Tichys Einblick
Welche Rolle spielte der Verfassungsschutz?

Wirbel um die Auslieferung von Maja T. an Ungarn

Weil Maja T. auf einer rechtsetxremen Demonstration in Budapest Teilnehmer schwer verletzt hat, soll die nonbinäre Person an Ungarn ausgeliefert werden. Es beginnt ein juristisches Tauziehen. Dabei nimmt der deutsche Verfassungsschutz eine brisante Rolle ein.

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Zwischen dem 9. und 11. Februar 2023 hat die Person Maja T. (23, deutsch, aus Jena, nonbinär, zuvor: Simeon) in Budapest zusammen mit weiteren Linksextremisten aus Deutschland und anderen Ländern Teilnehmer einer rechtsextremen Demonstration angegriffen und zum Teil schwer verletzt. Die rechtsextreme Demo trug den Namen „Marsch der Ehre“ in Erinnerung an einen Ausbruchsversuch der ungarischen Streitkräfte und der Waffen-SS aus dem von der Roten Armee belagerten Budapest im Februar 1945.

Maja T. wird vorgeworfen, in Budapest vor einem Café drei Opfer ausgespäht und die Umgebung abgesichert zu haben, während T.s Komplizen mit Teleskopstangen und Hämmern auf sie einschlugen. In einem anderen Fall soll Maja T. zwei Personen gemeinsam mit anderen aus der Vereinigung hinterrücks angegriffen, sie geschlagen und ihnen eine unbekannte Substanz ins Gesicht gesprüht haben. Einem am Boden liegenden Mann soll die Gruppe mit einem Schlagwerkzeug weitere Schläge versetzt haben.

Einige linksextremistische Täter wurden noch in Ungarn festgenommen, die anderen wurden mit europäischem Haftbefehl steckbrieflich gesucht. Im Dezember 2023 wurde T. in Berlin in der eigenen Wohnung festgenommen und saß seitdem in der Justizvollzugsanstalt Dresden in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft hatte im März 2024 das Verfahren gegen T. wegen der besonderen Bedeutung des Falls übernommen und einen Haftbefehl des Bundesgerichtshofs erwirkt, der den Haftbefehl des Amtsgerichts Dresden vom Dezember 2023 ersetzte.

Nun wurde Maja T. am 28. Juni nach Ungarn ausgeliefert. Das Bundesverfassungsgericht hatte exakt an diesem Tag nach einem Eilantrag des Rechtsanwalts von T. die Auslieferung vorläufig abgelehnt. Der Antrag des Anwalts Sven Richwin (Berlin) war um 7.38 Uhr in Karlsruhe eingegangen. Doch die einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts, die um 10.50 Uhr erfolgte, kam zu spät. Maja T. war um 10 Uhr den ungarischen Behörden übergeben worden, teilte die Berliner Staatsanwaltschaft um 11.47 Uhr per Mail mit. Unklar ist nun, ob T. wieder nach Deutschland zurückgeführt werden wird. Das Bundesverfassungsgericht hatte das gefordert und die Generalstaatsanwaltschaft Berlin angewiesen, „eine Übergabe des Antragstellers an die ungarischen Behörden zu verhindern und seine Rückführung in die Bundesrepublik Deutschland zu erwirken“.

Weil Maja T. in Berlin festgenommen worden war, waren das Kammergericht Berlin und die Generalstaatsanwaltschaft Berlin für das Auslieferungsverfahren zuständig. Das Kammergericht erklärte die Auslieferung am 27. Juni für rechtmäßig, die Generalstaatsanwaltschaft veranlasste sie umgehend. Die deutsche Staatsangehörigkeit von T. stehe laut Kammergericht der Auslieferung nicht entgegen, da „eine Rücküberstellung zur Vollstreckung der Strafe ins Bundesgebiet ausdrücklich seitens der Republik Ungarn zugesichert worden“ sei. Es sei außerdem nicht ersichtlich, dass es in dem ungarischen Verfahren „zu staatlichen Eingriffen in die richterliche Unabhängigkeit und dadurch zur Verletzung des Grundrechts auf ein faires Verfahren komme“, teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit.

Terroristischer Hintergrund: Brutale Selbstjustiz der „Hammerbande

Mehrere Teilnehmer werden wie Maja T. dem Umfeld der „Hammerbande“ um die Leipziger Linksextremistin und „Studentin“ Lina E. (28) zugerechnet, die zusammen mit drei Mittätern im Mai 2023 zu einer Haftstrafe von 5 Jahren und 3 Monaten verurteilt worden war. Maja T. gehört dieser Vereinigung seit 2017 an; damals 16/17 Jahre alt. Weil das Urteil gegen Lina E. noch nicht rechtskräftig ist, ist sie auf freiem Fuß. Der Gruppe war vorgeworfen worden, eine kriminelle Vereinigung gebildet und vermeintliche oder tatsächliche Rechtsextremisten bei Überfällen schwer verletzt zu haben, unter anderem durch Schläge mit Hämmern auf Schädel und Hände. Ihre „Aktionen“ reichten bis in die Schweiz.

Solidarität von links und Ratschläge vom Verfassungsschutz

Von politisch linker Seite gibt es heftige Vorwürfe an die Justizbehörden. Der Vorsitzende der Linkspartei, Martin Schirdewan, sprach gar von einer „Schande für Deutschland“. Anwalt Sven Richwin erwartet, dass es in Ungarn unter der „autoritären Regierung von Viktor Orbán“ kein faires Verfahren geben werde. Schirdewan bezeichnete es als unerträglich, dass Deutschland Menschen an Autokraten ausliefere, statt ein rechtsstaatliches Verfahren vor eigenen Gerichten sicherzustellen. Ähnlich äußerten sich Linken-Politikerinnen aus Thüringen und Sachsen. „Dass Deutschland einen nonbinären Menschen an dieses Land ausliefert, ist ein Skandal“, teilte die Leipziger Landtagsabgeordnete Juliane Nagel von der Linken mit.

Die Eltern von T. befürchten „einen politisch motivierten Schauprozess“. Und die Haftbedingungen in Ungarn seien katastrophal. Für Kritik an den Haftbedingungen hatten Bilder der Italienerin Ilaria Salis gesorgt. Sie befand sich monatelang wegen ähnlicher Tatvorwürfe in ungarischer Haft und wurde Anfang 2023 mit einer Eisenkette gefesselt in einem ungarischen Gericht gezeigt. Weil Salis auf Initiative von Linken und Grünen ins EU-Parlament gewählt wurde, konnte sie nach dem 9. Juni nach Italien zurückkehren.

Haldenwang als Ratgeber für Linksextremisten?

Und jetzt der ultimative „Hammer“: Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte nach Informationen der F.A.Z. den Eltern geraten, auf ihre Kinder einzuwirken. Um einer Auslieferung nach Ungarn durch ein Verfahren in Deutschland zu entgehen, sollten sie sich stellen und ihre Straftaten gestehen. T. hatte diese Möglichkeit nicht ergriffen.

Da kann man nur noch den Kopf schütteln. Ist das Bundesamt für Verfassungsschutz jetzt auch zuständig für die Rechtsberatung von Polit-Kriminellen? Boshaft könnte man anfügen: Dafür gibt es doch die 1975 im Umfeld der RAF gegründete „Rote Hilfe“ mit ihrem Hauptsitz in Göttingen, rund 14.000 Mitgliedern, 50 Ortsgruppen und eigenem Magazin. Mit Propaganda wie „FREE LINA“ usw.

Nein, was die Haldenwang-Behörde hier tut, ist übergriffig. Zumal das Bundesamt für Verfassungsschutz in seinem Bericht für 2023 die „Rote Hilfe“ auf S. 185f. unter „Gewaltorientierte Linksextremisten“ führt, „Lina E.“ dort zehnmal, auf S. 156 auch die „Hammerbande“ und der „Tag der Ehre“ in Budapest mit den gewalttätigen linksextremen Aktionen vorkommen. Auf S. 186 heißt es im Bericht sogar: Die linksextremistischen Gewalttäter dort würden als „Aktivist*innen“ verharmlost. Also, was jetzt, Herr Haldenwang? Was ist eigentlich Ihr Job?

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