Gründe im Wohnungsmangel, über die niemand redet

Die Koalitionsvereinbarung verschärft die Mietpreisbremse, was keine einzige neue Wohnung schafft. Sie will Subventionen wie ein Baukindergeld, was ebenfalls keine einzige Mietwohnung zur Folge hat. Die Probleme liegen an anderer Stelle.

© Sean Gallup/Getty Images

Dieses Buch könnte ein Bestseller werden – doch ich fürchte, es wird nie geschrieben: Das Schwarzbuch Wohnungsbauverhinderung. Regelmäßig publiziert der Bund der Steuerzahler ein Schwarzbuch Steuerverschwendung, aber mindestens ebenso viel zu berichten gäbe es über die täglichen Be- und Verhinderungen des Neubaus von Wohnungen.

Ich kenne hunderte skandalöser Begebenheiten, weil ich seit über 20 Jahren täglich mit Projektentwicklern spreche und in den Metropolen Berlin, Frankfurt, München, Hamburg und Köln Veranstaltungen mit den führenden Projektentwicklern durchführe. Jeder in der Branche kennt die Probleme, aber sie werden so gut wie nie öffentlich gemacht. Die meisten Bürger wären erstaunt, wenn man ihnen sagte, dass die reine Bauzeit in der Regel die kürzeste Phase ist, die zwischen dem Ankauf eines Grundstückes und der baulichen Fertigstellung liegt.

Politisch verursachter Wohnungsmangel

Dazwischen liegen Jahre des Kleinkrieges mit den Behörden und der Politik. Die Gründe, warum dies so lange dauert, sind vielfältig:

  • Die Behörden sind meist unterbesetzt. Die Krankheit eines Mitarbeiters, der eine wichtige Bescheinigung ausstellt, kann ein Projekt durchaus ein halbes Jahr oder sogar ein Jahr verzögern.
  • Viele Beamte begreifen sich nicht als Dienstleister für den Bürger, sondern sehen Investoren – aus ideologischen Gründen – als ihre Feinde, denen sie Steine in den Weg legen.
  • In Städten wie Berlin stehen die Bezirkspolitiker unter dem Druck von selbsternannten „Initiativen“, deren oberstes Ziel es ist, kapitalistische Investoren zu bekämpfen.
  • Verzögerungen gibt es in vielen Fällen, weil beispielsweise ein Baum nicht gefällt werden darf oder weil irgendeine Insektenart oder Kleintiere entdeckt wurden, für die die Bebauung des Grundstückes ein Problem sein könnte. Gutachten zur Zahl der vermuteten Tiere können lange dauern, und manchmal werden sogar deren Ergebnisse von den Behörden bezweifelt, so dass Zweitgutachten angefertigt werden müssen. Im Abschluss daran müssen Verfahren entwickelt und verwirklicht werden, wie etwa das Anlegen von künstlichen Pfützen, die Insekten anziehen sollen, oder der Bau von Klettervorrichtungen, damit die Tiere das Grundstück verlassen. Auch das dauert lange. Durch solche Themen verzögern sich die Genehmigungsverfahren im besten Fall um Monate, nicht selten jedoch um Jahre.

Jeder Projektentwickler bzw. Bauträger kann Stunden über solche Fälle berichten. Aber er würde dies – verständlicherweise – nie öffentlich tun. Journalisten erfahren darüber nichts. Zu groß ist die Angst, dass man es sich „endgültig“ mit der Politik oder den Beamten in den Behörden verderben könnte, auf die der Projektentwickler angewiesen ist. Daher wird das „Schwarzbuch Wohnungsbauverhinderung“ wohl leider nie geschrieben werden. Und die Gründe, warum vom Kauf eines Grundstücks bis zur Fertigstellung manchmal zehn Jahre oder sogar mehr vergehen, selten jedoch weniger als fünf Jahre, bleiben der breiten Öffentlichkeit verborgen.

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Kommentare ( 75 )

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Nischni Nowgorod Freight Terminal
6 Jahre her

Es geht ja auch nicht ums Bauen. Würde auch nichts ändern, denn in den Städten gibt es so gut wie keine unbebauten Grundstücke mehr (vom Botanischen Garten mal abgesehen und den Kleingartenkolonien, die – Sie wissen schon – man sich unter den Nagel reissen will).

Es geht allein ums Geld. Abkassieren, und in die eigenen Kanäle umleiten -> investieren in Bildung undsoweiter. Im nächsten Schritt betrifft dies nicht nur unbebaute Grundstücken, sondern auch große Grundstücke. Wer also eine Reiheneckhaus besitzt oder eine freistehendes Ein- oder Zweifamilienhaus mit großem Garten, der darf sich auf den Brief der Kommune freuen.

Tja
6 Jahre her

Besuchte mich ein alter Freund aus Jugendzeiten, viele Jahre nicht gesehen…
Mitte 30 und fast fertig mit dem Studium, na Gottseidank!
Studiert Stadtmanagement oder sowas aehnliches…
Will Stadtplaner werden. Warum? Na er ist ja schon Mitte 30 und kriegt dann mehr Rentenansprueche…
Originalzitat: Bin dann beamtet, kann machen was ich will und wenn einer was anderes sagt kann er mich a A lecken…
Bin dann deutlich geworden und man muss sich ja auch nicht wiedersehen…

Falls jemand sich fragt warum solche Typen an solchen Stellen sitzen…

Dr. Borkner-Delcarlo
6 Jahre her

Ich bin seit vielen Jahren schon nicht mehr in Deutschland ansässig, lebe in England und Italien. Wenn ich hier beschreiben würde, wie solche Dinge in England oder Italien gehandhabt werden, ginge ein Sturm der Entrüstung durch den Kommentarwald. Es gibt eine schöne Regel, die speziell in Italien fast immer funktioniert: Gib ihnen was sie haben wollen und mache was du willst. Wir wollten die Werkstatt meines verstorbenen Schwiegervaters in einen Salottone umwandeln. So ein Vorhaben scheitert stets an dem Cambio del Uso, also der Umwidmung der Nutzung. Die Nutzung kann man zwar ändern, aber das kann auch in Italien dauern… Mehr

Wolf Köbele
6 Jahre her

„die reine Bauzeit in der Regel die kürzeste Phase ist, die zwischen dem Ankauf eines Grundstückes und der baulichen Fertigstellung liegt“ – in meiner nächsten Umgebung kenne ich mindestens drei Projekte (allerdings Modernisierung bestehender Altbauten), deren Bauzeit nach der Genehmigung zwei Jahre beanspruchte; da kamen eineinhalb Jahre lang täglich um sieben in der Früh zwei (!) Bauarbeiter und nahmen lautstarke Arbeiten vor und verschwanden um neun wieder, ein Kran auf der Straße beanspruchte in einem extrem von Parkplatznot gekennzeichneten Umfeld zwei Jahre lang den Platz für fünfzehn Autos (ich selbst habe keines, beobachte halt), den Anwohnern werden Dreck und Lärm… Mehr

foxxly
6 Jahre her

Herr Tichy, Sie haben Recht mit der Verwaltung und den Bestimmungen grundsätzlich. Aber wir wollen keinen durch Zuwandung verursachten Bauboom. Punkt Aus! mehr muss man dazu nicht sagen!!!!!!

Tom Hess
6 Jahre her

Ich bin auf YouTube zufällig über einen Vortrag zum Flughafen BER von Herrn Dieter Faulenbach da Costa gestolpert. Der ist ehem. Flughafenplaner und war teilweise und insbesondere in der frühen Phase involviert. Insbesondere, um neue Baugenehmigungen und die dann ausufernden Probleme zu verhindern, wurde der Murks immer größer. Sogar, also schon feststand, dass die Prognosen zum Zuwachs des Passagieraufkommens längst an einem Punkt war, dass ersichtlich war, dass der Flughafen grade so noch die Kapazitäten decken kann. Unterm Strich ist das ganze Verschlimmbessern nur der Angst vor neuen Baugenehmigungen geschuldet. Und hier sind Land und Bund Bauherren. Eine Behörde hält… Mehr

Egbert
6 Jahre her

Aber alle diese Problem gab es doch auch schon zu den Zeiten, als die Immobilienpreise noch stagnierten bzw. rückläufig waren.
Die Preise werden wieder sinken – so wie sie gerade am Aktienmarkt sinken, auch wenn dies nur ein Vorgeschmack auf eine echte Korrektur ist. Interessanter ist für mich die Frage der Kaufzurueckhaltung am deutschen Wohnimmobilienmarkt ueber mehr als eine Dekade hinweg, obwohl die Bauzinsen damals in Relation zu Preisen moderat waren.

Rainer Franzolet
6 Jahre her

Kleine Anekdote? Ich hatte neben meiner Garage am Haus noch einen Stellplatz. Als Zweitwagen einen VW Bus mit Syro Ausbau. Also einem Hochdach. Ich baute mit meinem Nachbarn über seinen und meinen Stellplatz einen Carport. Nach 2 Jahren kam jemand von der Gemeinde vorbei und nahm das Ding in Augenschein und ab. Gefühlt noch ein Jahr später kam ein Schreiben von der Kreisverwaltung wegen der zu vollziehenden Abnahme des Carports. Ich rief an und fragte, was die wollen? Das Ding ist längst abgenommen worden. Man klärte mich auf, die wären nicht zuständig gewesen, das müsste der Kreis machen und der… Mehr

Norri
6 Jahre her
Antworten an  Rainer Franzolet

Den Passierschein A38, bitte…

Hans Nase
6 Jahre her

Kann noch einiges beitragen. Seilschaften, welche bestimmten Architekten Steine in den Weg legen und andere bevorzugen. Baukunstausschüsse, wo sich irgendwelchen „namhaften“ Architekten und abgehalfterte Kommunalpolitiker selbst verwirklichen wollen. Sog. Stadtplaner, welche ihre nur Ihnen selbst bekannte und täglich wechselnde Agenda durchziehen wollen. Behördenapparate, welche nach einem Machtwechsel im Rathaus aus Prinzip erst mal brensen…
Aber auch Bauherren/ Architekten, welche primär Gewinnmaximierung im Kopf haben und keinen Gedanken an den Einfluß ihres Baues auf die Umgebung und den öffentlichen Raum verschwenden…

Dr. Dr. Zitelmann
6 Jahre her
Antworten an  Hans Nase

Auch alles richtig,. Leider. Besonders, was sie über die Ausschüsse sagen. Woher kommt eigentlich die Anmaßung der Politiker, dass ihr Geschmack (und nicht der der Käufer) darüber entscheidet, wie gebaut wird???

Mike
6 Jahre her
Antworten an  Dr. Dr. Zitelmann

Weder der Geschmack der Politiker noch der der „Käufer“ sollte maßgeblich sein. Es braucht wieder eine vernünftige Stadtplanung, die gemischte Stadtviertel (Wohnungen und Gewerbe), vorzugsweise mit Blockrandbebauung erzeugt. Nicht aus ideologischen Gründen, sondern, weil dies nachgewiesenermaßen die besten Ergebnisse bringt. Was sind denn die beliebtesten Stadtviertel? Richtig: die Gründerzeitviertel. Architektenwettbewerbe oder Sozialwohnungsbau führen entweder zu skurrilen Wohn- oder Geschäftsbauten („Türme“) mit Renditemaximierung oder aber einförmigen, billig wirkenden Siedlungen, wie dies in den 50-60er Jahren geschah. Stadtplanung muss von Stadtplanern gemacht werden – möglichst ohne Parteibuch!

Philokteta
6 Jahre her
Antworten an  Mike

Danke, Mike!

Jörg Zingler
6 Jahre her
Antworten an  Mike

In Bremen wird Stadplanung im FB 8 an der Uni unterrichtet, Sozialwissenschaften, da wo auch die Soz.-Päds. herkommen. Da brtaucht es dann kein Parteibuch mehr, die Indoktrination erfolgte vorher.

Philokteta
6 Jahre her

Ich kenne mich damit auch nicht so aus. Ich kann nur sagen, daß in meinem Wohnort (am Stadtrand) gebaut und gebaut wird. Äcker und Wiesen fallen weg. Die Innenstadt und anderen Stadtteile wurden verdichtet. Der Flächenfraß an den Stadträndern nahm und nimmt zu. Einige Ortschaften drumherum sind somit bald mit der Stadt verwachsen.