Haushaltskrise, Vertrauenskrise, Ampelkrise

Eigentlich schien die Debatte um den Haushalt abzukühlen. Doch weit gefehlt: Die Eifersüchteleien gehen nicht zu Ende. Dass der Haushaltskompromiss aufgekündigt werden könnte, zeigt, dass die Ampelparteien einander nicht trauen. Wo das Geld herkommen soll, bleibt da nur noch eine nachrangige Frage.

IMAGO / Political-Moments

Ein Gespenst geht um in Deutschland – der Gespensterhaushalt. Denn im Grunde besteht auch der Haushaltskompromiss, den man letzte Woche mit einem päpstlich-feierlichen „Habemus Haushalt“ in die Welt posaunte, weder als echter Entwurf noch als Gesetzesvorlage für den Bundestag. Es handelt sich um nicht mehr als eine Absichtserklärung – aber eine, die es in sich hat.

Jetzt mag man zu Recht einwenden: Die Streichung der Prämie für E-Autos ist real. Sie ist am Wochenende abrupt abgelaufen, wohl auch deswegen, weil der grüne Koalitionspartner hoffte, dass man die Fußnote nicht bei der Klientel mitbekommen würde. Aber dass die Ampel ihr Paket selbst nicht für in Stein gemeißelt hält, das zeigt sie täglich. Alles ist im Fluss. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat sogar geraunt, dass der ganze Kompromiss sich wieder auflösen könnte. Zitat:

„Wenn jetzt einzelne Streben herausgezogen werden, ohne neue einzusetzen, fällt die Gesamtlösung in sich zusammen. Das heißt, wer an einer Stelle Änderungen wünscht, muss eine abgestimmte und für alle Seiten tragfähige Gegenfinanzierung anbieten. Wir können uns aber nicht leisten, keine Antwort zu geben, denn der Haushalt muss gemacht werden.“

Typischer Habeck-Sprech: Den anderen vorzuwerfen, was man selbst tut, um es dann zu skandalisieren, ist eben Parteipolitik. Statt zu regieren, heizen Personalien wie Habeck die Staats- und Haushaltskrise, die man vielleicht nicht ausgestanden, aber doch abgeschwächt hatte, wieder an. Der Grüne macht klar: Man muss „nachjustieren“. Und die bösen „Nachjustierer“, das sind die anderen.

Nun bekommt die FDP – wie fast immer im Ampel-Spiel – den Schwarzen Peter zugespielt. Zuerst, weil sie die Schuldenbremse nicht lockern wollte und grüne Forderungen nach mehr Ausgaben abschwächte. Nun ist die FDP schuld, weil sie weniger Belastungen für die Bürger haben will – explizit für die Bauern. Eigentlich hatten sich die Ampel-Parteien am Mittwoch darauf geeinigt, wie man die Löcher stopfen wollte. Am Sonntag hatten die Liberalen dann ihr Veto in der Causa Agrardiesel angekündigt.

Nun schwingt sich ausgerechnet Habeck zum Bauernführer auf und gibt den Haushaltsverteidiger. Die Grünen nämlich hätten es gewusst, von Anfang an: „Der Bundeskanzler, der Finanzminister und ich haben die Entscheidung zur Agrardiesel-Beihilfe im Sinne einer Gesamtlösung treffen müssen“, sagte Habeck. „Das war nicht leicht, und auch ich weiß um die Härten. Der Landwirtschaftsminister hat davor gewarnt, die Agrardiesel-Beihilfe zu streichen. Cem Özdemir kennt die Lage der Bauern und die Belastung und hat das sehr deutlich gemacht.“

Während die Traktoren durch Berlin rollten, hätte nicht nur Habeck gerne gesehen, wie Christian Lindner (FDP) und Co. unter die Räder gekommen wären. Auch die Sozialdemokraten ärgerten sich über die Ankündigung des Bundesfinanzministers. „Die FDP muss sich die Frage stellen, ob sie überhaupt noch regieren will“, sagte Philipp Türmer von den Jusos. Die Agrardiesel-Einigung habe die FDP der Regierung „eingebrockt“, es sei jetzt „verrückt“, dass die Kritik ausgerechnet von der FDP komme.

Womit die FDP jedoch rechnen musste: Das Paket, das sie selbst wieder aufschnürt, wird von anderen wieder miteingepackt. Das gilt nicht nur für den Wirtschaftsminister, der deutlich betonte, dass ja auch das Ende der E-Auto-Prämie ihm Bauchweh bereitet hätte. Das gilt auch für jemanden wie SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, der die Gelegenheit nutzte, um eine Reform der Einkommensteuer ins Spiel zu bringen. „Wenn man selbst den Reichsten der Reichen verspricht, dass es keinerlei Steuererhöhungen geben wird, dann wird die Rechnung letztlich allen anderen präsentiert: Pendlern an der Zapfsäule, Verbrauchern im Supermarkt, Arbeitnehmern bei den Sozialabgaben“, sagte Kühnert gegenüber der Rheinischen Post.

SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich ging noch einen Schritt weiter. Das Ausscheren der FDP sei eine „schwere Belastungsprobe“ für die Ampel. „Wir erwarten, dass auch andere bereit sind, ihren Teil zu einer guten Regierungsführung beizutragen. In diesen Tagen vermisse ich eine solche Haltung“, sagte Mützenich in der Süddeutschen Zeitung. „Wenn bereits heute einzelne Vorschläge gänzlich infrage gestellt werden, dann verlange ich konkrete Alternativen aus dem jeweiligen Verantwortungsbereich, um für das kommende Jahr einen soliden Haushalt auf den Weg zu bringen.“ Für die „notwendigen Hilfen“ zugunsten der Ukraine stünden auch „andere Instrumente“ in der Verfassung zur Verfügung. Kurz: Mützenich bringt wieder die Notlage und die Schuldenbremse ins Spiel.

Äußerungen wie diese zeigen, dass es in der ganzen Haushaltskrise nicht nur um Milliarden geht, sondern auch um viel Vertrauen. Von einem „Neustart“, wie Habeck ihn noch neulich fabuliert hat, ist nur wenig zu sehen. Das Problem: Es ist wenig Geld da und jeder will seine Wünsche bedient sehen. Jede Partei fürchtet sich vor den nächsten Wahlen, aber die Lösung, um die Wähler bei der Stange zu halten, widerspricht der Strategie des Koalitionspartners, um dasselbe Ziel zu erreichen.

Die rot-grüne Allianz ist dabei weitaus brüchiger, als das gemeinsame Einschlagen auf Gelb suggeriert. Auch die SPD weiß, dass sie irgendwann den grünen Mühlstein loswerden muss, will sie nicht dauerhaft unter 15 Prozent fallen. Man schlägt den Esel FDP, meint aber im Grunde auch die Grünen, und lechzt nach der Rückkehr in die gemütliche Große Koalition. Dass es die nicht gibt, hängt lediglich an der Kanzlerfrage.

Wie bei einem Ehepaar geht es bei Haushaltsausgaben damit oft nicht nur um sachliche Einwände. Man traut sich nicht mehr über den Weg, weil man glaubt, dass der andere vom Verzicht profitiert, oder man mehr vom Kuchen verdient habe als der andere. Bis über die Eifersüchteleien der Haushalt gänzlich aus dem Blick gerät. Das ist der eigentliche Grund, warum uns diese Staatskrise noch länger beschäftigen wird: Die Ampelparteien können es nicht, und sie können es vor allem nicht miteinander.

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Kommentare ( 59 )

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Pilo
1 Jahr her

Ich habe 3 ( vielleicht dumme ) Fragen: 1. Ist dieser Haushalt eigentlich schon verabschiedet? 2. Haben wir noch eine Haushaltssperre? Wenn ja: 3. Wieso schmeißen unsere „Vertreter“ im Ausland das Steuergeld im sich wie der Nikolaus die Nüsse? Für Antworten wäre ich wirklich dankbar,

NickiNeuland
1 Jahr her

Diese Regierung ist eine große Gefahr, nicht nur für Deutschland sondern für Europa und den gesamten Rest der Welt. Obwohl es sich nur um die dekadente, korrupte, moralisch verkommene und intellektuell schwache Junta eines Vasallenstaates handelt, kann die andauernde Kriegstreiberei, in Verbindung mit hanebüchenen diplomatischen Fehlleistungen, als auslösendes Moment, unsere gesamte Zivilisation ins Wanken bringen. Wir brauchen dringendst Neuwahlen, sonst gehen wir unter.

amanita vom Mars
1 Jahr her

Die Sozialisten kommen nicht mal mit dem Geld von anderen (wir die Steuerzahler) aus.

Der Edle verlangt alles von sich selbst, der Primitive stellt nur Forderungen an andere“.   Konfuzius

Juergen Semmler
1 Jahr her

– 50 Mrd. EURO / p.a.
Ausgaben für Flüchtlinge und Migration

– 40 Mrd. EURO / p.a.
Bürger-/Migrantengeld

DA WÜSSTE EIGENTLICH JEDER HALBWEGS MIT VERSTAND AUSGESTATTETE MENSCH IN DIESEM LAND……,

….WO DER ROTSTIFT ANGESETZT WERDEN MUSS !

glambi41
1 Jahr her

….nicht vergessen: die Geldgeschenke an das Ausland, wie Ukraine, Indien, Nigeria, Peru, etc. summieren sich auf 37 Milliarden € allein in 2023. Da ist das Bürgergeld an die Ukrainer in Höhe von 6,3 Milliarden noch nicht mitgerechnet. Kurz: kein Geld mehr ins Ausland verschenken und der Haushalt ist locker gesichert, ohne die eigenen Bürger zu schröpfen. Übrigens: Politik gegen die eigene Bevölkerung zugunsten fremder Interessen nennt man Hochverrat und wäre justiziabel.

HMSMUC
1 Jahr her

Erst wenn diese Regierung verschwunden ist, normalisiert sich mein Blutdruck wieder. Diese unqualifizierten Personen mit ihren blödsinnigen Einfällen machen die Bürger krank. Mich würde es nicht wundern, wenn ein Existenzbedrohter irgendwann durchdreht.

HRR
1 Jahr her

Deswegen wäre direkte Demokratie mittels Volksentscheiden im Bund so wichtig. Die Schweiz könnte da als Vorbild dienen.
Das Volk ist der Souverän, nicht Politiker der Parteien-Koalitionen, deren Interessen im Zweifelsfall nicht mit denen der Bürgerschaft übereinstimmen.

Winston S.
1 Jahr her
Antworten an  HRR

Beim Thema Volksentscheiden bin ich schon seit langer Zeit extrem vorsichtig. In Bayern hat uns das z.B. eine Verlängerung der Legislaturperiode auf 5 Jahre eingebracht, angeblich um unnötige Kosten für die „ständigen Wahlkämpfe“ zu sparen. Erstens zwingt „die“ niemand dazu, ständig Wahlkampf zu machen, wofür sie unverschämterweise auch noch eine völlig überzogene „Wahlkampfkostenerstattung“ erhalten. Wenn „die“ stattdessen einfach nur vernünftige Politik betreiben würden, bräuchten sie auch keinen „Wahlkampf“. Sinnvoller wäre es, den Wählern eine „Wahlkampfkostenerstattung“ von zB 5 Euro dafür zu zahlen, daß sie sich persönlich ins Wahllokal begeben, um das kleinste von vielen Übeln zu wählen. Das würde bei… Mehr

HRR
1 Jahr her
Antworten an  Winston S.

Ihre Sorge bezüglich der politischen Reife des Wählers ist durchaus auch meine. Eine Repräsentative Demokratie, ergänzt um Volksentscheide über Maßnahmen, die wesentlich in die Geschicke des Landes eingreifen (z. B. EU-Beitritt, Euro-Einführung, Kernkraft-Abschaltung, Migration), hielte ich dennoch für wünschenswert, trotz aller Bedenken. (Leider ist ein Bundestages mit ausschließlich direkt gewählten Kandidaten, also ganz ohne Parteien (-Einfluss) derzeit nicht absehbar.) Selbstverständlich müssen einem Volksentscheid landesweite intensive Diskussionen vorausgehen, sodass auch politisch unbedarften Wählern zumindest Grundkenntnisse über das Vorhaben nicht entgehen sollten. Gegen grobe Fehlinformationen durch z. B. „angeleitete Medien“ müssten Sicherungen eingebaut werden. Entscheide, die im Nachhinein als ungünstig erkannt werden,… Mehr

Ohanse
1 Jahr her

Ohne die Kosten für sogenannte Flüchtlinge und Asylanten stehen den deutschen Nettosteuerzahlern jedes Jahr über 50 Milliarden Euro mehr zur Verfügung, die sie zu ihrer Entlastung dringend benötigen. Schließlich sind es nur die ca. 15 Millionen Nettosteuerzahler, die sich und die anderen 68 Millionen Einwohner finanzieren. (Quelle: s. z.B. „https://www.tabularasamagazin.de/15-millionen-muessen-68-millionen-mehr-oder-weniger-mittragen/“).

Bernhardino
1 Jahr her
Antworten an  Ohanse

Bei diesen 50 Milliarden sind aber weder Schul-, Gesundheits-, Sicherheits- und Kriminalitätskosten dabei. Es wird wohl eher bei 100 Milliarden im Jahr liegen. Wie bekannt, wir könnten „goldene Gehsteige“ bauen, wenn der Wähler und ALLE Nichtwähler denn wollten.

Innere Unruhe
1 Jahr her
Antworten an  Bernhardino

Wir reden von Klima und Umwelt. Was passiert mit dem Abwasser und Abfall, die Migranten produzieren? Ist es klima- und umweltneutral?

Silverager
1 Jahr her
Antworten an  Ohanse

Man sollte auch nicht die Milliarden an Entwicklungshilfen vergessen, mit denen die Potentaten der armen Länder gemästet werden, ohne dass die armen Menschen das Geringste davon haben.
Ganz zu schweigen von den Geldern für die Palästinenser, mit denen die Hamas ihre Angriffe auf Israel und ihre gewaltigen Tunnelsysteme finanziert.
Oder die Unterstützung der korrupten Ukraine, womit das Sterben endlos verlängert wird.
Alles linksgrüne Projekte, die deutsches Steuergeld in fremde Länder verteilt.

Waehler 21
1 Jahr her

Es fehlt an einem ausgewogen ÖRR, und ein wenig Selbstliebe in Deutschland..Dann hätten die Politiker auch keinen Blankoscheck mehr.

Juergen P. Schneider
1 Jahr her

Das gesamte Altparteienkartell hat abgewirtschaftet. Einige dieser Parteien werden in den nächsten Jahren von der politischen Bühne verschwinden. Wie in vielen anderen europäischen Ländern wird es weitere Neugründungen geben. Diese Ablösung der Altparteien dauert nur in Deutschland wesentlich länger als in anderen Ländern, weil die deutsche Wählerschaft viel zu lange an Wahlgewohnheiten festhält. Das Durchrütteln der Parteienlandschaft hat gerade erst begonnen. Ohne die Ablösung des links-grünen Altparteienkartells wird sich politisch in Deutschland nichts zum Guten wenden.

HMSMUC
1 Jahr her
Antworten an  Juergen P. Schneider

Es gibt leider immer noch zu viele, die den Öffentlichen und der sog. Qualitätspresse vertrauen. Alles Reden und Überzeugungs Versuche zugunsten der AFD werden abgeblockt. Leute, die ich lange Zeit für intelligent gehalten habe und die selbst immer auf die Grünen und SPD geschimpft haben geben auch der AFD keine Chance. Ich verstehe es nicht und schweige fortan.