Die deutsche feministische Außenpolitik ist ein Etikettenschwindel

Die iranische Menschenrechtsaktivistin und Oppositionelle im Exil Masih Alinejad besuchte Berlin und wollte sich auch mit Vertretern des Auswärtigen Amts treffen. Das Treffen platzte. Alinejad veröffentlichte auf Twitter, dass sie nicht über das Treffen hätte berichten dürfen. Das Auswärtige Amt reagiert verschnupft.

IMAGO

Es gibt keine feministische Außenpolitik. Das dürften mittlerweile auch alle einsehen, die bislang daran glaubten.

Nicht völlig ausgeschlossen, dass auch Masih Alinejad daran glaubte, eine iranisch-amerikanische Journalistin und weltweit bekannte Frauenrechtlerin, als sie am 30. November zu einem Treffen mit Beamten des deutschen Auswärtigen Amtes Berlin besuchte.

Dort wurde ihr laut ihrer Aussage mitgeteilt, dass über dieses Treffen Stillschweigen zu vereinbaren sei und dass sie darüber kein Wort in der Öffentlichkeit verlieren dürfe, also weder in den Medien noch in den sozialen Medien.

Auf ihrem Social-Media-Profil bei X schreibt Alinejad unter anderem:

„Wie ironisch, dass die deutsche Regierung mit ihrer feministischen Außenpolitik sich mit anderen Feministinnen treffen will, aber nur im Geheimen. Die deutsche Regierung übt sich in Opferbeschuldigung. Ich habe einige deutsche Beamte sagen hören, ich sei zu radikal und ein öffentliches Treffen mit mir wäre fatal für ihre Iran-Politik. Wenn es radikal ist, für die Rechte der Frauen einzutreten und ein Ende der Geschlechterapartheid im Iran zu fordern, dann bin ich stolz darauf, als solche bezeichnet zu werden.

Die deutsche Regierung unterstützt die Islamische Republik dabei, Dissidenten zum Schweigen zu bringen. Ich weigere mich, ihr Spiel mitzuspielen. In dieser Woche hatte ich viele konstruktive Gespräche mit Parlamentariern und Ministern aus verschiedenen Parteien. Ich habe große Hoffnung, dass sie sich mit den iranischen Frauen verbünden können.“

Lassen wir dahingestellt, wie „radikal“ Alinejad ist, die kürzlich vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem scheidenden niederländischen Ministerpräsident Mark Rutte empfangen worden war, ohne dass darüber Schweigen verabredet gewesen wäre. Was Frauen unter dem Mullah-Regime zu erleiden haben, ist weltweit bekannt.

Alinejad fordert, man müsse gegen das iranische Regime ebenso entschlossen vorgehen wie gegen die Taliban oder die Hamas. Bereits vor dem geplanten Treffen in Berlin äußerte Alinejad öffentlich Kritik an Annalena Baerbocks feministischer Außenpolitik und bezeichnete diese als „Heuchelei“.

Auch Deutschland? Nun, nach dem Tod von Mahsa Anini nach ihrer Festnahme im September 2022 und der darauffolgenden Protestbewegung kam von der feministischen Außenministerin erst vier Tage lang nichts und dann nur heiße Luft und ein paar Schilder auf einem Parteitag. Baerbock erklärte am Rande der UN-Vollversammlung, dass die iranischen Frauen „gehört“ werden müssten, und dass sie nur Rechte einforderten, „die allen Menschen zustehen“.

Seitdem wurden weitere Frauen inhaftiert, kamen weitere durch Misshandlungen zu Tode, wurden deutlich mehr Menschen, die sich an Protesten beteiligt haben, zum Tode verurteilt und exekutiert.

Entschlossenes Vorgehen und feministische Solidarität sieht wesentlich anders aus. Doch es gibt handfeste Gründe, warum ausgerechnet Deutschland nicht gegen den Iran wie auch immer vorgehen kann und warum das auch nicht im deutschen Interesse wäre. Der Iran hat gewaltige Gas- und Erdölvorkommen, an denen ein Land interessiert sein muss, dessen Regierung sich freiwillig von anderen abhängig gemacht hat, was die Energieversorgung betrifft. Wer von Russland nicht abhängig sein will, ist es eben von anderen. Und wer selbst keine Atomkraft mehr produziert, muss den Atomstrom von anderen kaufen.

Wir lernen – auch dank des Protestes von Masih Alinejad –, dass Außenpolitik nach Interessen geht und nicht nach Moral oder „Werten“ oder gar Feminismus.

Feministische Außenpolitik gibt es nicht. Es ist nichts anderes als Etikettenschwindel.

Vor dem Hintergrund wirken solche Solidaritätsadressen zum „Internationalen Tag für Frauenrechte“ als das, was sie sind: hohl und leer.

— Menschenrechtsbeauftragte Luise Amtsberg (@DEonHumanRights) November 30, 2023

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