Tichys Einblick
Wegen Visa-Skandal

Grüne in Auflösung: Marquardt distanziert sich von NGO, Baerbock stammelt und lügt

Die grüne Front in Sachen Visa-Skandal wankt. Baerbock gab ein Kurzinterview voller Blabla und Falschaussagen. Der grüne NGO-Gründer Erik Marquardt zieht sich aus der Schusslinie. Die „Kabulluftbrücke“ entschied mit über Einreisen aus Islamabad. Gab es weitere Rechtsbrüche?

picture alliance/dpa | Bodo Schackow

Die grüne Partei wirkt aufgeschreckt. Der Grund liegt in den nicht enden wollenden Veröffentlichungen zur Visa-Affäre und in deren unabweisbarem Kern: Das Auswärtige Amt hat unter Annalena Baerbock alles getan, um Visa-Anträge aus aller Welt in großer Zahl zu genehmigen und steht deswegen unter dem Verdacht der Rechtsbeugung. Vor allem fielen Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Afghanen und dem Bundesaufnahmeprogramm auf. Diese Einreisen liefen meistenteils über die Botschaft Islamabad (Pakistan).

Als das Bundesinnenministerium (BMI) und die Sicherheitsbehörden in einer Teilfrage Probleme bereiteten, wollte Baerbock auch eine öffentliche Eskalation nicht scheuen. Konkret ging es um die Ausweitung der Reiserouten für Afghanen: Neben Pakistan wollte Baerbock auch das usbekische Taschkent etablieren. Doch dazu sagte das BMI nein, denn „Sicherheitsinterviews und vollständiges Visumverfahren im Drittland, analog der für Resettlement üblichen Verfahren“, seien in Usbekistan nicht möglich. Aber Baerbock hielt an ihrem Vorhaben zunächst fest. So schrieb sie die inzwischen berühmte „Anmerkung BMin“ (Bundesministerin): „Das sollten wir nicht akzeptieren. Hier hart bleiben, ggfs. weiter bis zur Ebene BMin eskalieren, ggfs. öffentlich.“

Es ging um das Nein des BMI in Sachen Usbekistan, mit „BMin“ ist hier Nancy Faeser gemeint. Und das ist schon ein ziemliches Husarenstück, dass Visa-Baerbock an dieser Stelle sogar Antifa-Faeser in ihrem Migrationsmaximalismus übertraf. Die Damen waren sich uneinig in dem Punkt, ob Resettlement auch ohne oder nur mit Sicherheitsinterviews geht. Das geht eindeutig aus Baerbocks Anmerkung hervor, die auf den Dezember 2022 zu datieren ist. TE liegt das interne Dokument aus dem Auswärtigen Amt vollständig vor.

Massive Sicherheitsbedenken in den Wind geschlagen

Zum ersten Mal nach langer Zeit hat Baerbock sich nun persönlich zum Visa-Skandal um ihre Person geäußert. Ihre Aussagen bleiben dabei allgemein und schwerfällig. Auch der Satzbau stimmt mal wieder nicht, was Aufregung verraten mag. Angeblich sind Sicherheitsprüfungen etwas ganz Wunderbares, und sie hätten auch stets funktioniert bei den Einreisen von Afghanen. Baerbock spricht hier aber auch klar und deutlich aus, worum es ihr in der Sache geht: Man erteile ja ohnehin „viele Visa“ in diesen Botschaften. Ein paar mehr durch Baerbock und die Grünen bedingten ändern da nichts, soll man verstehen.

In Wahrheit gab es mehr als eine zweifelhafte Geschichte in Baerbocks Zeit als oberste Visa-Vergeberin. Mitglieder der beteiligten „afghanischen Familien“ (niemand weiß, wie die Personen wirklich zueinander stehen und woher sie stammen) befinden sich bereits in Deutschland, etwa Khan G. („Bruder“ von Mohammad Ali G.) oder die alleinerziehende Mutter N., die am 1. September 2022 ohne Ehemann (?) und ältesten Sohn (?) eingeflogen wurde. Der Fall der insgesamt siebenköpfigen „Familie N.“ gilt laut der diplomatischen Korrespondenz der Botschaft Islamabad als ein „Beispiel von gravierenden Identitätszweifeln“ und wurde „eng“ von der Grünen-NGO „Kabulluftbrücke“ begleitet.

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NGO-Gründer Marquardt wird aus der öffentlichen Schusslinie gezogen

Das mal wieder ungeschickte, sach- und realitätsferne Baerbock-Interview ist der erste Teil der grünen Front-Auflösung. Nun will daneben der grüne EU-Abgeordnete Erik Marquardt nicht mehr Gründer und Spiritus rector der NGO „Kabul-Luftbrücke“ sein. Es handelt sich um eine der „meldeberechtigten Stellen“, zudem eine der wenigen öffentlich bekannten, die darüber mitentschieden, welche Personen und vermeintlich gefährdeten Afghanen nach Deutschland eingeflogen wurden.

Wie Cicero-Autor Daniel Gräber via X mitteilt, firmiert Marquardt aktuell nicht mehr als „Gründer“ der „Kabul-Luftbrücke“. Außerdem will die NGO dem Medium die Aussage gerichtlich verbieten, dass sie von einem Grünen-Politiker gegründet wurde. Hier brennt offenkundig der Busch, man weiß nicht genau, wodurch. Nahe liegt, dass es etwas mit Familie N. zu tun hat, denn der „Vater“ steht im Verdacht, ein pakistanischer Agent zu sein. Die engen Beziehungen zwischen der NGO, ihrem Gründer Erik Marquardt und Ministerin Baerbock fallen allen dreien gerade auf die Füße. Die grüne Schildkröte verwandelt sich vor unseren Augen in die Formation Hühnerhaufen.

Die alte Struktur der NGO-Website mit dem Text „Erik Marquardt, Gründer, Interessensvertretung, seit August 2021“ findet man noch problemlos in den Google-Ergebnissen. Doch klickt man auf den Link, dann ist die gesamte Kategorie „Team und Kontakt“ leergeräumt und auf zwei E-Mail-Adressen verdünnt. „Interessensvertretung“ soll übrigens wohl heißen, dass Marquardt neben der Gründung auch die politische Lobbyarbeit zugunsten des Vereins übernommen hatte. Nun soll offenbar nicht mehr sichtbar sein, dass und in welchem Ausmaß sich bei diesen Visa- und Einfliege-Geschäften grüne Zielvorstellungen, politischer Lobbyismus und vielleicht sogar private Geschäftsinteressen überschnitten und weiter überschneiden.

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Wie sich die „Kabul-Luftbrücke“ an die Mächtigen heranwanzte

Es liegt nicht mehr im Interesse der Grünen, die eigenen Aktivitäten in Islamabad vor den Augen der deutschen Öffentlichkeit zu entfalten. Das war einmal anders. Im August 2021 gab Marquardt noch großmächtige Interviews an das Redaktionsnetzwerk Deutschland, worin er kurz nach dem Abzug der Bundeswehr zu weiteren Evakuierungen aus Afghanistan aufrief, ja regelrecht dafür Stimmung machte. „Gemeinsam mit anderen Organisationen sowie in Absprache mit der Bundesregierung“ habe man einen privaten Charterflieger „organisiert, um gefährdete Menschen aus Afghanistan evakuieren zu können“, sagte er dazu. Tatsächlich gab es damals keinen privaten Charterflug, wohl aber private Evakuierungen über den Landweg und ein paar via Linienflug. Schon damals schwankte Marquardt zwischen Nachrichtensperren und redseliger Erzähllaune. Und das mag sich mit seinem wiederholten Scheitern an der Praxis verbinden.

Im Sommer 2021 waren anscheinend irgendwie alle in dieser Blase dafür, „Leute aus Afghanistan“ zu holen, wie es in einem taz-Bericht hieß: Medienhäuser, NGOs, Fridays for Future, sicher auch wieder die Kirchen. Außerdem telephonierte das zusammengetrommelte Team aus einer Berliner Wohnung mit Klavier und Balkon mit „Soldaten, mit Ministerinnen, sogar mit dem Weißen Haus“. Den Segen von ganz oben scheint man gehabt zu haben. So wurde die „Kabul-Luftbrücke“ zum Entscheider in Sachen Visa-Vergabe in Islamabad.

Gab es weitere Rechtsbrüche?

Nun zieht sich nicht die NGO, aber der grüne EU-Abgeordnete Marquardt aus der Frontlinie zurück. Und Ministerin Baerbock tut so, als sei sie schon immer für vollständige Sicherheitsprüfungen gewesen. Nur die Entscheidungen der ihr unterstehenden Visa-Referenten sprechen eine andere Sprache: da ging es um die Visavergabe auf Biegen und Brechen, egal, ob mit falschem oder auch ganz ohne Pass.

War es das schon? Wohl kaum. Es ist lediglich das Rückzugsgefecht, das der dezenten Beerdigung der Affäre den Weg weisen soll. Baerbock gelobt Rechtsstaatsliebe, Marquardt hat nichts mehr mit einer NGO zu tun, die vom grünen Treiben in Islamabad auch noch profitiert und es maßgeblich antreibt. Das soll der Sache ihren Stachel rauben. Doch der Schaden ist im Wesentlichen angerichtet.

Baerbock sieht sich mit Rücktrittsforderungen konfrontiert, und nichts spricht dagegen, dass man sie vor dem bestehenden Afghanistan-U-Ausschuss vorlädt und peinlich befragt. Nur wollen müsste man es, doch das ist nicht bei allen Oppositionsparteien sicher. Eine Frage stellt sich angesichts des defensiven Verhaltens der Grünen: Gab es weitere Rechtsbrüche?

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