In Kabul bekam Merkel von Biden die Rechnung für ihre Ablösung von den USA präsentiert. Die Konsequenzen des Desasters für das Bündnis sind nicht absehbar - Berlins Haltung führte schon zum Verrat an afghanischen Helfern der Bundeswehr.
Quer durch Deutschlands gute Medienstuben zieht eine Schockstarre – so enttäuscht ist man von Joe Biden. Manche glauben wohl sogar, Trump sei mit den Veteranen der Südstaaten-Armee aus dem Bürgerkrieg des 19. Jahrhunderts wieder ins Weiße Haus eingezogen und habe in abgrundtiefer Bosheit holterdipolter seine Truppen aus Afghanistan abgezogen, ohne seine Partner zuvor um Erlaubnis zu fragen. Typisch Trump eben. Aber nein, es war der, aus Sicht der deutschen Eliten, gute alte Onkel Joe, mit dem doch alles wieder so kuschelig wie früher werden sollte, der eben doch nicht so senil-trottelig ist, wie ihn viele, besonders bei der deutschen Linken, sehen wollen. Wer Bidens Biographie kennt, weiß, dass er durch viele Höhen und Tiefen gegangen ist, und in der Politik wie in seinen Geschäften knallhart amerikanische Interessen vertritt. Deutschland hat sich von bisherigen gemeinsamen Interessen im transatlantischen Bündnis längst abgekoppelt und zahlt jetzt den Preis: Berlin wird weder in Entscheidungen einbezogen oder auch nur informiert.
Merkel brüskierte Biden in sicherheitspolitischen Fragen
Hat man denn in Berlin und anderswo wirklich geglaubt, dass man diesen Mann gleich mehrfach hintereinander brüskieren kann, ohne dass dieses Konsequenzen hätte? Zur Erinnerung: Dreimal haben sich Merkel und Biden seit seinem Amtsantritt im Januar gesehen. Zum ersten Mal in einer Videokonferenz gemeinsam mit Macron auf der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar. Geradezu leidenschaftlich beschwor der immer noch mächtigste Mann der Welt die gemeinsame Werte-Basis, die sich im Kern auf das Bekenntnis zum Erhalt und Verteidigung der Freiheit gegen alle totalitären Herausforderungen manifestiert. Dieser emotional-pathetische Aufruf prallte auch da schon an Merkels Reserviertheit spür- und sichtbar ab. Dies nahm Washington noch hin.
Wie Merkel Putin in die Karten spielt
Nach seinem Treffen mit Putin in Genf im Anschluß an den Gipfel erklärte Biden, die Gegensätze seien groß und sehr kompliziert. Sie reichten von Cyber-Angriffen, der Annexion von Teilen der Ukraine bis hin zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen im Reiche Putins. Man werde sich nun über sechs Monate in gemeinsamen Gesprächen beraten und dann die weiteren Schritte bedenken. Nur einen Tag später schlug Merkel einen Rußland-EU-Gipfel vor. Begründung: Europa müsse seine Eigenständigkeit betonen. Aus Moskau kam prompt freudig-erregte Zustimmung. Dies mußte in Washington als klarer Affront aufgenommen werden.
Doch die Entfremdung zu Deutschland und seiner Führung unter Merkel begann viel früher. Schon Vorgänger Schröder hatte mit seinem Nein zum Irak-Krieg schwere Risse im transatlantischen Porzellan verursacht. Als Obama um deutsche Beteiligung an Luft-Einsätzen in Libyen und Syrien bat, erntete er ein schnödes Nein, was im Weißen Haus zu tiefer Enttäuschung führte. Als die Amerikaner in der Nato vorschlugen, die Staaten Osteuropas, und besonders des Baltikums, in die operativen Abwehrpläne der Nato gegen Russland einzubeziehen – wohlgemerkt, nach der Annexion der Krim 2014 -, wußten Merkels Höflinge das durch geschicktes Hinhalten zu verhindern. Auch das ist bis heute in Washington nicht vergessen.
Der Gipfel der Dreistigkeit und Selbstüberschätzung war nicht nur durch die massive Kritik am Ausstieg Donald Trumps aus dem Atomabkommen mit dem Iran erreicht, sondern vielmehr darin, dass auf Anregung Deutschlands in Paris eigens eine Firma gegründet wurde, mit Hilfe derer die Sanktionen gegen den Iran durch westliche Unternehmen umgangen werden sollten. Dass dieses Manöver seinen Zweck nicht erfüllte, lag wohl vor allem an der Klugheit westlicher Unternehmen, sich nicht mit den USA anzulegen.
In Afghanistan wird die Folge von Merkels Politik sichtbar
Niemand darf sich heute über das Vorgehen der USA wundern, die ohne Rücksicht auf Deutschland aus Afghanistan abziehen; auch nicht über mangelnde Information oder darüber, dass die Nachrichtendienste Deutschlands über seit längerem nachlassende Kooperation der amerikanischen Dienste klagen. Einer, der vielen BND-Spitzen, der, wie so viele auf Druck des Kanzleramtes gehen mußte, brachte es auf den Punkt: „Sie vertrauen uns eben nicht mehr.“ Das dürfte im übrigen auch ein Grund für das Debakel von Kabul sein. Außerdem ist der deutsche Nachrichtendienst durch das Verbot der Funkaufklärung im Ausland durch das Bundesverfassungsgericht einer seiner wichtigsten Quellen beraubt worden. Und da auch im Geschäft der Dienste die Devise gilt: „Give a little, take a little“ hat der BND dadurch an Gewicht verloren.
Als die Sicherheitsberaterin von George Bush Jr., Condoleezza Rice, zu Beginn des zweiten Irak-Krieges gefragt wurde, was denn unter „nation building“ zu verstehen sei, verwies sie auf Deutschland und Japan nach dem 2. Weltkrieg. Auch dort sei es doch gelungen, funktionierende Demokratien aufzubauen. Als ob die historische und kulturelle Entwicklung auch nur im Ansatz mit der des Irak oder Afghanistans zu vergleichen wäre. Die Deutschen gingen in ihrer Bemäntelung des Afghanistan-Einsatzes so weit, dass sie selbst nachdem die ersten deutschen Elite-Soldaten gefallen waren, niemals von einem Kampfeinsatz sprachen, sondern offiziell nur vom Brunnenbohren und dem Aufbau von Mädchenschulen. Am Ende freilich war die bittere Wahrheit nicht mehr zu verschweigen.
Die Schlampigkeit, mit der im Außenministerium und im Kanzleramt wertvolle Stunden zu Beginn der Tragödie von Kabul durch Nichtstun vertrödelt wurden, ist der größte Skandal in der Geschichte der Bundesrepublik, den unzählige verratene und verkaufte Afghanen, mit ihrem Leben bezahlen mussten und müssen. Die Bemerkung der Kanzlerin im Bundestag, man solle jetzt nicht über mögliche Fehler von gestern reden, ist an Kaltblütigkeit nicht zu überbieten.
Vielleicht wäre es ehrlicher, die Bundeswehr als solche aufzulösen und daraus eine Truppe für den Katastrophenschutz und zur Bekämpfung der Klimakrise zu machen. Mit Sicherheit würde Putin die Schutzfunktion für Deutschland gern übernehmen. Ein anderes Land fällt einem beim besten Willen nicht ein.
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Einwurf aus den Ausland: ===================== In diesem Forum faseln Hasenfüße über die Frage: Wer soll Deutschlands Sicherheit & Freiheit garantieren, weil der Iwan demnächst am Rhein steht ? „The Guardian“ publizierte unlängst einen Leserbrief in dem sein Autor sagte: „Was soll dieses Säbelrasseln gegen China & Rußland ? Diese Länder wollen nichts anderes, als weltweit ihre Produkte absetzen um die Lebensqualität ihrer Völker zu verbessern und international die ihnen gebührende Rolle einzunehmen. NATO ist obsolet, hat ihre Existenzberechtigung längst verloren.“ Frage an den Artikel-Autor Georg Gafron bezüglich seiner wirklichkeitsfremden Einstellung zu Nord Stream 2: Als Vorjubler der U.S.-Fracking-Industry, laufen die… Mehr
Vor einiger Zeit habe ich schon an anderer Stelle überlegt, wer Deutschlands Sicherheit und Freiheit gewährleistet, natürlich auch aus Eigeninteresse: Die USA. Würde die Nato zerbrechen und die USA ihre Schutzfunktion aufgeben, könnten Putins Truppen glatt bis München durchmarschieren, wer sollte sie ernsthaft stoppen? Putin würde GB und Frankreich signalisieren, er würde sie verschonen, wenn sie sich raushalten, daraufhin würden Briten und Franzosen ihre Knochen nicht für Deutsche hinhalten. Merkel würde sagen: „Nun sind sie halt da“. Wir hätte dann eine Marionettenregierung, geführt von Wissler und Eskens und die russische Regierung hätte ihr Ziel (seit Stalin): Ganz Deutschland eine hörige… Mehr
Wie orakelten all die „welterfahrenen“ Stubenhocker? „Trump ist so schlimm, Biden kann nur besser werden“! Und was antwortete ich? „Dann wartet einfach mal ab“! Ich weiß, Schadenfreude bringt nichts! Doch, mir!
Immerhin. Ich habe noch nicht einmal die Schadenfreude. Die einen behandeln das Afghanistan-Desaster wie ein Naturereignis, auf das Biden keinen Einfluss hatte. Die anderen sind immer noch der Meinung, Trump war ja viel schlimmer. Begründung: „Naja, wie er sich mit der Bibel dahingestellt hat“, oder ähnlichen Schmarrn. Bei diesen Dingen geht es mir aber längst nicht mehr um die Genugtuung, recht gehabt zu haben. Wenn ich das Unglück kommen sehe, und jeder winkt ab, dann bin ich nicht froh, wenn es eintritt. Und hinterher winkt immer noch jeder ab. Schlimm.
Wenn man auf internationaler Bühne mitstinken will, muss man rüsten. Ansonsten hält man sich besser raus. Wir können doch froh sein, wenn uns die bereits hier lebenden Taliban nicht den Krieg erklären. Bundeswehr und Polizei könnten uns jedenfalls nicht verteidigen.
Wieso sollten ausserdem die Afghanen verraten und verkauft worden sein? Man hat ihnen die Ausrüstung und Ausbildung gegeben um sich gegen die Taliban zu verteidigen. Es bestand aber dazu kein Willen, weil man eben mit der Gesinnung der Taliban eins ist. Das ist allerdings die grösste Fehleinschätzung des Westens, zu glauben man könne islamische Länder demokratisieren.
Merkel und anti-amerikanisch? Es ist Merkels Politik, alles zu machen, das die transatlantischen Kriegstreiber wollen, die uns überhaupt in das absehbare Afghanistan-Desaster gebracht hat.
Ich bin übrigens nicht anti-Amerikanisch, aber anti-US-Regierung. Die meisten Amerikaner sind gute Leute, die die Kriegstreiber von Bush bis Biden genauso gerne los wären wie wir Merkel.
…und doch haben die Amerikaner (die meisten?) immer wieder Kreigstreiber gewählt.
Klar, dank den checks and balances können sie nur ein Gummibärchen aus der Tüte ziehen, das die Oligarchen/Plutokraten des MIC, Silicon Valley, Hollywood oder Big Pharma in diese Tüte gesteckt haben, seit Citizens United v FEC in 2010 völlig legal. Dank dem Mehrheitswahlrecht reichen zwei, das spart Kosten.
Kein Wunder: Wer Democrats wählt, bekommt einen Kriegstreiber (Clinton, Obama, Biden).
Wer Republicans wählt, bekommt einen Kriegstreiber (Bush Sr., Bush Jr.)
Die meisten haben keine Wahl als sich für den weniger schlimmen von 2 Kriegstreibern zu entscheiden.
Merkel ist Merkel. Merkel ist anti alles, was nicht ihrer Meinung ist.
Und ihre Meinung hat leider nur Chaos bewirkt.
Aber seien wir mal verständnisvoll: von welcher internationalen Erfahrung konnte sie denn auch zehren? Aufgewachsen in der DDR, hinter einer Mauer, indoktriniert von kleingeistigen ….
„Die Bemerkung der Kanzlerin im Bundestag, man solle jetzt nicht über mögliche Fehler von gestern reden, ist an Kaltblütigkeit nicht zu überbieten.“
Hier möchte ich widersprechen: Das ist nicht Kaltblütigkeit, sondern Kaltschäuzigkeit! Ein entscheidender Unterschied!
So „funktionert Justiz“: Jemand hat vor einem Jahr jemanden umgebracht, möchte jetzt aber darüber nicht reden (und nicht vor Gericht). In solchen Sätzen wie oben offenbart sich auch Merkels Bildungsferne.
Was bin ich froh, wenn wir die Frau nicht mehr täglich in den Nachrichten ertragen müssen!
Das Titelbild bringt das psychosoziale Elend wundervoll auf den Punkt. Merci.
Der Gedanke kam mir auch sofort. Ein Bild zeigt mehr als tausend Worte. Selbst Peter Ustinov als Nero wirkte im Vergleich geradezu spartanisch und heldenhaft.
Hab irgenwo gelesen, dass nur etwa 3% der von den dt. A-400 geholten Leute echte „Ortskräfte“ waren. Wundert mich bei dem Ausmaß an Lügen bzgl. Afghanistan aber auch nicht mehr….
In Griechenland zeigen sich die Folgen von Merkels anti-europäischer Politik
„Die Bemerkung der Kanzlerin im Bundestag, man solle jetzt nicht über mögliche Fehler von gestern reden, ist an Kaltblütigkeit nicht zu überbieten.“ Das hat doch nichts mit Kaltblütigkeit zu tun, das macht sie doch immer so und ist schlicht (dumm-)dreist! Sie weiß, niemand tut ihr was und (ihre) Frechheit siegt. Das ist ihre Lebenserfahrung. Kaltblütigkeit ist eine Fähigkeit oder gar Tugend, nämlich in gefährlichen oder kritischen Situationen einen klaren Kopf zu bewahren und das Richtige, eventuell auch Risikobehaftete oder Schmerzhafte, ohne Hektik und Panik zu tun. Das kann sie durchaus auch, aber in diesem Fall (keine Fehlerdiskussion!) ist es der… Mehr