Der verzweifelte Kampf von SPD, CDU und Co um Polarisierung

Der folgenreichste Vorwurf an die Parteien von Linke bis zur CDU lautet: Sie würden alle die gleichen Positionen vertreten und seien daher nicht mehr zu unterscheiden. Im "Kampf gegen Rechts" arbeiten sie jetzt gegen dieses Image an.

IMAGO / IPON

Eine der wichtigsten Begriffe in der Demokratie-Ökonomie ist „die Polarisierung“. Davon ist die Rede, wenn eine Debatte Emotionen erzeugt und die Wähler dazu neigen, die Parteien zu bevorzugen, die eine der Extremen dieser Debatte vertreten. Zum Beispiel beim Atomausstieg. Die Grünen haben von den Wählern profitiert, die den Ausstieg wollten. Zu FDP und CSU gingen einst die Wähler, die den Wohlstand und die Energiesicherheit gesehen haben, welche die Atomkraft mit sich gebracht hatte.

Polarisierungen sind wichtig, um in Wahlkämpfen Bürger hinter sich zu versammeln. Das Problem der Parteien von Linke, über SPD, Grüne und FDP bis hin zur CDU-CSU: Es gibt kaum noch Polarisierungen zwischen ihnen. Eine Folge der Ära Merkel. Die Kanzlerin hat auf die Strategie gesetzt, polarisierende Themen zu vermeiden. Bliebe die Polarisierung aus, so die Idee, würden die Bürger auf das Vertraute setzen. Also auf sie. Diese Strategie ging immerhin bei drei Wiederwahlen auf. Die anderen Parteien versuchten von Merkel zu lernen und näherten sich einander inhaltlich an. Meistens bedeutete das, sie übernahmen grüne Positionen – denn damit hatten sie die grünen Journalisten in ARD, ZDF, Taz, Faz oder Süddeutsche ebenfalls hinter sich.

Nun können Politiker aber nur dann auf Polarisierung verzichten, wenn sie schon im Amt sind und wenn es den Leuten halbwegs gut geht. Dann entscheiden sich die Wähler für das, was sie kennen und voran sie sich gewöhnt haben. Nur geht’s den Deutschen zunehmend schlechter: Die Wirtschaft schrumpft und mit ihr der Wohlstand. Über die Grenzen kommt jeder ohne Ausweis, dafür braucht man diesen Ausweis in Freibädern – weil die zu Hochsicherheitszonen aufgerüstet werden. Um weitere Massenschlägereien zu verteidigen. Der Messertod kann einen mittlerweile überall ereifern. Auf dem Marktplatz, auf der Parkbank oder sogar im eigenen Hof. Täglich finden zwei Gruppenvergewaltigungen in Deutschland statt. Doch der Staat sperrt nicht die Täter ein, sondern die Frauen, die diese Täter kritisieren. Gehört ein Bürger zur Mitte, dann ist er in den Augen der Innenministerin Nancy Faeser (SPD) rechtsextrem und muss sich damit abfinden, dass der Staat seine Mails und Whatsapp-Chats mitlesen will.

Kurzum: Es gibt in Deutschland genügend Gründe, unzufrieden zu sein. Aber jetzt rächt sich die fehlende Polarisierung. Wer die CDU wählt, weil er keine rot-grüne Politik will, bekommt entweder die Grünen als Koalitionspartner oder eine CDU, die auch ohne Grüne grüne Politik macht. Wer die FDP wählt, weil er die Freiheit liebt, darf am Ende nicht mal mehr Schutzräume für Frauen gegen „Transfrauen“ mit Penisen verteidigen oder auch nur Politiker kritisieren. Das steht jetzt unter Strafe, was Delegitimierung des Staates heißt, weil Majestätsbeleidigung blöd klingen würde – und zu ehrlich wäre.

Die fehlende Polarisierung war zuerst für den Aufstieg der AfD verantwortlich. Weil Linke, SPD, Grüne, FDP und Union sich zu ähnlich sind, wechselt ein Wähler zu keiner dieser Parteien, der mit einer der jeweils anderen unzufrieden ist. Die Strategie der besagten Parteien, diesen Effekt durch eine Skandalisierung der AfD zu begegnen, hat nur bedingt funktioniert. Die AfD erreichte zwar bei Wahlen nicht ganz die Zahlen, die sie in Umfragen hatte. Doch sie wurde trotzdem bei der EU-Wahl bundesweit zur zweitstärksten Partei.

Zudem sind andere Parteien aufgestiegen, zu denen Wähler wechseln können, wenn sie mit den Einheitsparteien unzufrieden sind. Zuerst ist damit das Bündnis Sahra Wagenknecht gemeint, das laut Umfragen und EU-Wahl bessere Chancen hat als die FDP, im nächsten Bundestag vertreten zu sein. Dann gibt es noch Volt für die, denen die Einheitsparteien noch nicht grün genug sind, und die Werteunion, die sich für die Landtagswahlen im Osten viel vorgenommen hat, aber bisher noch nicht geliefert hat.

Vor allem die Kombination aus AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht macht den Einheitsparteien Sorgen. Bundesweit erschwert diese Kombination die Bildung von Mehrheiten. Im Osten könnten die beiden neuen Parteien eine Sperrmajorität erreichen. An ihnen vorbei ginge nichts mehr. Deswegen hat sich CDU-Chef Friedrich Merz auch wieder in seiner Lieblings-Disziplin betätigt: Zurückrudern. Zuerst hatte er dem BSW jede Koalitionsfähigkeit abgesprochen. Dann hat er das zurückgenommen und auf die Bundesebene beschränkt. In den Ländern könne er durchaus mit dem Bündnis zusammenarbeiten. Das große Unterscheidungsmerkmal des BSW zu den Einheitsparteien ist denn in der Tat auch ein außenpolitisches beziehungsweise verteidigungspolitisches und folglich ein Bundesthema: die Nähe Wagenknechts zu Russland und die Forderung, die Unterstützung der Ukraine einzustellen.

Derzeit sind viele politische Debatten durch den Versuch zu erklären, wieder eine Polarisierung innerhalb der Einheitsparteien von Linken, SPD, Grüne, FDP und Union hinzubekommen. Deswegen vertritt die CDU in der Einwanderung jetzt Positionen, die das Gegenteil zur Politik ihrer ehemaligen Kanzlerin darstellen und gegen die ihre eigenen Mitglieder auf den Demonstrationen „gegen Rechts“ protestieren. Deswegen hält sich die FDP wie ein Ertrinkender an der Schuldenbremse fest. Und deswegen bezieht die SPD wider jedes bessere Wissen Maximalpositionen in der Sozialpolitik.

Dieser Versuch der erneuten Polarisierung hat etwas Rührendes an sich. Jeder weiß schließlich, dass es die Union war, die diese Einwanderungspolitik begründet hat, und dass sie diese im Zweifelsfall weiter mittragen wird. Kein Arbeitnehmer und auch kein Unternehmer wird es der FDP danken, wenn sie die Schuldenbremse rettet, indem sie weiter Staatsausgaben auf die Krankenkassen, Renten- und Pflegeversicherungen verlagert und damit Arbeit weiter verteuert. Und selbst dem realitätsfernsten Sozialdemokraten dämmert, dass dieses Sozialsystem nicht mehr zu halten sein wird, wenn die Zahl der arbeitsfähigen Empfänger von Bürgergeld weiterhin derart rapide steigt. Wegen all dieser Widersprüche glauben immer weniger Bürger den Einheitsparteien ihre Versuche der Polarisierung.

Wobei diese gescheiterten Polarisierungen auch ihre lustigen Seiten haben. Zumindest für all die, die es noch aushalten, Deutschlandfunk zu hören oder ARD und ZDF zu schauen. Dort stellen die grün-roten Aktivisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wieder Positionen dar, die sie vor kurzem als „Hass und Hetze“ noch rundweg abgelehnt haben. Sie lassen Christdemokraten nun im Programm mit diesen Positionen zu Wort kommen in der Hoffnung, dass ein wenig der Polarisierungseffekte auf die CDU abfalle, die sonst der AfD zugute gekommen wäre. Lustig ist der innere Kampf, in dem sich die ÖRR-Aktivisten zusammenreißen, um Christdemokraten ausreden zu lassen – obwohl sie eigentlich viel lieber nach jedem Wort einen Vortrag mit ihren eigenen Ansichten dazwischen brüllen würden.

Die Polarisierung ist ein Mittel der Demokratie-Ökonomie. Sie löst keine Probleme. Sie hilft, richtig angewandt, Wahlen zu gewinnen. Doch den regierenden Einheitsparteien kann sie aktuell nicht helfen. Im Frühjahr haben sie mit dem inszenierten Skandal der „Konferenz von Potsdam“ und den darauffolgenden Demos gegen Rechts eine große Polarisierung versucht. Mit dem Ergebnis, dass sie bei der EU-Wahl zusammen nicht einmal mehr zwei Drittel der Wähler auf sich vereinten. Künftige Polarisierungen helfen daher nur der AfD, dem Bündnis Sahra Wagenknecht und vielleicht Volt oder der Werteunion. Den regierenden Parteien hilft es nur, wenn sie in der Regierung Probleme lösen – und nicht weiter durch grün-ideologische Verblendung noch verschärfen.

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Kommentare ( 52 )

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Peter W.
1 Tag her

Der Oppositionsführer spricht und die komplette Regierungsbank „daddelt“ auf den Handys herum. Keinen Respekt Herr Scholz? Das Habeck sich nicht benehmen kann naja und Lindner daddelt auf seinem Handy damit er niemand in die Augen schauen muss. Alles Looser.

jopa
1 Tag her

Das bestätigt meine Meinung: Alle, CDU, SPD, FDP und Grüne sind Blockparteien der Nationalen Front. Und BSW ist die Blockflötenversion der AfD. Man wird es im Herbst sehen: Die Nationale Front wird an der Macht bleiben, überall.

Axel Fachtan
2 Tage her

Wir haben eine überparteiliche Fraktion der Beliebigen, die bereit sind, alles zu zerstören, wenn es der eigenen Macht und dem eigenen Vorteil dient. Die brauchen kein Volk mehr. Die spielen sich gegenseitig die Bälle zu. Nicht das Volk ist da Schiedsrichter, sondern die transatlantischen Turboegoisten. Machtmissbrauch ist an der Tagesordnung, es funktioniert nur noch das, was Politik und Verwaltung Nutzen bringt, sonst nichts mehr. Kleines Beispiel für Machtmissbrauch ist die unverschämte Rentenformel der EU Abgeordneten. Wenn die 20 Jahre in Brüssel sind erhalten die im Rentenalter 70 Prozent der letzten Bezüge. Diese Rentenformel sollte sofort in der Deutschen Rentenversicherung eingeführt… Mehr

Eberhard
2 Tage her

Zumindest seit Merkel stark zunehmend, setzten die großen Volksparteien nicht mehr um, was das Volk wollte. Immer mehr sollte das Volk das akzeptieren, was die Parteioberen mit ihrem steigenden Ego als Leitlinie vorgegeben. So regierte Merkel und wenn das Volk anderer Meinung, war es eben nicht mehr ihr Volk. Fast die ganze angebliche politische Elite übernahm diese Form politischer Einflussnahme, Belehrung und Meinungseinschränkung. Um sich das dafür passende Volk zu schaffen, sollte die große Transformation in eine neue Gesellschaft stattfinden. Mit immer mehr Belehrung, Volksverdummung, jede Menge Tabus, Transformation und vor allem Massenzuwanderung, vorwiegend aus bindungsarmen Regionen dieser Welt, sollten… Mehr

Haba Orwell
2 Tage her

> Nur geht’s den Deutschen zunehmend schlechter: Die Wirtschaft schrumpft und mit ihr der Wohlstand.

Es ist viel schlimmer – ganz Westeuropa steht praktisch kurz vor dem Ende, was der Michel bisher fröhlich verdrängt:

https://uncutnews.ch/es-wird-nicht-das-ende-der-welt-sein-aber-das-ende-europas/

Die allerletze Chance, aus dem Tiefschlaf aufzuwachen – bald könnte es zu spät sein.

> „… unabhängig davon, was mit “der Welt” geschieht, scheint Europa zweifellos schon sehr nahe an einem tragischen Ende zu sein. …“

Franz O
2 Tage her

Weil Linke, SPD, Grüne, FDP und Union sich zu ähnlich sind, wechselt ein Wähler zu keiner dieser Parteien, der mit einer der jeweils anderen unzufrieden ist.“
Einspruch. Ich bin mir sicher die Union zieht jetzt gerade reichlich Wähler von Grünen, SPD und FDP ab. Die Zahl von 30% gibt das absolut her.
Im Augenblick wird sich die AfD mit knapp unter 20% zufrieden geben müssen. Erst nach 2025, wenn die Merkelpartei unzweifelhaft wieder mit Rotgrün koaliert und den ganzen Mist weiter naturgemäß fortführt, kann der nächste Schritt folgen.

Innere Unruhe
2 Tage her

Polarisierung?
Und was ist dann Demokratie? Ist Demokratie, wenn alle einer Meinung sind wie in der UdSSR, DDR oder Nordkorea?
Was genau ist denn der Unterschied zwischen Polarisierung und Demokratie? Das ist ja gerade das Reizvolle an der Demokratie, dass es Alternativen – Pole – gibt. Wozu soll ich noch zur Wahl gehen, wenn alle das Gleiche wollen? Und wozu brauchen wir einen so großen BT, wenn dort alle das gleiche denken?
Wie sagte es Karl Valentin „Wo alle das Gleiche denken, wird nicht viel gedacht“.

Eugen Karl
2 Tage her

Die Parteien polarisieren nicht, weil ihnen vorgegeben ist, was sie zu wollen haben. Eine Merkel-Strategie ist das sicher nicht, so etwas hat die sich doch gar nicht einfallen lassen können. Wenn aber bereits 80% der Politik von Brüssel aus bestimmt wird (z.B. Green Deal), dann bleibt deutschen Politikern nichts übrig, als überall dasselbe zu wollen, der eine etwas schneller, der andere etwas weniger usw. Wer Polarisierung und produktiven Streit zwischen den Parteien will, der muß das Monster in Brüssel beseitigen. Politik muß dahin zurückgeholt werden, wo sie unmittelbar Auswirkungen hat.

Haba Orwell
2 Tage her
Antworten an  Eugen Karl

> Wer Polarisierung und produktiven Streit zwischen den Parteien will, der muß das Monster in Brüssel beseitigen.

Hinter diesem Monster steht ein mit jährlichen Treffen in Davos und einem ständigen Büro in Genf. TKP brachte mal einen Artikel, WEF sei ein CIA-Projekt – wenn es stimmt, kann man grübeln, wer letztendlich dahinter steckt.

Merkel war übrigens eine Young Global Leader beim WEF; von dort dürfte sie ihre Strategien haben.

Waehler 21
2 Tage her

Im Prinzip ist die Politik für den Wähler zu einer Art von Lindenstraße geworden. Ein bisschen Probleme hier und da, aber am Ende treffen sich alle beim Griechen und haben sich dann wieder lieb. Unterm Strich also Demokratie ja, aber nur wenn es um Toiletten für das dritte Geschlecht geht und andere lapidare Themen! Die wirklich wichtigen Weichenstellungen und ihre Konsequenzen werden dem Bürger aber nicht mehr klargemacht, sondern ich glaube es gibt eine Übereinkunft , dass diese Entscheidungen im „Hinterzimmer“ bleiben. Also wissen Sie vielleicht wieviel Geld uns das Engagement für die Ukraine kostet? Die 1. Klasse Flüchtlinge aus… Mehr

FundamentalOpposition
2 Tage her

Nein, es wird nicht mehr zugehört, nie wieder irgendwas was von einem aktuellen oder ehemaligen irgendwie auch im entferntesten Sinne mit den Einheitsparteien verbunden Akteuren, seien dies Organisationen oder Individuen. Das einzige was ich persönlich noch über Einheitsparteien Nahe „Menschen“ und Organisationen erfahren möchte, ist das sie tod sind, mit der Hoffnung das dieser Tod gewalttätig, brutal und barbarisch sein wird.