Friedrich Merz und seine Opposition von Gnaden der SPD

SPD-Chef Lars Klingbeil kritisiert, die CDU verbreite „Fake News“. Und wie wehrt sich deren Chef, Friedrich Merz? Er will den Kontrahenten bitten, solche Angriffe zu unterlassen. Damit beweist Merz erneut seine Schwäche.

IMAGO / Fotostand
Friedrich merz, CDU-Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender im Bundestag, 08.11.2022

Lohnt sich Arbeit noch? Das ist die zentrale Frage, wenn es um das Bürgergeld geht. Egal, wie die Zahlen aussehen: Würde sich die Gesellschaft auf die Antwort „Nein“ einigen, würde sie zusammenbrechen. Wenn (zu) schlecht bezahlte Menschen wie Verkäuferinnen, Müllmänner, Putzfrauen oder Handwerks-Gehilfen hinwerfen, weil sie denken, dass es sich nicht lohnt, 40 Stunden die Woche zu buckeln – dann würde diese Gesellschaft implodieren.

Das Kieler „Institut für Weltwirtschaft“ ist dieser Frage trotzdem nachgegangen und kam zu dem für die Gesellschaft gefährlichen Ergebnis: Nein, in schlecht bezahlten Jobs lohnt es sich nicht mehr, sich 40 Stunden die Woche einzubringen. Auf Druck aus Reihen der Ampelregierung hat das Institut seine Zahlen zurückgezogen. Letztere vertraut lieber auf die Zahlen, mit denen der Gewerkschaftsbund DGB rechnet. Eine politische Vorfeldorganisation, die der SPD sogar zu Zeiten der Hartz-Gesetze die Stange gehalten hat.

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Die CDU hat sich gegen die Pläne zum Bürgergeld ausgesprochen. Die Zahlen des Kieler Instituts passten da ganz gut zu. Denn auch die Partei von Ludwig Erhard fand, dass der Unterschied zwischen Hilfsarbeiter und Langzeitarbeitslosem mit dem Bürgergeld nicht mehr groß genug sei. Als das Kieler IfW nachgab, war das Wasser auf die Mühlen der SPD. Mit dem Rückzug des Instituts erweise sich die Argumentation der CDU als „Fake News“, befand SPD-Chef Lars Klingbeil. Die CDU greife zu den gleichen politischen Mitteln wie der ehemalige amerikanische Präsident Donald Trump oder die AfD. Sie gehöre damit nicht mehr zur politischen Mitte Deutschlands.

Das alleine waren noch keine großen Nachrichten. Denn das Mittel, das Klingbeil da anwendet, ist nicht neu. Seit Jahren arbeiten rot-grüne Aktivisten in Politik und Medien damit, andere Meinungen als außerhalb des demokratischen Spektrums stehend zu brandmarken und damit zu tabuisieren. Eine bunte Palette an politischer Kampfbegriffe hat diese Strategie hervorgebracht: „Rechtsextremer“, „Nazi“, „Sexist“, „Klimaleugner“, „Covidiot“, „Transfeindlicher“, „Impfleugner“, „Verschwörungstheoretiker“ oder „Putin-Troll“ waren all die, die sich der rot-grünen Mehrheitsmeinung widersetzt haben. Die ARD geht sogar so weit, die Vertreter dieser Meinungen als „Ratten“ zu entmenschlichen, die es „in ihre Löcher zurück“ zu prügeln gelte.

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Wobei diese Schilderung unpräzise ist. Die rot-grüne Meinung ist nicht tatsächlich die Meinung der Mehrheit. Denn mehrheitsfähig ist ihre Meinung oft nur in den Medien oder in politischen Vorfeldorganisationen. Zu Themen wie der längeren Laufzeit für Atomkraftwerke, dem Umgang mit Klima-Extremisten oder der Verwendung von Gender-Sprache gibt es in der Gesellschaft klare Mehrheiten gegen die rot-grünen Positionen. Diese gesellschaftlichen Mehrheiten finden oft nur kein öffentliches Echo, weil sich ARD, ZDF und rot-grüne Zeitungen eine Berichterstattung der Einordnung anmaßen. In der sie entscheiden wollen, welche Nachricht für den Zuschauer oder Leser wichtig sei – als Vorwand dafür, nur Nachrichten zuzulassen, die das eigene Weltbild unterstützen.

Rot-Grün hat aber in Deutschland keine Mehrheit. Dafür reicht es nicht einmal, wenn sie noch die Stimmen der Linken erhalten. Die Wähler haben diesem Modell im September 2021 eine Abfuhr erteilt. Rot-Grün kann nur mit den Stimmen der FDP regieren. Diese hat dem Wähler wiederum niedrigere Steuern, weniger Bürokratie oder Selbstbestimmung in Sachen Corona-Prävention versprochen. Wie wenig die FDP in solchen bürgerlichen Anliegen bisher geliefert hat, demonstrierte der Wähler mit den Ergebnissen im Saarland, in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.

Eigentlich ist diese Situation eine gemähte Wiese für die CDU: Sie muss nur die Wähler der FDP abholen und frustrierte Wähler zurückgewinnen, die zur AfD oder ins Lager der Nichtwähler abgewandert sind. Dabei könnte sie sich der gesellschaftlichen Mehrheit bedienen, die es in wesentlichen Fragen jenseits der rot-grünen Positionen gibt. Das Problem ist nur: Genau das traut sich CDU-Chef Friedrich Merz nicht. Obwohl er von seiner Partei gewählt wurde in der Hoffnung, liberalen, konservativen oder schlicht nicht-rot-grünen Positionen wieder eine Stimme zu verleihen.

Merz hat sich in seiner Position gegen das Bürgergeld auf die Zahlen des Kieler IfW bezogen. Real vorhandene wirtschaftliche Positionen. Dass das Institut diese Zahlen zurückgezogen hat, ist nicht ihm anzulasten. Der Vorwurf der „Fake News“ und des „Trumpismus“ ist unter fast allen Gesichtspunkten eine ungeheure Frechheit. Lediglich Anhänger des rot-grünen Lagers, die ihre Minderheits-Meinungen durchsetzen, indem sie die Mehrheits-Meinung tabuisieren, können die Wortwahl des SPD-Chefs gutheißen. Und was tut Merz? Tritt er gegen die Frechheit des politischen Konkurrenten an? Verleiht er der Mehrheit hinter sich eine Stimme?

Merz lässt seine Mitarbeiter folgenden Tweet absetzen: „In dem Augenblick, wo wir Kritik an der #Ampel üben, werden wir in die Nähe der AfD gerückt und mit Donald Trump verglichen. Das ist eine Vergiftung des politischen Klimas. Ich werde aus diesem Grund noch in dieser Woche das Gespräch mit SPD-Chef @larsklingbeil suchen.“

Das muss man sacken lassen. Ein CDU-Chef, der auf Angriffe der SPD nichts anderes zu erwidern hat, als dass er den SPD-Chef bitten werde, diese Angriffe zu unterlassen.

Es offenbart das Merzsche Grundproblem: Der CDU-Chef ist zu feige. Er mobilisiert eben nicht die gesellschaftliche Mehrheit. Denn er hat Angst vor den rot-grünen Kräften in der Regierung, den Medien und in der eigenen Partei, die sich in 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel der medialen Mehrheit immer stärker angebiedert haben. Diesen Kräften zu gefallen ist Merz wichtiger, als zu stehen und eine eigene Mehrheit zu mobilisieren. Stattdessen will er im Gespräch mit dem SPD-Chef klären, wie viel Opposition ihm gestattet sei, bevor der zum Arsenal der Tabu-Wörter greift wie „Fake News“ und so weiter.

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Den Lohnabstand zwischen Langzeitarbeitslosen und Geringverdienern zu berechnen, ist schwierig. Zu viele unregelmäßige Zahlungen, zu viele Ansprüche, die mal gewährt werden und mal nicht, sind zu berücksichtigen. Doch selbst wenn all diese Faktoren sich mathematisch berücksichtigen lassen, bleibt immer noch eine politische Frage zu klären: Lohnt es sich für einen Bau-Gehilfen, 40 Stunden und mehr die Woche zu buckeln, wenn er dafür einen Euro die Stunde mehr erhält als ein Langzeitarbeitsloser? Zwei Euro oder vier Euro? Zumal der Langzeitarbeitslose mit wenigen Stunden Arbeit sein Bürgergeld auf den gleichen Betrag aufstocken kann.

Die Antwort darf nicht nein lauten. Das weiß die Ampelkoalition. Sonst würde ihr Bürgergeld zum Zusammenbruch von wesentlichen Teilen der Wirtschaft, wenn nicht gar der Gesellschaft führen. Die sie unterstützenden Medien werden das Nein als Antwort auf diese Frage bereitwillig transportieren. Doch die rot-grüne Schweigespirale hat einen hartnäckigen Gegner: die Wirklichkeit. Immer mehr Geringverdiener werden merken, dass sie kein oder nicht viel Geld mehr haben durch ihre Arbeit. Und werden sich das dann entsprechend überlegen.

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Es ist die Aufgabe der Opposition, solchen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Gerade dann, wenn Medien als Korrektiv der Regierungspolitik ausfallen, weil sie mit deren Tendenz sympathisieren. Die Jahre unter Merkel haben das bewiesen: Ein Land, dem es an Fachkräften mangelt, obwohl es eine millionenfache Zuwanderung erlebt hat. Das sich abhängig von russischem Gas gemacht hat, obwohl dessen Präsident seit 2008 Angriffskriege führt. Das mit einem Schlag aus Atom- und Kohlekraft aussteigen wollte, ohne nachzurechnen, ob dann die Energieversorgung noch gesichert ist. Das einen staatlichen Feldzug gegen Ungeimpfte geführt hat, in dem seine Repräsentanten sogar öffentlich gefeiert haben, dass diese Menschen nun aus der Gesellschaft ausgeschlossen seien.

All diese Fehlentwicklungen waren nur möglich, weil andere Positionen tabuisiert und ihre Vertreter ausgegrenzt wurden: „Klima-Leugner, Rechtsextreme, Covidioten“ und so weiter. Wer eine Politik der Mehrheit machen will, muss zuerst gegen die Mehrheit in der Medienlandschaft antreten. Das ist ein unangenehmer Kampf. Wie wild rot-grüne Polit- und Medienaktivisten austreten, zeigt sich derzeit am Beispiel Elon Musk. Wer dem als deutscher Oppositionsführer standhalten will, muss ein breites Kreuz, moralische Integrität und einen starken Willen zeigen. Friedrich Merz hat das bisher alles nicht bewiesen.

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Kommentare ( 36 )

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Warte nicht auf bessre zeiten
2 Jahre her

Schon Kohls „geistig-moralische Wende“ in den 80ern war doch keine! Die CDU hechelt seitdem dem Zeitgeist hinterher, anstatt zu versuchen ihn zu prägen! Es fing so harmlos an: von Weizsäcker, Geisler, Süßmuth, Blüm etc., was waren die doch modern! (Ironie aus) Nur der Zusammenbruch des Ostblocks hat das eine zeitlang kaschiert. Die politische Bildung, seit den 70ern fest in der Hand der SPD, hat sie denen einfach überlassen. Die SPD hat nach der Machtübernahme dort in ihrem Sinne aufgeräumt. Bundeszentrale, Landeszentralen und ähnliche Einrichtungen, einst fest in der Hand der Union, wurden seit den 80ern einfach links liegengelassen. Die Sozis… Mehr

alter weisser Mann
2 Jahre her

„Eigentlich ist diese Situation eine gemähte Wiese für die CDU: Sie muss nur…“
eine glaubhafte national-liberal-konservative Partei sein. Davon ist sie aber nichts, deshalb ist nichts mit gemähter Wiese.
Und selbst wenn, dann ist eine Mehrheit längst nicht ausgemacht.

Peter Silie
2 Jahre her

Der Entschuldigungs-Friedrich. Sobald er mal etwas konservatives sagt, entschuldigt er sich dafür auch sofort wieder. So was braucht wirklich kein Mensch.

Ulric Viebahn
2 Jahre her

Einfach köstlich: „… Opposition von Gnaden der SPD“

Manfred007
2 Jahre her

so sichert die spd sich in Zukunft Wähler. Die Millionen Bürgergeld Empfänger werden sicher ihr Kreuz bei der spd machen. Die Hand die einen füttert beißt man nicht. Bin selbst Lkw Fahrer mit 15 Euro brutto die Stunde. Mein Cousin fährt in der Schweiz für 65 tsd Franken im Jahr und mein Bruder in den Nebraska bei walmart mit 110 tsd Dollar Jahresgehalt. Ich fühle mich langsam um mein Geld betrogen weil mir Gehalt vorenthalten wird mit dem Wohltaten ausgeschüttet werden.

Metric
2 Jahre her

Immer dieser Phantomschmerz der TE-Redakteure über eine CDU oder FDP, die es beide schon längst nicht mehr gibt … beide Parteien gehören seit langem zum Kartell, bitte akzeptiert das doch endlich.

hassoxyz
2 Jahre her

Wird Merz wieder umfallen ? Es sieht ganz danach aus. Der Tweet, den Merz da abgesetzt hat, läßt leider darauf schließen, daß er wieder einmal den Rückzieher macht und sich bei Klingbeil (dessen Vorwürfe gegen Merz reine Polemik sind) entschuldigen will, daß seine kritischen Aussagen zum Bürgergeld als zu Trump- bzw. AfD-nah mißverstanden werden könnten. Merz macht sich mit jedem Rückzieher immer lächerlicher und zeigt somit, daß er als Oppositionsführer eine totale Fehlbesetzung ist. Er ist sich natürlich bewußt, daß die Mehrheit seiner Fraktion rot-grün tickt und er keinen Ärger mit den Merkelianern haben will, die das Bürgergeld unterstützen. Aber… Mehr

Gerhart
2 Jahre her

Man muß allerdings auch berücksichtigen, daß die Arbeiter sowohl von nennenswerten Lohnverbesserungen als auch von einem Anteil an gesellschaftlich erwirtschafteten Mehrwert abgeklemmt worden sind.
Deswegen passt der Lohnabstand nicht mehr. Das sieht man auch daran, daß ein normaler Lohn kaum noch zu den Angeboten von Fachgeschäften, Nicht-Discountern oder der Gastronomie passt. Und daher haben z.B. viele Sportvereine auf dem Dorf einen kneipenähnlichen Betrieb. Erkennbar unbetuchte Familien habe ich jedenfalls seit Ewigkeiten nicht mehr im Restaurant gesehen.

Guenther Adens
2 Jahre her

Die rot-grüne Meinung ist nicht tatsächlich die Meinung der Mehrheit.“

Ist Herr Thurnes sich da sicher?
Sämtliche Wahlen der letzten beiden Jahrzehnte zeigen ein anderes Bild.
Wahlkampf heißt doch für die etablierten Altparteien, daß nur diese die meisten Stimmen bekommen, von denen der Wähler die radikalste rot-grüne Politik erwartet. Von der CDU (Merkel Atomausstieg) über Grüne bis hin zur FDP (Lindners Milliardenverschwendung für die Abschaffung des Klimas).
Parteien, die diese Anliegen vertreten, bekommen in der Regel bei Wahlen 85% Zustimmung.
Ich glaube nicht, daß der von mir geschätzte Mario Thurnes 15% für eine Mehrheit hält.

Martin Mueller
2 Jahre her

Herr Merz ist der Typ Rückversicherer… Solche Leute gehen nie in die ganze Verantwortung, gehen nie aufs Ganze, treten nie für ihre Überzeugen voll ein. Als Optionsführer ist Herr Merz ein Reinfall. Einer, der sich nicht traut, die fehlerhafte Politik der Regierung anzugreifen und zu stellen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Wenn Deutschland gegen die Wand gefahren wurde?! Hat die Union überhaupt noch eine charismatische Führungsfigur, die Partei und Bevölkerung mitreißen kann mit einer Gegenidee zum woken links-grünen politischen Kurs. Stattdessen laufen Herr Merz und auch die Union beim links-grünen Zeitgeist mit. Da fehlt auch Rückgrat, eine eigene Meinung zu… Mehr