Armin Laschet scheitert an seinem ungeklärten Verhältnis zur Kanzlerin

Die Redeschlacht bei RTL wurde überschattet von der nicht anwesenden Kanzlerin. Armin Laschet will den Aufbruch – aber ohne Bruch mit Angela Merkel. Damit bremst er sich selbst aus. Von Mario Thurnes

picture alliance/dpa/dpa Pool | Michael Kappeler

Armin Laschet ist kein ungeschickter Tölpel. Auch wenn er in diesem Wahlkampf mitunter so erscheint und medial zunehmend so dargestellt wird. Wer wie er Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen geworden ist, muss etwas können und über Talente verfügen. Er hat sich in der Landespartei durchgesetzt, eine beliebte Amtsinhaberin im Wahlkampf geschlagen und sich danach in der Hierarchie der Bundespartei behauptet.

Doch der Wahlkampf ums Kanzleramt läuft gegen Laschet. Stimmen die Umfragen, hat er in wenigen Wochen über zehn Prozentpunkte verspielt und droht entgegen allen Erwartungen hinter Olaf Scholz zu landen. Im Triell zeigte der Kandidat der Union zwar, dass er sich in Debatten halten kann. Aber der Auftritt bei RTL ließ auch erkennen, dass Laschet ein Problem mit sich herumschleppt: die Kanzlerin.

Deutschland ist reformbedürftig. Das ist keine Aussage eines Kritikers. Das ist das Fazit, das die Amtsinhaberin in ihrem letzten Sommergespräch mit den Medien selbst zog. Ansatzpunkte für die Opposition sind also reichlich vorhanden.

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Wie das funktioniert, zeigte Annalena Baerbock im Triell: Die Kandidatin der Grünen attackierte etwa das konfuse Handeln von Ministern der SPD und der Union während der Machtübernahme der Taliban. Dabei ging unter, dass die Grünen den Einsatz 2001 zusammen mit der SPD beschlossen hatten und dass die Grünen noch stets für die Minderung der Militärausgaben waren und so einer effektiven Bundeswehr im Weg stehen. Trotzdem einfach mal meckern? Ja. Opposition darf das.

Opposition trägt keine Verantwortung. Wenn es dann schief läuft wie im Falle Afghanistans, dann geht das mit der Regierung nach Hause. Auch darf die Opposition Maximalforderungen aufstellen. Gäbe die große Koalition drei Fantastillarden für den Klimaschutz aus, würden die Grünen mindestens vier Fantastillarden verlangen.

Laschet zeigte sich beim Triell mit dem deutschen Krisenmanagement in der Causa Afghanistan wie Baerbock unzufrieden. Doch er musste herausarbeiten, dass die Fehler nicht von den Leuten in der Union kommen, die er als Regierungschef noch brauchen würde. Und dass er es hasse, wenn Bürokraten bürokratisches Gezerre höher schätzen als effektives Eingreifen.

Doch damit diese Aussage Sinn ergibt, dafür hätte Laschet die Kanzlerin angreifen müssen. Denn Aufgaben auf den Dienstweg zu schicken oder in Arbeitskreisen darben zu lassen, prägt den Regierungsstil Angela Merkels. So ist es zu dem Reformstau gekommen, den sie in den Sommerinterviews selbst anerkannt hat. Aber das würde Armin Laschet nie aussprechen. Kritik an der Kanzlerin ist für ihn tabu.

Zum einen schielt Laschet auf die Wähler, die Merkel gut finden. Zum anderen braucht er ihre Anhänger, um sich in der Partei-Hierarchie oben zu halten. Dazu kommt, dass die deutschen Medienlandschaft in großen Teilen der Kanzlerin wohlgesonnen ist. Schwächen ihrer Amtszeit übersehen viele Journalisten selbst dann noch, wenn Merkel diese persönlich zugibt.

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Aber nichts hemmt Laschet mehr als seine Rücksichtnahme auf Merkel. Er würde gerne Dynamik und Aufbruch verkörpern, für einen Neuanfang stehen. Doch er bügelt Nachfragen ab, die ihn daran erinnern, dass dies ein Bruch mit den 16 Jahren Regierungszeit seiner Partei bedeuten würde – sei es, ob dieser Einwand von Journalisten kommt oder wie beim Triell von Baerbock. Laschet will den Aufbruch – aber ohne Bruch.

Olaf Scholz ist klarer als Laschet. Er steht zu der Regierungsarbeit der großen Koalition – auch und gerade, wenn diese vom Unions-Vertreter angegriffen wird. So verläuft die Linie des Vizekanzlers grundsätzlich und sie funktioniert dann besonders gut, wenn sich Laschet in Details verliert. Selten sah Laschet am Sonntag so tölpelhaft aus wie in dem Moment, in dem Scholz daran erinnert, dass es das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung schon gibt, das Laschet gerade gefordert hat.

So kommt es denn zu einer Polarisierung im Triell: Baerbock spricht die Zuschauer an, die nach 16 Jahren Merkel unzufrieden sind. Scholz erreicht die Menschen, die mit der Regierung zufrieden sind oder die sich in Krisenzeiten Kontinuität wünschen – unabhängig davon, wie diese Kontinuität aussieht.

Und wo steht Laschet in dieser Polarisierung? Wie beim Triell: am Rande. Er redet länger als die beiden anderen. Denn er muss mehr erklären, weil seine Linie das „Sowohl als auch“ ist. Doch in dem Gestrüpp aus Haupt-, Neben- und eingeschobenen Sätzen verliert sich jede klare Botschaft, für was denn Laschet nun stehe.

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„Keine Experimente“, „Willy wählen“ oder „Yes we can“ – Wahlkämpfe sind dann besonders erfolgreich, wenn sie sich auf eine simple und einprägsame Botschaft reduzieren lassen. Wer Laschets Botschaft erfahren will, braucht Zeit und ein Schaubild, auf dem er die vielen Nebensätze auseinander nehmen und neu zusammensetzen kann.

Kommt Laschet nicht auf den Punkt, dann kommt er auch nicht ins Kanzleramt. Nicht nur der Trend ist gegen ihn, sondern auch die Zeit. Die Wahl läuft schon. Die ersten Stimmen sind bereits abgegeben. Allerspätestens in zwei Wochen, wenn ARD und ZDF zum nächsten Triell einladen, muss Laschet pointiert sein. Allerdings müsste er dafür die Armin-Frage klären: Sag, wie hältst du es mit der Kanzlerin?

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Kommentare ( 75 )

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Mohikaner
3 Jahre her

Ich befürchte, es muss erst einmal noch schlimmer werden, um dann eventuell (!) wieder besser zu werden. Das macht mir aber auch echt Angst. Allerdings bin ich inzwischen wirklich mental erschöpft von diesem kompletten politischen Irrsinn, in dem wir uns befinden. Es gibt so gut wie keine Entscheidung, die mich nicht entsetzt oder die ich völlig idiotisch und/oder gefährlich finde. Ich habe es einfach nur noch satt und sehne mich nach Veränderung, und es ist mir schon fast egal, in welche Richtung diese Veränderung zielt. Diese FDJ-Sekretärin und ihre Schergen haben dieses Land vollständig zerrüttet und in den Grundfesten erschüttert.

josefine
3 Jahre her

Einen Wahlsieg wird es für Laschet nur dann geben, wenn er sich von Merkel löst. Nur dann nimmt der Wähler ihm eine Rückkehr zur Mitte ab. Die Konservativen sehen jeden Tag aus Frau Merkels Handeln, dass die CDU nicht mehr als konservative Partei in der Mitte der Gesellschaft steht. Sie werden sich von der Partei ab in der sie sich nicht mehr wiederfinden, sie werden zum Nichtwähler, FDP-Wähler oder sogar AfD-Wähler. Und die Mitte löscht sich selbst aus. Herr Laschet darf nicht Frau Merkel nachahmen, er muss mutig sein und konservative Werte vertreten. Links tummeln sich bereits einige Parteien, die… Mehr

Rosalinde
3 Jahre her

Zumindest die einzige Oppositionspartei, nämlich die AfD hätte ebenfalls eingeladen werden müssen. Denn diese haben zu fast allem ein logisches Konzept. Dass die gestiegenen Mieten, welche für Mieter in den Städten wichtig sind, mit den Nullzinsen der EZB und der mit 2,5 Millionen Einwanderern gestiegenen Nachfrage zu tun hat, sollte nicht oft genug gesagt werden.

GrafZahl04
3 Jahre her

Die Lösung von Laschets Problem, war heute Abend in der ARD zu sehen . Lobhudeleien auf Merkel . Gerade der Schlussakte nie wieder wird es ein Kanzler/in für 16 Jahre geben . Stimm ! Die Medien werden kritischer berichten müssen…

Imre
3 Jahre her

Einerseits bin ich der Ansicht, dass Laschet wohl das Geringste aller sonstigen Übel in der Amtsnachfolge ist. Andererseits ist ein Aufbruch ohne Bruch mit Merkel nur ein: Aufbruch – Bruch = auf Jenes „Auf“ kann dann Vieles sein: ein Aufstoßer (Rülpser), ein Aufsteher (wozu), ein Aufschneider (haben wir genug), ein Aufgalopp (wohin), Auftakt, Aufpasser, usw. Also ziemlich unkonkret für einen dringenden Neubeginn, zu armselig vor einer Wahl, wenn keine Richtung angedeutet wird. Wäre es dann nicht gleich besser, eine Art Notstandsregierung aus bekannten Kritikern zu bilden? Dann ändert sich zumindest die grundlegende Richtung. Wäre dann zwar auch keine Wahl im… Mehr

steadyrollingman
3 Jahre her

Erstens: Laschet ist nur MP von NRW geworden, weil die Wähler das unbeliebte Duo Kraft/Löhrmann loswerden wollten. Zweitens: Laschet ist stets auf der Schleimspur Merkels gekrochen. Wie soll er sich jetzt daraus befreien?

MaGi
3 Jahre her

Grün, Rot und Schwarz sind seit langem und speziell wegen Frau Merkel personell am Ende. Die Politik der etablierten Parteien ist mittlerweile ausschließlich kompetenzfern und karrierenah orientiert. Eliten, Vordenker und Kreative – so wie es sie in der freien Wirtschaft noch gibt – halten sich schon seit langem mit Grausen von der Politik fern. Leute mit dem Format eines Herrn Tichy müssten Ministerrang erhalten, wir hätten in Deutschland noch genug davon. Solange es uns nicht gelingt, solche Formate führend in der Politik zu platzieren, geht es weiter bergab – es tut wohl noch viel zu wenig weh. Die nächste Regierung… Mehr

Kuno.2
3 Jahre her

Noch ist er ja nicht gescheitert, der Herr Laschet.
Aber der Söder, den wünsche ich mir am allerletzten als Kanzler.
Der schüttet die Impfpflicht irgendwann aus dem Ärmel, ohne daran zu denken dass dann der Staat für die Impfschäden aufkommen müsste.
Bis jetzt ist das ja Privatsache. Die Impfstoffhersteller sind außen vor, da Notverordnung und die Ärzte können sich auf die Meinung der Ärztekammer und der Regierung berufen.
So bliebe eigentlich nur der Laschet übrig, weil der Friedrich Merz sich immer noch nicht klar erklären konnte und nur unverbindlich herum eierte.

Berlindiesel
3 Jahre her

1) Bearbock spricht nicht die an, die mit der Arbeit der GroKo unzufrieden sind. Sie spricht für die, die nur mehr von allem wollen, was Merkel ohnehin tat. Wo die Union den Leuten das Autofahren so austreiben will, indem sie es unbezahlbar für die Masse macht, will Bearbock den Autoverkehr gleich ganz verbieten. Daher irrt der Autor hier fundamental: Die Opposition gegen Merkel kommt von RECHTS. Kann es sein, dass Herr Thurnes das überhaupt nicht gefällt? 2) Richtig ist seine Darstellung von Scholz. Mit ihm ginge es wie unter Merkel weiter. Doch ist das populär? Das würde ich nur dann… Mehr

imapact
3 Jahre her

Ein Neustart kann wohl wirklich nur dann erfolgen, wenn die Union eine krachende Niederlage einfährt und viele ihre wohldotierten Pöstchen und Pfründe verlieren.
Inwieweit die Wähler dies wirklich in der Masse honorieren, bleibt allerdings die Frage, wenn man sich die Umfragen ansieht… denn zur AfD wandern die Wähler ja offenbar nicht ab. Heute hat die CDU ein neues „5-Punkte-Programm“ angekündigt, dessen Rangliste das leidige Klimathema anführt. Man imitiert also nach wie vor die Grünen, während beispielsweise die Frage, wie man ein zweites 2015 verhindern will, das sich gerade anbahnt, konsequent meidet.