Lindner: „Wir haben die Freiheit der Religionsausübung, und dazu gehört auch das“

Im Gespräch mit der BILD äußert sich FDP-Chef Christian Lindner positiv über das Experiment des Muezzin-Rufs in Deutschland. Die Rechtslage, nämlich die Freiheit der Religionsausübung, gebiete das. Man müsse zu einem „guten Miteinander“ kommen. Die neuen Partner bei den Grünen freut’s.

IMAGO / Mike Schmidt

Vor drei Wochen noch undenkbar, heute Realität: eine grüne Politikerin, die mit Christian Lindner öffentlich übereinstimmt und ein Statement bewirbt. Die „Islamwissenschaftlerin” Lamya Kaddor, die als Abgeordnete ihrer Partei dem 20. Bundestag angehören wird, teilt ein Gespräch des FDP-Chefs auf dem Social-Media-Dienst Twitter. Der Grund: Lindner äußert sich positiv über den Muezzin-Ruf in Köln.

Auf die Frage „Sollen Muezzinrufe deutschlandweit erlaubt werden?“ sagt Lindner: „Dazu haben wir eine Rechtslage. Und wir haben die Freiheit der Religionsausübung, und dazu gehört auch das.“ Auf die Nachfrage, ob es für den FDP-Chef in Ordnung sei, diesen flächendeckend einzuführen, laviert dieser zuerst, ringt sich aber nicht zu einer Absage durch: „Ich bin dafür, dass wir zu einem guten Miteinander kommen, und dazu gehört die Freiheit der Religionsausübung, allerdings auch die gegenseitige Rücksichtnahme. Und deshalb ist es ja richtig, dass in Köln damit Erfahrungen gesammelt werden. Es muss ja zu einem Miteinander in unserer Gesellschaft kommen. Wir wissen, wir sind vielfältiger, es gibt unterschiedliche Religionen.“

Kaddor zeigt sich in ihrem Tweet sichtlich erfreut: „So ist es, Christian Lindner, daran können eben auch Umfragen und Befindlichkeiten nichts ändern. Das sage ich seit Tagen.“ Aber nicht nur der Inhalt dürfte den Grünen ein Lächeln abringen. „Gutes Miteinander“, wir sind „vielfältiger“ – das sind Phrasen, die man eigentlich ihrer Partei zuordnen würde. Der grüne Einfluss färbt bereits auf den gelben Partner ab – noch bevor es zur Koalition kommt.

Aber wie sieht es eigentlich mit dem Flirt aus, sollte sich herausstellen, dass die „gegenseitige Rücksichtnahme“ doch etwas kniffliger ist, weil eine Lautsprecherbeschallung etwas anderes ist als das Läuten von Kirchenglocken? Würde das die Rechtslage der Religionsausübung beschränken? Oder sollte dann deutschlandweit noch einmal experimentiert werden? Lindner schiebt diese Fragen in die Zukunft, obwohl klar sein dürfte, dass die Annahme des Muezzins nicht auf Toleranz oder Akzeptanz, sondern Gewöhnung hinausläuft.

Vor wenigen Tagen kritisierte Lindner den CDU-Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus, weil dieser der möglichen Ampelkoalition die „strammste Linksagenda“ seit Jahrzehnten unterstellt hatte. Womöglich ist an Brinkhaus‘ Angriff doch etwas dran. Zumindest in gesellschaftlicher Hinsicht bleiben die Liberalen auf jenem vermeintlich „progressiven“ Kurs, den auch SPD und Grüne verfolgen – sowohl in den Fragen von sexueller Identität, Abtreibung, Staatsbürgerrecht und Familie als auch im Bereich der Islam-Frage. Dass man damit auch der Erdogan-gestützten DITIB ein Geschenk macht, und somit Kräften, die im krassen Kontrast zum liberalen Anspruch stehen, ist angesichts der Koalitionsgespräche nur ein Nebenschauplatz.

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