„Bubatz“ trendete am Sonntag auf Twitter. Für alle, die nicht Bob Marley hören, noch nie gekifft haben oder auf einem Konzert von Jan Delay waren, dürfte der Begriff neu sein: Es ist Slang für einen Joint. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte den Begriff in einem Tweet benutzt, um für die Legalisierung von Cannabis zu werben. Tina Hassel hatte es im Sommerinterview aufgegriffen und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gefragt, „wann Bubatz legal?“. Der hatte – wie immer – geantwortet, ohne sich auf eine Richtung festzulegen.
Hype. Ein Trend auf Twitter. Die Chance, im Mittelpunkt zu stehen. Es dauerte keinen ganzen Tag, bis Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den salzfreien Rotwein stehen ließ und sich in die Debatte mischte: „Die Vorbereitungen laufen auf Hochtour. Der ,Bubatz-Konsum` soll legal und sicherer werden“, schrieb er auf Twitter. Für Erwachsene solle also Cannabis freigegeben werden, für Kinder und Jugendliche nicht.
Eine Zwischenbemerkung Lauterbachs deutet das Dilemma an, in das die Ampel durch die Freigabe gerät: Durch die Legalisierung werde der Konsum „aber nicht zunehmen“, verspricht der Minister. Auf welcher Grundlage er diese Aussage trifft, steht da nicht. Vermutlich bestätigen das internationale Studien und falls nicht, finden sich gerade irgendwo zwei Testpersonen zusammen, um eine passende Studie zu erstellen.
Ganz ohne Ironie: Die Behauptung, der Konsum werde durch die Legalisierung nicht zunehmen, ist notwendig. Gar nicht mal so sehr wegen der Cannabis-Debatte selbst. In der Klientel der Ampelparteien braucht es keine Überzeugungsarbeit mehr. Und wenn sich die Konservativen über die Legalisierung aufregen, schmeckt der politische Sieg für das linke Klientel nur umso süßer. Doch die Entscheidung rührt tiefer, berührt ein Verständnis von Gesundheitspolitik, das in Deutschland zur Staatsräson, zum Staatszweck geworden ist.
Nach dieser Vorstellung hat der Staat die Pflicht – und das Recht – , die Gesundheit seiner Bürger zu schützen. In einer Güterabwägung sei diese Aufgabe sogar höher einzuschätzen als Grundrechte wie: nachts das Haus verlassen dürfen, ein Restaurant betreiben dürfen, eine Kneipe besuchen dürfen, Schulbildung wahrnehmen und so weiter. Es gebe Entscheidungen, die treffe man nicht alleine, drückte Bundeskanzler Scholz dieses Staatsverständnis aus, als er im Frühjahr die geplante allgemeine Impfpflicht rechtfertigte. Ob sich jemand einen auf Gentechnologie basierenden Impfstoff spritzen lässt, ist für den Regierungschef demnach keine individuelle Entscheidung – sondern das Kollektiv beschließt, ob er es tun muss oder nicht.
In diesem Staatsverständnis ist eine Legalisierung von Cannabis deutlich schwerer zu argumentieren. Zumal der Staat – schon lange vor der Ampelkoalition – in allen anderen Bereichen der Suchtpolitik in die andere Richtung gegangen ist. In die Richtung, in der Vater Staat seinen Kinderchen sagt, was sie dürfen und was nicht. Mit absurden Folgen: Wer heute in einer Kneipe mit einem Spielautomaten spielen möchte, muss sich ausweisen, Pausen des Automaten abwarten und darf höchstens 10 Euro auf einen Schlag einwerfen.
Derzeit verhandelt Justizminister Marco Buschmann (FDP) mit Lauterbach darüber, wie es weitergeht. Mit der Coronapolitik und mit weiteren möglichen Pandemien. Es geht um nicht weniger als die Frage: Wie viel darf ein Erwachsener noch für sich selbst entscheiden? Das ist eine undankbare Aufgabe für den Liberalen. Sie wird begleitet von den Staatssendern ARD und ZDF, denen die Einmischung des Staats ins Private gar nicht weit genug gehen kann. Die wie ihr Jugendformat Funk den Bürger wie Kinderchen sogar dazu animieren, ruhig das Pipi in die Dusche laufen zu lassen, weil sich so das Klima retten lasse.
Bei psychisch vorbelasteten Menschen können auf Cannabis basierende Drogen zu schweren Folgen führen. Wenn in dem Bereich nun gilt: macht nix, wird schon nix passieren, im anderen Bereich aber gleichzeitig gelten soll, dass keiner seine Entscheidungen für sich allein treffen könne, würde das die Glaubwürdigkeit belasten: die Glaubwürdigkeit der Ampel. Und die von ARD und ZDF – falls diese die Politik der Regierung publizistisch mittragen sollten.