Als sich die polit-mediale Elite in Deutschland noch fast ausnahmslos an der von Angela Merkel ausgerufenen, grenzenlosen Willkommenskultur für Asylbewerber aus islamischen Ländern berauschte, sagte der 1933 in Hamburg geborene und 2019 nahe Paris verstorbene Modeschöpfer Karl Lagerfeld im französischen Fernsehen: „Wir können nicht, selbst wenn Jahrzehnte zwischen den beiden Ereignissen liegen, Millionen Juden töten und Millionen ihrer schlimmsten Feinde ins Land holen.“ Als Beleg verwies er auf eine Bekannte in Deutschland, die einen jungen Syrer bei sich aufgenommen hatte, der ihr nach ein paar Tagen sagte: „Die beste Erfindung Deutschlands ist der Holocaust.“
Der politisch ansonsten eher zurückhaltende Pariser Modeschöpfer machte so unmissverständlich deutlich, in welch eklatantem Widerspruch Merkels Willkommenskultur zu ihrer im Jahr 2008 vor der israelischen Knesset abgegebenen Zusicherung steht: „Das Existenzrecht Israels ist deutsche Staatsräson.“ Denn genau dieses Existenzrecht wird seit der Staatsgründung Israels im Jahr 1948 nach wie vor nicht nur von den meisten Palästinensern, sondern von all jenen Muslimen abgelehnt, die Israel im Einklang mit dem Vorsitzenden der staatlichen türkischen Religionsbehörde (Diyanet), Ali Erbas, als „rostigen Dolch im Körper der islamischen Geografie“ betrachten.
Dies ist am 7. Oktober mit dem von der palästinensischen Hamas angerichteten Massaker an Israelis im Grenzgebiet zum Gaza-Streifen und der darauf folgenden militärischen Antwort Israels erneut geschehen. Erwartungsgemäß hat dies auch in Deutschland zu einem Aufflammen des islamischen Antisemitismus geführt, der sich zusehends offener nicht nur in Berlin-Neukölln manifestiert. Höchste Zeit für die Islamwissenschaftlerin Susanne Schröter, an ihrem Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam (FFGI) eine weitere Konferenz durchzuführen, die sich mit den Folgen einer verfehlten Asyl- und Migrationspolitik für das gesellschaftliche Zusammenleben in Deutschland befasst.
Unter dem Titel „Antisemitismus in der islamischen Welt und in Deutschland“ gingen daher am 8. Dezember 2023 unter der Schirmherrschaft der hessischen Staatsministerin Lucia Puttrich namhafte Experten im Historischen Museum Frankfurt der Frage nach, woher der islamische Antisemitismus rührt, wie stark er mittlerweile in Deutschland verbreitet ist und wie sich die Politik in Deutschland zu ihm verhält.
An die Spitze dieser Bewegung hat sich seit der iranischen Revolution im Jahr 1979 zusammen mit der palästinensischen Hamas das Mullah-Regime in Teheran gestellt, wie der an der Universität Frankfurt lehrende Islamwissenschaftler Armin Eschragi zeigen konnte. Teil der iranischen Staatsräson ist die Zerstörung des Staates Israel, dessen jüdische Bevölkerung aus Sicht der iranischen Führung kein Lebensrecht auf seinem derzeit noch bestehenden Staatsgebiet besitzt, dessen Vernichtung sie dewegen zielstrebig verfolgt. Sollte der iranischen Führung dies im Schulterschluss mit anderen Israelfeinden im Nahen Osten gelingen, müssten sich die Juden, wie schon häufig in ihrer Geschichte, wieder einmal eine neue Heimstätte suchen.
In der Islam- und Antisemitismusforschung ist durchaus umstritten, ob der Kampf gegen das Existenzrecht Israels als antisemitisch oder (nur) anti-zionistisch zu bewerten ist. Dass es sich dabei mit Blick auf den islamischen Antisemitismus wohl um einen Streit um des Kaisers Bart handelt, konnten indes der an der Pädagogischen Hochschule Freiburg lehrende, deutsch-algerische Philosoph und Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi sowie der in Österreich arbeitende Historiker Heiko Heinisch eindrücklich belegen. Nach ihnen erschöpft sich der islamische Antisemitismus nämlich keineswegs im Kampf gegen das Existenzrecht des Staates Israel.
Dies alles ist laut Ourghi im Koran dokumentiert, so etwa in Sure 9, Vers 29, wo mit Blick auf die ungläubigen Juden und Christen zu lesen ist: „Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Gott und den jüngsten Tag glauben, und nicht verbieten (oder: für verboten erklären), was Gott und sein Gesandter verboten haben, und nicht der wahren Religion angehören – von denen, die die Schrift erhalten haben – (kämpft gegen sie), bis sie kleinlaut aus der Hand(?) Tribut zahlen.“ Eine Vorgabe, deren Umsetzung den Muslimen bei den Christen weniger gelang als bei den Juden. Laut Ourghi war ihnen nach dem Tod Mohameds in der islamischen Welt nämlich das Dasein einer inferioren Klasse mit Tributzahlungen und unterschiedlichen Formen der Diskriminierung bis hin zu Kleidervorschriften und dem Tragen von gelben Flecken auf ihren Gewändern beschieden.
Da sich die herrschende islamische Theologie auch in Deutschland nach wie vor weigert, den Koran historisierend zu interpretieren und ihn stattdessen als zeitlos geltende, wörtliche Offenbarung Gottes liest, speist sich gemäß Ourghi der islamische Antisemitismus bis heute aus der nicht nur in den Moscheen praktizierten ständigen Lektüre des Koran selbst. Dies könne sich nur ändern, wenn sich wie in der christlichen auch in der islamischen Welt die in der westlichen Philosophie verankerte Aufklärung durchsetze, die den Koran endlich in seinen historischen Kontext stelle und so in gleicher Weise historisiere wie die Heilige Schrift.
Im Jahr 1987 erlebten in Gestalt der Hamas die palästinensischen Muslimbrüder eine Wiedergeburt im Gaza-Streifen, von wo aus sie diesen Kampf seitdem fortführen. In ihrer Charta steht geschrieben: „Die (letzte) Stunde (der Tag des Jüngsten Gerichts) wird nicht kommen, bevor die Muslime die Juden bekämpfen. Und die Muslime werden sie töten, bis sich die Juden hinter Steinen und Bäumen verstecken. Doch die Bäume und Steine werden sprechen: ‚Oh Muslim, oh Diener Allahs hier ist ein Jude, der sich hinter mir versteckt. Komm und töte ihn! Nur der Charkad-Baum wird dies nicht tun, denn er ist ein Baum der Juden.“
Dass die Israelis angesichts derlei Verheißungen nicht sonderlich geneigt sind, neben sich einen Staat Palästina zu tolerieren, von dem aus dann wie schon am 7. Oktober die Hamas-Charta weiter in die Tat umgesetzt werden kann, verdeutlichte die Direktorin des Nahost Friedenforums (NAFO), Mirjam Rosenstein. Die angesichts der Eskalation des Krieges zwischen der Hamas und Israel von verschiedenen Seiten wieder einmal geforderte Umsetzung einer Zweistaatenlösung hält sie nur unter zwei Bedingungen für Israel akzeptabel: der Ausschaltung der Kassam-Brigaden und der vorbehaltlosen Anerkennung des Existenzrechts Israels durch die Palästinenser und ihre Repräsentanten.
Nach dem 7. Oktober standen die islamischen Verbände plötzlich vor der Frage, wie sie sich gegenüber der Hamas und Israel öffentlich positionieren sollen und ob sie das Existenzrecht Israels so vorbehaltlos anerkennen wollen, wie es die von der Bundesregierung zusammen mit Bundespräsident Steinmeier erneut proklamierte Staatsräson Merkelscher Herkunft auch von ihnen verlangt. Ein schwieriges Unterfangen angesichts des Umstands, dass der türkische Präsident Erdogan seinen zahlreichen, in Deutschland lebenden türkischstämmigen Anhängern und Bewunderern umgehend klar machte, auf welcher Seite er in dem Krieg zwischen den Kassam-Brigaden der Hamas und der israelischen Armee steht. Hinzu kommen die pro-palästinensischen Einstellungen der meisten in Deutschland lebenden anderen Muslime, die angesichts des israelischen Vernichtungsfeldzugs gegen die Kassam-Brigaden um das Leben ihrer Glaubensbrüder in Gaza fürchten müssen.
Entsprechend wachsweich waren laut Beck bislang die meisten öffentlichen Erklärungen der islamischen Verbände in Deutschland, sofern sie sich überhaupt öffentlich zu dem progromartigen Terrorangriff der Hamas auf Israel erklärten. Ganz anders hingegen die von Susanne Schröter beschriebene Querfront dezidierter Israelfeinde und Antisemiten, die sich mittlerweile auch in Deutschland zwischen zahlreichen linksradikalen, grünen und islamistischen Gruppierungen herausgebildet hat. Ein Phänomen, das, wie Schröter zurecht betont, keineswegs so neu ist, wie es auf den ersten Blick scheinen mag.
Verfügten die damaligen linken Terroristen aus Deutschland und dem Nahen Osten in Gestalt der vom Marxismus inspirierten Imperialismuskritik noch weitgehend über eine gemeinsame Ideologie, verbünden sich mit der vorwiegend von säkular geprägten Intellektuellen entwickelten Theorie des Postkolonialismus und dem von religiös geprägten Vordenkern entwickelten islamischen Fundamentalismus heute zwei Ideologien, deren einzige Gemeinsamkeit laut Schröter das Feindbild Israel ist. Die Parole „Befreit Palästina von deutscher Schuld“ ist ihrer Meinung nach so zum Schlachtruf einer Querfront geworden, deren Anliegen es ist, die Welt davon zu überzeugen, dass der Holocaust kein Ereignis ist, das Juden in besonderer Weise das Recht auf einen Staat in einer Weltregion verschafft, in der sie nicht erst seit dem zwanzigsten Jahrhundert in mal größerer, mal kleinerer Zahl siedeln.
Wie der sich ausbreitende islamische Antisemitismus in Deutschland bekämpft werden kann, sollte eine abschließende Podiumsdiskussion mit der stellvertretenden Vorsitzenden der Vereinigten Israel Aktion Keren Hayesod, Malca Goldstein-Wolf, dem ZDF-Journalisten Abdul-Ahmad Rashid, dem CDU-Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Wilsch und dem Vizepräsidenten des Hessischen Landtags Jörg-Uwe Hahn (FDP) klären. Den Finger in die Wunde legte dabei insbesondere die jüdische Aktivistin und Publizistin Goldstein-Wolf mit ihrem Hinweis, Deutschland müsse sich angesichts vermehrter muslimischer Übergriffe gegen Juden endlich entscheiden, ob es noch mehr Muslime einwandern lassen oder lieber die deutschen Juden vor dem islamischen Antisemitismus schützen wolle.
So endete schließlich eine ebenso verdienstvolle wie ernüchternde Konferenz über islamischen Antisemitismus in Deutschland, bei der die pro-israelische Sicht auf den Nahost-Konflikt im Vordergrund stand. Vertreter der pro-palästinensischen Sichtweise fanden sich weder unter den Referenten noch unter den Podiumsteilnehmern. Ob diese Einseitigkeit von der Veranstalterin so gewollt oder wie bei der Konferenz über Migrationspolitik im April dieses Jahres dem Umstand geschuldet war, dass Susanne Schröters Forschungszentrum in bestimmten akademischen Milieus als „rechts“ gebrandmarkt ist und deswegen von „linken“ Experten gemieden wird, kann hier offen bleiben. Dem hohen Informationsgehalt und Erkenntniswert der Konferenz tat die Zusammensetzung ihrer Referenten nämlich keinen Abbruch.