Moskau verbietet Menschenrechtsorganisation „Memorial“

Mit dem Verbot von „Memorial“ zeigt der Kreml endgültig, dass er in der sowjetischen Vergangenheit nichts Anrüchiges sieht und entsprechend bereit ist, auch seine Gegenwart nach alten Traditionen zu bestimmen.

IMAGO / SNA
Ein Memorial-Unterstützer vor dem Obersten Gerichtshof in Moskau am 28.12.2021

Nur wer seine Vergangenheit kennt, kann seine Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten. Wer diesen Ausspruch des Alt-Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker auf das derzeitige Verhalten der russischen Regierung zum Maßstab macht, kann nichts Gutes berichten. Mit dem gestrigen Verbot der Menschenrechtsorganisation „Memorial“ zeigt der Kreml endgültig, dass er in der sowjetischen Vergangenheit nichts Anrüchiges erkennt und entsprechend dazu bereit ist, auch seine Gegenwart nach alten Traditionen zu bestimmen.

Die Vorgänge um den Regime-Kritiker Nawalny, wie auch eine ganze Reihe von Verurteilungen politisch Andersdenkender, sprechen eine klare Sprache. So aggressiv sich das diktatorische Putin-Regime nach innen gibt, so tritt es auch nach außen auf. Immerhin fordert der russische Herrscher eine Art neues Jalta-Abkommen, in dem wie schon im Februar 1945 der Westen der Aufteilung Europas in Einflusszonen zustimmte und damit mit einem Federstrich die Völker Osteuropas und auch einen Teil Deutschlands der totalitären Herrschaft Stalins auslieferte.

Diesmal geht es um die Aberkennung des Selbstbestimmungsrechts der Ukraine und – wenn auch noch nicht offiziell ausgesprochen – der Baltischen Staaten Litauen, Estland und Lettland. Eine spätere Ausdehnung dieses Anspruchs auf Polen ist nicht ausgeschlossen.

Putin hat auch im Osten ein Problem
Droht der offene Krieg? Putins Spiel mit dem Feuer
Dieser Vorschlag Putins, der als Vorlage für die im Januar in Genf beginnenden Gespräche mit den USA bereits auf dem Tisch liegt, ist an selbstbewusster Dreistigkeit nicht zu überbieten. Begleitet wird er durch das hörbare Säbelrasseln des russischen Militärs an der Grenze zur Ukraine. Wieder einmal, wie schon zu Zeiten des Kalten Krieges, versucht Moskau, den Westen auf die Probe zu stellen. Beispiele aus der Vergangenheit sind die Blockade Berlins 1948, das Chruschtschow-Ultimatum von 1958 und nicht zuletzt die massenhafte Stationierung von Nuklearen SS-20-Mittelstreckenraketen auf dem Boden der ehemaligen DDR. Weitaus modernere Versionen sind heute übrigens in Königsberg (Kaliningrad) mit einer Reichweite von über 500 km stationiert.

Dieser letzte offensive Akt sowjetischer Außenpolitik scheiterte an der Reaktion der NATO, welche mit der Stationierung von Pershing-Raketen in der Bundesrepublik reagierte. Dann erfolgte der bekannte Zusammenbruch des Sowjet-Imperiums. Es schien mit der Präsidentschaft Gorbatschows und später Jelzins eine lange Phase der Verständigung mit der Staatengemeinschaft und der Demokratisierung in Russland angebrochen zu sein.

Dazu gehörte auch die Aufarbeitung des Terrors der Stalinzeit. Man gedachte öffentlich der Millionen Opfer, deren Zahl auf mindestens 25 Millionen Tote – manche sprechen sogar von geschätzt 60 Millionen Ermordeten. 1991 sei zu einem Symbol des Willens der Aufarbeitung der düsteren Jahrzehnten nach der Oktoberrevolution die Menschenrechtsorganisation „Memorial“ entstanden. Zu ihren Mitbegründern gehörte der Friedensnobelpreisträger und über viele Jahre in Russland verfolgte Andrei Sacharow. Kein anderer als Wladimir Putin wünschte zu Beginn seiner Präsidentschaft im Jahr 2000 „Memorial“ für seine Arbeit viel Erfolg.

Die mittlerweile größte, an demokratischen Idealen ausgerichtete Organisation hat heute Hunderte von Mitarbeitern innerhalb Russlands und Arbeitsgruppen in aller Welt. Auf drei Säulen stütze sich die NGO: erstens die wissenschaftlich-historische Aufarbeitung der Stalin-Zeit, zweitens dem Gedenken an die Opfer durch Mahnmale und Ausstellungen, sowie drittens die kritische Beobachtung der aktuellen Entwicklung. Schon seit Jahren wurde der Druck auf „Memorial“ immer spürbarer. Schließlich wurde die Organisation zu einer feindlichen „Agenten-Truppe“ erklärt – gestern wurde sie von einem Moskauer verboten.

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Kommentare ( 65 )

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Alexis de Tocqueville
2 Jahre her

Da nehmen Sie richtig. Es ist eine Soros Orga, und sie tut dort das gleiche, wie seine NGOs es hier auch tun. Zersetzung betreiben.

J. Werner
2 Jahre her

Wer immer noch nicht gemerkt hat, daß Stalin reloaded läuft, sollte weiterhin sich seine Welt zusammenträumen. Auch Mao reloaded ist wahrlich ein Schocker. Und das wirkliche Leben findet man ja jetzt in Bullerbü – Hauptstadt der Buntrepublik – Berlin, da braucht man keine Horrorfiktion, nur viel kindliches Gemüt. Und guten Rutsch noch…

Fritz Goergen
3 Jahre her

„die Leser/Poster von TE“ gibt es nicht, bitte nicht instrumentalisieren.

Ananda
2 Jahre her
Antworten an  Fritz Goergen

Werter Herr Goergen. Erst erklärt mich Scholz zum irrelevanten Extremisten und jetzt erfahre ich, dass es „die Leser/Poster von TE“ auch nicht gibt. Langsam bin ich „etwas“ irritiert. .

Eberhard Schulz
3 Jahre her

NGO`s egal welche Coleur sollten in keinem souveränen Land/Staat ihre Finger reinstecken dürfen. Es stecken fast immer solche Gesellschaftsklempner wie Soros und Konsorten dahinter. Ich verstehe Russland, Polen und Ungarn.

Ceterum censeo Berolinem esse delendam
3 Jahre her

Immer wieder erstaunlich, wie all diejenigen, die hier täglich bei TE zu Recht die grundgesetzwidrigen Schikanen unseres linksgrünen Regimes beklagen, reflexhaft und fanatisch bei jedem Artikel über Russland Partei für diesen heimtückischen Auftragsmörder, skrupellosen Diktator und gnadenlosen Unterdrücker Wladimir Putin ergreifen.

Alexis de Tocqueville
2 Jahre her

Immer wieder erstaunlich, wie all diejenigen, die hier täglich bei TE zu Recht die grundgesetzwidrigen Schikanen unseres linksgrünen Regimes beklagen, reflexhaft jeden Müll über Russland schlucken.
Liefe es bei uns wie in Russland, dann gäbe es hier keine grüne Regierung.
Kein Staat braucht so eine von Soros finanzierte „Zivilgesellschaft“.


Ralf Poehling
3 Jahre her

Ist doch klar, warum die Russen das jetzt machen.
Die haben Deutschland und auch die USA über die letzten Jahre genau beobachtet und erkannt, dass andauernde Selbstkasteiung nur in den Untergang des eigenen Landes und der eigen Kultur führt und machen es deshalb nun genau anders herum.
Die Russen haben also aus den Fehlern des Westens gelernt.
Der Westen hat aus seinen Fehlern bis heute nichts gelernt.
Und genau deswegen geht der Westen gerade unter.

Last edited 3 Jahre her by Ralf Poehling
Babylon
3 Jahre her

Das Deutsche Reich ermöglichte Lenin 1917 nach Russland zu kommen, um Russland zu revolutionieren , um damit das Ende des Krieges an seiner Ostfront zu beenden. Lenin war allerdings Russe und kein Ausländer. Russlands Generalfehler fand einige Jahre vorher statt, als es sich in die Koalition Frankreich/ England gegen das Deutsche Reich einspannen ließ, wg. Serbien, das sich in Frontstellung Österreich/Ungarn befand. Der deutsche Fehler geschah 30Jahre vorher, als nach dem erzwungen Rücktritt Bismarcks der deutsch/russische Rückversicherungsvertrag gekündigt wurde, weil die außenpolitische graue Eminenz, Graf Holstein, ein Zusammengehen mit England oder eine Schaukelpolitik zwischen England und Russland für angemessen ansah,… Mehr

bkkopp
3 Jahre her

Wie bei uns auch, sind Leute, die von Berufs wegen an dunkle Kapitel der Vergangenheit erinnern, nicht immer populär, und gelegentlich auch Regierungen, und repressiv-autoritären Regierungen ganz besonders, unbequem. Das ist in den USA mit deren Erbsünde Sklaverei/Rassismus so, das war, jedenfalls teilweise auch bei uns nach 1945 so, und es ist in Russland ähnlich. Auch wenn ich das Verbot von Memorial als bedauerlichen Fehler sehe, ich sehe auch, dass ein Regime, das seit Jahrzehnten aus Jux und Tollerei verteufelt wird, bei dem man jeden Splitter im Auge sieht und vergrößert, um den Balken im eigenen zu übersehen, immer repressiver… Mehr

Alexis de Tocqueville
2 Jahre her
Antworten an  bkkopp

Fehler? Goldrichtig würd ich sagen.
Das ist, als würden wir Open Society, Deutsche Umwelthilfe und FFF verbieten.
Nein, das ist ganz gewiss kein Fehler. Die Aufarbeitung der Stalinzeit wäre ja an sich schon richtig, aber wenn es als Vorwand für Zersetzung missbraucht wird, lässt man es besser sein.

rolf finger
3 Jahre her

Harascho…in der Schule gelernt und nwv als richtig empfunden…wundere mich nur das man die NGO, ausländisch bezahlte Hetzer und Geschichtsverdreher insbesondere auch aus der BRD und der usppa so lange unbehelligt ihr Gift in der Russischen Föderation verbreiten ließ….wer sich in die inneren Angelegenheiten andere Staaten einmischt bekommt früher oder später die Quittung dafür….der ganze Artikel strotzt doch von Halb-und Unwahrheiten…wer einen kriminellen und Hassprediger, insbesondere gegen Migranten, als Regimkritiker bezeichnet muss wohl ein Problem mit der Wahrnehmung haben…das der Untergang der UdSSR ein absolutes Versagen der kommunistischen Führung gewesen ist dürfte wohl langsam aber sicher, mindestens denen die sich… Mehr

Fromal
3 Jahre her

Nachdem ich mir die Kommentare zu dem Artikel durchgelesen habe, frage mich erneut, warum die Mehrheit der Kommentatoren hier so derart pro Putin ist. Da wird in den Kommentaren auf andere Länder verwiesen, in denen gleiches geschehe wie in Russland. Ja und? Was ändert das an der Tatsache, dass in diesem Fall, wie man mit Fug und Recht behaupten kann, ein politisches Urteil gefällt wurde? Weiterhin wird in den Kommentaren so ganz aus Versehen nicht auf Putins Drohgebärden eingegangen. Ja, es heißt sogar reflexhaft, der Westen sei schuld. Und auch wenn ich jetzt schon weiß, dass mein Text nur negative… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Fromal
Hartholz
3 Jahre her
Antworten an  Fromal

Wenn Sie nicht den Zusammenhang zwischen NGOs und Soros sehen, dann sind Sie entweder nicht interessiert oder sollten vielleicht Ihre Bettlektüre wechseln. Bei NY-Times und Alpen Prawda werden Sie da nicht fündig.