Wie die Kleine Zeitung und der Wiener Exxpress mit Verweis auf Familienkreise melden, hat sich der Landschaftsökologe und mRNA-Impfstoffkritiker Clemens Georg Arvay am vergangenen Samstag im Alter von 42 Jahren das Leben genommen. Die näheren Umstände, so die Kleine Zeitung, seien „privat und sollen es bleiben“. Arvay hatte insbesondere die „beschleunigten Test- und Zulassungsverfahren“ bei der Entwicklung der Corona-Impfstoffe kritisiert, „bei denen die Testphasen ineinandergeschoben werden“. Wie man heute wissen kann, sind das nicht die einzigen Einwände gegen diese Zulassungsverfahren.
Es ist eine Nachricht, bei der man sicher vorsichtig sein muss, sie zu interpretieren. Denn jeder Suizid kann eine Vielzahl von Ursachen haben. Fest steht aber leider auch, dass Arvay durch sein öffentliches Wirken im Zusammenhang mit den mRNA-Impfungen gegen Covid-19 ins Visier eines bestimmten Teils der Öffentlichkeit geriet – nämlich jener selbsternannten „Faktenchecker“, denen es weniger auf die lebendige Debatte und den Austausch von Argumenten ankommt, als darauf, unbedingt recht zu behalten, eine Gegenposition – so zum eigenen Nutzen ausgedacht sie auch immer wieder sein mag – möglichst absolut und weitgehend zu widerlegen und möglichst vollständig aus dem Diskurs zu verdrängen.
So geschah es auch mit Arvay und seinem Fund von der „Reprogrammierung“ des menschlichen Immunsystems durch die mRNA-Stoffe. Das wissenschaftliche Papier, auf dem er aufbaute und das anscheinend bis heute im Preprint-Status verharrt, war im Mai 2021 veröffentlicht worden. Arvay hatte es, so wie andere Preprint-Papiere auch von der Presse ausgewertet werden, gelesen und interpretiert und dann versucht, die Öffentlichkeit über seine Gedanken zu informieren, offenbar weil er glaubte, damit der Öffentlichkeit einen Dienst zu tun. Auch in der deutschen Presse – wenn auch nicht jener „mit Haltung“ – galt Arvays Entdeckung als erster Hinweis auf mögliche Langzeitfolgen der mRNA-Impfstoffe.
Kampagne der „Faktenchecker“ gegen einen Skeptiker
Anderen war das Wirken Arvays hingegen ein Dorn im Auge, weil seine Ansichten einem gängigen Narrativ zuwiderliefen, es in Frage stellten. So hatte der Wiener Standard schon im Januar 2021 auf die Popularität von Arvays Youtube-Videos (inzwischen meist gelöscht, aber auf anderen Plattformen auffindbar) hingewiesen. Bis zu 1,5 Millionen Klicks hätten diese Videos erreicht. Die Redakteurin kam zu dem Schluss: „Je wilder die Gerüchte, desto mehr Aufrufe.“
Doch schon im nächsten Satz wurden die „realen Auswirkungen“ solcher „Impfskepsis“ befürchtet: „Die Impfbereitschaft der Österreicher schwächelt – was die Eindämmung der Corona-Pandemie langfristig erschweren könnte.“ Hier konnte man die Radikalisierung – gegen die wissenschaftlich stets gebotene Skepsis – in einem Text des Standard nachverfolgen. Im selben Zuge wurde aber oft versucht, Arvay in eine bestimmte, meist „rechte“ Ecke zu stellen. Das soll etwa auch der Wiener Falter mit einem dann aufgegebenen Interview vorgehabt haben.
Viel von dem Streit um Arvay spielte sich auf dem Wikipedia-Eintrag zu seiner Person und darum herum ab. Der „Online-Enzyklopädie“ wurde vorgeworfen, ihn virtuell zu diffamieren. Im Diskussionsforum zum Arvay-Artikel formulierte ein Nutzer, als die Todesnachricht noch nicht bestätigt war: „Ob wahr oder nicht: Das könnte hier ungemütlich werden. Auf Twitter und YT wird bereits Wikipedia vorgeworfen, ihn in den Tod getrieben zu haben.“ Der Artikel wurde derweil unter den höchsten Schutzstatus gestellt. Tatsächlich gibt es Tweets, die auch auf die quasi „ex cathedra“ verkündete Abwertung von Arvays publizistischem Wirken im Wikipedia-Artikel hinweisen.
Arvay hat sich über die dort gesehenen Praktiken auch öffentlich beschwert, so gegenüber der Deutschen Welle: „Die Vorwürfe nehmen also verleumderische Ausmaße an.“ Sein Wikipedia-Eintrag sei teilweise im Stundentakt geändert worden, „um meine wissenschaftliche Expertise infrage zu stellen“: „Mein Fachgebiet, die Gesundheitsökologie, wurde für nicht existent erklärt.
Sämtliche positiven Presserezeptionen meiner Arbeit wurden aus Wikipedia gelöscht und durch Negatives ersetzt. Neuerdings versucht man auch den Eindruck zu erwecken, meine Antwort auf die Pandemie seien ‚Waldspaziergänge‘. Das ist Quatsch. Ich befasse mich in meinem neuen Buch vor allem mit Öko-Immunologie und ökologischer Epidemiologie.“ (Gemeint ist das Buch von 2020 zu den Gründen der Pandemie.)
Innerer Abschied von der Pandemiepolitik
Arvay war zuvor und daneben vor allem als Sachbuchautor mit Titeln zur Landschaftsökologie und Botanik, etwa dem Einfluss von Pflanzen auf das Immunsystem. Politisch ließ das Arvay eher als „Linken“ oder „Grünen“ erscheinen, was man aber nicht so pauschal sagen kann. Er war sicher an der Bewahrung der Umwelt interessiert und an einem harmonischen Leben mit ihr, was aber auch international immer weniger als der Kern links-grünen Handelns in der Politik erscheint. So verwies Arvay schon in seinem Buch „Wir können es besser“, das im September 2020 erschien, auf die Rolle hoher Luftverschmutzung beim Ausbruch von Krankheitsherden, was aber bis heute kaum eine Rolle in der Pandemiepolitik spielt. Dieses Buch wurde noch zugewandt besprochen, was für das folgende „Corona-Impfstoffe: Rettung oder Risiko?“ oft nicht mehr galt, obwohl auch hier die meisten es Arvay zugestanden, dass er überlegt argumentiere.
Zuletzt wollte sich Arvay nicht mehr zum Thema „Impfstoffe“ äußern und sich wieder der Landschaftsökologie zuwenden. Auf Facebook schrieb er in diesem Januar: „Die Corona-Pandemie ist vorbei, beim Thema ‚Impfstoffe‘ hat jede und jeder seine oder ihre Position bezogen, wer sich impfen lassen möchte, hat es getan, und wer es nicht möchte, hat es nicht getan. Auf Shitstorms, Denunziation und Attacken aller Art auf mich habe ich schlicht keine Lust mehr. Die Pharmabranche hat mich nie wirklich interessiert. Was mich interessiert, ist das Immunsystem.“
Arvay, der 1980 in Graz geboren wurde, wo er auch zuletzt lebte, wurde nur 42 Jahre alt. Im Frühjahr plante er die Herausgabe eines neuen Buchs über ein „autarkes Leben“ als Selbstversorger. Das Buch soll laut der Kleinen Zeitung im Mai erscheinen.
Sollten Sie das Gefühl haben, dass Sie Hilfe benötigen, kontaktieren Sie unbedingt die Telefonseelsorge. Unter der kostenfreien Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 bekommen Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Hilfe bei den nächsten Schritten anbieten können. Hilfsangebote gibt es außerdem bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Im Netz gibt es – Beispielsweise bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe – auch ein Forum, in dem sich Betroffene austauschen können.