Bleibt Wegners Berlin die deutsche Hauptstadt – oder wird Kreuzberg Kapitale?

Wegner hat Berlin im Wahlkampf eine andere Politik versprochen, als die, die er jetzt macht. Offensichtlich will er nur noch Bürgermeister von Berlin-Kreuzberg sein. So kann es kommen – nicht nur in Berlin.

IMAGO

Wenn man Kai Wegner zuhört, fällt es schwer zu glauben, dass er nicht den Grünen, sondern der CDU angehört, auch wenn es schwarz auf weiß geschrieben steht, obwohl das Schwarz Grünspan angesetzt hat. Jedenfalls verkauft Wegner im Tagesspiegel-Interview mit dem Charme eines Versicherungsvertreters grüne Ideologie als Konservatismus. Gefragt, was Konservatismus denn sei, hat er nur die Antwort parat: Pragmatismus, also opportunistisches Zeitgeistsegeln. Keine Substanz, dafür aber viel Gespür für den Wind und dafür, woher er weht.

Da trifft es sich sehr gut, dass Berlin sich mit Feingefühl für den richtigen Termin um die Olympischen Spiele 2036 bewirbt. Man hat ja sonst wenig zu feiern. Berlins Finanzlage ist prekär, doch will sich Berlin nicht nur Olympia leisten, denn so Wegner: „Olympia kann auch ganz viel Geld einbringen.“ Da säuselt ganz der Versicherungsvertreter, der einen Bausparvertrag mit traumhaften Konditionen feilbietet, und über das Kleingedruckte mit der Bemerkung hinweggeht: „Wir müssten auch nicht so viel neu bauen. Wir haben in Berlin schon eine sehr gute Infrastruktur …“ Stimmt, wer auf den öffentlichen Nahverkehr, auf S- und U-Bahn, in Berlin angewiesen ist, oder wer das Auto nimmt und nicht das Fahrrad, weiß, wie gut die Berliner Infrastruktur funktioniert.

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Natürlich ist Wegner nicht auf die S-Bahn angewiesen, sonst würde er nicht auf die Idee verfallen, dass man den LKW-Verkehr aus der Stadt bekäme, wenn die S-Bahn auch den Güterverkehr in die Stadt und in der Stadt übernähme. Und da die S-Bahn ja genügend Reisende hat, können die ja alle mitanpacken, um die Güter vom Bahnsteig die Bahnhofstreppen hinunter und an den Bestimmungsort zu bringen. Ein Logistik-Partner für das Projekt soll sich allerdings noch nicht gefunden haben. Da wird man wohl bei den Subventionen noch etwas nachbessern müssen.

Doch da könnte man doch ein kleines Sonderprogramm schnüren und an der Schuldenregel des Grundgesetzes und an dem Berliner Schuldenbremsengesetz vorbei führen. Denn Sondervermögen sind nur Schulden, die als Sonderschulden nicht mehr der Schuldenbremse des Grundgesetzes unterliegen, also im Klartext ein Schattenhaushalt – und in diesem Fall im wahrsten Sinne des Wortes eine schwarze Kasse. Und eine schwarze Kasse, grün ausgelegt, hat Kai Wegner schon als Sondervermögen „Klimaschutz, Resilienz und Transformation“, das 5 Milliarden Euro betragen soll, aber gern auch 10 Milliarden kosten darf. Ob 5 Milliarden oder dann doch nur 10 Milliarden Euro will man spätestens Ende 2026 entscheiden, weil man dann erst wissen wird, ob man mit den 10 Milliarden auskommt.

Ein hübscher Scherz, den der Senat für die Humor verwöhnten Berliner da macht, denn es ist eine im Kern grüne Regierung. Wie kann Wegners Truppe da mit 5 Milliarden Euro hinkommen? Schließlich soll die Wirtschaft von einer konkurrenzfähigen, eigenverantwortlichen in eine staatsabhängige Subventionswirtschaft transformiert werden. Und natürlich muss der Radverkehr ausgebaut werden und die Windkraftlobby muss unterstützt werden, damit sie auf jede Straßenlampe, an der auch ein E-Auto Strom tanken kann, ein Windrädchen setzt, den Müggelsee verspargelt und auch den breiten Mittelstreifen der Straße Unter den Linden nicht auslässt.

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Von unendlichem Humor ist es übrigens, blickt man auf die Baumisere in Berlin, wenn der Senat „Altgebäude durch energetisch günstigere Gebäude“ ersetzen will. Man hat zwar nicht genügend Gebäude, aber die will man ersetzen. Selbst das grüne ZDF schätzt ein: „Von 1,8 Millionen Haushalten hätten aktuell 735.000 Anspruch auf eine Sozialwohnung. Es gibt aber nur noch circa 96.000. Die Erosion des Bestandes nimmt von Jahr zu Jahr rasant zu. Bis 2025 werden circa 19.000 Wohnungen aus der Bindung herausfallen. Dagegen steigt die Anzahl der Menschen mit einem Wohnberechtigungsschein.“

Die Wohnungsmisere in Berlin betrifft längst nicht allein den sozialen Bereich, sondern erreicht auch mittelständische Familien, Doppelverdiener mit zwei Kindern. In dieser Situation wirbt Wegner mit einiger Originalität um Investoren mit so zugkräftigen Mitteln wie Enteignung und einem Vergesellschaftungsgesetz, das noch in dieser Legislaturperiode kommen soll.

Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler weiß, dass „durch Vergesellschaftungen keine neuen Wohnungen entstehen“ werden. Dass durch Vergesellschaftungen die Entstehung neuer Wohnungen sogar verhindert wird, weiß er allerdings nicht, das stand in seinem Lehrbuch der politischen Ökonomie des Sozialismus nicht. „Dennoch sei es richtig, wenn man in einem Bereich der Daseinsvorsorge von Unternehmen einfordere, bestimmte Regeln einzuhalten.“ In Berlin kennt man sich eben aus, was es heißt, das Wohnungsproblem als soziales Problem zu lösen. Honecker hat es versucht – und Wegner versucht es nun auch.

Übrigens, nur als Hinweis für Investoren und Unternehmen in anderen Branchen: Laut Gaebler soll das Vergesellschaftungsgesetz nicht beim Bau- und Wohnungsbereich stehen bleiben, deshalb „solle das geplante Rahmengesetz nicht nur für den Bereich der Wohnungswirtschaft, sondern auch für andere Wirtschaftsbereiche gelten“.

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Ludwig Erhard würde sich im Grabe umdrehen – und Carsten Linnemann dürfte da der eiskalte Schauer über den Rücken und Friedrich Merz zumindest noch der kalte laufen. Doch Wegner hat wie Otto Nuschke oder Gerald Götting, die Helden der Ost-Blockpartei CDU, „nicht das Gefühl, dass wir hier keine CDU-Politik machen würden. Wir machen eine pragmatische Politik für Berlin. Mit diesem Versprechen bin ich angetreten. Ich kann heute aber nicht mehr mit einem Grundsatzprogramm von vor 30 Jahren die deutsche Hauptstadt regieren.“ Also weg mit der Marktwirtschaft, auch der sozialen, weg mit Grundsätzen und Versprechen. Enteignung, Regulierung, Vergesellschaftung müssen dafür her, all die hübschen Ideen der II. Parteikonferenz der SED von 1952, die den Aufbau des Sozialismus beschloss, müssen recycelt werden.

Wegner brüstet sich damit, dass er als einziger CDU-Landeschef sich für die erneute Aussetzung der Schuldenregel des Grundgesetzes stark macht. Das Scheitern seiner Politik verkündet er in Heldenpose: „Wenn die Schuldenbremse im Bund nicht gelockert wird, drohen Berlin kurz vor der Wahl 2026 drastische Sparmaßnahmen.“ Klar, fällt die Schuldenregel, muss man nicht mehr Schulden mühsam in Sondervermögen verstecken, man kann sie ohne Hemmungen aufnehmen. Denn wenn es ans Rückzahlen, an Umschuldung und in den Bankrott geht, sind Wegner und sein Schuldensenat nicht mehr im Amt, wird Wegner sein Schäfchen im Trockenen haben. Er wäre kein Politiker, wenn er am allgemeinen Elend teilnehmen würde.

Wegner will schuldenfinanziert ein Sondervermögen von 5 bis 10 Milliarden Euro bilden. Aktuell betragen die Schulden des Landes Berlin 66 Milliarden Euro Schulden, mit dem Sondervermögen wären es 71 oder 76 Milliarden Euro. Hinzu kommen die Schulden der Landesunternehmen, die auch in einem Schattenhaushalt versteckt sind, in Höhe von 23 Milliarden Euro. Rechnet man alles zusammen, Schattenhaushalte, Sondervermögen, kommt man auf einen Schuldenberg von annähernd 100 Milliarden Euro. Neue Schulden werden also aufgenommen, alte jedoch nicht getilgt. Schuldentilgung sieht der Haushalt nicht vor.

Zum Vergleich: Der Berliner Haushalt sieht für 2024 Ausgaben in Höhe von 38,63 Milliarden Euro und für 2025 von 39,87 Milliarden Euro vor. Wegner dazu: „Dies ist ein Chancenhaushalt und ein Zukunftshaushalt.“ Und damit hat er Recht, denn die Kredite für das Sondervermögen „Klimaschutz, Resilienz und Transformation“ sollen in Zukunft, also von 2030 an bis 2056 vollständig zurückgezahlt werden, so viel zu den Chancen in der Zukunft. Die Zinsen für die lange Laufzeit kann man sich jetzt schon vorstellen. Vielleicht glaubt Wegner auch, dass die anderen Bundesländer dann Wegners Schulden übernehmen werden, weil man die Hauptstadt nicht fallen lassen kann.

Natürlich kann man die Hauptstadt nicht fallen lassen, aber es gibt für Berlin als Hauptstadt auch keine Ewigkeitsgarantie. Denn Berlin muss sich auch würdig als Hauptstadt erweisen, es muss auch Deutschland repräsentieren – und Berlin-Kreuzberg repräsentiert Deutschland eben nicht. Friedrich Merz, dem Wegner vor kurzem nicht schnell genug in den Rücken fallen konnte, hat auf dem bayerischen Volksfest Gillamoos gesagt: „Gillamoos ist Deutschland. Nicht Berlin, nicht Kreuzberg.“ Recht hat er. Kreuzbergs Diversität als politisches Bild bildet nicht Deutschlands Vielfalt ab.

Meldestellen
Wie sich der Berliner Senat die Kriminalisierung der Meinungsfreiheit 828.491 Euro kosten lässt
Politisches Bild meint, dass natürlich nicht jeder Kreuzberger gemeint ist, sondern der Begriff Kreuzberg, der für Wokismus steht. Und dafür steht auch Wegner, der sich wie Bolle auf dem CSD amüsierte, als er dort neben dem Queer-Beauftragten Pantisano, der schon mal Feministinnen als Hündinnen und Heterosexuelle als Hetero-Säue beschimpfte, ausrief: „Meine feste Zusage für diesen Berliner Senat ist: Wir wollen den Artikel 3 des Grundgesetzes ändern. Da muss die sexuelle Identität mit rein. Das ist mein Versprechen.“ Die Einfügung der sexuellen Identität erledigt den Gleichheitsgrundsatz, erledigt die Wissenschafts-, die Presse- und die Meinungsfreiheit sowie den Schutz der Familie.

Würde die sexuelle Identität eingefügt, würde das ein Gesetz erzwingen, in dem unter Strafe gestellt wird, die naturwissenschaftliche Wahrheit auszusprechen, dass es biologisch nur zwei Geschlechter gibt. Und damit schon heute keiner auf die Idee in Berlin kommt, Kritik an Wegners Einfalt des Queeren, an Wegners Fronde gegen das Grundgesetz zu üben, finanziert Wegners Senat mit 838.491 Euro in allen Berliner Stadtbezirken Meldestellen, in denen jede freie Meinungsäußerung, jeder Witz, jeder Spott gemeldet wird, der nicht der woken Ideologie des diversen Berlins entspricht, die Rückkehr der Denunziation als NGO. In der Normannenstraße geht wieder das Licht an.

Typisch für Wegner ist, dass er sich darüber beklagt, was er doch selbst unterstützt, die Masseneinwanderung nach Berlin. Hatten nicht Berliner Politiker verkündet, dass Berlin eine Flüchtlingsstadt wird – was Berlin geworden ist, wenn schon Pflegeheime für Migranten geräumt werden müssen? Hatten nicht Berliner Politiker verkündet, dass Berlin ein sicherer Hafen für Flüchtlinge sei? Das ist er, nur nicht mehr für die Berliner, für die Deutschen.

Wegner hat Berlin im Wahlkampf eine andere Politik versprochen, als die, die er jetzt macht. Er mag sich freuen, dass er den Herren Wüst und Daniel gefällt, Berlin-Steglitz und Berlin-Köpenick, Berlin Lichtenberg und Berlin-Spandau gefällt er nicht mehr. Offensichtlich will er nur noch Bürgermeister von Berlin-Kreuzberg sein. So liest sich jedenfalls sein Interview im Tagesspiegel. Berlin wird grün regiert. Wegners Wähler dürfen sich enttäuscht zeigen, diejenigen, die ihre Stimme ihm nicht gegeben haben, hingegen erfreut. So kann es kommen – nicht nur in Berlin.


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Kommentare ( 24 )

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Carrera73
1 Jahr her

»Wenn man Kai Wegner zuhört, fällt es schwer zu glauben, dass er nicht den Grünen, sondern der CDU angehört, …«

Helmut Kohl sagte sehr schön: Es kommt darauf an, was hinten rauskommt.“

Dies vorangestellt die Frage: Wo ist der Unterschied zwischen CDU und Grünen? Die CDU ist längst die Grünen 2.0!

Sani58
1 Jahr her

Eindeutig Sozialismus. Leistung/Eigeninitiative wird bestraft.
Bald kommt die Mangelwirtschaft und ein Zweiklassengesundheitswesen dazu, des weiteren eine Staatsschule minderer Qualität und geschützte Privatschulen für Lernwillige.
Geliefert wie angekündigt, wie gewählt. Bin alt, kein Mitleid …sondern einen BB ( süffig Balaton Boglar ) Chips und Sofa.

Siggi
1 Jahr her

Die JU hat nun erkannt, dass es sich bei dem um einen grünen Maulwurf handelt. Das war ein geschickter Schachzug der Grünen, nur nicht nachhaltig.

Abraham
1 Jahr her

Olympische Spiele Berlin 2036 find ich gut. Warum sollen die Spiele nicht auch mal in einem Entwicklungsland ausgetragen werden?

Siggi
1 Jahr her
Antworten an  Abraham

Unter dem Motte 100 Jahre Deutsche olympische Spiele.

Sargas
1 Jahr her

Berlin will also Olympia ausrichten … Lange nicht so gelacht! Berlin, wir können alles, außer allem.
Großprojekte, die besonders oft schiefgehen: Lagerung von Atommüll, Olympische Spiele u.a.m.
So laut heutiger FAZ der Wirtschaftsgeograph Flyvbjerg (Universität Oxford). Suchbegriffe „FAZ Mammutprojekte“, der lesenswerte Artikel leider hinter der PayWall.

Mikmi
1 Jahr her

In unserer Evolutionsgeschichte hat sich in den letzten 200 Jahren unser IQ um 20-30 Punkte erhöht. Natürlich nicht bei jedem Menschen, dass Erlernte wird weiter gegeben, nur so geht es.
Leider häufen sich diese etwas zurückgebliebenen auf einen Haufen in der Politik und um zu. Wegner scheint ein Undercover Gruener zu sein und die lachen sich jetzt kaputt.

Aegnor
1 Jahr her

„Wegners Wähler dürfen sich enttäuscht zeigen“
Das wievielte Schauspiel von „vor der Wahl rechts blinken und danach links abbiegen“ war das jetzt? Wenn die Wähler immer und immer wieder darauf reinfallen – denn von der Kreuzberger Boheme wurde Wegner sicher nicht gewählt – dann kann man denen auch nicht helfen. Da gilt auch nicht als Ausrede, dass es immer wieder andere Gesichter sind, die vor der Wahl versprechen „dieses Mal wird alles Anders“.

Klaus Uhltzscht
1 Jahr her

Eine Olympia-Bewerbung des internationalsozialistischen Berlins 2036 zum 100. Jahrestag der Olympiade im nationalsozialistischen Berlin 1936 ist genau mein Humor.

gladius
1 Jahr her

Wegener ist das beste Beispiel dafür, was passiert, wenn man den Wahlkampf Lügen des aktuellen CDU Personals Glauben schenkt. Das sind alles verkappte Grüne, die im Zuge des Marsches durch die Institutionen in die CDU eingeschleust wurden. Wer CDU wählt, bekommt grün, und daher gilt: es gibt nur eine Alternative….

Albert Pflueger
1 Jahr her

Wegner verkörpert die „moderne“ CDU. Totalausfall!