Im Wahlkampf überzeugen Bilder und Rhetorik

Parteiprogramme werden nicht gelesen, Medienauftritte wirken unterschiedlich je nach Standpunkt - und Medienverurteilung bestätigt oft, statt abzuschrecken. Vor dem "Duell" der Kanzlerkandidaten von CDU und SPD wird sich das noch mehrfach zeigen.

© Getty Images

Eine unschöne, aber bewährte Wahrheit über Wahlkämpfe ist die, dass es in den allermeisten Fällen müßig ist, die Programme der antretenden Parteien im Detail auseinanderzunehmen, zu diskutieren und zukünftige Steuerbelastungen auszurechnen, um sich dadurch letztendlich selbst das Gefühl zu geben, eine gut informierte Wahlentscheidung zu treffen. Das ist nicht nur langweilig, sondern auch unnötig, da Wahlprogrammen (empirisch zu Recht) von vorneherein keine große Glaubwürdigkeit zugetraut wird.

Spannender und informativer ist es dagegen, in Wahlkampfzeiten die politische Überzeugungsarbeit zu beobachten, welche meist wenig mit Fakten und Versprechungen und viel mit Bildern und Rhetorik zu tun hat. Vor zwei Wochen machte die SPD mit Eva Högl dabei keine gute Figur. Diese Woche schnitt die AfD mit Aydan Özoguz dabei nicht schlecht ab.

Es ist aus der Ferne unmöglich zu sagen, ob Gaulands Attacke gegen Özoguz der Spontanität einer Wahlkampfrede entsprungen ist, oder ob sie von längerer Hand heraus entworfen und in Erwartung des medialen Widerhalls gezielt abgefeuert wurde. Jedenfalls traf sie ihr Ziel mit hoher Effektivität und das hatte unabhängig von der Frage, ob man dies gut oder schlecht finden sollte, mehrere Gründe:

Erstens die Zielauswahl: Mit Aydan Özoguz traf es eine Politikerin der SPD, die längst nicht nur für die hartgesottensten AfD-Ortsvereine, sondern auch für ein breites Spektrum konservativer und auch ganz „mittiger“ Wähler ein rotes Tuch darstellt. Recht offensichtliche Gründe dafür sind unter anderem die islamistischen Verbindungen einiger ihrer Familienmitglieder, ihr häufiges Genörgel über die mangelhaften Integrationsleistungen der Deutschen und ihre kruden Ansichten zur deutschen Kultur. Deshalb konnte Gauland mit guter Wahrscheinlichkeit kalkulieren, dass ein Angriff auf diese Gegnerin eine Wirkung über die Parteigrenzen der AfD hinaus erzielen würde.

Schade, Herr Plasberg
Hart aber fair: Das Gauland-Tribunal
Sicherlich ist durch Gaulands Hoffnung, Özoguz in Anatolien „entsorgen“ zu können, das Ansehen der AfD bei nicht wenigen Bürgern und Wählern auch gesunken. Aber das Wählerpotential der AfD innerhalb der Fraktion, die sich nun schützend vor Özoguz stellt und Gauland zum wiederholten Male einen Rassisten nennt, dürfte auch vor zwei Wochen bereits sehr exakt bei null gelegen haben. So gesehen hatte die AfD dort nichts zu verlieren, während sie ihr parteienübergreifendes Potential unter denen, die für eine Staatsministerin Özoguz in der Bundesregierung keine Rechtfertigung sehen, stärker ausschöpfen konnte.

Zweitens die Reaktionen: Die Medien feuerten, wie zu erwarten, ihre Breitseiten der Empörung und der Gauland=Rassist-Kommentare ab. Eine berechtigte Frage lautet, wie der Angriff gegen Özoguz dann trotzdem noch ein Gewinn für die AfD sein kann, wenn die Partei einem derartigen medialen Sperrfeuer ausgesetzt ist. Die Antwort lautet, dass die Medien in Richtung der AfD vermehrt Blindgänger verschießen und das Opfer von Rohrkrepierern ihrer eigenen Geschütze werden. Für die Medien war die AfD bereits eine Neonazi-Partei, als der biedere, aber harmlose Bernd Lucke dort noch das Ruder führte. Mittlerweile hat sich die Überzeugungskraft des Nazi-Vorwurfs gewaltig abgenutzt, auch wenn er in der Sache auf einige AfD-Funktionäre heute zutreffender sein mag als 2013.

Geflissentlich ignoriert haben die Medien zudem auch die vielen nachweisbaren Gegebenheiten, bei denen Politiker anderer Parteien in der Vergangenheit von der Entsorgung politischer Gegner gesprochen hatten. Damit haben sie nicht zum ersten Mal erfolgreich den Nachweis geliefert, dass sie eben nicht mit dem gleichen Maß messen, sondern ihre Empörung stattdessen nach Partei-Zuneigung und -Abneigung regulieren. Sie überzeugen damit zwar weiterhin diejenigen, die die AfD sowieso schon hassen und bestimmt nicht wählen werden. Aber sie werden die gegenteilige Reaktion auf diejenigen haben, die dem politisch Betrieb mit wachsender Skepsis gegenüberstehen und mit jedem neuen Beleg für tendenziöse mediale Stimmungsmache mehr zur AfD tendieren.

Übernahme statt Integration
Das Impulspapier zur Desintegration – Özoguz lässt die Maske fallen
Ein besonders schmerzhaftes Eigentor könnte dem ehemaligen Bundesrichter und Zeit-Kolumnisten Thomas Fischer unterlaufen sein. Ohne Richteramt und ohne Kolumne scheint Fischer die mediale Aufmerksamkeit zu fehlen, weshalb er sich entschlossen hat, Gauland wegen der Özoguz-Äußerung anzuzeigen. Begründung: Weil Gaulands Aufforderung an Özoguz sich allein an ihrer ethnischen Herkunft ausrichte, sei womöglich der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Bei allem Verständnis für Fischers Wunsch nach Aufmerksamkeit, politisch ist die Anzeige unklug: Wird sie abgewiesen, wirkt sie wie eine weitere hysterische Überreaktion. Wird ihr stattdessen nachgegangen, so würde dies suggerieren, dass die Aufforderung nach „Entsorgung“ nur an Politiker ohne erkennbaren Migrationshintergrund gerichtet werden darf und gerade dieser Eindruck der Ungleichbehandlung nützt der AfD. Auch wird das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz nicht dadurch gestärkt, dass ein ehemaliger Bundesrichter nicht einmal ein halbes Jahr nach Niederlegung seiner beruflichen Tätigkeit eine politisch motivierte Anzeige erstattet.

Drittens das Nachlegen: Gauland nahm seine Äußerung in seinen jüngsten Gesprächen mit den Medien nicht zurück. Stattdessen hat er sie höchstens rhetorisch modifiziert und klargemacht, dass er keinen Anlass sieht, die Staatsministerin um Entschuldigung zu bitten. Damit sendet er ein Signal aus, mit dem er sich in der Wahrnehmung der Wähler von etwa 99% der politischen Klasse unterscheidet, denn er gibt weder dem Sturm der Entrüstung quer durch alle anderen Parteien nach, noch lässt er sich von den komplett gegen ihn eingestellten Medien so weit bedrängen oder gar ängstigen, dass er seine Meinung ändert. Diese Standfestigkeit, unabhängig vom konkreten Fall, ist zu einer Seltenheit innerhalb des politischen Spektrums geworden, das einst „Mitte-Rechts“ in der CDU anfing und in den ländlichen Hochburgen der CSU endete. Eine Blütezeit erleben dagegen diejenigen Charaktere, die sich unter der Bezeichnung „cuckservative“ subsummieren lassen. Diese im Trump-Wahlkampf aufgekommene Kombination aus „cuckold“ (betrogener Ehemann) und „conservative“ verspottet rückgratlose Konservative, die nach Meinung ihrer Kritiker nur darauf warten, bei jeder Gelegenheit einzuknicken und sich den linkslastigen Medien zu unterwerfen. Die AfD setzt hier auf ein klares Gegenangebot und Gauland trägt zu dessen Glaubwürdigkeit bei.

Ein vierter und letzter Grund für die Effektivität von Gaulands Angriff: Die zwar nicht singuläre, aber dennoch drastische Wortwahl der Entsorgung kommt denjenigen entgegen, die Özoguz zwar nicht in einen Abschiebeflieger nach Anatolien verfrachten möchten, sie aber zumindest aus der Bundesregierung entfernt sehen wollen. Kaum jemand außerhalb der AfD kann im gegenwärtigen politischen Klima öffentlich bekennen, einer Aussage – egal welcher – von Alexander Gauland inhaltlich zuzustimmen. Gaulands Entsorgungsvokabular kommt deshalb gelegen, weil es gestattet, sich öffentlich von ihm zu distanzieren – und ihm stillschweigend dafür dankbar zu sein, die Personalie Özoguz endlich zu einem politischen Thema gemacht zu haben.

Die überzeugendste Reaktion der SPD und ihrer Verbündeten auf Gaulands Vorstoß wäre es vielleicht gewesen, den Nutzen der Staatsministerin Özoguz für die Integration von Immigranten in Deutschland nachzuweisen und herauszustellen. An dieser Front ist es jedoch sehr ruhig geblieben. Indem sich Medien und Politikbetrieb vornehmlich an Wortwahl und weniger am Inhalt von Gaulands Kritik abarbeiten, signalisieren sie den Wählern unterschwellig, ohne es zu wollen, dass sie selbst nicht davon überzeugt sind, dass Aydan Özoguz angesichts ihrer Bilanz der vergangenen vier Jahre und ihren erklärten Plänen für die Zukunft etwas Positives für das Land leistet. Effektive Überzeugungsarbeit sieht anders aus.

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Kommentare ( 29 )

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Alditol
7 Jahre her

Der letzte Absatz des Artikels schmiegt sich übergeordnet wie die Faust in die Augenhöhle zum nach wie vor nicht existierenden „argumentativen Stellen der AfD“ an – wo es keine tatsächlich überzeugenden Gegenargumente auf Seiten des Establishment gibt (sondern alles nur auf das Eingeständnis des eigenen Versagens hinausläuft), „bleibt eben nur“ die Flucht in die Polemik und die Kritik an der äußeren Form:

„Wenn man die Verteidigung nicht widerlegen kann, tadelt man die Art derselben.“

Jean Paul (1763 – 1825)

Marcel Börger
7 Jahre her

Als Quotentürkin nahe der Regierungsbank war sie als heißer Draht in die Türkei gedacht, der der SPD ein paar hunderttausend Stimmen der Türken mit deutschem Pass sichern sollte. Dieses Kalkül hat sich durch den Umschwung in der Türkei erledigt. Özugus hat keinen guten Draht zu Erdogan, Gabriel und Schulz scheinbar auch nicht, Merkel sowieso nicht. Die Grünen „Türkeifreunde“ sind alle total Anti-Erdogan, heulen um Deniz und andere Verhaftete. Insofern ist Frau Öz ziemlich entkernt. Sie ist keinerlei taugliche Brückenbauerin in Richtung Türkei und Lufthoheit über die hier lebenden Türken besitzt sie auch nicht, bestenfalls über die Minderheit der Erdogankritiker. Der… Mehr

exilgermanski
7 Jahre her

Auch die 1000 Strafanträge gegen die Gottkanzlerin wurden eingestellt. Der Rechtsstaat gehört in Teilen der Vergangenheit an, auf politischer Ebene wird das Recht nach Beliebigkeit ausgelegt und ist in der Realität nur für normale Bürger die schon länger hier wohnen verbindlich – aber das auch nur wenn diese sich nicht daran halten.

Poco100
7 Jahre her

Die Überschrift stimmt, aber dennoch fällt mir dann spontan die Frage ein: Welcher Wahlkampf ????? 1980, 1972 oder der in den USA ??

Alfred Ost
7 Jahre her
Antworten an  Poco100

Wahlkrampf!

Rainer Neuhaus
7 Jahre her

Guten Abend, H. Backhaus. Mag sein, dass Sie mit Ihrer Einschätzung richtig liegen, dass unter dem Strich für die AfD ein Imagegewinn heraus kommt. Muss aber nicht unbedingt so sein, weil es sehr problematisch ist, so aus dem Bauch heraus die Effekte einzuschätzen. Ich habe es hier im Forum schon einmal dargestellt. Unabhängig davon, ob H. Gauland das Zitat heraus gerutscht ist, oder die Aussagen eine bewusste Provokation waren, hätte er bei „Hart aber Fair“ offensiver reagieren müssen, als er vom Moderator ( Ankläger ? ) attackiert wurde. Sein defensives Auftreten dort erweckte auf mich den Eindruck, als wenn er… Mehr

Jens Frisch
7 Jahre her

Besodners interessant und verräterisch finde ich die dekonstruierte Deutschland Fahne auf den CDU Plakaten: Ist es das, was die CDU mit diesem Land vorhat?

Hinrich Mock
7 Jahre her

Ja, so geht Wahlkampf: die Skandale des politischen Gegners benennen. Ob die Einlassungen von Özoguz, die Rechtsbrüche Merkels und De Maizieres, die Toten und Verletzten sowie die gigantischen Kosten infolge der illegalen Immigration, des Asylmißbrauchs und des Staatsversagens oder die Wertevernichtung und Vergemeinschaftung in der überwiegend maroden Eurozone auf Kosten v.a. Deutschlands, alles muß jetzt auf den Tisch. Aber die AfD ist da leider auch noch viel zu verschlafen bzw. zu ungelenk. Bikinis oder Burgunder hin oder her. Özoguz z.B. hätte viel direkter, präziser und sachlicher angegriffen werden können, jede ihrer unverschämten Stellungnahmen gehört einzeln aufgespießt und gründlich geröstet. Sie… Mehr

Nachdenker
7 Jahre her
Antworten an  Hinrich Mock

Ein perfekter Wahlkampf der AFD hätte nur aus Bildern und den Zitaten des politischen Gegners bestehen müssen – von „schaffen das“, über „in Inzucht degenerieren“, „Obergrenze“ und „ich freu mich drauf“ bis hin zum Klassiker „sie sind eine Bereicherung für uns alle“. Alleine ein Seehofer-Plakat mit Obergrenze-Spruch hätte ein paar ganze Prozentpunkte bringen können.
Ich persönlich hätte aber auch ein Plakat mit Goethe gut gefunden: „Wer sich den Gesetzen nicht fügen will, muss die Gegend verlassen, wo sie gelten.“

Die Zahnfee
7 Jahre her

Die bisherige Verwendung des Begriffs entsorgen, hat bisher niemanden
interessiert und wurde erst jetzt plötzlich wichtig. Merkwürdig. – Ihr vierter Grund
hat mich auch gewundert. Politiker und Medien konnten keine sinnvollen
Leistungen der Ministerin nennen. Im Gegenteil hätte schon lange ihre
unbegründete Kritik an den Einheimischen, ihr Nichterkennen einer deutschen
Kultur und ihr Wunsch nach zerstörerischem Umbau unseres Landes einen
Rücktritt – selbst in den eigenen Reihen – erforderlich gemacht. Gut, dass diese
Themen noch einmal ans Licht kommen. Natürlich muss in unserer Demokratie
über politische Inhalte geredet und debattiert werden.

Nichtzufassen
7 Jahre her

Richtig.

Aber niemand sieht sich das an. Ebenso wenig wird geprüft, ob die Erlaubnis zum Grenzübertritt ohne Papiere für Einreisewillige nicht strafbar ist. Dass Terroristen und auch Leute mit ansteckenden Krankheiten eingereist sind, und eine erhebliche Gefahr darstellen, scheint niemanden zu stören. U.a. die Toten von Paris sind die Folge.

Strafanzeigen diesbezüglich werden aber von den Staatsanwaltschaften nicht angenommen, wenn ich richtig informiert bin, d.h. es erfolgt gar keine Prüfung des Sachverhalts, weil erst gar keine Ermittlungen aufgenommen werden.

Vielleicht kann man das nachholen. Dokumentiert dürften die Vorgänge jedenfalls sein.

exilgermanski
7 Jahre her
Antworten an  Nichtzufassen

Das konnten Sie in der Welt lesen: 60 Dschihadisten in Deutschland … vermutlich vom Bundesamt für Migration mit ihrer neuen Wunschidentität ausgestattet.

Vergessen Sie es, solange die Sonnenkanzlerin und ihr Merkelbeklatschverein am Ruder bleiben, ändert sich garnichts!

Rudi
7 Jahre her

Eigentlich könnte für mich jeder Tag Wahlkampftag sein. Natürlich nur, wenn eine AfD dabei mit kämpft. Liebe Leute. Ich habe nun etliche Lenze auf dem Buckel und dabei etliche Wahlkämpfe erlebt, aber dieser und die bisherigen Schlachten seit der AfD gehen mir runter wie Honig. Lasst uns daher diese Zeit geniessen. Denn niemals mehr werden all diese Verfassungsfeinde, von sich selber auch gerne Demokrat genannt, mehr so vor der Flinte einer Opposition hergetrieben. Diese Selbstentleibung einiger Politiker bestätigen nämlich nicht nur ihre vorangegangene Hilflosigkeit, sondern auch ihre allgegenwärtige Inkompetenz! Ich freue mich jedenfalls, dass eine Frau Özoguz nicht nur die… Mehr