Griechenland, Du bist dran!

Die EU hat Griechenland nicht im Euro-Raum gehalten, um auch noch hinzunehmen, dass der Sozialist Tsipras es nicht einmal hinkriegt, eine vergleichsweise kleine Zahl von Migranten menschenwürdig unterzubringen und zu versorgen - und zwar schnell.

@ Ververidis Vasilis / Shutterstock
Ververidis Vasilis / Shutterstock.com

Griechenland soll endlich seine Probleme in Idomeni und anderswo in den Griff bekommen, damit das Faustpfand der Türkei nicht immer schwerer wird.

Wolfgang Kubicki hat es in einem Nebensatz bei Sandra Maischberger am Mittwoch in etwa so ausgedrückt: Was soll das für ein Deal sein, wenn illegale Migration aus der Türkei auf die griechischen Inseln gestoppt wird und wir dafür in selber Zahl legale Migranten aus den türkischen Lagern akzeptieren? Recht hat er, denn was dort zu verhandeln gewesen wäre, zumindest sind davon die meisten Bundesbürger ausgegangen, wäre mindestens eine Eingrenzung der illegalen wie legalen Einwanderung.

Merkels Migranten-Basar

Es ist doch ganz einfach: Wer mit der Türkei über eine Mitgliedschaft in der EU verhandelt, für den ist die Türkei ein sicheres Herkunftsland, sonst wären solche Gespräche surreal. Wenn wir Menschen aus der Türkei in einer Art menschenhandelndem Tauschgeschäft nach Deutschland holen, hat das viel mit Einwanderung zu tun und wenig mit deutschem Asylrecht. Wie wir damit verfahren? Sollen jetzt „legale“ Migranten automatisch in einer Art Schnellverfahren Asyl bewilligt bekommen entgegen unserer Asylgesetzgebung, die solche Transfers überhaupt nicht zulässt? Man hatte das Asylrecht doch gerade erst verschärft? Die Verhandlungsbereitschaft der deutschen Delegation spricht jedenfalls eine ganz andere Sprache.

Was kann Frau Merkel meinen, wenn Sie von einem „Durchbruch“ in diesen unsäglichen Verhandlungen spricht? Wahrscheinlich unterscheiden die meisten Europäer und noch mehr die Deutschen überhaupt nicht zwischen illegaler und legaler Einwanderung. Da kommen Menschen ins Land, die angemessen versorgt und untergebracht, die integriert werden müssen: Da bleiben Menschen für länger. Immer mehr Menschen mit Bedürfnissen, Wünschen und Hoffnungen.

Es geht hier auch nicht mehr nur um die Behebung dieser vielverfluchten Fluchtursachen, wie alternativ und politisch mundgerecht erklärt wird, wenn alle anderen Argumente ausbleiben. Nein, es geht hier um nicht weniger, als die Behebung der Begehrlichkeiten, der Flucht aus wirtschaftlichen Erwägungen. Wenn Syrer schon in die Fernsehkameras sprechen, dass sie lieber in Syrien geblieben wären, als nur in Griechenland oder Polen Schutz zu erhalten anstatt im vermeintlichen Paradies auf deutschem Boden, dann muss man diese Menschen wohl doch Wirtschaftsflüchtlinge nennen, ohne ihnen damit Unrecht zu tun. Und ohne damit inhuman oder rechtsextrem zu erscheinen.

Natürlich kann nun niemand bezweifeln, dass Syrien kein Boden ist, auf dem sich aktuell irgendwie angstfrei leben lässt. Und berechtigte Angst um Leib und Leben bleibt legitimer Asylgrund. Selbst, wenn es freigeschossene Zonen in Syrien geben sollte, die partiell befriedet sind, möchte kein Deutscher einem Syrer dieses Risiko zumuten wollen. Aber die Türkei – und Griechenland noch weniger – ist kein Kriegsgebiet. Ebenso wenig übrigens wie Polen.

Auch wenn es für manche eine Überraschung zu sein scheint, aber Deutschland ist nicht schuld am Krieg in Syrien. Das zu konstruieren, darf man getrost der Linken überlassen, die sich um unpopuläre Positionen in der Einwanderungsdebatte drückt und stattdessen lieber den großen Bogen spannt vom amerikanischen Krieg um Öl hinüber zur Bündnispartnerschaft der USA mit der Bundesrepublik hin zur Schuldzuweisung. Wo bitte will man da die rote Linie ziehen? Dann wären wir auch an jeder kleineren und größeren Krise auf dem gesamten afrikanischen Kontinent schuld, weil das Deutsche Reich beispielsweise einmal – eine unbedeutende zwar, aber – eine Kolonialmacht war. Und weil wir der Nachfolger dieses Reiches … blablabla … Nein, Reichtum ist kein Freibrief für Schuldzuweisungen.

Die UN im Stich gelassen

Reichtum verpflichtet allenfalls auf moralischer Ebene zu einem wie auch immer gearteten Hilfsengagement. Und damit sind wir am zentralen Punkt dieser Debatte angekommen: Bei den ungehörten Hilferufen des UN-Hilfswerks 2015. Knut Krohn hat das im Juli vergangenen Jahres für die Stuttgarter Zeitung aufgeschrieben: „Die Helfer schlagen Alarm. „Wir müssen unsere Hilfe für die syrischen Flüchtlinge im Libanon und in Jordanien wegen des massiven Geldmangels drastisch zurückfahren“, sagt Cornelia Pätz, Sprecherin des UN-Welternährungsprogramms (WFP) in Deutschland. In den vergangenen Monaten seien die Nahrungsmittel-Rationen bereits mehrere Male reduziert worden, und viele Familien wüssten schon jetzt kaum, wie sie überleben sollen. Doch nun könne es sein, dass mehrere Hunderttausend Flüchtlinge bald überhaupt keine Hilfe mehr bekämen, warnt Cornelia Pätz.“

Benötigt wurden damals schon 26 Millionen Euro pro Woche. Wir dürfen davon ausgehen, dass man heute aus europäischer – präziser: deutscher – Sicht diese Summe sogar liebend gerne verdoppelt hätte, nur um diese millionenfache Einwanderung von Merkels Gnaden zu verhindern. Im Übrigen wären diese zur Verfügung gestellten deutschen Steuergelder von den Flüchtlingen direkt an Ort und Stelle ausgegeben worden und hätten in diesen traditionell wirtschaftsschwachen Grenzregionen einen Handel angekurbelt, der auch den Einheimischen spürbar zu Gute gekommen wäre. Wie wir jetzt wissen, leider viel zu spät.

Schauen wir aber nochmal, was genau dieser anstehende Deal mit der Türkei bedeutet, den die Bundeskanzlerin „nachhaltig“ gestalten will. Was ist „nachhaltig“ und von welcher Flüchtlingsverteilung spricht Frau Merkel? Es kann doch nur so gehen: Entweder man sorgt für ausreichend Geld für die Flüchtlinge dort, wo sie beim Verlassen Syriens untergekommen sind oder man holt sie zu uns, was die schlechtere, weil langsamere Lösung ist. Eine Lösung, die in Zukunft ganze Landstriche im Nahen Osten entvölkert und damit dem IS-Kalifat immer ausgedehntere Handlungsspielräume zugesteht. Wenn der Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, Peter Altmaier gegenüber der „Welt“ (10.03.16), erklärt: „Wir haben zum ersten Mal die konkrete Chance, die Flüchtlingskrise zu lösen, ohne unsere humanitären Ansprüche aufzugeben“, dann ist das grober Unfug. Oder zumindest eine irgendwie merkwürdig ideologisch-verbrämte Betrachtung, die man gerade noch einem schwer besorgten UN-Flüchtlingskommissar zugestehen mag, aber nicht einem Mitglied der bundesdeutschen Regierung, der seinem Staatsvolk gegenüber in der ersten und vollen Verantwortung steht.

Visafreiheit – Generalvollmacht für Erdogan

Ein weiterer Teil des Deals mit der Türkei soll die Visa-Freiheit für Türken sein. Es ist so simpel nachzurechnen wie völlig unverständlich, dass die europäischen, die deutschen Verhandlungspartner überhaupt derartige Forderungen der Türken akzeptieren. Für den Innenpolitiker der CSU, Hans-Peter Uhl, ist die Sache klar: „Voraussetzung für eine Befreiung muss deshalb die Einordnung der Türkei als sicheres Herkunftsland sein“, einfach deshalb, weil sonst hunderttausende Kurden automatisch per Visa einreisen und Asyl beantragen könnten. N-TV sprach darüber mit der Grünen-nahen Böll-Stiftung, die selbstredend abwiegelte: „Die Risiken für die EU sind nicht besonders groß“. Zwar sei es möglich, dass Personen einreisen, die man lieber draußen halten würde, aber in überschaubarer Zahl.

Kurden rufen "Mama Merkel" - nicht "Papa Erdogan"
Merkel & Erdogan - der andere Menschenhandel
Nochmal verkürzt gesagt: Wenn Erdogan seine Kurden aus dem Land treibt/bombt, dann kommt ihm eine Visa-Reglung mehr als gelegen. Wenn wir die Türkei nicht als sicheres Herkunftsland einstufen wollen, was in Anbetracht der Kurdenfrage übrigens unvermeidbar der Fall wäre, warum bitte sollen wir dann überhaupt so weitgehende Verhandlungen mit so einem Gesprächspartner führen?

Vergessen wir doch bitte nicht, dass jetzt dem EU-Mitglied Griechenland die Schlüsselrolle zukommen muss und nicht der Türkei. Dieser Außenposten der EU, dieses Griechenland, das in den vergangenen Jahren einen europäischen Rettungsschirm nach dem anderen bewilligt bekommen hat, ist doch 2016 in der komfortablen Situation, sich für Rest-Europa, für Deutschland vor allem, unentbehrlich zu machen.

Wenn man nun aber auf die 300 Einwohnerstadt Idomeni, die verschlafene griechisch-mazedonischen Grenzstadt schaut, dieses hässliche Synonym für ein großes europäisches Versagen, dann blickt man auf die Vorläufer des Dramas, auf die Ergebnisse der Verweigerung Athens, endlich genau jenen guten Willen an den Tag zu legen, den Europa  von Griechenland mehr als erhoffen darf. Es kann doch nicht sein, das die griechische Links-Regierung trotz aller eigenen und hausgemachten Probleme zulässt, was den Flüchtlingen dort wiederfährt und was dann bildgewaltig in die Welt hinausgesendet wird.

Griechenland in die Pflicht nehmen

Da hausen Tausende – und es werden täglich mehr – in Billigzelten auf einem vom Regen verschlammten Boden unter erbärmlichen Verhältnissen, dass hierzulande schon befürchtet wird, dass sich Angela Merkel zu einer erneuten emotionalen Einladungs-Kurzschlusslösung veranlasst sehen könnte. Wenn es die Griechen nicht alleine schaffen, was ein Armutszeugnis im Wortsinne wäre, dann sollen sie halt wieder um Soforthilfe bitten. Aber nicht immer nur für sich selbst, sondern für ihre leidenden Gäste.

Es kann doch wohl nicht länger als maximal zwei Wochen dauern, vernünftige und feste Unterkünfte in einer Region aufzubauen, wo sowieso kaum Menschen leben, wo sich also die wenigsten Einwohner bedrängt fühlen können. Wo im Gegenteil Versorgungsgelder zur Verfügung stehen, die auch den Menschen der Region einen neuen Wohlstand bringen könnten. Kaufleute, Ärzte, Lehrer, Kindergärtnerinnen – neue Jobs gäbe es hundertfach für diese aktuell so hoch von Arbeitslosigkeit betroffene Region. Eine gute Seite der Flüchtlings-Versorgungs-Industrie, ein Hilfsgeschäft, an dem nichts auszusetzen wäre. Die Flüchtlinge würden ihren Wunsch nach Deutschland gehen zu wollen, möglicherweise ablegen und sich einrichten. Zumindest dann, wenn sie verstehen, dass das nicht mehr möglich sein wird.

Ein Blick auf die Karte zeigt es unmissverständlich: Der Weg von Idomeni zurück in ein irgendwann befriedetes Damaskus ist ein wesentlich kürzerer als der von Berlin nach Aleppo. Griechenland muss jetzt handeln. Und Europa muss dieses Handeln zweckgebunden finanzieren. Noch besser: Vieles unter eigener Regie tun. So einfach.

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