Merkels Götterdämmerung oder wie der „Mutti“-Mythos zerfällt

„Pleiten, Pech und Pannen“ war einmal der Titel einer erfolgreichen Unterhaltungssendung der ARD. Heute könnte man die Corona-Politik der Bundesregierung so überschreiben. Maskenwirrwarr, Widersprüche am Bande, Total-Flop mit der Corona-Warn-App und schließlich der Monstergau: die Bruchlandung mit der Impferei. Völlig ungenügend würde dafür unter jedem Zeugnis stehen.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Es war in einer Novembernacht zu später Stunde, Ende der 2000er. Eine schwarze Mercedes-Limousine fuhr am Konrad-Adenauer-Haus in Berlin-Tiergarten vorbei. Plötzlich sagte einer der Insassen mit Blick auf die seitliche Stirnfront des Gebäudes: „Eigentlich müsste dort oben doch ein Konterfei der Kanzlerin Merkel prangen, dazu die Aufschrift: Das ist Deutschlands Mutti.“ Ein im Fond sitzender Bundesminister der CSU rief aus: „Das ist ja spitze! Angie, unser aller Mutti. Das trifft es auf den Punkt.“

Er beließ es nicht dabei, denn bereits wenige Tage später hörte man das Wort „Mutti“ in Bezug auf die Kanzlerin aus vielerlei Munde. Eine Folge davon war die empörte Reaktion Ursula von der Leyens, die zu Beginn der Sitzung eines Spitzengremiums der CDU/CSU am darauffolgenden Montagvormittag erklärte: „Diese Titulierung der Kanzlerin ist eine Unverschämtheit, vor der man sie schützen muss“, ohne dabei den Urheber am Tisch anzuschauen. Die Kanzlerin quittierte das Ganze mit einem kurzen verschmitzten Lächeln und fuhr geschäftsmäßig mit der Tagesordnung fort. Tief im Inneren muss sie gewusst haben, dass für sie, die ja nicht gerade für ihre besondere emotionale Wärme bekannt ist, der neue Spitzname nur von Nutzen sein kann.

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Wie recht sie doch hatte. Schon zu diesem Zeitpunkt war sie für einen Großteil der Deutschen zu einem Symbol des Behütetwerdens und der bescheidenen Weisheit geworden. Gerade hatte sie die Eurokrise gemeistert und dabei vermeintlich die Sparbücher des deutschen Michel gerettet. Was für Andere in der Politik ein Makel ist, wurde bei ihr zum Erfolgsrezept: kühle Zurückhaltung, überlegener Gestus und so wenig Worte, wie es nur geht. Merkel wurde eine Art Sphinx, die noch über dem Bundespräsidenten stehend, über dem Volk der Deutschen schwebte – unnahbar und dennoch voller Güte. Dass sie damit ihre eigene Partei, die CDU, immer mehr bis in die Substanz veränderte, machten die allgemein obwaltenden Umstände nebensächlich. Zwar verlor die Union von Wahl zu Wahl an Zustimmung, entwickelte sich gar rechts von ihr eine neue Partei, aber die hohe, weit über das eigene Lager hinausgehende Zustimmung auch aus dem linksliberalen Spektrum plus die andauernde Schwindsucht der anderen Parteien sicherte die Regierungsmacht.

Dann folgte der abrupte und nicht zu Ende gedachte Ausstieg aus der Kernenergie. Auch hier wusste sie sich mit einer Mehrheit der Deutschen in Übereinstimmung. Also wieder gute Mutti. Dass sie ihre Partei zunehmend auf ihre Linie brachte, kritische Stimmen verbannte und letztlich zu einem Abnick-Verein degradierte, nahm das Wahlvolk in Gänze kaum zur Kenntnis. Der erste größere Fehler unterlief ihr bei der Öffnung der Grenzen für den unkontrollierten Zustrom von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Migranten. Zum ersten Mal kamen den Deutschen ernsthafte Zweifel an ihren Fähigkeiten. Die AfD legte beängstigend zu und die CDU sank um die Jahreswende 2019/20 auf deutlich unter 30 %. Schon nach dem miserablen Wahlergebnis bei der Hessen-Wahl 2018 zog Merkel die Notbremse. Sie legte den Vorsitz ihrer Partei nieder und kündigte zugleich das Ende ihrer Kanzlerschaft nach dieser Legislaturperiode an. Die Götterdämmerung schien begonnen zu haben.

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Doch da kam, so zynisch das klingen mag, zur Rettung das Coronovirus. Niemand will Angela Merkel unterstellen, dass sie sich selbst heimlich darüber gefreut hätte, aber jetzt war „Mutti“ wieder gefragt. Als Leitwölfin verlangte das Rudel nach Führung. Nur, und das ist die bittere Erkenntnis nach einem Jahr, hat sie nicht geliefert. „Pleiten, Pech und Pannen“ war einmal der Titel einer erfolgreichen Unterhaltungssendung der ARD. Heute könnte man die Corona-Politik der Bundesregierung ebenso überschreiben. Maskenwirrwarr, Widersprüche am Bande, Total-Flop mit der Corona-Warn-App und schließlich der Monstergau: die Bruchlandung mit der Impferei. Diesmal hat sich für alle bewahrheitet, wie gültig die zeitlose Erkenntnis ist, dass immer dann die größten Probleme auftreten, wenn ein Gedanke nicht vollständig zu Ende gedacht wurde. Geradezu exemplarisch ist dafür die zu späte Einsicht der von Merkel zur Ober-Chefin der Impfstoffbesorgung ernannten Ursula von der Leyen, man sei über den Impfstoff als solchen so begeistert gewesen, dass man über Fragen der Logistik gar nicht nachgedacht habe. Völlig ungenügend würde dafür unter jedem Zeugnis stehen.

Erschwerend kommt hinzu, dass weder die Kanzlerin noch irgendeiner ihrer Minister auch nur den Schein von Selbstkritik aufkommen lässt. Mehr noch, Merkel erklärte in als Interview getarnten Monologen, alles in allem sei es doch gut gelaufen. Wie verzweifelt sie selbst ihre Lage sehen muss, zeigte ihre Videobotschaft vom Wochenende. Diesmal entdeckte sie ihre mütterlichen Gefühle für die Demokratiebewegung in Weißrussland und drückte ihre Solidarität mit den Demonstranten aus. Wochenlang hat sie zu den schlimmen Zuständen im Reiche der Putins und Lukaschenkos geschwiegen. Als die weißrussische Oppositionsführerin Tichanowskaja um einen Termin während ihres Europabesuches im Kanzleramt bat, wurde sie rasch an Bundestagspräsident Schäuble verwiesen. „Mutti“ war der Besuch einfach zu heiß – mit Blick auf Putin und die Gesamtlage.

Es gehört nicht viel dazu, zu prophezeien, dass schon bei den nächsten Landtagswahlen im März in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt im Juni 2021 vom „Mutti“-Mythos nicht mehr viel zu merken sein wird.

Für die überstürzte Energiewende, die Rekordverschuldung Europas zu Lasten Deutschlands und die Folgen der Flüchtlingspolitik, wird die Rechnung dem Wahlvolk später präsentiert werden.

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Kommentare ( 158 )

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Thomas Grote
3 Jahre her

Da war noch nie was mit „Mutti“. Die ganze Merkelpolitik war die Zerstörung der deutschen Parteienlandschaft sowie eine Ansammlung von undemokratischen Alleingängen zum Schaden aller. Atomausstieg mit Ethikkommission, Kohleausstieg mit Kohlekommission (jeweils ohne Energiefachleute), grundlose Öffnung deutscher Grenzen für Millionen Fremder und Aushebelung aller europäischen Verträge (Dublin, Schengen), Unterzeichnung des unsäglichen Migrationspaktes, Griechen- Euro- landrettung, Brexit, Wählertäuschung und Inauguration der zweifelhaften VdL, Rückgängigmachung einer demokratischen Wahl in Thüringen. Völlig gegenstandsfreie „CO2-Steuer“. Weitere Beispiele? Wie wäre es mit einem Blick in das heutige Grundsatzprogramm der CDU im Vergleich mit dem von 2002/2005? Das Heutige könnte auch von den Grünen sein. Alles… Mehr

Bahl Renate
3 Jahre her

Lieber Herr Gafron. Ihre Worte in Gottes Gehoergang. Allerdings bin ich nicht so optimistisch wie Sie, Sie haben die Waehler nicht berücksichtigt. Meine Befuerchtung ist, dass dank der Medien wieder Lobeshymnen auf diese Volksverraeterin gesungen werden, dass ohne die drastischen Lockdowns -zig Tausende gestorben wären etc. etc.. Solang die MSM nicht umschwenken, die Wissenschaftler ihrer eigentlichen Aufgaben nachgehen und die Gerichte endlich wieder das GG „entdecken“, wird sich nichts ändern. Die Anzahl der Selberdenker ist leider in der Minderheit.

desdemona
3 Jahre her
Antworten an  Bahl Renate

Leider befürchte ich, dass Sie in allen Punkten Recht behalten. Die stete einseitige Berichterstattung und Indoktrination der ÖRM hat ihren Zweck erfüllt und dem Durchschnittsbürger die Fähigkeit zum eigenständigen Denken genommen. Sapere aude gehört leider der Vergangenheit an.

fisco
3 Jahre her

In meinen Kreisen wurde der Begriff „Mutti“ von Erwachsenen für Nichtverwandte schon immer nur mit einer negativen Konnotation für eher unangenehme Leute verwendet, die wenig Ahnung haben und andere bevormunden wollen.

humerd
3 Jahre her

Zur Götterdämmerung ein Kommentar in der faz, in dem die unterschiedlichen Genres der „Entschuldigungen“ zerpflückt werden:“ POLITIKER IN DER PANDEMIE:Es tut ihnen leidköstlich „Bleiben die Ich-hab’s-verbockt-aber-eigentlich-auch-nicht-Bekundungen“ https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/corona-pandemie-politiker-entschuldigen-sich-17188636.html Trotz allem wird unsere Teflon Kanzlerin auch hier unbeschadet davon kommen. Denn merke: nicht die Politiker machen etwas falsch, das dumme Volk ist es, die schödenAusflügler, Skifahrer, Urlauber sind es. Und das Volk ist so dumm und lässt sich auch diesen Schuldkomplex überstülpen. Nachdem das hiesige Volk ja schon Schuld ist und das auch noch glaubt: am Hunger in der Welt ist, an den Fluchtursachen, dem Plastik im Meer, dem Feinstaub und an… Mehr

wolferl_nord
3 Jahre her

Gestehen wir- uns zumeist kritischen Nachdenker – doch ein; wir alle fühlen uns wie Don Quichotte de la Mancha auf Rosinante mit seiner Begleitung, den Schildknappen Sancho Panza, im Kampf gegen Windmühlen. Wir können uns die Finger wund schreiben oder in endlosen Diskussionen auf hinreichend vorhandene, belastbare Fakten an Corona-Daten hinweisen. Wir erreichen viele Menschen nicht und ich habe es auch mittlerweile aufgegeben, fakten-basierend zu Argumentieren. Sie, die ängstlich Gläubigen, wollen es einfach nicht hören und hoffen auf ihre Impfung. Ich hoffe nur, und das meine ich auch genauso wie ich es schreibe, dass die Impfungen keinen dauerhaften Schaden wie… Mehr

MaFiFo
3 Jahre her

Viele Frauen an den Schaltstellen der Macht können es einfach nicht. Das Problem wird sich durch Linksruck nach der nächten Wahl wahrscheinlich über Quote noch dramatisch verstärken. Es wird noch so weit kommen, dass wir irgendwann eine Männerquote brauchen. Ob Frauen sie uns dann zugestehen, halte ich für fraglich.

Dozoern
3 Jahre her

Das war jedoch noch nicht die letzte Tat von Merkel. Schon wird der Egomane Söder von ihr zum Kanzlerkandidaten der Union aufgebaut. Und von der Leyen ist als Kommissionspräsidentin doch nur die Platzhalterin für Merkel. Nach der Bundestagswahl wird Merkel ihre Nachfolgerin. Und dann geht’s erst richtig los mit dem Irrsinn, diesmal in Europa. Hand in Hand mit den abgewirtschafteten Sozis und den Grünen. Multilateralismus, Transferunion, Offene Grenzen, Totalverschuldung, Green Deal, das wird ihre neue Spielwiese. Da wird sie sie allerdings grandios scheitern, weil die Nachbarländer klüger als wir Deutschen sind. Oder?

Karina Gleiss
3 Jahre her
Antworten an  Dozoern

Es könnte auch sein, sie legt es darauf an, dass Söder irgendwann so überdreht, dass ihn keiner mehr sehen und hören kann. Und dann zaubert sie vielleicht den Schwiegermuttertypen aus SW aus dem Hut – falls sie nicht selbst noch einmal antritt. Auch wenn sie mittlerweile alt und verbraucht ist: die hinterlistige Perfidie, mit der sie Menschen benutzt (und die, die ihr im Weg sind, über die Klippe stößt), beherrscht sie noch aus dem Eff-Eff.

Last edited 3 Jahre her by Karina Gleiss
Bahl Renate
3 Jahre her
Antworten an  Dozoern

. Natürlich sind unsere Nachbarländer klüger. Aber solange DE noch der größte Nettozahler der EU ist, werden alle schön still halten. Erst, wenn kein Geld mehr sprudelt, werden wir erleben, wie sehr wir mal wieder gehasst werden. Merkel hat es in 16 Jahren geschafft. Aber Schuld trifft natürlich auch die Waehler, die 2017 die Chance hatten, dem ganzen Spuk ein Ende zu bereiten.

Steffchen
3 Jahre her

Ehrbare und anständige Politker*innen würden zurücktreten. Alle anderen klopfen sich auf die Schultern und behaupten alles menschenmögliche getan, im Großen und Ganzen also alles richtig gemacht zu haben. Titel des ersten Buches nach ihrem Abschied aus der Politik: „Wie man aus Schei… Gold macht. Alternativlose Wahrheiten der ersten Bundeskanzlerin.“.

moorwald
3 Jahre her

Ob „Mutti“ nun spöttisch oder ehrerbietig gemeint war, läßt sich wahrscheinlich nicht mehr feststellen.. Es hat aber etwas von einer Beschwörungsformel. Denn das Sonderbare an Merkel ist u.a., daß sie ganz durchschnittlich und unauffällkig-harmlos daherkommt. Aber gleichzeitig geht von ihr etwas Ungreifbares, beinahe „Dämonisches“ aus. Ungreifbar heißt auch unangreifbar. Das große Rätsel ist ja nicht Merkel als Person – davon gibt es tausende. Bis heute hat niemand erklären können, was ihr eine solch riesige Gefolgschaft beschert hat. Die Wähler sind leicht zu täuschen. Aber kluge Köpfe sind genauso ihrem „Zauber“ verfallen. Gewissermaßen als Rechtfertigung haben sie dann in Merkel etwas… Mehr

Dozoern
3 Jahre her
Antworten an  moorwald

Einfach noch einmal DIE PATIN von Frau Höhler lesen. Da stand bereits 2011 alles Wesentliche zu Merkel drin.

moorwald
3 Jahre her
Antworten an  Dozoern

Wer sehen wollte, konnte das sehr früh…

Alter weiser Mann
3 Jahre her

Herr Gafron, bitte hören Sie mit dem Mutti-Geblödel auf. Es beleidigt meine Mutter und es beleidigt mich. Dieser weibliche sozialistische Staatsratsvorsitzendenkanzler ist nur ein aus DDR Zeiten übrig gebliebener Kommunistensaurier. Und warten Sie es ab: sie wird im Herbst erneut zum Kanzler kandidieren, und zwar nach dem Motto Kohl, wer soll es denn sonst machen, wenn nicht ich! Als Kommunist hat sie dazu auch keinerlei Charakter, den Kohl immerhin noch hatte. Schon deshalb ist diese dümmliche „Mutti“-Bezeichnung eine abgrundtiefe Beleidigung aller Mütter. Wer möchte mit einer solchen Lügnerin und Landesverräterin, jetzt wahrscheinlich auch noch ihre Beihilfe zum Mord, nachdem sie… Mehr