Aufgewühlt würdigte Nagelsmann den Kampf seiner Mannschaft und beklagte das fehlende Spielglück. Um dann thematisch das Fußball-Feld zu verlassen, und den Zuschauern zu sagen, was anders sein müsste im Land. Es sind die naiven Vorstellungen eines Fußball-Experten über Politik und Gesellschaft.
Die deutsche Nationalmannschaft ist nach einem dramatischen, hochklassigen Kampfspiel unter höchst unglücklichen Umständen bei der Fußball-Europameisterschaft mit einer Niederlage gegen Spanien ausgeschieden. Die Tränen von Spielern, von Trainer Julian Nagelsmann und vermutlich Millionen von Fans waren allzu verständlich; hilflose Empörung löste vor allem die Tatsache aus, dass kurz vor Spielende ein glasklares Handspiel des spanischen Verteidigers im Strafraum nicht geahndet wurde – wogegen die lächerlichsten Berührungen des Balls mit der Hand in anderen EM-Begegnungen sehr wohl einen Elfmeter zur Folge hatten.
Dieses Gefühl der himmelschreienden Ungerechtigkeit hat die halbe Nation in Trauer und Verzweiflung gestürzt, genau wie die Protagonisten der Nationalmannschaft. Dabei gab es sehr wohl Grund zur Freude: Angesichts des bravourösen Auftritts der deutschen Kicker scheint die seit Jahren gewachsene Entfremdung zwischen Fans und Nationalmannschaft beseitigt zu sein – wenn nur nicht dieser Wermutstropfen wäre, dieses Gift der Politisierung des Sports, diese zunehmende Neigung von Kickern und Trainern, die Welt und das Volk mit politischen Botschaften beglücken zu wollen. Leider glaubte auch Nagelsmann in aufgewühlter Stunde an das deutsche Volk appellieren zu müssen.
Sichtlich aufgewühlt und immer wieder mit den Tränen kämpfend würdigte Nagelsmann den großen Kampf seiner Mannschaft und beklagte das fehlende Spielglück. Um dann thematisch das Fußball-Feld zu verlassen, und den Deutschen zu sagen, was anders sein müsste im Land, weil „wir es geschafft“ haben, „die Menschen zu einen“; deshalb könne „das Fußballturnier ein Vorbild“ sein für die Gesellschaft.
„Menschen willkommen heißen und integrieren“
Es war bei wohlwollender Interpretation vor allem ein rührend-naiver Appell an den Gemeinsinn der Menschen. „Wir dürfen nicht vor Neid zerfressen sein“, gemeinsam sei man erfolgreicher als allein. „Man muss sich unterstützen, alle Menschen integrieren und willkommen heißen“, miteinander für eine bessere Zukunft arbeiten.
Da war sie aber nun überdeutlich, die große Botschaft fast aller deutschen Parteien, der geistigen Führer dieses Landes, und natürlich des Deutschen Fußballbundes (DFB) seit vielen Jahren: Deutschland muss ein „offenes, tolerantes“ Land sein, das die Migranten, die Flüchtlinge, einfach alle braucht, und sie müssen integriert werden, von der Politik und Gesellschaft integriert werden, ganz offensichtlich tragen vor allem die Deutschen dafür die Verantwortung.
Mit dieser schlichten Botschaft versuchen die Bundesregierungen seit mindestens einem Jahrzehnt jede differenzierte Betrachtung des Flüchtlings- und Migrationsproblems, jede Auseinandersetzung mit den Herausforderungen einer überforderten Gesellschaft, mit dem wachsenden islamischen Einfluss, der Besorgnis erregenden Kriminalstatistik usw. usf. abzutun.
Kein Aufruf zum „Kampf gegen Rechts“
Was anders als die beschwichtigende, weltfremde Regierungsbotschaft soll man aus Nagelsmanns Worten herauslesen? Zumindest hat er weder direkt noch indirekt zum „Kampf gegen Rechts“ aufgefordert, so wie seine Trainerkollegen Cristian Streich und Ralf Rangnick.
Der junge deutsche Nationaltrainer verwies durchaus zu Recht auf die problematische Vereinzelung und Ich-Bezogenheit vieler junger Menschen, auf die zahlreichen Schwierigkeiten der Vereine, nicht nur der Sportvereine; dabei erwähnte er nicht einmal ansatzweise, dass eine der größten Herausforderungen für die Fußballvereine die wachsende Zahl von Jugendlichen mit Migrationshintergrund sind, die auf dem Sportplatz eine zuweilen nicht bekannte Gewaltbereitschaft mit sich bringen.
„Es ist wichtig zu realisieren, in welch schönem Land wir leben, landschaftlich und kulturell. Was wir für Möglichkeiten haben, wenn wir alle zusammenhalten und nicht alles extrem schwarz malen, dem Nachbarn nichts gönnen und von Neid zerfressen sind“, sagte Nagelsmann.
Antwort auf Wirtschafts-Desaster und Sinnkrise
Warum sollte man den schönen Worten des 36-Jährigen widersprechen, außer, man überlegt, was seine Botschaft eigentlich bedeuten soll?
Gemeinsamkeit und Gemeinsinn als Antworten auf eine zutiefst verunsichernde Ära des politischen, wirtschaftlichen und technologischen Wandels, auf den drohenden wirtschaftlichen Abstieg Deutschlands, auf die Krisenherde und Kriege in der Welt, auf die Gottlosigkeit und die Sinnkrise im Westen, auf den ideologischen Furor, mit denen starke Kräfte im Westen die Welt zu einem besseren Ort machen wollen und dabei unsere Sprache, unsere Kultur, unsere Freiheit und unser gesamtes Leben bedrohen?
Nagelsmanns Appelle sind ehrenwert, wenngleich etwas schlicht und naiv. Das Wesen der Demokratie wird sicher weniger von „Einigkeit“ und „Gemeinsinn“ im politischen Alltag geprägt, als vom fairen Ringen um den Ausgleich der unterschiedlichsten Interessen. Schade auch, dass der Trainer nicht auf die merkwürdige Anweisung von Institutionen wie der Polizei und der Bundeswehr verwiesen hat, in der Öffentlichkeit keine Deutschland-Fahnen an Gebäude und Fahrzeuge anzubringen.
Gelbe Karte für Nagelsmann, Rote Karte für den DFB
Natürlich sind ein stärkeres Miteinander, mehr gegenseitige Unterstützung oder mehr Gemeinsinn, für die sich der ehrgeizige Fußballtrainer einsetzt, sinnvoll und gut. Grundsätzlich von Übel ist es allerdings, wenn Sportler, Trainer und Funktionäre glauben, politische Botschaften, selbst wenn sie noch so gut gemeint sein sollten, in die Welt hinausposaunen zu müssen. Oder mit lila Fußball-Trikots oder Regenbogen-Binden politische Botschaften senden zu wollen.
Nagelsmann muss also mit einer gelben Karte verwarnt werden. Der DFB, Streich, Rangnick und Konsorten sind schon längst mit einer roten Karte, deren Farbe sie an sich wohl ziemlich sympathisch finden, vom Platz des gesellschaftlichen Diskurses verwiesen worden.
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Ich denke, Nagelsmann ist von einer sehr idealistischen Vorstellung zur Gesellschaft ausgegangen ausgegangen (ob es auch seiner eigenen wirklichen Meinung entspricht, wage ich jedoch zu bezweifeln, da er seinen Wohnsitz in Österreich – Kitzbühel – haben soll). Er hat zur EM eine Mannschaft geformt, die auch einig als Mannschaft aufgetreten ist, und in der jeder für den anderen gekämpft hat, und auf dem Platz einen Fußball ablieferte, den man lange nicht mehr in der deutschen Nationalelf gesehen hatte. So weit, so gut. Die Gesellschaft ist da aber schon etwas komplizierter. Da sind Sport und Politik auch zwei völlig verschiedene Dinge,… Mehr
Abgesehen davon, dass ich mir verbitte, von dahergelaufenen Meniskuskickern gesellschaftliche Ermahnungen anzuhören, steht es mir absolut Oberkante Unterlippe im ÖRR in Dauerschleife seit vergangenen Freitag die Befindlichkeiten von wem auch immer nach dem verlorenen Spiel anzuhören.
Leute, die deutsche Mannschaft ist genau EIN Spiel weiter gekommen, als bei der WM vor 2 Jahren, als sie bereits in der Vorrunde ausschied.
Diesmal verlor sie ihr 1. Spiel in der K.o. -Hauptrunde und war raus.
Ich schaue mir lieber TuS Schwachhausen, Eiche Horn oder den FC Oberneuland an als die Regenbogenmannschaft. Lieber ehrlicher Amateurfussball, wie er 1954 auch noch auf nationaler Ebene guter Standard war. Nagelsmann als deutscher Regenbogentrainer ist nach Tirol abgehauen, weil er es in Deutschland nicht mehr aushält. Wann gab es das zum letzten Mal ? Franz Beckenbauer : 1977 verlegte er seinen Wohnsitz aus steuerlichen Gründen nach Sarnen im Schweizer Kanton Obwalden. Ab 1982 lebte er im österreichischen Oberndorf in Tirol (im Bezirk Kitzbühel) und ab 2005 im Salzburger Stadtteil Parsch, während er beruflich nach wie vor in Deutschland tätig war.… Mehr
„… hilflose Empörung löste vor allem die Tatsache aus, dass kurz vor Spielende ein glasklares Handspiel …“ Das ist doch grober Unfug! Wie hätte der spanische Spieler wohl so schnell die Hand wegziehen sollen, wo er doch direkt angespielt wurde? Es ist seltsam, dass man sich in Deutschland immer dann empört gibt, wenn Entscheidungen gegen die eigene Mannschaft gefällt werden, obgleich die Situation tatsächlich glasklar ist. Was wäre wohl gewesen, wenn ein spanischer Spieler einen Spieler der deutschen Mannschaft so angespielt hätte? Hätten die deutschen Fans auch darauf bestanden, dass es ein Handspiel wäre oder hätte man geschimpft wie ein… Mehr
es ist zwar müßig, sich im nachhinein aufzuregen, nur wäre mir persönlich (!) eine gleichbehandlung / nachvollziehbarkeit der schiedsrichterentscheidungen wichtig. verengt auf die spiele der deutschen mannschaft: entweder, man gibt bei dänemark UND spanien 11-meter, oder bei beiden spielen nicht. bezüglich des spaniers: diese elende diskussion um „natürliche bewegung“ und „angespielt“ und weiß-gott-noch-alles ist einfach nicht objektiv nachvollziehbar. es sollte mMn gelten: hand ist hand. fertig. jeder spieler kann, sollte die regel so sein, doch wie ein entflohener sträfling mit den händen hinter dem rücken im strafraum umherlaufen. das geht tatsächlich, und bekommen die spieler meistens sogar sehr gut hin.… Mehr
Appelle, wie der von Nagelsmann, muss man nicht an den Fußballfan richten, sondern an die gesellschaftliche Führungsschicht der Berufspolitiker, die machtversessen,selbstbezogen und ideologiegetrieben für die tiefe Spaltung der Gesellschaft Verantwortung tragen. Alles andere ist feiges Gewäsch, weil die Verursacher nicht benannt und damit verschont bleiben.
Nagelsmann fabuliert darüber wie schön dieses Land ist, während er selbst in seiner Millionenvilla in Tirol wohnt.
Genau mein Humor!
Was man so alles lesen kann in den Medien! Die Mücken sind schuld, die mangelnde Unterstützung der Nation ist schuld! Hätte Nagelsmann und seine Spieler eine anständige Leistung abgeliefert, hätten sie gewinnen können. Solange die ganze Bagage dem woken Zeitgeist hinterherläuft, wird das nichts werden!
Der angemahnte Gemeinschaftssinn im Sinne Nagelsmanns ist in Wahrheit die Forderung nach einem Kadavergehorsam gegenüber der linkswoken Ideologie!
Der neue nationalHeilige (national schon klein halten, dafür mehr gefühlige Heiligkeit).
Und natürlich ganz typisch, irgendwo im Mittelfeld stehen, aber große Reden schwingen und auf die Tränendrüse drücken.
Nun, Toni Kroos hat das etwas entzaubert. Er möchte seine Kinder nicht in Deutschland aufwachsen sehen und bleibt in Spanien.
Wegen der drastischen Änderungen des Landes, welches er von10 Jahren verließ.
Gut, dass Deutschland ausgeschieden ist, sonst haette das womoeglich noch rechte, nationalistische Gefuehle befluegelt und das geht ja gar nicht. Da zumindest einigen Veroeffentlichungen zufolge die WM 2006 den Rechten einen Aufschwung bereitet hat, sollte sich Deutschland eher ueberlegen, die Nationalmannschaft aufzuloesen.
Traurig ist doch eigentlich, dass der Sport immer öfter politisiert wird; doch Sport soll Sport bleiben und nicht durch Dummköpfe vereinnahmt werden.