Abschied mit wenig Würde: Tschö mit Ö, Kevin Kühnert

Kevin Kühnert durfte ein letztes Mal im Bundestag reden. Die Platzierung des ehemaligen Generalsekretärs zeigt, wie tief er in der SPD gefallen ist. Und die Rede, wie verzichtbar er für die Politik ist.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

35 Jahre und schon Frührentner. Kevin Kühnert hat sich aus der Politik verabschiedet. An diesem Dienstag hielt er seine vorerst letzte Rede im Bundestag. Er hat eine rasante Karriere hinter sich: vom frechen Juso-Vorsitzenden mit den abgedreht linken Vorschlägen über den Talkshow-König bis hin zum Generalsekretär der Partei Willy Brandts. Und wieder zurück. Nachdem er Kanzler Olaf Scholz einmal zu oft kritisiert hatte, musste Kühnert zurücktreten – also weil er krank ist, offiziell.

Nun lässt ihn die SPD in der letzten Debatte des Bundestages noch einmal sprechen. Nicht als Erstes – da kommt Scholz. Auch nicht als Zweites – da ist Lars Klingbeil dran, der an Kühnert in der Parteihierarchie locker vorbeigezogen ist. Kühnert muss warten – bis zum Schluss. Zu der Zeit, als schon die vielen Fraktionslosen des Bundestages dran sind.

Noch vor Kühnert ist Parteifreundin Lina Seitzl an der Reihe. Und Axel Schäfer. Der saß über 20 Jahre im Bundestag. Damit jemand das merkt, legte sich Schäfer ein Erkennungszeichen zu: einen roten Schal. Rot, weil er bei der SPD ist und deren Farbe ja Rot ist. Verstanden? Riesengag. Schäfers Rede zeigte noch einmal, dass er eine kaum zu schließende Lücke hinterlässt. Es sei denn, jemand anderes kauft sich einen roten Schal. Dann wäre die Lücke natürlich perfekt geschlossen.

Apropos geschlossen. Kühnert muss warten. Zwischendrin muss er sich von Scholz kameratauglich privat verabschieden lassen. Der Kanzler schüttelt die Hand des geschassten Junggenerals und klopft ihm demonstrativ auf die Schulter. Ja, wenn man vorzeitig aufgibt, muss man hässliche Bilder über sich ergehen lassen, bis man seine Gnadenrede erhält. Vorher spricht noch der fraktionslose Stefan Seidler.

Oder Robert Farle. Die anderen lachen schon, wenn dieser Fraktionslose ans Mikrofon geht. Kühnert muss ihn geduldig abwarten. Farle spricht darüber, wie Markus Söder Friedrich Merz „ans Bein pinkelt“. Der Kontext ist ein bisschen schwer zu verstehen. Kühnert kann es versuchen – er muss ja warten. Kevin Kühnert geht in die Geschichte ein – als der Mann, der nach Robert Farle redete.

Jetzt ist es so weit: Kühnert möchte über „die Verantwortung vor der Geschichte“ reden. Die sei dem 35-Jährigen in seiner langen Karriere am wichtigsten gewesen. Wie praktisch, dass er nun selbst in genau diese eingeht. Kühnert möchte über Michel Friedman sprechen. Leider nicht über dessen Party-Geschichte. Das wäre vielleicht noch unterhaltsam geworden. Nein. Wie Friedman ist Kühnert gegen das „Zustrombegrenzungsgesetz“ der Union. Badauz. Das hätte ja jetzt niemand gedacht. Da hat es sich doch gelohnt, noch einmal Robert Farle zuzuhören, bevor die Reihe an Kevin Kühnert war. Bliebe noch, dem 35-Jährigen die historischen Worte mit auf den Weg zu geben: Tschö mit Ö.

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Kommentare ( 55 )

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Nibelung
1 Monat her

Er ist einer der klassischen Vetreter von links die mit Plattitüden sich nach dem Prinzip Zufall in höchste Kreise angedient haben und die zu dumm waren sich dessen Fähigkeiten aus einem guten Hintergrund erwachsen zu versichern und das ist bei den Sozis nahezu Standard, egal mit welcher Farbe sie angemalt sind. Damit setzen zerstörerische Kräfte ein, und war es früher noch allgemein üblich, daß man sich über Qualifikation hochdienen mußte, so gehen sie heute den kürzeren Weg der Beliebigkeit und wenn man die ganzen Gestalten so beobachtet kann einen das nackte Grausen überfallen, mit welchen Koryphäen wir mittlerweile ausgestattet sind… Mehr

Ralph Martin
1 Monat her

Das Land Adenauers, Brandts, Schmidts und Kohls wird sich immer der Politikergeneration Kühnerts erinnern, die symbolisch für den Niedergang stehen.

Hulk
1 Monat her

Die Welt der SPD steht ihm offen: Intendant eines ÖR-Senders, Friedrich-Ebert-Stiftung, UN-Organisation, irgendwas mit Europa.

Epouvantail du Neckar
1 Monat her

Die Platzierung des ehemaligen Generalsekretärs zu Miersch steht aber nichts mit dessen „eingetragenen Lebenspartnerschaft“ im Zusammenhang-man wird ja einmal fragen dürfen?

Contra Merkl
1 Monat her

Kühnert geht aus dem einfachen Grund, weil er die krachende Wahlniederlage kommen sieht und dafür keine Verantwortung übernehmen will. Wie beim Studium auch, sich den Platz erst einklagen aber dann doch nichts machen. Wenn es kompliziert wird räumt Kevin einfach vorher den Platz, so sieht Verantwortung übernehmen in der Politik aus. Für den wird es wie für Frau Merkel einen Wohlfühlplatz geben.

Rachel
1 Monat her

Der kommt wieder – wetten ?
Oder bleibt direkt in den Talkshows, wie Lang…..

Last edited 1 Monat her by Rachel
Robert Tiel
1 Monat her

Wird bei Eintracht Frankfurt nicht noch ein Zeugwart gesucht…?

Michael Palusch
1 Monat her

„Wie Friedman ist Kühnert gegen das „Zustrombegrenzungsgesetz““
Einen Unterschied dürfte es bei diesen Thema zwischen den beiden dennoch geben.
Während Kühnert vor allem den Nahe Osten und Afrika im Blick haben dürfte, liegt Michel Friedman wohl eher das besondere Schutzbedürfnis von Osteuropäern am Herzen, vor allem derjenigen, die weiblich und Anfang 20 sind.

Last edited 1 Monat her by Michael Palusch
wackerd
1 Monat her

Kann man es Kühnert verdenken, wenn er wie hunderttausend andere das System so nutzt, dass es ihm maximal nutzt, also ausnutzt. Vielleicht kann man ihm moralische Integrität absprechen, aber ökonomisch? Nicht anders als der ewige Hartzer, der schmauchend auf der Couch sitzt und sich lobt, wie schlau er doch ist („Arbeit ist für andere da“) und wie blöd „der Staat“ ist, so eine bezahlte Faulheit mitzumachen. Parteikollege Heil: “ ..den Schwachen auf Augenhöhe begegnen…auf Freiwilligkeit setzen..“.

Vati5672
1 Monat her

Das Positive sehen!
Die SPD wird von 205 Sitzen auf rd. 125 Sitze geschrumpft.
a. Wegen massiver Stimmenverluste von 25,7 auf rd. 16% (rd. 35% Verlust),
b. Wegen Parlamentsverkleinerung.