Nach Pager-Explosionen zeigen sich wieder anti-israelische Ressentiments

Die Geräte flogen tausendfach fast gleichzeitig in die Luft. Inzwischen besteht kaum ein Zweifel daran, dass Israel hinter der Attacke steckt. Im Netz wird um die Deutungshoheit gekämpft. Während die einen den Vorgang als operative Meisterleistung der Israelis gegen islamische Terroristen bejubeln, sind andere entsetzt.

IMAGO / ABACAPRESS

Der 7. Oktober 2023 ist als größtes Versagen in die Geschichte der israelischen Sicherheitskräfte und Geheimdienste eingegangen. Seitdem haben Schabak, Mossad und Co. jedoch einiges dafür getan, ihren Ruf wiederherzustellen. Dazu gehört die erfolgreiche Ausschaltung des hochrangigen Hisbollah-Terroristen Fuad Schukr Ende Juli in Beirut, kurz darauf die Eliminierung von Hamas-Chef Ismail Hanija in Teheran – und nun die massenhafte Explosion von Hisbollah-Kommunikationsgeräten, sogenannten Pagern, im Libanon.

Die Geräte flogen am Dienstagnachmittag tausendfach mehr oder weniger gleichzeitig in die Luft. Am Mittwoch sprach Gesundheitsminister Firas Abiad von etwa 2.800 Verletzten und 12 Toten. Ihm zufolge klagen die Betroffenen vor allem über Schäden im Gesicht, den Augen und an den Händen. Videoaufnahmen und Zeugenberichte weisen auf teils chaotische Zustände in den Hospitälern hin. Das Krankenhaus der Amerikanischen Universität in Beirut teilte am Dienstagabend mit, es sei nicht mehr in der Lage, weitere Verletzte aufzunehmen.

Lässt Deutschland Israel im Regen stehen?
Inzwischen kann kein Zweifel mehr daran bestehen, dass Israel hinter der Attacke steckt. Die bis dato vorliegenden Berichte legen nahe, dass die israelischen Dienste mit ihren Helfern Lieferungen der Geräte für die Hisbollah abgefangen und mit Sprengstoff präpariert haben müssen, der sich aus der Entfernung simultan zur Detonation bringen ließ. Die Geräte sollen von der taiwanesischen Marke Gold Apollo stammen. Firmenchef Hsu Ching-kuang zeigte am Mittwoch allerdings mit dem Finger nach Ungarn. Dort produziere ein Unternehmen mit einer Markenlizenz von Gold Apollo entsprechende Pager, sagte er. Es gibt aber auch eine naheliegendere Erklärung: Diese Geräte verfügen über Lithium-Ionen-Batterien, die sich bei Erhitzung selbst entzünden und extreme Hitze entwickeln. Möglicherweise hat der Mossad die Geräte angegriffen, den Befehl zu einem intensiven Programmlauf eingegeben und so die Geräte zur Selbstzerstörung veranlaßt – mit grauenhaften Folgen. Hinweis darauf ist, dass manche Terroristen ihre sich erhitzenden Geräte noch schnell weggeworfen haben.

Unklar ist, was Israel mit der Aktion erreichen wollte. Unsicherheit in der Terrormiliz schüren? Die Kommunikation heftig beeinträchtigen? Zahlreiche Hisbollah-Kämpfer außer Gefecht setzen? Zwar hat das israelische Kabinett erst in dieser Woche erstmals seit dem 7. Oktober die Konfrontation mit der Hisbollah in die offiziellen Kriegsziele aufgenommen. Innerhalb Israels drängen verschiedene Faktoren auf eine Invasion im Libanon. Auch in Syrien soll es in den von der Hisbollah besetzten Gebieten zu ähnlichen Vorgängen gekommen sein, die allerdings nicht so sichtbar waren wie im weltoffenen Beirut und Libanon. Jedenfalls ist die Terrororganisation massiv angegriffen und der Lächerlichkeit preisgegeben.

Der Druck ist groß, weil die Hisbollah seit dem 8. Oktober fast ununterbrochen Raketen auf Israel schießt und die Grenzregion damit entvölkert hat. Allerdings scheint unwahrscheinlich, dass die Pager-Aktion zum jetzigen Zeitpunkt als Auftakt für einen vollständigen Krieg im Norden intendiert war. Der israelische Journalist Barak David berichtete am Mittwoch vielmehr, Israel habe die Attacke jetzt ausgelöst, weil es befürchtete, die Hisbollah könnte demnächst hinter den Plan kommen.

Wie dem auch sei: Im Netz ist jedenfalls längst ein Kampf um die Deutungshoheit ausgebrochen. Während die einen den Vorgang als operative Meisterleistung der Israelis gegen islamische Terroristen bejubeln, sind andere entsetzt. Die ARD-Journalistin Annette Dittert, eigentlich Expertin für das Vereinte Königreich, schrieb bei X, es handle sich um eine „wahllose Attacke“, die „jeden hätte töten können“. So etwas habe man früher als „Verbrechen“ bezeichnet.

Die frühere Sprecherin des Auswärtigen Amtes, Sawsan Chebli, schrieb, ebenfalls in dem Sozialen Netzwerk: „2.750 Verletzte und 9 Tote durch Pager-Explosionen im Libanon. Sehe ich richtig, dass deutsche Journalisten das feiern?“ Die woke Autorin Jasmin Kuhnke, auch bekannt als „Quattromilf“, verglich den Vorgang sogar implizit mit dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober: Den hätten Journalisten verurteilt, während sie jetzt jubelten.

Derweil ließ uns Whistleblower Edward Snowden wissen, was Israel getan habe, sei „rücksichtslos“ und „von Terrorismus nicht zu unterscheiden“. Von einem „massiven Terroranschlag“ und einer „brutalen Eskalation der Gewalt“ sprach auch die grüne Vizeregierungschefin von Belgien, Petra De Sutter. Sie rief nach einer internationalen Untersuchung. Bei X teilen unterdessen massenhaft Nutzer eine gleich lautende Behauptung, wonach „die Zionisten“ auch Ärzte und Krankenschwestern ins Visier genommen hätten.

Das eine ist, ob man eine derartige unkonventionell Anti-Terroraktion generell für ungerechtfertigt hält. Das kann man natürlich tun, wobei man damit schnell in naives Fahrwasser gerät und die lebensbedrohlichen Realitäten verkennt, unter denen Israel operieren muss. Zumal zu beachten ist, dass die Hisbollah ihrerseits immer wieder Attentatsversuche innerhalb Israels unternimmt. Etwas anderes ist die konkrete Kritik, der Angriff habe große Kollateralschaden mit sich gebracht. Wurden durch die israelische Aktion also massenhaft Zivilisten gefährdet und verletzt?

Folgenloses Betätigungsverbot?
Bericht: Hisbollah akquiriert weiter fleißig Spenden in Deutschland
Tatsächlich gibt es Berichte über zivile Opfer. Der britische Journalist Edmund Bower zum Beispiel zitiert einen Arzt aus Beirut mit den Worten: „Hier herrscht Chaos. Es sind nicht nur Männer. Auch Frauen und Kinder. Das ganze Gesicht einer Frau ist entstellt.“ Das libanesische Nachrichtenportal „L’Orient Today“ zählte am Mittwochvormittag drei zivile Tote, darunter ein Mädchen, ein Junge und eine Krankenschwester. Bei dem Mädchen soll es sich um die Tochter eines Hisbollah-Mitglieds handeln.

Aber ist das ein Massenphänomen? Bislang liegen keine Berichte vor, die dies belegen würden. Alles deutet darauf hin, dass die betroffenen Pager speziell solche der Hisbollah waren, der Angriff insofern gezielt erfolgte. So etwa die Informationen zu den Verletzten, die der libanesische Gesundheitsminister am Mittwoch bekannt gab: Demnach kommen die Geschädigten nämlich aus dem Südlibanon, aus Beirut und aus der Bekaa-Ebene im Osten des Landes – es sind die drei Hochburgen der Schiiten-Miliz. Zudem wurden Explosionen aus Syrien gemeldet, wo die Hisbollah ebenfalls präsent ist. „L’Orient Today“ hat bereits acht der zwölf Todesopfer als Hisbollah-Mitglieder identifiziert.

Sind gleichwohl durch die Explosionen womöglich viele Umstehende gefährdet worden? Dafür gibt es keine Belege. Zwei Videos, die den Moment der Detonation zeigen, kursieren im Internet. Auf beiden ist zu sehen, dass die Explosionen zwar massive Verletzungen an der den Pager tragenden Person verursachen konnten. In beiden Fällen befanden sich in unmittelbarer Nähe auch andere Menschen. Die Aufnahmen legen jedoch nahe, dass diese mit dem Schrecken davon gekommen sind.

Für im Netz kursierende Gerüchte, wonach durch den Angriff auch Pager explodierten, die von ganz normalen Menschen etwa aus dem Gesundheitssystem genutzt wurden, gibt es ebenfalls keine Beweise. Der libanesische Gesundheitsminister sprach am Mittwoch zwar von betroffenem medizinischem Personal. Die Lage ist jedoch kompliziert. So berichten libanesische Medien von einem Arzt, der getötet wurde. Der Mann arbeitete demnach im Al-Rassul Al-Aazam-Krankenhaus – einer Einrichtung der Hisbollah.

Alle diese Ausführungen zeigen: Schnell herausgehauene Israel-Kritik von Journalisten, linken Politikern und woken Aktivisten ist der Lage völlig unangemessen. Sie basiert nicht auf Fakten, sondern lässt sich im Zweifel mit tiefsitzenden anti-israelischen Ressentiments und Affekten erklären. Sowieso gilt stets: Mit Kritik an Israel sollte man sich in den gemütlichen Redaktionsstuben und Politikerbüros des Westens gelegentlich einfach zurückhalten. Weil die meisten nicht einmal im Ansatz begreifen, in welcher Lage sich dieses Land befindet.

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Kommentare ( 72 )

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Fatmah
1 Monat her

Die Aktion ist zwar natürlich Grenzwertig aber immerhin hat es Israel auch mit einem fiesen Gegner zu tun, der nicht davor zurückschreckt, junge Frauen und Männer beim Feiern auf grausamste Weise zu ermorden nur weil sie Juden sind. Junge Frauen entführt und wie Schlachtvieh vorgeführt, wofür auf den Straßen Süßigkeiten verteilt wurden.
Solche Leute und ihre Symphatisanten müssen eliminiert werden, da ist jedes Mittel Recht.
Auf Berlins Straßen dürfen diese Barbaren ganz offiziell ihren Hass kund tun, die Polizei beschützt sie dabei auch noch. Das ist sooo widerlich.

joly
1 Monat her

Wenn man mit einem bisschen Sprengstoff(ein paar Gramm)derartig versteckte Bomben basteln kann – nicht nur an Pagern – dann ist Mensch weltweit gefährdet. Jetzt weiß jeder Verrückte, dass er praktisch auch in jedem Brathähnchen, in jedem Burger, in jedem Ei- auch das Kinderüberraschungsei oder in einem Schmusetier solche Bömbchen anbringen kann. Auslöser eine Erschütterung, oder sonstiger Druck oder Stoß. Bin gespannt wann die ersten Überraschungen per Post oder in Discounter verbreitet werden. Anthrax = Milzbrand lässt grüßen.

DeppvomDienst
1 Monat her

Besorgt frage ich heute morgen eine türkische Teilzeit- Assistenzärztin, warum sie nicht nur, wie sonst üblich, im von Kopf- bis Fuß verschleiertem muslimischen Ornat zum Dienst erscheint, sondern ganz in Schwarz den älteren Patienten Angst macht. Aus Solidarität und Trauer um die Opfer des israelischen Terroranschlages, bekomme ich zur Antwort. In den Niederlanden, wo sie wohnt, wären lange Ärmel etc. sogar in Weiß nicht erlaubt, daher arbeitet sie jetzt hinter der Grenze in Deutschland, wo Hygieneregeln nur für Andere gelten und ihre politischen Ansichten offen geäußert werden können. Auch Schwarz als Grundfarbe ist im Krankenhaus nicht zulässig, sei hierbei angemerkt.… Mehr

Schwabenwilli
1 Monat her

Es ist egal was sie machen für den muslimischen Libanesen sind sie schon der Feind wenn sie eine andere Religion haben. Ein friedliches miteinander ist da nicht vorgesehen.

SB
1 Monat her

Ich geb’s zu, ich gehöre in diesem Fall zur „Jubler-Seite“. Nicht, weil ich Israel besonders mag, sondern weil es in meinen Augen die Richtigen getroffen hat: Den militanten Arm einer dämonischen Terrorsekte, deren Endziel nach wie vor in der Unterwerfung des gesamten Planeten liegt. Leider Gottes schafft sie es immer wieder, dies der islamverliebten linken Journaille als Beitrag zum Weltfrieden zu verkaufen. Wie mit jeder anderen revolutionären Macht ist auch ein „Frieden“ mit dem Islam immer ein Frieden auf Zeit, solange bis sich die Machtverhältnisse ändern. Dabei ist es unerheblich, ob der unvermeidliche Coup in Form eines Einwanderungsjihad „normaler“ Muslime… Mehr

joly
1 Monat her
Antworten an  SB

Jeder tote Terrorist ist ein Mörder weniger. Wenn sich ein Volk einer Terrorbande unterwirft und mit ihr kooperiert wie die Palästinenser und Libanesen, dann sind Kollateralschäden quasi mitakzeptiert. Wir Deutschen sind ja auch kollateral mitverantwortlich gemacht worden, weil wir uns dem NS-Regime unterworfen haben. Wenn also ein Hisbollah-Arzt in einem Hisbollah Krankenhaus Terroristen wieder mordfähig macht – da ist mein Mitgefühl bei Null. Schade dass man das nur einmal machen kann. Hisbollah und andere Terrorgangs haben nun die Wahl: Smartphone mit Tracking oder Buschtrommel und Vergleichbares. Und liebe Eltern lasst eure Kinder nicht mit eurer Elektronik/Smartphones spielen. Messer, Gabel, Scheer… Mehr

Fatmah
1 Monat her

Die hinterhältigen Rassisten, die Süßigkeiten verteilen wenn Andersgläubige ermordet werden, tun mir nicht Leid. Diejenigen die sich jetzt plakativ empören, sind dieselben, die für den feigen Massenmord am 7.Oktober 23 die israelische Armee verantwortlich machen weil die „geschlafen habe“.
Pfui Teufel !

joly
1 Monat her
Antworten an  Fatmah

9 – 11 nicht vergessen. Damals sind viele bestintegrierte Türken mit Süßigkeiten auf die Straßen gegangen. Das sollten wir nie vergessen.

Fatmah
1 Monat her
Antworten an  joly

Ja aber da wurden auch Fake Meldungen verbreitet, ich kenne persönlich keinen einzigen Menschen der 9/11 auf irgendeine Weise gut fand. Außer vielleicht ein paar Grünenwähler.

chino15
1 Monat her

Mein Mitleid mit den Hisbollah-Terroristen und deren Unterstützern hält sich in Grenzen. Mich beunruhigt etwas ganz Anderes: Kann man diese Attacke als Vorwand nutzen, um die Mitnahme von Handys und Laptops in Flugzeugen grundsätzlich zu verbieten? Wir wissen alle, dass gewisse Kreise jede sich bietende Gelegenheit, unsere Freiheit einzuschränken und insbesondere das Fliegen unattraktiver zu gestalten, nur allzu gern nutzen würden.

Neuheide
1 Monat her

Israel hat sich auf die Seite des Gegenterrors begeben.
Ob man das gut oder schlecht findet,hängt von der Seite der Betrachter ab.
Aber Fakt ist,das Israel auf dem weg des Gegenterrors eingeschlagen ist.

Die Frage nach dem Sinn dieser Aktion,muss ich an Nethanjahu denken,der kurz vor seinem Ableben völligst freizudrehen scheint.
Ein weiteres Beispiel der Manipulationsmedien die komplett auf Hass und Gift umgeschaltet haben,anstatt auf Diplomatie und Friedenswille…

Meine Frage,wer profitiert davon,die Lunte am Pulverfass überall auf der Welt gezündet wird?

Endlich Frei
1 Monat her

Da habe ich jetzt auch wieder unheimlich Mitleid, wenn so einem „Hisbollah-Kämpfer“ das Funkgerät oder der Pager um die Ohren fliegt. Wohlmöglich noch, wenn er gerade seine Waffe auf unschuldige Opfer anlegt…

Nicolai94
1 Monat her
Antworten an  Endlich Frei

Diese Dinger explodieren zu selben Zeit ohne überprüfen zu können, wer Opfer der Explosion wird. Israel nimmt dabei billigend unschuldige Opfer in Kauf. Wer so vorgeht, hat den Boden der Rechtsstatlichkeit verlassen.

Rainer Schweitzer
1 Monat her

„Unklar ist, was Israel mit der Aktion erreichen wollte. Unsicherheit in der Terrormiliz schüren? Die Kommunikation heftig beeinträchtigen? Zahlreiche Hisbollah-Kämpfer außer Gefecht setzen?“ Im Zweifel alles zusammen. Nun sind anscheinend auch noch Hunderte Walkie-Talkies gleichzeitig explodiert, mit weiteren Toten und Verletzten. Kein Zweifel, das ist die genialste israelische Geheimdienstoperation seit Jahrzehnten. Die unmittelbarsten Folgen dürften sein: Die operative Kommunikation der Hisbollah ist praktisch ausgeschaltet. Denn Mobiltelefone sollen sie ja schon länger nicht benutzen, aus guten Gründen. Tausende Hisbollah-Leute sind verletzt. Die medizinische Notfallversorgung im Libanon ist blockiert. Würden Hisbollah-Kämpfer neu verletzt werden, könnten sie kaum versorgt werden. Das israelische Militär… Mehr