Eine AfD-Anfrage bringt ans Licht: Bei NetzDG und Corona-Krise besprachen sich eine Twitter-Vertreterin mit grüner Vergangenheit und ein grüner Staatssekretär darüber, wie man „Hassrede“ und „Hasskriminalität“ auf der Plattform bekämpfen könne. Teil 2 zur Desinformationskampagne.
Stellen Sie sich folgende Geschichte vor. Eine junge Frau wird Mitarbeiterin einer Bundestagsabgeordneten aus Rheinland-Pfalz. Die Abgeordnete heißt Tabea Rößner und gehört den Grünen an. Die Mitarbeiterin wird Medienreferentin der Grünen im Bundestag. Für fast zehn Jahre. Anschließend taucht sie 2016 bei der Bertelsmann-Stiftung im „German-Israeli Young Leaders Exchange“ auf. 2018 wird die Dame aufgrund ihrer Medienexpertise „Head of Public Policy, Government and Philanthropy“ von Twitter.
Die Frau mit dem grünen Hintergrund wird fortan zum Ansprechpartner, wenn es um den Austausch zwischen Twitter und Bundesregierung geht. Das läuft damals über das Bundesjustizministerium. Wir sind im Jahr 2018, seit einem Jahr ist das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Kraft. Der Bundesjustizminister heißt zwar nicht mehr Heiko Maas, sondern Christine Lambrecht. Aber die Kompetenz bleibt weiterhin bei der Behörde.
Wenn es zum Kontakt zwischen Twitter und Bundesregierung in den Jahren 2017 bis 2021 kommt, dann ist der Ansprechpartner ein Staatssekretär. Er ist eine Besonderheit. Denn er trägt ein grünes Parteibuch, obwohl das Ministerium rot geführt wird. Die Dame, die früher in grünen Diensten war, bespricht sich mit dem Mann, der bei grünen NGOs Karriere gemacht hat und nun als verbeamteter Staatssekretär für „Hasskriminalität“ zuständig ist.
Fünfmal treffen sich „Twitter“ und der „Staatssekretär“ im „BMJV Berlin“ laut einer Anlage, die als Antwort der Bundesregierung an die AfD im Zuge einer Anfrage gesendet wurde. Themen bei diesen fünf Treffen zwischen dem 27. September 2018 und dem 2. Juni 2021 sind unter anderem:
- Umsetzung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes
- Unterstützung für Betroffene von Hassrede
- Kampf gegen organisierte Strukturen von Hasskriminalität in sozialen Netzwerken
- Inhalt des Digital Services Acts
Die Twitter-Vertreterin mit grünem Hintergrund und den grünen Staatssekretär hat es wirklich gegeben. Der Name der ehemaligen grünen Medienreferentin ist Nina Mörschhausen. Über sie hat Kollege David Boos ausführlich vor fast zwei Jahren geschrieben. Der Staatssekretär heißt Gerd Billen. Über ihn berichtete der Autor dieses Artikels vor zweieinhalb Jahren. Sie sind klassische Seitenwechsler, heißt, Menschen, die mal für die Politik, mal für NGOs arbeiten, und bei denen der Drehtürmechanismus als Visitenkarte dafür dient, dass sie auf beiden Seiten Erfahrungen und Kontakte haben.
Natürlich fragt sich jeder: Was genau haben ausgerechnet zwei grün angehauchte Personen miteinander besprochen, wenn es darum ging, mehrheitlich „rechte“ Hasskriminalität und Hassrede zu bekämpfen? Insbesondere zwischen NetzDG und Corona-Krise?
Zu den Treffen formuliert die Bundesregierung lediglich: Eine Veröffentlichung der Gesprächsinhalte war nicht vorgesehen.
Das verwundert nicht. Aber es wird dazu führen, dass nicht wenige Bürger sich in ihrem Verdacht bestätigt sehen, dass hier linke Lobbyvertreter mit linken Weggenossen in den Ministerien untereinander ausmachten, wie man so manche unliebsame politische Erscheinung in den sozialen Medien kleinhalten konnte.
Die Karrieren der beiden sind vielsagend. Über Morschhäuser wurde oben schon geschrieben. Billen war von 1993 bis 2005 Bundesgeschäftsführer des NABU. Aus dem NABU ist TE-Lesern eine weitere Personalie bekannt: Jochen Flasbarth. Er war von 1992 bis 2003 Präsident des NABU. Flasbarth wechselte 2003 als Abteilungsleiter ins Bundesumweltministerium. Dort war Rainer Baake, einer der Schlüsselfiguren der deutschen Energiewende, Staatssekretär.
Während Baake nach dem Ende von Rot-Grün Co-Geschäftsführer der DUH wird und später die Agora Energiewende gründet, bleibt Flasbarth in der Behörde und wird anschließend Präsident des UBA. Gerd Billen kommt 2007 in den Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
Im Jahr 2013 gibt es einen Dreifachschlag. Da wird Rainer Baake Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium; Jochen Flasbarth Staatssekretär im Bundesumweltministerium – und Gerd Billen Staatssekretär im Bundesjustizministerium. „Seitenwechsler“, die Karriere machen. Und die durch gemeinsame Lebensläufe auch untereinander keine Unbekannten sein dürften. Flasbarth ist im Unterschied zu Baake und Billen SPD-Mitglied.
Bei der Verbraucherzentrale wird übrigens Klaus Müller (Grüne) Nachfolger von Billen. Müller ist heute Chef der Bundesnetzagentur und für die „Meldestellen“ bei sozialen Netzwerken zuständig. Stichworte: „Trusted Flagger“, DSA, „REspect!“. Den Vorsitz der Verbraucherzentrale führt heute Ramona Pop, ehemalige Wirtschaftssenatorin von Berlin. Überraschung, Sie wussten es: natürlich auch mit grünem Parteibuch.
Zugleich gibt Rainer Baake seinen Direktoratssitz an Patrick Graichen ab, seinem persönlichen Referenten aus der Zeit, als er bei Bundesumweltminister Jürgen Trittin als Staatssekretär fungierte. Graichen wird später auch Staatssekretär, nämlich unter Robert Habeck im Wirtschaftsministerium.
Ob man jetzt von den Grünen zu Twitter, vom Ministerium zur DUH, von der Agora ins Ministerium, von der Verbraucherschutzzentrale zur Bundesnetzagentur wechselt: Das hat alles seine Richtigkeit. Und wenn die Posten zu wenige werden, dann müssen neue Planstellen – oder eine neue NGO zur Versorgung her.
Was alles hat das nun mit Morschhäuser und Billen zu tun? Natürlich gar nichts. Es sind reine Zufälle. Die sind aber leider zwingend, da offenbar überall immer dieselben Gesichter auftauchen. Andere gibt es offenbar nicht. Die Welt ist klein. Man kennt sich.
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