihres Kurses oder auch nur Zweiflern an der Richtigkeit des Weges „Angst“ im Sinne einer Geisteskrankheit (Phobie) vozuwerfen…
Es verwundert nicht, dass sich die Bevölkerung langsam nach Politikern umsieht, die bereit sind nicht nur die Interessen der Eliten zu vertreten, sondern diejenigen der ganz normalen Leute. Das heisst dann Populismus und wird speziell in Deutschland gerne in die rechte oder rechtsextreme Ecke gestellt. Ich habe das Gefühl, das wird langfristig nicht funktionieren.
Empfiehlt bitte nie wieder Gesprächsrunden von „Die Zeit“, deren Geschwätz ist wirklich unerträglich in dem Beitrag :-/
Prognosen, Herr Amann, sind schwierig! – Wer hätte vor zwei Jahren die italienische Situation vorausgesehen? Gab es auch nur einen Auguren mit solchem Weitblick? War da nicht ein Mann namens Renzi die große Zukunftshoffnung? Und nu? Diese fünf Punkte sollten besser verstanden werden, wie ich finde: 1) Die Idee, alle Menschen seien gleich bildbar. 2) Die Idee, der heutige Zuzug löse das Alterungsproblem. 3) Der Euro funktioniert nicht ohne Sanktionen,die dort wo Kredite in Anspruch genommen werden, zu spüren sind. 4) Kulturen sind nicht beliebig formbar und nicht unbegrenzt stressfähig. 5) Die historische Schuld des Westens rechtfertigt nicht seine Selbstpreisgabe… Mehr
Obwohl ich nie ein Linker war und mir allein die Vorstellung, dass Linke die Macht endgültig übernehmen (eigentlich ist ja die CDU heute schon dem Linksblock zugehörig), bin ich sehr gespannt auf Wagenknechts „Bewegung“. Frau Wagenknecht schätze ich – trotz aller ellenlanger, ideologischer Entferntheit – als kluge und diskursfähige und -willige Person. Und ich wünsche ihr bei ihrem Vorhaben ganz bestimmt kein gutes Gelingen, weil für mich nur eine Alternative in Frage kommt. Trotzdem erwarte ich, dass es interessante Unterstützer für Frau Wagenknecht geben könnte und es damit einmal mehr zum Aufbruch der ideologischen Mauern hierzulande kommt. Vorausgesetzt, dass „Aufstehen“… Mehr
Es spricht viel für einen weiteren Aufstieg der AfD. Sie kann sich weiterhin auf die absolute Unbelehrbarkeit der politischen und medialen Klasse verlassen. Sie wird von der seitens Merkel forcierten Entmachtung Deutschlands und der anderen Nordländer in der EU und dem Voranschreiten hin zum europäischen Superstaat und schließlich zum globalen Weltstaat, in dem Alles Allen gehört, profitieren. Sie wird von der weiter anschwellenden Gegenbewegung in fast allen europäischen Staaten begünstigt. Je energischer Merkel und die Ihren am Zerfall der Ordnung arbeiten, desto stärker werden sich die Machtverhältnisse verschieben. Am Ende wird nicht #aufstehen stehen, sondern starke Grüne und eine sehr… Mehr
Woran machen Sie fest, dass die Grünen einen solchen Höhenflug hinlegen werden? Bislang habe ich bei denen nur Positionen gesehen, die parallel zu Merkels Politik Deutschland zerstören wollen.
Zahlreiche Zitate der Gallionsfiguren der Grünen belegen dieses Ziel! Die Zielsetzungen, die diese Zitate beschreiben, werden von Merkel teilweise bereits umgesetzt! Warum also sollten diese Leute soviel Zustimmung erhalten, wenn Merkel wegen ebendieser Handlungen weiterhin an Zustimmung verliert?
Populismus ist die treibende Kraft der Politik, mit wechselnden Bühnenbildern, Themen, Slogans und -unbedingt „wissenschaftlichen“- „Wahrheiten“. Bereits Bismarck war ein Populist, der mit seiner Rente den Sozialisten den Wind aus den Segeln genommen hat. Und auch der Adolf, mit KdF, dem 1. Mai, dem Kindergeld, dem Volkswagen und der Wertstoffsammlung (Mülltrennung). Für die aufständische Masse gilt „zunächst kommt das Fressen ….“ und Unterwerfung unter den Zeitgeist dient doch einem „guten Zweck“. Alle heutige Parteien, ohne Ausnahme, sind populistisch, die Masse denkt nicht, sie „fühlt“, heute so, morgen anders und übermorgen anders anders. Den 68ern und den Grünen (Enkeln der braunen… Mehr
Diese „rechtspopulistische“ AfD füllt meines Erachtens lediglich die Lücke der Merkel-CDU/CSU von rechts her auf. Dies hieße ja, dass die frühere CDU/CSU bereits „rechtspopulistisch“ war. Das wurde aber niemals in den Medien damals geschrieben. Das Problem von Fr. Wagenknecht ist aber, dass Sie in eigenem CDU/CSU/Linken/Grünen-Wasser fischt. Von daher können keine vergleichbaren AfD-Ergebnisse erzielt werden. Zum Thema „Populismus“ habe ich folgendes zu sagen. Mir ist es egal wie das genannt wird. Jedenfalls habe ich die Schnauze voll, dass ich monatlich eine Menge Steuern bezahle um mich von „Meilen-Cem“ oder dem Grünenterrorduo „KGE“ und „Bekomme-monatlich-steuerfrei-15000-Euro-Claudia“ als Nazi beschimpfen lassen zu müssen.… Mehr
Seit dem Erfolg der AfD ist der Begriff “ Populismus “ allgegenwärtig, immer abwertend und im Zusammenhang mit der AfD benutzt. Hier handelt es sich wie schon bei der Bezeichnung “ Rechts “ um eine Umdeutung, die mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt wird. “ Rechts “ bezeichnet aber ursprünglich “ konservativ, familienorientiert, eigenverantwortlich, nicht vom Staat fordernd „, hat also mit dem Nationalsozialismus nichts zu tun. Dieser sah sich selber, der Name sagt es bereits, als links ( … sozialistische Arbeiterpartei ) und bekämpfte das rechte Bürgertum. Ähnlich verhält es sich mit dem Populismus. Unter Populismus verstand und verstehe ich weiterhin… Mehr