Kirchen in der Selbstauflösung: Gottesdienst-Teilnahme nur mit Impfpass?

Überzogene, schwach begründete und chaotische Anti-Corona-Maßnahmen durch die Politik. Und die Kirchen lösen sich selbst auf. Beide tarnen mit Aktionismus ihre eklatanten Fehler. Das Panik-Pandemie-Orchester hat Deutschland fest im Griff. Kirchen spielen dabei die erste Geige. Und das zu Weihnachten, zum Fest der Freude.

Kenny Luo

„Ganze Familien sind bei uns jetzt aus der Kirche ausgetreten!“ Dem Techniker, der während der Live-Übertragung „Ein Herz für Kinder“ an meinen Platz kam, platzte sichtlich der Kragen. Ich sei doch als gläubiger Mensch bekannt, er müsse sich das jetzt (während ein Film lief) mal kurz von der Seele reden: Mit seinem Posaunenchor wollte er zum Advent spielen, unter Einhaltung aller Hygieneregeln. Der Pfarrer habe ihn eiskalt abserviert. Und die Nachbargemeinde habe doch tatsächlich in einem Rundschreiben mitgeteilt: „Wegen Corona geschlossen!“ Also keine Gottesdienste und Veranstaltungen mehr. Wie bequem! „Auch Ihr Werk, Frau Giffey,“ sagte ich der Familien(!)ministerin, die neben mir saß und das mithörte.

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„Jetzt nochmal die Zügel anziehen!“ schulmeistert die Kanzlerin, mehr Domina als Mutter der Nation. Ist das die Sprache einer Demokratie? Auch diese gouvernantenhaften Tips aus dem gut geheizten Kanzleramt von Kniebeugen und Händeklatschen. Satire! Merkels Herrenchiemsee-Prinz fordert gar noch härtere Maßnahmen. Um zugleich die Untertanen zu verspotten: Ein Schlendrian sei eingekehrt. Kollege SPD-Müller aus Berlin setzt noch eins drauf und knallt den um ihre Existenz kämpfenden Einzelhändlern entgegen: „Pullover muss man nicht unbedingt am 28. Dezember kaufen“. Und begründet mit diesem Zynismus die Schließung der Läden. So verhöhnt man das Volk, um von eigenen eklatanten Fehlern abzulenken.

Die höchste Risikogruppe, unsere Alten, wurden erst im Dezember, acht Monate zu spät, mit wirksamen FFP2-Masken versorgt. Dagegen haben sich Restaurants auf eigene Kosten mit Hygienemaßnahmen ausgestattet, könnten also geöffnet werden. Kosmetikstudios sind das, Fitnessstudios nicht. Aktionismus in Techno-Geschwindigkeit. Schulen auf, Unis zu. Um diesen Irrsinn durchzusetzen braucht man Horror: „Jeden Tag ein Flugzeugabsturz“ (Söder).

Was wir dringend brauchen: Experten verschiedener Meinungen an einen Tisch, nicht nur Hof-Virologen. Und die wahren Zahlen: Wer starb an und wer mit Corona? Wieviele Tote gehen nicht auf Corona zurück, sondern auf die gespenstischen Maßnahmen dagegen? Warum können Schweiz und Schweden es anders? Bei uns gibts nur einen Leuchtturm, grün regiert vom viel verspotteten Boris Palmer: Die Universitätsstadt Tübingen. Null Corona-Tote bei Ü75. Die Neckarstadt zum Vorbild, und es gäbe frohe Weihnachten und keine Merkel/Söder/Drosten-Panik mit lautstarker Unterstützung der Kirchen. So hat noch nie jemand den eigenen Untergang bejubelt.

Kirchen und Politik mutieren zur Sekte. Kritik wird nicht geduldet, Kritiker werden stigmatisiert (notfalls als Nazis), Querdenker aufs Abstellgleis gesetzt. Wie der Ethik-Professor der Münchner TU, Christoph Lütge. Er berät Söder, offensichtlich ungehört. In Bild rechnet er gnadenlos mit dem zum Sektenführer sozialisierten Ministerpräsidenten ab: Panikmache mit Todeszahlen, alle paar Tage neue Drohkulissen. „Die Politik lässt Kollateralschäden des Lockdowns außer Acht.“ Politik tut so, „als sei Corona die einzige Krankheits- und Todesursache“. Dass wir uns nicht mehr fragen, was sonst noch passiert, sei „hochgefährlich“, so Lütge. Das Allerschlimmste finde ich: Kirchen, die doch Anwälte für Schwache sein wollen, versagen total.

Marx und Bedford-Strohm
Das bischöfliche Bullerbü oder das lustige Bischofs-Doppel
Es gibt natürlich, und das muss auch gesagt werden, viele Kirchengemeinden, die sich etwas einfallen lassen, um wenigstens ein „Notprogramm“ am Laufen zu halten. Und die Not ist groß und wird täglich größer, je näher Weihnachten rückt. Doch die „Oberhirten“ der ehemaligen Großkirchen schweigen. Sie lassen die Gemeinden und die zahlenden Gläubigen einfach im Stich. Paradebeispiel vor zwei Wochen: Der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese forderte, dass künftig nur noch zu Veranstaltungen zugelassen wird, wer einen Corona-Impfausweis vorzeigen kann. Schweigen, totales Schweigen dazu. Erst zum letzten Wochenende kam eine politische (!) Diskussion in Gang.

Kein Wort von den Kirchen. Keins! Dabei geht es bei diesem Irrsinns-Vorschlag ums Eingemachte. Rein verfassungsrechtlich gilt bei uns Religionsfreiheit und damit die freie Ausübung des Glaubens. Doch viel mehr: Es ist Wesenskern des Christentums, dass jeder ohne Ansehen der Person willkommen ist, die gute Nachricht von Jesus Christus zu hören. Selbst ein Schwerverbrecher hat das Angebot eines Gottesdienstes im Gefängnis. „Ich statuiere kein Christentum ohne Gemeinschaft,“ so der pietistische Liederdichter Reichsgraf von Zinzendorf. Allein geht man ein!

Bei der legendären Disputation zwischen Jürgen Habermas und Kardinal Ratzinger 2004 erklärte der Neomarxist staunend, ja fast neidisch: Die Christen verfügten über eine weltweit einmalige Ressource, nämlich Gemeinde und Gemeinschaft.

„Isch over!“, um es mit Wolfgang Schäuble zu sagen. Man fasst das Schweigen der Kirchen nicht mehr. Es wird unerträglich. Hatte Jesus Christus nicht gesagt, dass alle „Kindlein“ zu ihm gelassen werden? Dass alle Mühseligen und Beladenen kommen können? Von einem Impfpass ist da nicht die Rede. Es ist schon ein Witz, dass man sich für Gottesdienste anmelden muss. Das macht Kirche zur Sekte für Eingeweihte, für Hardcore-Christen. Welcher Außenstehende nimmt schon diese Hürde? Wir sind doch nicht beim Theater. Oder doch?! Man hat inzwischen das Gefühl, Zuschauer einer Realsatire zu sein, eines Untergangs-Dramas mit komödiantischen Zügen:

"Fürchtet Euch nicht"
Auch im 16. Jahr der Merkel: Lasst uns Weihnachten feiern
Beide Oberhirten, katholisch wie evangelisch, beide in München ansässig, haben in größter (teilweise von ihnen selbst verursachter) Not das sinkende Schiff verlassen. Erst trat Kardinal Marx zurück, jetzt will sich sein protestantisches Pendant nicht wieder wählen lassen. Man wolle jetzt Jüngere ran lassen, so die scheinheilige Begründung. Beide sind, kirchlich gesehen, in der Blüte ihres Lebens. Zumindest der Schiffseigner der EKD, der sich gern in Leni Riefenstahl-Pose ablichten lässt, sollte wissen: Der Kapitän verlässt in Not als Letzter das Schiff. Tja, wer das Kreuz verleugnet, braucht auch die Krippe nicht mehr. Beide sind aus gleichem Holz geschnitzt.

Zurück zu Herrn Liese. Es ist ausgerechnet die CDU (von der bayerischen Schwesterpartei und ihrem fränkischen Führer ganz zu schweigen, dem am vergangenen Donnerstag ein Regensburger Staatsrechtler in der Welt den Kopf gründlich gewaschen hat) — ausgerechnet also die C-Parteien, die Weihnachten zu einem Hindernis-Lauf für Familien oder Einsame machen. Das gab es noch nie in der Weltgeschichte. In Krieg und Katastrophen, bei Pest und Cholera entstanden die tiefgründigsten Glaubenslieder: „Befiehl du deine Wege …. dem, der den Himmel lenkt“ oder „In dir ist Freude in allem Leide.“ Das Stuttgarter Pfarrehepaar Beate und Winrich Scheffbuch berichtet in zwei Büchern („Den Kummer sich vom Herzen singen“), wie auch die Weihnachtslieder meist „aus der Not geboren“ sind. Heute dagegen verbreiten die Kirchen Angst und spielen die erste Geige im Panik-Orchester der Herrschenden.

Anneliese, geboren 1928, erzählt
Über 90 Weihnachtsfeste
Das Wenige, was mein Vater aus Stalingrad und der langen Kriegsgefangenschaft erzählte: Man sammelte zu Weihnachten das eigentlich lebensnotwendige Fett, um daraus eine einzige kleine Kerze zu machen. Ein bisschen Licht zu Weihnachten in die Finsternis des Schreckens. Die „Madonna von Stalingrad“, eine Bleistiftzeichnung des Lazarettarztes Kurt Reuber, zeugt davon. Das Origninal hängt heute in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Oder ich denke an den ergreifenden TE-Bericht der alten Dame, die über 90 Jahre Weihnachten feiern konnte, in Krieg, Katastrophen und Grippewellen. Nun bedarf es Anmeldungen und bald eines Impfausweises, um Wort und Sakrament zu empfangen. Man fasst das alles nicht mehr.

Viele Gemeinden tun ihr Möglichstes, oft ohne Rückendeckung der hoch bezahlten Religionsbeamten auf Bischofsstühlen, die auf den Wanderdünen des Zeitgeistes surfen.

(Screenprint via Twitter)

Wo bleibt deren Wort der Hoffnung, die Botschaft des Friedens auf den Titelseiten der Zeitungen, den Aufmacher-Nachrichten im Fernsehen: „Fürchtet euch nicht, euch ist heute der Heiland geboren!“ Oder das Jesus-Wort, das die uralte Bibel zu einer tagesaktuellen Neuerscheinung macht: „In der Welt habt ihr Angst“ – ja, das stimmt! „ABER seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Oder der unvergessene und unerschrockene Antikommunist und Evangelist Papst Johannes Paul II., der als testamentarische Botschaft der Jugend der Welt mit gebrochener Stimme diese drei Worte zurief: „Habt keine Angst!“ Ich kann nur Henryk M. Broder zustimmen: Wenn man über Deutschland ein Dach spannen könnte, dann hätte man die dazu passende geschlossene Anstalt.

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Kommentare ( 102 )

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maru
3 Jahre her

Den Gedanken hatte ich auch.

Xenophanes
3 Jahre her

Die Kirchen vor Ort wären vorderdings für ihre eigenen Schäfchen zuständig. Gerade jetzt in dieser kritischen Zeit sollte Gottes Personal sich wieder seinen „nächsten“ Hilfsbedürftigen zuwenden. Das kirchliche Tun läuft hier nur noch auf der Bezahlebene ab (Caritas, Diakonie ..) Die Kirchen sind die größten Arbeitgeber Deutschlands und die Mitarbeiter arbeiten nicht für Gottes Lohn. Dafür heuert sich man ein Schiff an, von der Größenordnung für jede Aufgabe mathematisch unbedeutend, und kommt damit als Bischof in den Medien groß raus. Um Corona macht man einen großen Bogen und sperrt gleich zu, was sich versperren lässt. Auch bei der „Ausarbeitung“ der… Mehr

CAurelia
3 Jahre her

Peter Hahne hat diesen ganzen Irrsinn wunderbar auf den Punkt gebracht. Beim Lesen dieses Artikels musste ich weinen, weil es momentan keine Hoffnung mehr auf ein normales Leben gibt. Man fühlt sich um Monate und Jahre seines Lebens betrogen und mein Herz quillt über vor Leid, wenn ich an all die stillen Tode in Einsamkeit denke. Wer stoppt diesen Wahnsinn und erlöst uns aus dieser fortwährenden Angst- und Panikmache? Was ist mit den Hirnen eines Teils der Bevölkerung passiert?

Mike
3 Jahre her

Und diese Verordnungen gepaart mit der deutschen Gründlichkeit und den leider immer noch aus diesem unseligen scheinbar immer noch fruchtbaren Schoß gekrochenen Denunzianten machen ein unheimliches Gemisch, dass es so in anderen Ländern nicht gibt. Wir hier auf den Philippinen haben auch einen grassierenden Lockdown Irrsinn mit geschlossenen Schulen, sind beim PCR Testen in der Champions League (Wer zahlt das eigentlich und mit welchen Absichten?), haben sogar ein uneingeschränktes Alkoholverbot, aber dafür etwas, was es in Deutschland nicht gibt, eine zivile Ungehorsamskultur. Beim Getränkehändler meines Vertrauens entspann sich folgendes Gespräch: Ist es irgendwie möglich, trotz Alkoholverbot Bier zu kaufen. Antwort:… Mehr

binweitweg
3 Jahre her

Vielen Dank Herr Hahne für diesen Text- man spürt richtig, wie sie da mal richtig „Dampf ablassen“. Nun ja- die Kirchen von heute sind auch nicht mehr das, was sie mal waren- oder was/wem sie zu dienen haben.Dazumals in der DDR waren die Kirchen noch Zufluchtsorte für die Opposition und Orte der Hoffnung und des Zusammenhaltes der mehrheitlich weltlichen atheistischen Menschen. Ich bin mir ziemlich sicher, das in nicht ganz so ferner Zeit auch hier bei uns die „Madonna von Stalingrad“ wieder näher ins Gedächtnis der Menschen kommen wird.Wenn schon der Glaube in der Bevölkerung hinsichtlich einer von der Regierung… Mehr

H. Priess
3 Jahre her

Die Kirchen sind nicht mehr für das Seelenheil ihrer Schäfchen zuständig. Ihr gehts um Klimaschutz, Migranten die sehr wohl willkommen sind und natürlich der Kampf gegen Rääächts. Es wird nicht mehr zur Messe geläutet sondern gegen Rächts. Ob die Kirchen voll sind oder nicht es interessiert einfach nicht. Die Bonzen machen jetzt auf Politik da ist der Glaube hinderlich.

Mein Onkel
3 Jahre her

Plane meinen Kirchenaustritt wegen Bedford-Strohm für Januar 2021.
Mit Schlepperunterstützern will ich nichts zu tun haben.

armin wacker
3 Jahre her

Ich möchte etwas einwerfen, das nicht von mir ist und ich auch nicht weiss woher. die Religionslehrerin fragt die Klasse wer in den Himmel kommen möchte, alle Strecken nur Charlie lässt eisern die Hand unten. Worauf ihn die Lehrerin fragt, ob er wirklich nicht in den Himmel kommen möchte. Worauf Charlie erklärt, ja schon, aber nicht mit dem Sauhaufen. Dietrich Bonhoeffer hat sich ähnlich ausgedrückt. Aber Gott lässt sich bis in die letzten Tage nicht beirren und bewahrt seine Kinder. Auch gegen die völlig geistbefreiten Kirchenführer.

Markus Machnet
3 Jahre her

Schön zu lesen dass die evangelische Kirche sich jetzt mit dem Genderstern hinter den Namen Gott und Jesus beschäftigt.
Jeden Tag hat man die Hoffnung man hätte den Bodensatz des Irrsinns erreicht und wird doch jeden Tag eines besseren belehrt.
Doch wo soll das noch hinführen?

Nickname
3 Jahre her

Maske – Würde der Arbeit – Katholische Soziallehre
Das stundenlange Tragen der Maske im Beruf verstößt in vielen Fällen gegen die Menschenwürde und somit gegen die katholische Soziallehre. Leider ist die Kirche als Arbeitgeber Teil des Problems und nicht der Lösung.