Wie mit Begriffen linkes Bewusstsein geschaffen und Politik gemacht wird

Seit einigen Monaten greift stärker als ein Coronavirus ein eigentümliches Wort im Journalismus, aber auch in der Wissenschaft und nicht zuletzt in der politischen Kommunikation um sich: Narrativ.

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Die Sprache ist in den meisten Fällen die Vertonung unseres Denkens. Wer wirr spricht, hat in der Regel auch Wirrnis im Kopf. Es gibt einfache Sprachbotschaften – im Alltag immer wieder genutzt – wie z. B. „Warte bitte auf mich“ oder „Heute bekommst Du ja Deine Mathearbeit zurück, leg’ sie doch bitte gleich nach Schulschluss auf Papas Schreibtisch. Da kann er heute Abend mit Dir darüber sprechen.“ Gar nicht so selten steckt aber hinter dem gesprochenen Wort ein beim ersten Hören gar nicht erkennbarer tieferer Sinn. Mit Sprache kann man Denken beeinflussen, mit Begriffen Bewusstsein manipulieren, dem Sprechen und Fühlen ganzer Menschengruppen, ja sogar Kulturen eine andere Richtung geben. Das nennt man dann die erzieherisch gewollte Umwandlung und Neubesetzung von Begriffen.

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Seit einigen Monaten greift stärker als ein Coronavirus ein eigentümliches Wort im journalistischen, aber auch wissenschaftlichen und nicht zuletzt in der politischen Kommunikation um sich: Narrativ. Menschen beschreiben nicht mehr bestimmte Sachverhalte oder Problemlagen, nein – sie sprechen über „Narrative“. Zum Beispiel die Zuwanderung von Asylbewerbern, Flüchtlingen, Migranten und ähnlichem. Aus Ausländerpolitik wird einfach das Narrativ: Willkommenskultur für Schutzsuchende. Narrativ im eigentlichen Sinne heißt ja nichts anderes als Erzählung. Die halbwegs gebildeten Zeitgenossen gehen demzufolge davon aus, dass da von Etwas oder über Etwas erzählt wird.

Die Erzählung gehört zweifelsohne in die Gruppe der literarischen Sujets. Im Gegensatz zur Nachricht, dem Bericht oder der Reportage erhebt sie keinen Anspruch auf verbindliche Wahrhaftigkeit, oder gar das konkrete Abbilden von Vorgängen. Es ist eben ein Narrativ, über welches gestritten, diskutiert aber vielleicht auch nur geplaudert wird. Je mehr dieser Begriff um sich greift, umso mehr nähert sich unser sprachlicher Umgang der Plauderei. Es ist dann so, wie mit den „Geschichten aus Tausendundeiner Nacht“. Wahr oder vielleicht auch nicht, oder nur zur Hälfte – ach was, darauf kommt es doch gar nicht an. Wir erzählen uns einfach etwas.

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Was verschwindet, ist auf Dauer die Sprachgenauigkeit und damit die Verlässlichkeit des Gesprochenen. Von hier bis zur Reaktion auf ein gebrochenes Versprechen nach dem Motto: „Musst Du locker sehen, war halt nicht so gemeint, take it easy“, ist es nur ein ganz kleiner Schritt. Theoretiker der Macht wie Machiavelli und andere, oft unrühmliche Zeitgenossen wussten schon genau, dass man in eine sprachlich entleerte Gesellschaft neue, gewollte Begriffe und Inhalte nachfüllen kann. Täglich finden wir heute in der Sprache der Medien und auch der Politik Beispiele dafür.

Bleiben wir bei der Ausländerpolitik. Nach dem Gesetzestext wird sehr genau unterschieden zwischen „Asylbewerbern“, also Menschen, die aus Gründen der politischen Verfolgung Aufnahme begehren, um nach der Beseitigung der Fluchtgründe in ihre Heimat zurückzukehren. Dann gibt es den „Kriegsflüchtling“ – er beschreibt die Gruppe, die aus unmittelbaren kriegerischen Ereignissen mit Gefahr für Leib und Leben bei uns vorübergehende Aufnahme suchen. Im Gegensatz zum Asylbewerber muss dieser Personenkreis keine Anträge stellen. Die Motive ergeben sich aus der Faktenlage, während das Asylrecht ein individueller, aber kein Rechtsanspruch ist.

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Die dritte Kategorie sind die „Migranten“, kurzum Personen, die möglichst zum dauernden Verbleib mit dem Ziel einer deutschen Staatsbürgerschaft in die Bundesrepublik einreisen wollen. Schließlich fasst man unter dem Begriff „Familiennachzug“ die Aufnahme von Angehörigen anerkannter Asylbewerber, von Kriegsflüchtlingen – deren Aufnahme im übrigen durch internationales Recht geboten ist – sowie von Einwanderern. Die neueste Kreation aus dem Lager der Sprachlehrer ist die Einführung eines Sammelbegriffs für alle Gruppen. Asylbewerber, Migranten, Kriegsflüchtlinge, usw. sind jetzt plötzlich alle als „Zufluchtsuchende“ zu bezeichnen.

Jemandem Zuflucht zu verwehren, erweist sich allein in der Sprachbedeutung als kaltherzige und unmoralische Tat. Also – so die logische Schlussfolgerung – das Asylprüfverfahren gehört einfach abgeschafft. Der Verbleib in der Bundesrepublik ist garantiert, ob triftige Gründe vorliegen oder nicht, denn es handelt es sich ja jenseitig jeder Differenzierung bei Allen um Zufluchtsuchende – natürlich m., w., d. Schon ist im Sprechen und Denken neues Recht geschaffen. Wenn es dann auch schwarz auf weiß da ist, darf sich keiner wundern.

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Ein anderes Beispiel: Es gab einmal eine Zeit, da unterschied man zwischen autokratischen Herrschaftsformen, harten totalitären Diktaturen und demokratischen Gesellschaften. Während der Begriff „Autokrat“ mehr und mehr verschwunden ist, wurde er im Laufe der letzten zwei Jahre durch das Wort autoritär ersetzt. Ein Autokrat zwingt seine Vorstellung in dominierender Weise auf. Autorität hingegen erwächst aus Achtung und Anerkennung ausgewiesener guter Eigenschaften, wie beispielsweise Charakterstärke, hoher Wissenstand und menschliche Zuverlässigkeit.

Wenn autoritär zum Feindbegriff mutiert, ist damit auch die Aufhebung jeder Hierarchie gemeint – freilich, um sie später durch eigene autokratische oder gar totalitäre Vorstellungen zu ersetzen. So werden freiheitliche Demokratien weichgeschossen. Besonders gern benutzt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Begriff „autoritär“ zur kritischen Kennzeichnung diktatorischer oder autokratischer Systeme. Ob er dabei bedenkt, dass die derzeitigen Corona-Maßnahmen der Bundesregierung von namhaften Verfassungsrechtlern wie di Fabio und Rupert Scholz als in Teilen für nicht grundgesetzkonform kritisiert werden und in der Tat nichts anderes als autoritär sind? Manchmal kann Schluderei mit Sprache eben auch zum Bumerang werden.

Zum Schluß noch etwas Verrücktes, auf jeden Fall Unbegreifliches: Die moderne linke Pädagogik spricht sich heute offen dafür aus, die Begriffe Vater und Mutter aus dem Wortschatz der Kinder zu tilgen. Auf entsprechenden Fragebögen steht lediglich „Elternteil I“ und „Elternteil II“, ohne jede auf die Familie bezogene Bindung. Wer auf diesem Wege eine Gesellschaft ummodeln will, träumt möglicherweise von dem Tag, an dem es wieder Fähnleinführer und Gruppenmaiden gibt.

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Kommentare ( 25 )

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Egon Rudel
3 Jahre her

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs konnten sich die Kommunisten frei in der Welt ausbreiten. Die haben ihre eigenes Narrativ der Vorgänge und einen Plan … Übrigens, die meisten Ostdeutschen wollten nur andere Personen an der Spitze und Reisefreiheit. Denen mal hundert Mark in die Hand zu drücken und viel Spaß in der Arbeitslosigkeit zu wünschen, reicht halt nicht, um überzeugte Kommunisten umzuerziehen. Die meisten ostdeutschen Befürworter der Wiedervereinigung haben es sich längst anders überlegt. Und die Westdeutschen haben dem nichts entgegen zu setzen, denen sind Demokratie und Freiheit ja in den Schoß gefallen, die sind so passiv tolerant, die… Mehr

Egon Rudel
3 Jahre her
Antworten an  Egon Rudel

Oder um es mal auf eine bestimmte Person herunter zu brechen: Ich könnte mir auch vorstellen, dass Merkel nur so handelt, weil sie ja nichts anders kennt und gelernt hat, wie ein Aufziehpüppchen ist sie sich dessen mglw. gar nicht bewusst, dass sie Verbrannte Erde hinterlässt, sie weiß es nicht besser, gefangen in ihrer Sozialisation. Das Schlimme ist allerdings, dass die Westdeutschen diese Frau nicht nur gewählt haben, sondern dass sie sie immer wieder gewählt haben. Das ist unverzeihlich und muss rückgängig gemacht werden, ob Energie-/Verkehrswende, No-Border-No-Nation oder Zerstörung des Mittelstands.

H. Priess
3 Jahre her

Ein Narrativ benutzen heißt also, herhören, ich erzähl euch was vom Pferd! Also eine unwahre Geschichte. Gut zu wissen!

Christa Born
3 Jahre her

Das sind genau die, die in ein paar Jahren was zu sagen haben. Solche sitzen übrigens schon überall. Mach mal den Fernseher an! Die linksgrünen Plappermäulchen haben den Totalitarismus mit der Muttermilch eingesogen. Funktionärskaste. Demokratisch ist, was ICH sage. Und Prawda heisst Wahrheit.

Andreas aus E.
3 Jahre her

Hatte schon wer erwähnt, daß im „Narrativ“ das Wort „Narr“ steckt? Das nicht im Sinne eines Umzugs/sitzungs/sowieso, sondern überregional im Sinne von „Schwachkopf“?

Andreas aus E.
3 Jahre her

Nicht nur Sprache, auch das Denken ist neu zu denken!

Dirk Bender
3 Jahre her

Was mit der Kontrolle der Medien beginnt, führt zur Kontrolle der Deutungshoheit im politischen Diskurs, zur Kontrolle der politisch korrekten Sprache und schließlich zur Kontrolle al dessen, was Menschen noch fühlen, denken und sagen dürfen. Autoritäre und totalitäre Regime haben gemeinsam, dass man sich öffentlich nicht mehr frei zu äußern wagt. Je restriktiver die Regeln, desto deutlicher wird, dass man sich von einer freiheitlichen Gesellschaft entfernt. Wenn Gedanken nicht mehr frei zirkulieren dürfen, weil sie als Gefahr für den Status-Quo angesehen werden, dann kann man nicht mehr von einer freiheitlichen Gesellschaft sprechen. Das politisch Wichtige, das Wahre und das Richtige… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Dirk Bender
Gottfried
3 Jahre her

Elternteil I und Elternteil II. Alles klar: Lieber Elternteil II, alles Gute zum Geburtstag! Sie wird sich freuen!

Vox critica
3 Jahre her

NARRARE ist ein lateinisches Verb, das sich mit ‚erzählen‘ übersetzen lässt. Aus dem Munde von Politikern hört man das substantivierte Adjektiv „Narrativ“ seit gut einem Jahrzehnt. Es ist sprachhistorisch das Produkt der englischen Übersetzung aus dem Französischen. Jean-François Lyotard bezeichnete mit den Ausdrücken „méta récit“ und „grand récit“ (dt. Meistererzählung) eine sinnstiftende Herkunfts- oder Entwicklungsgeschichte einer Gemeinschaft. Im Englischen wurde daraus „grand narrative“ (1979). Von dort bahnte sich der kulturphilosophische Ausdruck über drei Jahrzehnte lang seinen Weg in die Politikersprache. In Bezug auf die Politik ist Narrativ heute so eine Art Agenda mit begleitender Propaganda. Bis Helmut Kohl war das… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Vox critica
imapact
3 Jahre her

Vom Inhalt her kann ich dem Artikel zustimmen, einige Korrekturen erscheinen dennoch angebracht. Der Begriff „Narrativ“ kursiert schon länger als nur ein paar Monaten im „gesellschaftlichen Diskurs“. Meiner Ansicht nach eine Modewort, das andererseits durchaus korrekt andeutet, daß es häufig weniger um Tatsachen, sondern um Darstellungen und „Deutungen“ (was bis zur Lüge reichen kann) geht. Gerade die dominierende Ideologie der Linksgrünen arbeitet gerne mit solchen „Narrativen“, wenn sie etwa 2015 die „Mär“ (Anderswort für „Narrativ“) von den „Ärzten und Ingenieuren“ verbreitete. Oder die Schleusertätigkeit der NGO´s zur „Seenotrettung“ umlügt (wobei sich die Frage stellt, inwieweit bewußt herbeigeführte Notsituationen noch als… Mehr

horrex
3 Jahre her

Der Autor weist völlig zu recht auf diesen – garnicht zufälligen – „Sprach-Matsch“ hin. Sprach-Matsch der – dessen muss man sich bewusst werden – nur aus Begriffs-Matsch im Hirn entspringen kann. Auf diesem Nährboden von solchem Begriffs- bzw. Hirn-Matsch kann schließlich das gedeihen was man am Ende ein gewisses – nicht mehr hinterfragtes – „Bewusstsein“ nennt. Letztlich ein erwünschte „Klassen-Bewusstsein“ oder Umweltbewusstsein, oder oder … . Das Ziel all dieser Begriffs-Umdeutungen bzw. Verdrehungen. – In aller Ausführlichkeit sind übrigens solcherlei Strategien den Lehrbüchern/Anleitungen (Kochbüchern) des Marxismus-Leninismus zu entnehmen. Genau DEN Lehrbüchern die Angelas Jugend, „Pionier- und Sekretär-Zeit“ prägten und uns… Mehr