Die neue deutsch-französische Wasserstoff-Feindschaft

Der Streit zwischen Deutschland und Frankreich über die Wasserstofferzeugung eskaliert. Jetzt will Paris den Bau der Wasserstoffpipeline nach Deutschland blockieren – weil Berlin seine irrationale Atomausstiegspolitik exportieren will.

IMAGO / Le Pictorium

Der Atomausstieg Deutschlands ist eine Hypothek. Immer und immer wieder. Früher legte sich Berlin an die russische Kette, heute an die amerikanische, um Gas als Atomstromersatz zu importieren. Aus China importiert Deutschland Seltene Erden und Solarzellen für die Energiewende. In Südamerika sucht es vergeblich nach einem Zugang zu Lithium, um Batterien für seine E-Autoindustrie zusammenzuklauben. Probleme, die es ohne Energiewende in dieser Form nicht geben würde.

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Deutschland hat in diesen Fällen den angerichteten Schaden selbst tragen müssen. Seit das grüne Wunderrezept aber auch ins europäische Ausland exportiert werden soll, bekommt das Bild immer größere Risse – insbesondere unter dem Einfluss Frankreichs. Die alte Erzählung lautet: Wenn das Tandem Berlin-Paris nicht mehr funktioniert, beginnt der EU-Motor zu stottern. In diesem Fall ist von Funktionsverlust keine Rede. Vielmehr sabotiert der eine Radfahrer den anderen.

Schuld daran sind nicht in erster Linie hegemoniale französische Attitüden, sondern eher deutsche Verbohrtheit. Es geht um Wasserstoff – und seine Erzeugung. Deutschland möchte, dass nur der „grüne Wasserstoff“, der mittels Strom aus Windkraft- und Solaranlagen gewonnen wird, das EU-Label „erneuerbar“ bekommt. Frankreich hält dagegen: auch der mittels Atomstrom gewonnene „rote Wasserstoff“ soll als erneuerbar gelten und keine Nachteile erfahren.

Schon macht das Narrativ die Runde: die Franzosen versuchen, „ihren“ Wasserstoff zu bevorteilen. Doch in Wirklichkeit geht es darum, dass Deutschland den „grünen Wasserstoff“ zugunsten seiner eigenen Energiewende-Industrie bevorteilen möchte, indem es den „roten Wasserstoff“ aus Frankreich benachteiligt. Schließlich will man sich den Austritt aus der Atomenergie vergolden lassen.

Das sind Strategien, die auf nationaler Ebene funktionieren mögen, aber ihre Grenzen erreichen, wenn auf supranationaler Ebene klassische Atomstromländer ihre Interessen artikulieren können. Denn Deutschland beginnt damit einen prinzipiellen Streit: es will seinen Nachbarländern vorschreiben, wie es seine Klimaziele erreicht. Dass der CO2-Ausstoß Frankreichs wesentlich geringer ist als der Deutschlands, obwohl man in Berlin die „wahre Lehre“ vertritt, scheint einige grün-rote Vertreter zu wurmen.

Kurzerhand muss der moralische Sieg her: der französische Wasserstoff sei eigentlich gar kein sauberer Wasserstoff. Obwohl der sich wenig vom deutschen unterscheidet, was die CO2-Emissionen angeht. Patzig heißt es von der Bundesregierung: „Wir lehnen dies als Bundesregierung gemeinsam mit anderen Staaten klar ab.“ Gegenüber der Tagesschau sagt ein EU-Beamter: „Atomenergie ist keine erneuerbare Energieform.“ Es geht also doch nicht um Klimaschutz oder CO2, sondern um den deutschen Sonderweg im Speziellen und die EE-Industrie im Allgemeinen.

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In Frankreich hat man den Fehdehandschuh aufgenommen – und greift direkt zum Säbel. Paris will den Bau der Wasserstoffpipeline blockieren, die unterseeisch von der iberischen Halbinsel nach Frankreich und anschließend nach Mitteleuropa führen soll. Sie soll zehn Prozent des europäischen Wasserstoffbedarfs decken. In Deutschland träumt man bekanntlich immer noch davon, Gaskraftwerke langfristig in Wasserstoffkraftwerke umzuwandeln. Der Gruß aus Paris lautet demnach: wenn ihr nicht unseren Wasserstoff wollt, dann macht ihn eben alleine.

Das sind vielleicht nicht die feinen französischen Sitten. Aber anders versteht man es wohl nicht in einem Land, dass Gaskraftwerke im Sinne einer „Brückentechnologie“ als klimafreundlich deklariert und in einem irrationalen Hass jeden Funken Kernenergie als Teufelswerk verurteilt. Im Sommer dürfen dann wieder die französischen Kernkraftwerke als Ausrede herhalten, wenn der eigene Strombedarf nicht gedeckt werden kann.

Vermutlich ist der Streit eine Patriotismuskompensation: dieselben Parteien, die den Nationalismus als überwunden schelten, sind plötzlich die eifrigsten Nationalisten, wenn es um ihren reindeutschen Strom geht. Der Erbfeind ist wieder da, doch statt ums Elsass geht es heute um die Farbe von Wasserstoff. Vielleicht entdeckt Olaf Scholz auch noch die Wacht am Rhein für sich?

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Kommentare ( 81 )

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WandererX
1 Jahr her

Dass mit Frankreich da ein politischer Kompromiss fällig wird, war doch schon lange klar, aber deutsche grüne Frauen kennen keine Welt der Kompromisse! Denn in ihrer religiösen Welt wäre das eine Todsünde! Viele Frauen und nicht nur wenige Männer verwechseln eben Religion und Politik oder setzen das gleich! Und Klimapolitik – scharf gemacht – ist immer reiner fanatischer Kult!
Für AKW- Gegnerschaft sehe ich das aber nicht so, das war seit den 1970ern immer rational begründet und teile ich letztlich.

Ralf Poehling
1 Jahr her

Ohne französische Atomkraftwerke hätten wir keine Grundlastfähigkeit für unsere erneuerbaren Energien. Das ist Fakt. Die angedachte Erzeugung von „grünem“ Wasserstoff mittels marokkanischer Solarfelder, um von französischer Atomkraft unabhängig zu werden, treibt uns in die nächste Abhängigkeit von problematischen Handelspartnern, die uns erpressen können und das auch schon getan haben. Mir sind die Franzosen als EU Partner und direkte Nachbarn mit gleicher strategischer Interessenlage natürlich viel lieber, als die Marokkaner, die schon ab 2015 bewiesen haben, dass sie uns eher als Müllhalde für ihren gesellschaftlichen Ausschuss ansehen. Die Anti-Atom-Panik der Deutschen ist krankhaft und führt zu desaströsen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen.… Mehr

Ralf Poehling
1 Jahr her
Antworten an  Ralf Poehling

Schauen Sie doch mal in die Zukunft: Wer oder was powert die ganzen Teslas, die unsere deutschen Verbrenner ersetzen sollen, wenn Kohle, Gas und Atomkraft bei uns abgestellt sind? Solar- und Windenergie, die nicht mal 10% der derzeitigen Energieversorgung stemmen? Nein, französische Atomkraftwerke. Weil da nichts anderes mehr sein wird.

bfwied
1 Jahr her
Antworten an  Ralf Poehling

Das ist auch nicht vorgesehen, wie die Grünen verlauten lassen. Sie wollen eine andere Welt, in der man nur noch aus zwingenden Gründen „klimaneutral“ individuell fahren darf, ansonsten wie in der DDR mit Massentransportmitteln. Einkaufen prinzipiell nur im 15 minütigen Gehradius!
Sie wollen uns jede Individualität nehmen, jede herausragende Leistung verhindern. Es ist das kommunistische Idioten-Ideal. Es sind kommunistische Idioten. Man kann es nicht anders ausdrücken.
Irgendwelche vergeben solchen Texten konzertiert offensichtlich Negativpunkte! TE sollte eine andere Zählweise einführen, getrennt nach Zustimmung und Verdammung!

WandererX
1 Jahr her
Antworten an  Ralf Poehling

War Frankreich in 1000 bis 1945 gegenüber dem HHR. und D.zuverlässig? Sie sind ein Träumer!

Bert vom weit weit weg
1 Jahr her

„Wir lehnen dies als Bundesregierung gemeinsam mit anderen Staaten klar ab.“ Das hätte ich gerne genauer. Welche Staaten sollen das sein ? Wenn es eine so große Mehrheit für den deutschen Alleingang geben würde, wäre die Atomkraft heute in der EU keine erneuerbare Technologie. Und der Weg der Deutschen sicher kein Alleingang. In diesem wichtigen Thema konnte sich die deutsche Regierung schon vor einiger Zeit nicht durchsetzen und das scheint bis heute nicht verheilte Narben hinterlassen zu haben. Das hier Wasserstoff der ein farb und geruchloses Gas ist mit Farben wie Grün und Rot bezeichnet wird, ist doch nur der… Mehr

Nachrufer
1 Jahr her

Dazu passt folgende Meldung: „Habeck und Baerbock verweigern Ungarn deutsche Reaktortechnik“, vgl.https://blackout-news.de/aktuelles/unglaublicher-vorgang-habeck-und-baerbock-verweigern-ungarn-deutsche-reaktortechnik/

bfwied
1 Jahr her

Es ist ja nicht „nur“ der Wasserstoffstreit, es ist die ungezügelte Migration der dümmsten Art, und es ist die Hinarbeit auf ein niemals demokratisch zu nennendes Gebilde namen Vereinigtes Europa, es ist das Behalten-Wollen der Nationalität und das hasserfüllte Nicht-behalten-Wollen der Nationalität. Alle Völkerkonglomerate sind auseinandergefallen in der Geschichte, heute, wo die Volkszugehörigkeit von Einwanderern stolz hochgehalten wird, wo kleine Bevölkerungsgruppen, wie die Katalanen, Basken, Waliser, Schotten etc., Separationsbestrebungen haben, ist das deutsche Bestreben der Selbstaufgabe und gleichzeitig mit missionarischem Eifer vorwärtsgeprügelter Lebens- und Wirtschaftsweise der große Spaltpilz. Die EU wird nicht mehr lange überleben, sie ist ein diktatorischer Verein,… Mehr

Malte
1 Jahr her

Frankreich, Polen, Norwegen – Gott sei Dank ist Deutschland von Freunden umgeben. Stellt euch bloß mal vor, dass wäre nicht so. Meine Güte, wären wir am Ar…

hert
1 Jahr her

Beides trifft des Pudels Kern, die allseits bekannte hegemoniale französische Attitüde geboren aus einem gewissen Minderwertigkeitskomplex und natürlich deutsche Verbohrtheit der grün-linken Ideologen, der irrationalen Besserwisser mit großem Sendungsbewusstsein.
Vergessen sollten wir auch nicht die Brüsseler Bürokratie, die nun wider Vernunft und Realität das Aus des Verbrenners ab 2035 beschlossen hat.
Aber fassen wir uns an die eigene Nase. Gesinnungsexhibitionismus und Zwangspädagogisieren sind seit der grünen Merkel und der nahtlosen Forsetzung durch die Ampel groß im Kurs.
Offensichtlich hat Schiller nicht ganz Unrecht, wenn er sagt: „Demokratie ist, wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet“.

Giovanni
1 Jahr her

Ich finde es großartig, wenn andere Nationen sich nicht vom „Deutschen Wesen“ genesen lassen wollen. Sie wollen sich nicht in den Irrsinn der deutschen Energiewende hineinziehen lassen.

HPM
1 Jahr her

Bei der Diskussion um die E-Fuels lassen die Grünen die Katze unfreiwillig aus dem Sack. Man wolle diese nicht, weil die Produktion von E-Fuels mit Wasserstoff aus Windkraft viel zu „ineffizient“ sei. Der Wirkungsgrad ist nur ca. 1/3 so hoch als bei der direkten Stromnutzung über Akkus. Andererseits soll sich aber unsere Energiewende auf die Wasserstoffproduktion aus Ökoenergie zukünftig stützen. Die Franzosen können dagegen mit grundlastfähigem und reichlich vorhandenem Strom aus Kernkraft den (sog. roten) Wasserstoff in größeren Mengen relativ preisgünstig produzieren. Sollte man sich zukünftig noch für HTR Reaktoren entscheiden, wäre der Wirkungsgrad der Wasserstoffproduktion auf thermischer Basis sogar… Mehr

martin ruehle
1 Jahr her

Staaten haben keine „Freunde“ sondern „Interessen“.
Rote und Grüne, sowie große Teile der Gelben und Schwarzen dagegen haben sich in Ihrer weltfremden Ideologie verschanzt.