Für Olaf Scholz hat der Wahlkampf schon begonnen

Was wir jetzt beim Bundeskanzler erleben, ist politische Hütchenspielerei. Olaf Scholz befindet sich bereits im Wahlkampf, auch wenn er öffentlich noch eine Scheindiskussion über den Termin der Vertrauensfrage entfacht: In seinem Wahlkreis wird bereits die „Bewerbung für die Bundestagskandidatur“ in Umlauf gebracht.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Wer immer Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Amtszeit als Bundeskanzler beobachtet hat, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser Bundeskanzler an Realitätsverlust leidet. Dass in der Berliner Blase, im deutschen Politikhauptbetrieb und im Medienstaatsaktionismus das Verhältnis zur Wirklichkeit – freundlich ausgedrückt: – ein sehr spezielles ist, dürfte inzwischen eine Binsenweisheit sein, doch auch unter diesen Umständen ist Scholzens Zugang zur Realität noch spezieller.

Nachdem er Christian Lindner entlassen hatte, verkündete er frohgemut, dass er im Januar im Bundestag die Vertrauensfrage stellen und er den Deutschen dann Ende März 2025 gestattet zu wählen. Bis dahin wollte er noch alle Gesetze durchbringen, die er sehr gern durchbringen will, inklusive einer saftigen Neuverschuldung, möglicherweise benötigt man auch Zeit für die Operation Abendsonne, die übrigens längst im Gange ist. Der Union gestattet der Herr Bundeskanzler huldvoll, daran mitzuwirken, da er ihre Stimmen benötigen wird, besonders bei der Aussetzung der Schuldenbremse, nach dem Motto: wir verschulden unserm Steuerzahler sein klein Häuschen.

Regierungskrise
Die Optionen des Friedrich Merz – Will er oder nicht?
Der Unionsfraktionschef Friedrich Merz hatte einen Termin bei Scholz, der nur 24 Minuten dauerte. Klar weiß Olaf Scholz, dass er die Vertrauensfrage stellen muss – und nicht erst im Januar. Was wir nicht wissen, ist, woran sich Olaf Scholz in der Cum-Ex-Affäre erinnern kann und woran nicht. Aber woran er sich überhaupt erinnern kann, wollen wir mal blumig Hütchenspielerei nennen. In seiner Christian-Lindner-Rauswurf-Rede am Mittwoch hatte er ja auch eher einen Hütchenspieler-Jargon gewählt. Die eigentliche Frage lautet für Scholz daher nicht: Wann stelle ich die Vertrauensfrage, sondern, was gebt ihr mir, liebe Union, dafür, dass ich sie etwas eher stelle als im Januar? Der Deal sieht vermutlich so aus: Wenn ihr diese Gesetze mit mir verabschiedet, stelle ich eher die Vertrauensfrage und ihr kommt nicht in die Verlegenheit, dass die AfD mit euch stimmt.

Der Union kann man nur raten, sich auf keinen Deal einzulassen. Im Gegenteil, man könnte sukzessive bürgerliche Mehrheiten vorbereiten, weil die Zeit dafür nie so günstig war wie jetzt. Wir stehen in einer Regierungskrise, aus der sehr schnell eine Staatskrise werden kann. In dieser Situation kann die Union Initiativen im Bundestag aus staatspolitischer Verantwortung starten, und wenn die AfD mitstimmt, wird etwas ja nicht dadurch falsch, dass aus der Sicht einiger die „Falschen“ mitstimmen. Kein Chirurg verzichtet auf den Assistenten bei einer lebenswichtigen Operation, weil ihm dessen Nase nicht passt. Es geht nicht darum, wer wofür stimmt, sondern darum, wofür gestimmt wird.

Ampel-Aus
Staatskrise: Auf die Union kommt es an!
Könnte sich die Union vielleicht dazu durchringen, endlich erwachsen zu reagieren und Verantwortung für das Land zu übernehmen, anstatt über die Posen für die Medien nachzudenken? Helmut Kohl wusste noch, dass man auch gegen die Medien regieren kann, Angela Merkel hat das Bündnis mit den Medien zur Grundlage ihrer Macht gemacht. Was dabei herauskommt, wenn die Befindlichkeiten von Tina Hassel oder Anne Will die Politik in Deutschland bestimmen, haben wir gesehen. Es geht im Übrigen nicht darum, was man von der Union erhofft, sondern darum, sie immer wieder an ihre Pflicht zu erinnern, was im Umkehrschluss zeigt, wo sie ihrer Pflicht und ihrer Verantwortung nicht nachkommt.

Was wir jetzt erleben, was der Bundeskanzler betreibt, ist politische Hütchenspielerei. Dass Olaf Scholz sich bereits im Wahlkampf befindet, auch wenn er öffentlich noch eine Scheindiskussion über den Termin der Vertrauensfrage entfacht, belegt, dass in seinem Wahlkreis (Potsdam, Ludwigsfelde, Teltow, Kleinmachnow, Stahnsdorf, Michendorf, Nuthetal und Schwielowsee) bereits die „Bewerbung für die Bundestagskandidatur im Wahlkreis 61“ im Umlauf gebracht wird.

In der Bewerbung heißt es: „Liebe Genossinnen und Genossen, gestern Abend habe ich den Bundespräsidenten um Entlassung von Finanzminister Christian Lindner gebeten. Der für uns alle unerträgliche Streit in der Bundesregierung hat damit ein Ende. Deutschland braucht Klarheit und Stabilität: Deshalb streben wir einen geordneten Übergang zu vorgezogenen Neuwahlen Anfang 2025 an.“ Gestern Abend bedeutet, dass Scholz die perfekt mit Bildern gestaltete Bewerbung am Donnerstag erstellte. Der Mann lässt eben nichts anbrennen, schließlich: „Als Bundeskanzler trage ich Verantwortung für das Wohl aller Menschen in unserem Land. Diese Verantwortung möchte ich auch weiterhin als euer Abgeordneter tragen.“ Wenn schon nicht Bundeskanzler, dann wenigstens Abgeordneter, denn „Abgeordneter des Deutschen Bundestages ist immerhin das höchste Amt, in das man in unserem Land direkt gewählt werden kann“.

Er muss gehen
Olaf Scholz, der fiese Möpp
Zu den Begegnungen, die er allen voran aufzählt, weil sie ihm „sehr in Erinnerung geblieben“ sind, gehört an erster Stelle: „Der achtjährige Jakob zum Beispiel, der mit Gitarre spielen Geld für seine ukrainischen Mitschüler sammelt.“ Und um das einmal klar zu sagen, schreibt Olaf Scholz: „Nach wie vor besteht die übergroße Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land aus Anständigen, die nicht meckern, sondern machen.“ Damit meint er sicher die Mitarbeiter der zahllosen NGOs, die eben „machen“.

Man kennt diese Diktion aus Diktaturen, wo die Unanständigen, die Miesepeter, die Meckerer, die es wagen zu kritisieren, anstatt alles das zu machen, was die Regierung oder der Herr Bundeskanzler befehlen, an den Pranger gestellt werden. Aber gelernt ist gelernt und was Hänschen lernt, vergisst Hans nimmermehr. Und gelernt hat Olaf Scholz diesen Ton schon in jungen Jahren in den Gesprächen mit den Chefs der FDJ.

Übrigens, über die Wirtschaft spricht Scholz nicht wirklich, dafür um so mehr über die Ukraine. Aber warum soll er auch über die Wirtschaft reden? Die hat seine Regierung ohnehin gerade in den Niedergang getrieben, ihm geht es um die Zukunft, nicht um die Vergangenheit. Und für historisch Interessierte: Natürlich setzte der Niedergang bereits mit Merkel ein, aber da war Olaf Scholz ja auch schon Minister.

Stellt sich noch eine Frage: Hat Friedrich Merz eigentlich auch schon so eine schöne „Bewerbung für die Bundestagskandidatur“ wie Olaf Scholz?


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Kommentare ( 67 )

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Hartwig Sendner
11 Tage her

Dieser Mann ist untragbar geworden. Aber was kommt nach ihm? Wenn man sich die SPD ansieht, kann man unschwer erkennen das aus einer früheren Partei der Arbeiter und kleinen Leute ein Haufen von woken richtungslosen Deppen geworden ist. Die Grünen sind ein Totalausfall, allerdings mit Ansage. Alle ihre Kernthemen keine Atomkraft -> schadet unserem Land aktuell ungemein Frieden schaffen ohne Waffen führt ein Herr Hofreiter ad absurdum das Weltklima retten bringt uns wirtschaftlich um den mühsam in 2 Generationen erreichten Wohlstand ohne auch nur irgend ein sichtbaren Erfolg zu sehen. Wobei ich hier zugeben muss, dass die Wissenschaft ein gerüttelt… Mehr

Bronstein
11 Tage her
Antworten an  Hartwig Sendner

Die „Thesen“ vom Treibhausgas sind nicht falsch. Ohne den Treibhauseffekt hätten wir Temperaturen wie auf dem Mond. Die Konsequenzen werden allerdings stark übertrieben. Lebensfeindlich heiß war es auf dieser Erde noch nicht, die ersten 500 Millionen Jahre ausgenommen. Als das Leben entstand, war es vermutlich sehr heiß.

Hartwig Sendner
8 Tage her
Antworten an  Bronstein

Lesen sie mein Buch „Bekenntnis eines Klimaleugners. Sie werden erkennen das der sogenannte „Treibhauseffekt vom Klimagasen“ noch nie irgendwo experimentell quantitativ gemessen wurde. In den Naturwissenschaften zählt nicht wieviele Menschen etwas behaupten. Einzig die Natur entscheidet. Die muss gefragt werden.

BellaCiao
11 Tage her

Je mehr Scholz sich als Kanzlerkandidat für die BTW demontiert, desto mehr Wähler aus dem linkswoken Lager werden Habeck wählen. Für diese Leute ist Habeck noch immer der Heilsbringer und noch dazu der einzige Kandidat, der im links-woken Spektrum gut ankommt.

Habeck wird darum ziemlich sicher insgesamt mehr Wähler mobilisieren als Scholz für die SPD. Recht viele SPD-Anhänger werden also vermutlich bei der BTW die Grünen wählen. Und die grünen Stammwähler sind eben genauso faktenresistent wie ihre Partei.

Last edited 11 Tage her by BellaCiao
jopa
11 Tage her

Zitat: Kein Chirurg verzichtet auf den Assistenten bei einer lebenswichtigen Operation, weil ihm dessen Nase nicht passt. Es geht nicht darum, wer wofür stimmt, sondern darum, wofür gestimmt wird.“ So sollte es sein, aber in D ist es anders. Da ist es uninteressant WAS einer sagt, wichtig ist nur WER es sagt. Wenn also ein Falscher sagt: Draußen scheint die Sonne“, dann erklären die Richtigen: „Draußen leuchtet der Mond“.

Manfred_Hbg
11 Tage her

Zitat 1: „….verkündete er frohgemut, dass er im Januar im Bundestag die Vertrauensfrage stellen und er den Deutschen dann Ende März 2025 gestattet zu wählen. Bis dahin wollte er noch alle Gesetze durchbringen, die er sehr gern durchbringen will, inklusive einer saftigen Neuverschuldung“ > Oder aus Sicht vom besten Bundeskanzler aller Zeiten auch etwas anders gesagt: „Liebes Volk, ich will wie bisher weiter machen bis Land & Volk völlig am Boden liegen“. Also, auf auf bis zum Endsieg…. – Wir schaffen das 😙 – – – – – Zifat 2: „Der für uns alle unerträgliche Streit in der Bundesregierung hat… Mehr

Bronstein
11 Tage her
Antworten an  Manfred_Hbg

„unsere Demokratie“ ist die Diktatur der Grünen. Objektiv stammt etymologisch von „dagegen sein“, “ sich auflehnen“ (obicere). Habe ich vor kurzem gelernt.

Manfred_Hbg
10 Tage her
Antworten an  Bronstein

Zitat: „Objektiv stammt etymologisch von „dagegen sein“, “ sich auflehnen“ (obicere)“

> Mhh, ich bin zu ungebildet um mir hier ein Urteil bilden zu können ob das von Ihnen Gesagte so richtig oder falsch ist. Aber wenn ich zum Beispiel an den Wortlaut „objektiv betrachtet“ denke – also wenn ich/jemand sagen würde „objektiv betrachtet würde ich dieses oder jenes aber so sehen“, dann würde ja dieser Wortlaut „objektiv betrachtet“ einen ganz anderen Sinn bekommen.🤷‍♂️🤔

Bronstein
10 Tage her
Antworten an  Manfred_Hbg

Zugegebenermaßen hatte ich auch eher ein „von außen betrachten“ angenommen. Subjektiv wäre dann „aus meiner Sicht“. Vermutlich muss man da ein Bisschen um die Ecke interpretieren.

November Man
12 Tage her

Die dumme Brandmauer der selbst so genannten demokratischen Parteien beschädigt unsere Demokratie und behindert mit ihrer Ausschließeritis ordentliche demokratische Wahlen. Mittlerweile werden mit den Linken, dem BSW und der AfD bereits drei im deutschen Bundestag vertretenen Parteien vom Kartellclan ausgegrenzt und ausgeschlossen. Das Kartell ist wie eine geschlossenen Gesellschaft die unter sich bleiben will und nicht das die Anderen hinter die Kulissen und in die Hinterzimmer schauen können. Denn die Bürger dürfen niemals erfahren, was da so alles hinter der Brandmauer des Hohen Hauses gemauschelt und getrixt wird. Sonst würde kaum einer noch Altparteien, das Kartell, wählen.  

Alf
12 Tage her

Wir erleben, politische Hütchenspielerei?
Die Wähler werden vor den Kopf gestoßen, um es gelinde zu formulieren. Die Ampel betreibt politische Insolvenzverschleppung und dann soll auch noch das Papier für Wahlzettel u.a. fehlen?
Das einzige, was fehlt, sind Politiker mit Anstand und Medien, die wahrheitsgemäß berichten, was hier mit dem Land und seinen Bürgern veranstaltet wird.
Das Grundgesetz muß umgeschrieben werden. Die Väter des GG konnten sich nie vorstellen, daß hier ein Putsch von oben kommt, daß eine deutsche Regierung gegen das eigene Voklk und unser Land „regiert“.
Die ganze Welt lacht sich kaputt über dieses Kasperletheater.
Wir sind völlig verbl…

Peter W.
12 Tage her

Ein schwacher Kanzler, noch schwächere Minister, die einzig zugelassene Opposition weggetaucht. Unter den Blinden ist der Einäugige König. Das weiss natürlich auch Scholz.

Juergen P. Schneider
12 Tage her

Kohl konnte gegen die links-grüne Medienlandschaft regieren, weil er das Format dazu hatte. Die prinzipienlose Kommunistin aus der Uckermark besaß halt nur ihre Machtgier und kein Format, also biederte sie sich an die links-grünen Deutschlandhasser in den Medien an. Der kleine Olaf hat nur seine Machtgier und seine blöd grinsende Arroganz. Was kann man schon von so einer Person erwarten? Was jetzt kommt ist der orientierungs- und rückgratlose Herr Merz, der schon signalisiert hat, dass er eine weitere links-grüne Regierung unter Führung seines grünen Opportunisten-Vereins namens Union bilden wird. Die naiven und denkfaulen CDU-Gewohnheitswähler aus Westdeutschland werden es ermöglichen und… Mehr

ketzerlehrling
12 Tage her

Er spielt auf Zeit und Habeck spielt mit.

November Man
12 Tage her
Antworten an  ketzerlehrling

Und die Bundeswahlleiterin muss gezwungenermaßen auch mitspielen. Da läuft gerade auch so eine Schweinerei die dem Hohen Hause nicht würdig ist.

Mausi
11 Tage her
Antworten an  ketzerlehrling

Und die FDP: „FDP bereit für Kooperation mit Regierung“ Unglaublich…. Aber damit ist klar, wofür die FDP steht. Die Mitgleider, die da abweichen, spielen keine Rolle. Liberal ist einfach nicht mehr.

H. Hoffmeister
12 Tage her

Herr Mai, nicht an Scholz abarbeiten, Merz und sein Brandmauer-Schwachsinn sind das viel größere Übel.

Mausi
12 Tage her
Antworten an  H. Hoffmeister

Ich denke nicht, dass D nochmal den Fuß auf den Boden bekommt. Die Pläne kommen inzwischen nicht mehr allein von unserer Regierung, sondern von der EU. D kann nicht seine Langfrist-Entscheidungen alle vier Jahre umwerfen. Also wird unser Strom in Zukunft – wenn D bzw. die EU Erdgas und Kohle abschaffen – aus den Nachbarländern kommen. Der Klimawandel-Gott tötet unsere Industrie. Dienstleistung, Gewerbe ohne verarbeitendes G und Handel hatten 2020 ihren Höhepunkt. Wobei dazu ja all der sinnlose Verwaltungsaufwand und die zusätzlichen Beamten beitragen. Also ist dieser Sektor m. E. im Grunde am Schrumpfen. D muss sich für den Erhalt… Mehr