Der Plagiatsverdacht gegen CSU-Generalsekretär Martin Huber erinnert daran: Während viele Spitzenpolitiker ihre akademischen Abschlüsse mehr oder weniger erschwindelten, sind andere im Studium gescheitert. Es ist Zeit für frischen Wind bei der Rekrutierung des politischen Personals.
„Erst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch Pech dazu!“ Dieser Kalauer könnte CSU-Chef Markus Söder durch den Kopf gegangen sein, als er Stephan Mayer zum CSU-Generalsekretär machte, um ihn nach dessen unflätigen Ausfällen gegen einen „Bunte“-Journalisten“ bereits nach knapp zehn Wochen Amtszeit gegen Martin Huber auszutauschen. Und nun das Pech: Der am 6. Mai berufene Huber war gerade zwei Tage im Amt, da wurden von dem Plagiatsforscher Jochen Zenthöfer unsaubere Stellen in Hubers Dissertation aus dem Jahr 2007 aufgedeckt.
Nun, Huber könnte Glück haben, seine Arbeit wird zwar ab sofort von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) überprüft, aber laut damals geltender Promotionsordnung kann ein akademischer Titel nur innerhalb der ersten fünf Jahre nach Erwerb entzogen werden. Das heißt: Das Schicksal eines Entzugs des Doktor-Titels wie bei Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU; 2011), Ex-Bildungsministerin Annette Schavan (CDU; 2013) und Ex-Familienministerin Franziska Giffey (SPD, 2021) könnte Huber erspart bleiben.
Nicht ausgeschlossen also, dass Huber seine Politikerkarriere – wie zuvor schon Giffey – höheren Orts fortsetzt. Giffey wurde im Herbst 2021 immerhin als „Regierende“ von Berlin zur Länderchefin. Groß ist der Personalpool der CSU ohnehin nicht, und Huber ist immerhin einer, der – anders als sein „Generals“-Vorgänger Mayer – einen gesitteten Kommunikationsstil praktiziert.
Wir listen – ohne Anspruch auf repräsentative Vollständigkeit – zehn „Fälle“ auf, die ohne Abschluss in höchste Ämter aufstiegen. Hier also eine kleine Hitliste von Studienabbrechern in politischen Spitzenämtern. Dass die „Grünen“ hier überrepräsentiert sind, ist keine böse Absicht, sondern offenbar Realität.
Josef („Joschka“) Fischer („Grüne“, *1948) ist das erste und namhafteste Beispiel. Ohne Schulabschluss, ohne Berufsabschluss, ohne Studienabschluss, mit als einzigem förmlichem Abschlusszeugnis, einem Taxischein, wurde er Landesminister in Hessen sowie Außenminister und Vizekanzler von 1998 bis 2005.
Katrin Göring-Eckhardt („Grüne”; *1966) war von 2005 bis 2013 Vizepräsidentin des Bundestages; seit der Bundestagswahl vom Herbst 2021 ist sie es wieder. Von 1984 bis 1988 studierte sie Theologie – ohne Abschluss.
Omid Nouripour („Grüne“; *1975) ist MdB und seit Februar 2022 Co-Vorsitzender der „Grünen“. Von 1996 bis 2002 studierte er Germanistik, Politologie und Jura – ohne Abschluss.
Ricarda Lang („Grüne“; *1994), ist MdB und ebenfalls seit Februar 2022 Co-Vorsitzende der „Grünen“. Von 2012 bis 2019 studierte sie Rechtswissenschaften – ohne Abschluss.
Annalena Baerbock („Grüne“; *1980) ist seit 2013 MdB und seit Dezember 2021 Bundesaußenministerin. Von 2018 bis 2022 war sie zudem Co-Vorsitzende der „Grünen“. Einen Hochschulabschluss nach deutschem Recht hat sie nicht. In Hamburg hat sie ein Vordiplom erworben und in England (als Vordiplomierte!) ein einjähriges Postgraduiertenstudium angeschlossen. Ihren Lebenslauf hat sie als „Kanzlerkandidatin“ 2021 üppig aufgehübscht; ihr Buch „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“ ist voller „Anleihen“ und deshalb vom Verlag zurückgenommen worden.
Claudia Roth („Grüne“; *1948) war von 1989 bis 1998 Mitglied des Europäischen Parlaments, dann ab 1998 MdB, zwischen 2001 und 2013 zweimal Co-Bundesvorsitzende der „Grünen“. Von 2013 bis 2021 war sie Vizepräsidentin des Bundestages. Seit Dezember 2021 ist sie im Kanzleramt Staatsministerin für Kultur und Medien. Ihr Studium der Theaterwissenschaften, Geschichte und Germanistik hat sie 1974/75 nach zwei Semestern abgebrochen, um dann als Managerin einer Rockband und als Dramaturgin tätig zu sein.
Tobias Hans (CDU; *1978) war von 1. März 2018 bis 24. April 2022 Ministerpräsident des Saarlandes. Er hat das Amt von seiner Vorgängerin Kramp-Karrenbauer ohne vorausgehende Landtagswahl übernommen. Bereits ab 2009 war Hans Landtagsabgeordneter. Von 1998 bis 2007 studierte er Wirtschaftsinformatik, Informatikwissenschaft und Anglistik. Nach 18 Semestern brach er das Studium ohne Abschluss ab. Von 2006 bis 2009 arbeitete er in der CDU-Landtagsfraktion oder als Mitarbeiter eines Ministers.
Annette Widmann-Mauz (CDU; *1966) ist seit 1998 MdB, von 2009 bis 2018 war sie Parlamentarische Staatssekretärin, von 2018 bis 2021 Staatsministerin im Kanzleramt für Migration. Seit 2015 ist sie Vorsitzende der Frauen Union. Ihr Studium der Politik- und Rechtswissenschaften hat sie nach 16 Semestern abgebrochen – ohne Abschluss.
Paul Ziemiak (CDU; *1985) ist seit 2017 MdB, von 2018 bis 2022 war er Generalsekretär der CDU. Sein Jura-Studium konnte er nicht mit Erfolg abschließen, weil er das Staatsexamen zweimal nicht bestand.
Kevin Kühnert (SPD; *1989) ist seit 2021 MdB und Generalsekretär der SPD. Von 2017 bis 2021 war er Vorsitzender der Juso. Ein Studium der Publizistik und Kommunikationswissenschaften hat er 2010 nach kurzer Zeit abgebrochen, um sodann in einem Callcenter und als Mitarbeiter von Abgeordneten tätig zu sein.
Frischer Wind in die politische Elite!
Wir wollen weder über Plagiatoren (die schlampig oder arglistig gearbeitet haben) noch über Studienabbrecher den Stab brechen. So ist das Leben nun einmal. Im Alltag stehen viele dieser Leute dennoch ihren Mann respektive ihre Frau, um ihr eigenes Auskommen zu sichern und ihren Beitrag zum Gemeinwesen und für die Volkswirtschaft zu leisten. Wir fragen uns allerdings: Sind gerade Studienabbrecher die Richtigen, unser Land an führender Stelle zu lenken, zumal wenn sie selten im richtigen Leben gearbeitet haben und sich nur in Parteiarbeit verdingten.
Oder aber ist auch dieses Bild, das hier so manche Spitzenpolitiker, selbst Kabinettsmitglieder mit (!) Abschlüssen, abgeben, Symptom des allseits beklagten Fachkräftemangels?
Jedenfalls wird es höchste Zeit, dass die Mechanismen der Rekrutierung des politischen Spitzenpersonals andere, vor allem transparentere werden. Die Kanalarbeitertour innerhalb einer Partei als Voraussetzung für den Weg in Spitzenämter und die Bestellung der Mandatsträger in Hinterzimmern müssten ausgedient haben. Die Amtszeiten müssen begrenzt werden, damit jeder, der sich auf Politik einlässt, weiß, dass es ein Leben nach der Politik geben wird. Und man dafür eine entsprechende Qualifikation braucht. Überhaupt brauchen wir mehr personelle Fluktuation zwischen Gesellschaft und Politik. Wobei zur Politik nicht nur die Parteien, sondern auch die vielen der Politik nahestehenden NGOs zählen.
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Der Titel der Dissertation erinnert ein bisschen an den Buchtitel „Die Gerechtigkeit des Lehrers unter besonderer Berücksichtigung der höheren Lehranstalten“ aus der Feuerzangenbowle.
Ich behaupte mal dass keiner von diesen charakterlosen Plagiatoren, Aufschneidern, Lügnern in anderen Ländern weniger die Chance gehabt hätte, ohne irgendwie verwertbare Lebens- bzw. Arbeitserfahrung in politische Spitzenämter zu kommen. Es dreht sich nicht mal um Studienabschlüsse. Die meisten dieser Nichtsnutze haben niemals versucht, ehrliche, seriöse Arbeit außerhalb der Partei zu leisten. Die verstehen nicht was Verantwortung heißt. Das zeigt sich augenblicklich an der katastrophalen Politik in Deutschland.
Die Parteien machten sich den Staat zur Beute, um die Parlamente mit willfährigen Parteisoldaten bestücken zu können, welche in völliger Abhängigkeit ihrer jeweiligen Partei stehen. Kaum ein Politiker hätte es womöglich „im richtigen Leben“ zu vergleichbarem Status und vorzüglicher Versorgung gebracht. Das gilt für „Aktentaschenträger“ (Steinmeier, Scholz und den meisten Arrivierten) ebenso, wie für die gänzlich „Ungelernten“. Es ist daher nicht verwunderlich, dass besonders sie es sind, die „in die Politik streben“. Offenbar glaubt ein sattes, wohlstandsverwöhntes Volk, sich eine wohlstandsverwahrloste Ochlokratie leisten zu können. Wer sich auf dem paternalistischen „Faulbett“ gern niederließ, kann sich nun in der geistigen Leere… Mehr
Nur eine kleine Nachfrage: Ist Claudia Roth nicht Jahrgang 1955? Ansonsten haben Sie absolut Recht, Herr Kraus. Früher hieß es doch hierzulande „Wer nichts wird, wird Wirt“ oder so ähnlich, heute müßte es heißen „Wer nichts wird, geht in die Politik“.
Das ist doch gaaanz böööses Framing. Immer nur vom abgebrochenen Studium zu reden. All diese hier als Versager dargestellten haben doch als Studienvoraussetzung ein Abitur erfolgreich BESTANDEN.
Frage: Muß ein Berufpolitiker „alltagtauglich“ sein? Was ist „Alltag“? Ist der immer gleich? Warum wird der eine das, der andere etwas ganz anderes? Verehrter Herr Kraus, das unterliegende Problem ist doch nicht Charakterschwäche der Politiker, sondern der Parteienstaat. Ich zum Beispiel bewege mich in einem völlig „normalen“ Arbeitsumfeld, private Wirtschaft, seit ich arbeite. Mein Privatleben ist auch ziemlich „normal“, ich bin weder Hochleistungssportler noch bin ich in der „Flüchtlingsarbeit“, organisiere ich eine Schrebergartengruppe oder folge speziellen sexuellen Vorlieben, die nur im Dunkeln gedeihen. ABER: Diese leicht spießige Normalität ist Resultat meines gesamten Lebensentwurfes. HÄTTE ich mich vor 30 Jahren… Mehr
Den nicht vergessen:
Oliver Krischer (Grüne) : Nach Abitur und Zivildienst studierte er Biologie an der RWTH Aachen. Nach eigenen Angaben erreichte er dort keinen Abschluss. Er ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages und seit dem 8. Dezember 2021 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz.
Aber warum aufregen, die Deutschen wählen ja diese Versager zu ihren „Volksvertretern“. Warum auch immer….
Eines der Probleme ist doch schlicht und einfach, man läßt diese Leute einfach gewähren oder verniedlicht das Ganze auch noch. Da werden glatte Lügen im Lebenslauf als „üppig aufgehübscht“ bezeichnet, so als wenn im Kern alles stimmt und nur außen wurde noch ein bisschen nachpoliert. Wer sich in der Wirtschaft auf eine Stelle bewirbt und falsche Angaben macht, wird üblicherweise sofort entlassen, wenn das auffällt. Wegen Vertrauensbruch usw. Aber bewirbt man/Frau sich als Bundeskanzler, dann modifiziert und verbiegt sie den Lebenslauf nach Belieben und Fantasie. Wenn es dann mit dem Kanzler nicht klappt wird man eben Außenministerin. Eigentlich ein Amt,… Mehr
Auch eine abgeschlossene Berufsausbildung reicht für frischen Wind nicht! Es müsste darüber nachgedacht werden, welche Charaktereigenschaften ein wirklich demokratischer Politiker eigentlich haben müsste! Aber wahrscheinlich hat eine kranke Gesellschaft einfach nur die entsprechende Regierung, – und deshalb müssen wir auf den Zusammenbruch des verwahrlosten Systems warten, und danach auf Bessrung hoffen.
Wenn diese ganzen bildungsfernen Menschen nicht in der Politik untergekommen wäre, lägen sie uns durch Hartz IV auf der Tasche. Aber das wäre noch besser, als es aktuell ist. Denn dann würden sie uns nur einen Bruchteil kosten und könnten keine milliardenschweren Fehlentscheidungen treffen.