Haldenwang will nicht Innenminister werden

Muss die Republik enttäuscht oder erleichtert sein über Haldenwangs Verzicht auf das Amt des Innenministers? Und wäre eine solche Berufung durch einen Kanzler Merz überhaupt denkbar? Eines ist klar: Das Agieren des früheren Verfassungsschutzpräsidenten bedarf der Aufarbeitung.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Der Nicht-mehr-Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) Thomas Haldenwang will über den Wahlkreis Wuppertal I Bundestagsabgeordneter der CDU werden. TE hat darüber am 13. November berichtet.

Einfaches Mitglied des Bundestages (MdB) will Haldenwang für die CDU also werden, aber nicht Innenminister. Das hat er die Republik über ein Interview in der links-grünen „tageszeitung“ (taz) wissen lassen. Das taz-Interview ist mit Stand 16. November, 16.27 Uhr, überschrieben mit: „Ich habe mir nichts vorzuwerfen“. Naja, vielen kritisch-aufmerksamen Zeitgenossen würde da schon einiges einfallen. Bis hin zur Frage, warum Haldenwang sich als BfV-Präsident denn nicht selbst – und seine Chefin Innenministerin Faeser (SPD) – zum Beobachtungsfall gemacht hat. Wegen „verfassungsschutzrelevanter Delegitimierung“ nicht nur des Staates, sondern des Grundgesetzes, vor allem des Artikels 5 „Meinungs- und Zensurfreiheit“.

Haldenwang will also Teil der „Legislative“ werden. Warum? Er möchte sich dort für eine andere Migrationspolitik (es sei „dringend Zeit“ dafür) und mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden engagieren. Wörtlich: „Ich möchte mich dafür einsetzen, dass Versäumnisse bei der Inneren Sicherheit schnellstmöglich aufgearbeitet werden.“ Haldenwang sagt dann auch noch: „Bei der Einstufung der AfD habe ich ausschließlich nach Recht und Gesetz gehandelt.“ Wobei man ja nicht weiß, welche Einstufung Haldenwang denn nun meint: Die Einstufung der AfD als „rechtsextremer Verdachtsfall“ (so im März 2021, also noch zu Merkels Zeiten) oder deren für Ende 2024 geplante Einstufung der AfD als „erwiesen extremistisch“?

Aber lassen wir uns ein paar der Aussagen Thomas Haldenwangs (TH) in der „taz“ auf der Zunge zergehen:

  • TH zur Frage, ob er sich vorstellen könne, Bundesinnenminister zu werden: „Ich strebe kein höheres Amt mehr an. Sonst hätte ich auch Verfassungsschutzpräsident bleiben können.“
  • TH über seine Amtszeit im BfV: „Ich glaube, ich habe in den sechs Jahren meiner Amtsführung im Verfassungsschutz eine gute Arbeit geleistet und die richtigen Schwerpunkte gesetzt – und dass die allermeisten mit dieser Arbeit auch zufrieden waren.“
  • TH an anderer Stelle des Interviews: „Ich hoffe, dass ich in Erinnerung bleibe als jemand, der sich bemüht hat, bestmöglich die Aufgaben des Bundesamts für Verfassungsschutz zu erledigen.“
  • TH über die geplante Höherstufung der AfD: „Die Verkündung dieses Prüfergebnisses noch in diesem Jahr war mit der vorgezogenen Neuwahl obsolet – das wäre zu nah an den Wahltermin gerückt. Weiter möchte ich mich dazu, jetzt da ich mein Amt niedergelegt habe, nicht mehr äußern.“
  • TH: „Die Sicherheitsbehörden brauchen dringend mehr digitale Befugnisse, um effektive Arbeit leisten zu können – eine Speicherung von IP-Adressen oder die Erlaubnis, digitale Datenträger kopieren zu dürfen. Dafür ist es angesichts der großen Herausforderungen nicht nur beim Extremismus, sondern auch bei Spionage und Sabotage höchste Zeit.“
  • TH zur Frage, wie er der AfD als MdB begegnen werde: „Dann wäre die AfD für mich nicht nur eine zu beobachtende Organisation, die in Teilen rechtsextrem ist, sondern auch der politische Gegner, mit dem man sich mit Argumenten auseinanderzusetzen hat. Und da glaube ich, sind wir gut beraten, wenn wir uns viel intensiver mit den Zielen und der Politik der AfD beschäftigen und auf diese Art und Weise dafür sorgen, dass der Einfluss begrenzt wird.“
  • TH über ein AfD-Verbot: „Ich möchte aber darauf hinweisen, dass die Voraussetzungen für ein Parteiverbot noch mal höher sind als die Einstufung als erwiesenes Beobachtungsobjekt durch den Verfassungsschutz. Und auch Letzteres ist ja noch nicht gegeben. Ein Verbotsantrag bräuchte eine sehr, sehr sorgfältige juristische Prüfung.“
Aufarbeitung von Haldenwangs Wirken geboten

Nun ja, würde TE mit Haldenwang ein Interview führen und wäre dieser dazu bereit, dann wären die Fragen nicht wie in der „taz“ Wattebällchen.

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Aber was ist zu Haldenwangs Verzicht auf das Amt des Innenministers zu sagen? Ist das generös? Oder ist es gar größenwahnsinnig, überhaupt mit dem Gedanken zu spielen? Wäre eine solche Berufung durch einen Kanzler Merz überhaupt denkbar? Würde Haldenwang als Bundesinnenminister dann eine Nancy Faeser zur herausgehobenen Staatssekretärin machen? Oder bleibt Faeser in einer zu erwartenden schwarz-roten Koalition im Amt? Darf das Volk also erleichtert oder muss es enttäuscht sein?

Ernsthaft: Das Agieren des Ex-BfV-Präsidenten Haldenwang bedarf der Aufarbeitung. TE-Leser Patrick Glauner hat das in einem Leserbrief, den die FAZ nicht veröffentlicht hat, auf den Punkt gebracht. Glauner ist Professor für Informatik an der Technischen Hochschule Deggendorf. Er hat TE seinen Leserbrief zur Verfügung gestellt, in dem er schreibt:

„Es ist für den Rechtsstaat ein Segen, dass Thomas Haldenwang nicht länger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist. Er baute in den vergangenen Jahren den Verfassungsschutz gezielt zu einer Organisation für den Kampf gegen den politischen Gegner um, wodurch nun insbesondere unangenehmes Verhalten weit unterhalb der Strafbarkeitsgrenze verfolgt wird. Ein Vorgang, der für mich in den Bereich des faschistischen Denkens fällt! Durch Herrn Haldenwangs Handeln litt daher auch massiv das Ansehen des Verfassungsschutzes unter seinen internationalen Verbündeten. Was bewegte Herrn Haldenwang zu seinem Handeln in den vergangenen Jahren? Es ist möglich, dass er von sich aus diese Initiativen startete und von seinen Vorgesetzten nicht zur Ordnung gerufen wurde. Sollte er jedoch ‚lediglich‘ entsprechende politische Vorgaben umgesetzt haben, hätte er gegen seine Remonstrationspflicht, der auch er als politischer Beamter unterlag, verstoßen. So oder so muss die nächste Bundesregierung den Fall Thomas Haldenwang kritisch prüfen und eine straf- und disziplinarrechtliche Aufarbeitung einleiten. Dieser Fall darf sich unter keinen Umständen wiederholen und die Presse muss hier zukünftig auch deutlich lauter Kritik üben.“


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