Friedrich Merz als CDU-Chef: kein Wort über Corona und keine Drohung an Impfverweigerer

Merz bedankt sich für das Traumergebnis von 94 Prozent mit sozialen Tönen, aber auch mit lange nicht gehörten politischen Bekenntnissen. Vor allem interessant, was er nicht erwähnte: Der Begriff „Corona“ kam in seiner Rede nicht vor und auch keine Drohungen gegen sogenannte „Impfverweigerer“.

IMAGO / Chris Emil Janßen
Friedrich Merz, frisch gewählter Bundesvorsitzender beim 34. Parteitag der CDU Deutschlands im Konrad-Adenauer-Haus Berlin, 22.01.2022

94 Prozent Ja – Ein Traumergebnis für Friedrich Merz bei der Wahl zum neuen Parteivorsitzenden der CDU. Bisher hatte man den eher spröden Sauerländer noch nicht so bewegt gesehen wie im Augenblick der Bekanntgabe. Es schien nicht nur so, sondern es war so: In den Augen dieses so harten Kerls waren Tränen der inneren Bewegung getreten. Allein dies dürfte Kritiker innerhalb und außerhalb der Partei ein wenig versöhnt haben mit der ansonsten so kühlen und nüchternen Art dieser neuen Nummer Eins der immer noch größten deutschen Volkspartei. Wobei Friedrich Merz auch dabei seinen gesunden Realitätssinn nicht verloren haben dürfte. 

„Alle Ergebnisse über 85 Prozent haben einen Kern Unaufrichtigkeit in sich“. Dieser Satz stammt von Helmut Kohl, der in seiner Laufbahn nicht nur einmal Traumergebnisse dieser Art erlebte. 

CDU-Bundesparteitag
Merkels Intimfeind Friedrich Merz ist jetzt Vorsitzender
Wirklich ehrlich, mit dem Herzen gewählt, wurde Friedrich Merz von den 63 Prozent der Mitglieder, die bei einer Abstimmung der Mitglieder ihm ihre Stimme gaben. Diesmal stimmten die Parteifunktionäre als Delegierte ab. Beim derzeitigen Zustand der CDU hätten diese, wie von der Parteispitze erwartet, auch brav mit hoher Zustimmung für Angela Merkel votiert, wenn diese noch einmal angetreten wäre. Doch gewählt ist gewählt und basta! Jetzt muss Merz auch liefern!

Und da setzte er in seiner ersten kurzen Rede schon mehr als nur Duftmarken. Wie nicht anders zu erwarten war, benutzte er nicht das Vokabular eines Börsenmanagers. Von ihm bisher ungewohnt stellte er die sozialen Fragen von heute und morgen an den Anfang. Dann folgten aber auch Worte, die man so lange nicht mehr von den Christdemokraten gehört hat. Gleich zweimal pries er den hohen Stellenwert der Familie – man höre und staune – als Wert unserer bürgerlichen Ordnung. Ebenso klar sein Bekenntnis zur Bundeswehr. Auch so etwas hörte man in den letzten 16 Jahren eher selten und wenn doch, mit emotionaler Distanz.

Merz ist ein Meister des Wortes, und so weiß er auch, warum er etwas nicht sagt. So war es auch kein Zufall, dass das Wort „Corona“ kein einziges Mal in seiner Rede vorkam. Auch keine Drohungen gegen sogenannte „Impfverweigerer“ kamen ihm über die Lippen. In diesem Zusammenhang war es geradezu wohltuend, dass er sich klar und eindeutig von jeder Art des Extremismus, ob von rechts, links oder religiös begründet, abgrenzte. Offensichtlich macht der neue CDU-Chef schon einen Unterschied zwischen Kritikern der Regierung und Feinden unserer Gesellschaft. Andere Vertreter unseres demokratischen Spektrums, allen voran die Medien, werfen da gern unbekümmert alles in einen Topf.

Merkel ließ die Maske fallen
Merz als tragischer oder als glücklicher Sisyphos?
Eines steht fest: Mit Friedrich Merz ist seinem Gegenspieler Olaf Scholz ein wirklicher Gegner erwachsen. Beide setzen sich klar voneinander ab: Scholz, der seine Stärke in meist unverbindlicher Zurückhaltung sieht, und Merz als Mann der Offensive und der schnörkellosen Klarheit. Wenn der Sauerländer jetzt noch seine zuweilen arrogante und verletzende Art in den Griff bekommt, hat die Union Grund zur Hoffnung. 

Auf alle Fälle wird es wieder spannend in der deutschen Politik.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 41 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

41 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Christa Wallau
2 Jahre her

„Meister des Wortes“ heißt noch nicht, daß Merz auch meisterlich handelt. Auf jeden Fall muß er sich abgrenzen von der Merkel-Politik und ein klares Profil der CDU gegenüber Rot–Grün entwickeln, damit die Kritiker der Regierung sich wirklich wieder bei seiner Partei gut aufgehoben fühlen. Ob er das schafft? Ich habe da große Zweifel. Auch seine einseitige Abgrenzung gegenüber Linken und Rechten (wobei er fälschlicherweise die gesamte AfD dazuzählt) finde ich nicht gut. Warum hat er sich nicht genau so klar von Islamisten bzw. Terroristen aller Couleur abgesetzt? Warum keine klare Aussage wie: „Religiöse Fundamentalisten (= Islamisten) haben bei uns nichts… Mehr

89-erlebt
2 Jahre her

Bitte nicht vergessen – Genosse Stalin sitzt mit am Auszähltisch, jetzt auch in rot-grün-gelb. ?

Regina Lange
2 Jahre her

Eine hohe Zustimmung der Partei-Basis heißt noch lange nicht, dass man ein guter Parteivorsitzender ist oder wird! Ich will da nur mal an Mr. 100%, Martin Schulz erinnern! Als die Realität kam, war der Fall tief. Erstmal abwarten was vom Konservatismus des Herrn Merz übrigbleibt. Es gibt zu viele linksgedrehte Merkelaner in der Partei, das wird nicht leicht. Ich weiß nicht ob es die CDU schafft ihr ehemaliges Wählerklientel zu mobilisieren. Ich trau dem Frieden nicht!

Nibelung
2 Jahre her

Er wird doch von jenen gewählt, die altershalber vor Corona Angst haben und demzufolge keine Impfgegner sind und so muß er sie auch nicht erwähnen und überläßt das Thema den Roten, die sich damit ins Abseits stellen. Man kann es nicht genug wiederholen, daß er sich in einem bedauernswerten Zustand bei den Schwarzen befindet und hier gilt der berühmte Spruch der Wahl zwischen Pest und Cholera und wenn man so will ist er zumindest in politschen Angelegenheiten ein Unglücksrabe, denn wie will er denn die Schwarzen aus der babylonischen Gefangenschaft führen, das ist so gut wie unmöglich, denn deren Stern… Mehr

ludwig67
2 Jahre her

„…und Merz als Mann der Offensive und der schnörkellosen Klarheit. Wenn der Sauerländer jetzt noch seine zuweilen arrogante und verletzende Art in den Griff bekommt, hat die Union Grund zur Hoffnung.“

Herr Gafron wurde offensichtlich kurz nach Leitkultur und Bierdeckelreform in einen Tiefschlaf versetzt, aus dem er vor 3 Tagen erwachte.

Wenn Fritze im letzten Jahr irgendwas hat vermissen lassen, dann war es schnörkellose Klarheit.

Hans-Georg Villy
2 Jahre her

Also, seine Aussagen zum Extremismus habe ich etwas anders in Erinnerung. Auch er hob in aller Deutlichkeit und separat die besonderen Bedeutung des Kampfs gegen den Rechtsradikalismus hervor und zwar ziemlich am Anfang seiner Dankesrede, als wesentlichen Punkt seiner Agenda. Erst danach erwähnte er auch den Linksradikalismus, das aber, so hab ich es empfunden, deutlich weniger nachdrücklich. Den religiös motivierten Extremismus hat er nicht explizit genannt. Hiermit bewegt er sich mMn auf der Ebene der Regierungsparteien. Man könnte diese Aussagen, etwas frei interpretiert, auch dahingehend verstehen, dass eine Frau Kahane mit ihrer Organisation auch unter Regierungsbeteiligung der Union nicht um… Mehr

F. Hoffmann
2 Jahre her

P.S. Hören Sie sich einmal die Bundestagsansprache des Abgeordneten Karl-Heinz Stiegler von 1974 an. (Spoiler: Vicco von Bülow)

F. Hoffmann
2 Jahre her

 In den Augen DIESES SO HARTEN KERLS waren Tränen der inneren Bewegung getreten“ klingt ein bißchen nach Landser-Heft-Lyrik aber nicht nach Friedrich Merz (es müßte übrigens „in DIE Augen…“ heißen). Ansonsten wimmelte die Rede von Allgemeinplätzen aber nicht von klaren Eckpunkten. Daß er Corona nicht erwähnte, fällt sicher nicht in den Bereich Rhetorik sondern den des Ungewissen bzw. des Ausweichens. Man könnte noch mehr Punkte ansprechen, aber warten wir mal ab, bis sich der Nebel lichtet. Bin gespannt, ob die Koalition der Linksgrünen (incl. linksgrüner FDP) da mal bissel nachbohrt.

HPM
2 Jahre her

Wenn Hr. Merz und die CDU für Deutschland wieder eine gesicherte wirtschaftliche Perspektive mit bezahlbaren Energiepreisen (für Industrie und Verbraucher!) und damit auch der sozialen Absicherung der Bürger realisieren will,muß sie auch unbedingt eine Korrektur der Energiewende fordern. Deutschland braucht für die Zukunft vor allem autarke und grundlastfähige CO2 freie Kraftwerke zur Stromversorgung. Daher sollte für die Zukunft neben Ökostrom aus Wind und Sonne unbedingt die Kernkraft als CO2 freie Basisenergieerzeugung stehen. Auch die technische Entwicklung geht in diesem Bereich jetzt schnell voran und die alten grünen Angstszenarien von früher taugen nicht mehr als Argument, um uns die Zukunft absichtlich… Mehr

89-erlebt
2 Jahre her
Antworten an  HPM

Der Ruin der Energiewirtschaft ist unter Merkel (CDU) erfolgt, mit freundlicher Unterstützung all der Unions Claqueure !
Ampel ruiniert den Rest und Merz – lächerlich.

Sonny
2 Jahre her

Es fällt mir äußerst schwer, diesen Menschen zu durchschauen. Ich bin weit davon entfernt, allein mit Merz einen Umbruch erkennen zu können, die Parteimitglieder sind ja mehrheitlich dieselben wie vorher.
Das Einzige, was ihn für mich interessant macht, ist, dass er ein absoluter Gegner merkels war und ist.
Ob er sich als Parteichef jedoch auf konservative Wurzeln besinnt und endlich das Ruder herumreißt, hm, da bin ich mir nicht so sicher.
Das Zugehen auf die andere, große Oppositionspartei, nämlich die AfD, würde zeigen, dass er es ernst meint. Allein, mir fehlt der Glaube.